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- 12.04.2007
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- Anmerkungen zum Text
Anregungen fand ich bei Carlo Zwei vor allem in
„Theorie“ Theorie
und ein wenig im Titel
„Einzeltiere“ Einzeltiere
Quasi modische Deorie der Deologie
oder
Wie ich die Stones nach Sankt Erkrath holte
“It is the evening of the day
Eye sit and watch the children play
Doing things Eye used to do
They think are new
Eye sit and watch
As tears go by“ *
Gestern Nachmittag bin ich beim Pferdesprung mit den Zehen hängen geblieben. Keine Frage: Die Folgen werd ich wohl lebenslänglich im Gemächte spüren. Hätt‘ vorgestern nicht so viel trinken dürfen auf der Konfirmation von Ulli und mir. Udo, unser Vetter, braucht sich nie mehr blicken lassen! Schenkt mir den Lokführer und dem Ulli die deutsche Clementine.
Wie also, bitteschön, soll man Casey Jones und die Governors und deren „Don‘t Ha Ha“ ertragen?
Da ist „Love Me Do“ ein intellektueller Höhenflug an Schülerpoesie.
Und dann Ronny mit „Oh, my darling“!
Verboten gehört der!, das amerikanische Original ist wenigstens witzig …
Achja, zum Dank hab ich meine Gitarre genommen und der Ulli ne leere Keksdose nebst Holzlöffeln und dann haben wir die Geburt des Panx, wie man heute sagt, am Niederrhein zelebriert mit „You Really Got Me“. Und die ganze Bagage des Glück-auf und ab des Berg- und Maschinenbau', der Schwerindustrie, Chemie und Rente hat zuhören dürfen und leiden müssen.
Papa hat sich sicherlich die ganze Zeit gefragt, warum es keinen Arbeitsdienst mehr gebe, und Opa wird bis ins Grab hinein behaupten, Arbeitsdienst hätte noch niemand geschadet, sein Sohn – Papa – wäre der lebende Beweis.
Abends hat Mama Gott gelobt, dass er ihre Eltern schon zu sich genommen hat. Die Katholen haben die Vorteile ihrer Konfession mit der wesentlich früheren Jugendweihe hervorgehoben, vor allem aber, dass das Drecksblag seinen Eltern noch nicht übern Kopf spucken kann.
Bis auf ein Muttertier sind wir alle besoffen gewesen.
Und dennoch ist es seither daheim sehr still und einsam um Ulli und mich.
Bin ich jetzt unfruchtbar?
Scheiß drauf!
Dreimilliarden Menschen sind mehr als nur einer zu viel –
selbst wenn alle eng beieinander stehend Platz auf dem Bodensee fänden, wie ich mal gelesen hab.
...
Heiliger Bimbam! -
Was will die Amanda Esmeralda Schowma Caloderma Ilsebill denn von mir?
Ist Frl. Ilsebill nicht schon in der 6 a, Abschlussklasse und mindestens sweet little sixteen?
Darf die überhaupt auf unsern Schulhof?
Und woher weiß die, so zielgerichtet, wie sie auf mich zukommt, dass man mich gerade des Klassenraumes verwiesen hat wegen groben Unfugs? Warum? Wer kann das wissen jenseits der 4 c, frag ich mich - ich, Beatus Windje, der glückliche Bruder des Ulli Furz'?
Also, der Mats hat sich wegen noch gröberen Unfugs während des Musikunterrichts – Thema: Blockflöte! - gerade eine Klatsche links und rechts auf die Ohren eingefangen und laut aufgeheult, „ich hör‘t piepen“ und mir rutscht es darauf raus „dat is ja dolkomisch!“ und mich vom ansteckenden allgemeinen Gelächter nicht mehr eingekriegt ...
Und jetzt sitz ich hier auf der Treppe zum Schulhof für „Knaben“.
Bis gerade eben allein ...
Heiliger Klabautermann – jetzt wird mir aber warm.
Die Lollo will tatsächlich was von mir ...
„Du bist der Beatle?“
„Ja – so isset amtlich und so sacht man. Aber bitte statt hartem [təl] mit weichem [dəl], wie‘t der Liddypooler so sacht!“
„Also [‘bi:dəl]?“
„Bingo – und …“
„Ich bin die Ilsebill aus der sechs, aber das weißte sicher “, mein Gott, die Stimme, jetzt hab ich Hummeln in der Hose, diese weiche Stimme. „Ich hab gehört, du bist schneller als Armin Hary …“
„Hm, ja. Auf jeden Fall schneller als Fritz Roderfeld.“
Jetzt setzt sie sich neben mich auf die Treppe. Warm wird mir … immer mehr.
Wonach riecht die?
Kommt die gerade aus der Küche?, denn es wandelt der Volksmund in mir und rezitiert „Ilsebilse, keiner willse, nur der Koch nahmse doch, weilse schön nach Zwiebeln roch.“ Kurz: Es zwiebelt in der Nase.
„7,4 Sekunden ist ganz schön schnell …“ und sie rudert gleich wieder zurück: „Naja, bei deiner Leichtbauweise ist gut und leicht aus dem Startblock kommen“, will sie mir erklären und spielt auf mein Untergewicht an.
„Kein Kunststück also“, schließ ich, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, schneller zu sein als der Weltrekordler und Olympiasieger auf der kurzen Strecke.
Jetzt rückt sie wieder ein bisschen von mir ab und deutet auf meine Nase.
„Haste eine drauf bekommen?“
Muss die Frage sein, denk ich und behaupte dennoch und stelle richtig: „Nee, auf‘m Weg hierher hat sich ‘n Rad vom Rollschuh gelöst und ich bin auf Höhe vom Jupphotel gestolpert und voll auf die Fresse. -
Hab eh ne krumme Nase – schau mal genau hin ...“
„Weiß ich!“, fährt sie dazwischen, rümpft die Nase ein wenig, „aber warum ich komme, nicht weil du ein Ass in Mathe und Geschichte bist: Ich hab deine Zeichnung gesehen, »Robert Koch auf der Suche nach dem Tuberkel«, die gefällt mir - eigentlich gefällt die allen – die ist gut und das ist ja auch der Grund, warum ich die Erlaubnis vom Zeus hab und auf euern Schulhof darf“ und dann fügt sie – nicht ohne die Nase zu rümpfen - hinzu: „Du riechst streng – ja, ja, es ist warm und man schwitzt – nicht nur auf Rollschuhn, aber du riechst nach nassem Hund und bist ein richtiges Schuppenwunder …“ und wischt mit ihrer Hand über meine Schultern - wie Mama!, durchzuckt es mich, fehlt nur noch, dass sie mir jetzt den Scheitel gerade ziehen will oder die Haarsträhne zur Seite.
Das Gemächte scheint sich zu erholen.
„Ich bin Fisch!“, werf ich ein, „verstehstu? -
Wär ich Vogel, hätt ich Federn ...“
„Ah ja“, nickt sie verständnisvoll – und kommt näherungsweise zur Sache: „Haste nicht Lust, an der Eszett mitzumachen?“
Klar, hab ich!
„Was muss ich tun?“
„Keiner zeichnet hier so gut wie du – also hauptsächlich Grafik.
Aber schreiben ist nicht ausgeschlossen.
Also überleg dir was und brings vorbei. -
Übrigens hab ich gehört, du bis Pfadfinder …“
So fragt man Leute aus …, denk ich und gebs doch zu:
„Bin ich, Geuse …“, was sie nicht weiter interessiert, dass die mal Holland unter Wasser gesetzt haben, um Spanier zu ersäufen.
„Da kannste wahrscheinlich auch Gitarre spielen …“
„So‘n bissken.“
„Was spielste so – außerm Wandersmann?“
„‘Apache‘. - Zum Bleistift.“
„‘Apache‘?“
„Ja, von den Shadows … weißtu?“
„Das ist doch Cliff Richard, oder?“
„Nee, ist nur instrumental.
...
Aber Dylan ist gerade gefragt an Lagerfeuern, wenn dir nach Sängern ist.“
„Dylan?
Wer zum Deibel ist Dylan?
Dylan Thomas?"
„‘Blowin‘ in the Wind‘, kennstu bestimmt, aber gegen mich klingt Bobby Dylan wie‘n Caruso“, gesteh ich ungefragt ein und schließ:
„Aber warum willstu das wissen?“
„Der Luis sucht noch nen Gitarristen …“
Der Luis?
„Meinstu unsern Luis?" - einer der ältesten in meiner Klasse. Kam vom altsprachigen Gymnasium rüber, obwohl der Henckels immer sagt, solle keiner glauben, Realschule sei einfacher als Gymnasium. „Warum fragt der mich nicht selber, wo er doch in meiner Klasse ist?“
„Will er in der Eszett ausschreiben. -
Unter nem halben Tausend Mitschülern wird wohl der eine oder andere Interesse zeigen.“
„Kannst‘m sagen, dass ich spiele fast wie Brian Jones … aber bestimmt wie Ray Davies.“
Die Namen kennt sie nicht und schon erhalt ich mein erstes Thema für die Eszett als ich fortfahr: „Den Jones musstu hören mit Little Red Rooster,“ schwärm ich, „schwärzer als ein Howlin‘ Wolf …“ und ich referier: „Den Namen und die Band wird man sich merken müssen, kannstu einen drauf lassen. Sind Freunde von den Beatles, bleiben aber näher beim Blues …“, dass sie dazwischenfährt „nee, stell die in der Eszett vor – ja?“
Und also soll es geschehen!
Ich bin ins Dörfchen, kaufe vom Taschengeld die Single “Tell Me (You‘re Coming Back)“, zeichne mit weichem Stift das Cover der fünf Köpfe mittig auf einem Blatt DIN-A4 und hab mit einer guten braven Adler den Covertext um mich angereichert darüber getippt.
Nun, fünf Jahre später wird Brian Jones tot sein und ich werde in der kfm. Lehre weniger sperrige, aber jüngere Mädchen kennenlernen und in Werk- und Berufsschule Dutschke imitieren. Schon da wird mir das Original des »Robert Koch auf der Suche nach dem Tuberkel« nicht mehr vorliegen, aber ich könnte es jederzeit wiederholen und somit wieder holen. Da schaute der Betrachter auf ein steil sich erhebendes, dezent behostes fettes Hinterteil eines korpulenten, knienden Körpers in einem weißen, mutmaßlichen Arzt-Kittel, dessen Oberkörper nebst Haupt und Arm unter einem entsprechend aufgewölbten Teppich be- und verdeckt wäre.
Ironie oder Fügung: Zwanzig Jahre lang wird das Jupphotel mein Arbeitgeber.
Die wenigen Male, da Esmeralda und ich uns nach der Schulzeit wiedersehen, verlaufen, wie bei einem grünen Stein und einem Fisch zu erwarten ist. Jede Begegnung: sperrig - als wäre immer noch Küchengeruch und nasser Hund zwischen uns - und heute stelle ich mir vor, in klassischer Manier vorm Balkon eines Altenheims zu stehn und vorzutragen (für irgendwas muss ja Theater zu spielen gut sein)
“Had we but world enough and time,
This coyness, lady, were no crime.
We would sit down, and think which way
To walk, and pass our long love’s day.
...“ **
* As Tears Go By" von Jagger/Richards, geringfügig abgeändert durch Austauschen von "I" & "eye"
** Andrew Marvell, aus "To His Coy Mistress"