Predigt
Dort wo einmal Wald war, fruchtbare Äcker das Land beschrieben, siehst du uns kriechen, du Gott. Dort, wo der Regen die Flüsse hat anschwellen lassen, manchmal nur, aber verlässlich wiederkehrend, siehst du uns auf Knien nach unserem Leben suchen. Uns, die wir die Reste deiner Herde sind. Die letzten Schafe. Sieh uns gut zu. Wir sind es, die du aus Staub geformt hast, wir auch die, die jetzt Asche fressen.
Es war das schönste Licht auf dieser Erde.
Die Ratten kamen aus den Kanälen, so geblendet waren sie. Sogar da unten. Du hast gewusst wie es wird, das Ende. Du hast darüber Bescheid gewusst. Du hast uns auch das zugetraut und dich dabei nicht geirrt. Wir sind wieder dort, wo wir begonnen haben. Wasser suchen wir. Und Essbares. Alles ist verschwunden. Kaum dass wir gelernt hatten, mit den Supermärkten, den Einbauküchen, den Waschstraßen umzugehen, kaum dass wir das alles bedienen konnten, war es auch schon wieder weg. Mit deiner heißen Faust hast du alles weggewischt. Und sag nicht, dass du es nicht warst. Du ließest uns groß werden und damit wuchs auch dein Zorn auf uns. Du merktest, dass wir dir ähnlich werden würden. Du selbstverliebter Schönling. Du hast unseren Tisch leergefegt von all den vollen Schüsseln, in die wir hineingewürgt hatten, weil wir die Übersättigung nicht mehr ertrugen.
Sieh her, du Gott, du. Wir waten durch knietiefe Rückstände. Feine Metallsplitter, geschmolzene Kunststoffpartikel. Und überall diese Asche.
So schnell sind wir dorthin gelangt.
An den Ort, den wir früher schon so leichtsinnig besungen hatten. Wir kennen den Text des Liedes. Er klingt als tausendfach überlagerter Canon in unseren verbrannten Ohren, liegt mit den versunkenen Städten am Grund der Meere.
Wie war das noch.
Ashes to ashes, dust to dust, that’s what have become with our love and trust.
Verzeih uns, du Gott, wenn du unsere Mäuler verzerrt siehst beim Singen.
Wir lachen nur. Oder richtiger gesagt: Wir versuchen zu lachen. Das letzte Kind haben wir im öligen Schlick einer zerborstenen Ölleitung begraben. Es in der Asche zu bestatten hast du uns nicht gelehrt. Was hast du uns gelehrt? Zu lügen, zu stehlen, zu morden. Das Verbot reizt. Nur das alleine. Du hast es gewusst.
Der Sturmwind lässt die Asche wandern. Wir glauben nicht an Auferstehung. Der Schlick ist ehrlicher.
Wir brauchen Wasser.
Der Horizont ist gelb.
Hier muss Berlin gewesen sein.
Der Himmel ist zerrissen und noch immer reißt er weiter auf. Dieses Heulen über uns. Auch die Erinnerung an einen Foxtrott ist dahin. Wer sollte sich erinnern? Wenn wir niemanden finden, sind wir die Letzten. Deine Herde war riesig und unüberschaubar geworden. Du wusstest, dass wir es ärger trieben als die Ratten. Du wusstest, dass du uns nicht vertrauen darfst. Hattest du uns vertraut, weil du uns geliebt hast?
That’s what have become with......
Hast du da oben in deinem zerrissenen Himmel einen Spiegel? Schau dir in die Augen. Schau dir in deine weisen Augen und frage dich, ob du mit uns richtig gehandelt hast. Adam hast du den Ersten von uns genannt. Das Paradies hast du ihm versprochen, ihn später daraus verjagt.
Du hast Eva erschaffen. Aus einer Rippe, du Hochstapler. Du hast nicht nachgedacht. Macht euch die Erde untertan, hast du gebrüllt und gelacht dabei, weil du wusstest, wie es enden würde. Wir begannen dir zu glauben, haben Völker für dich ausgerottet. Nichts war uns heilig außer dein Wort. Wir begannen dich zu lieben, du Hundsgott, du Gott der Fliegen und der Asche. Wo bist du jetzt? Gib uns ein Zeichen. Zeig mit deinem verdorrten Finger auf den Quell, den wir jetzt brauchen.
Du Wahnsinniger da oben.
Wir gehen den Blitzen nach, die unentwegt einschlagen. Der Boden ist heiß. Erde ist nicht mehr. Hiroshima war gar nichts, Dresden noch viel weniger. Wir haben unsere Namen vergessen. Wir haben unsere Sprache verlernt. Wir artikulieren mit verschmorten Armstümpfen, reißen uns das Fleisch in Stücken vom Körper. Wir haben so manchen Kopf an die Säue verfüttert. Glaube an uns. Glaube du jetzt an uns. Wir sind die wilde Horde und mit uns beginnt der neue Tag. Wir malen dir den Tag neu aus mit unseren Armstümpfen. Wie Pinsel schwingen wir die. Such dir die Farben aus doch wähle gut. Wir sprechen nicht von Auferstehung. Du sagtest Endzeit dazu, doch es ist nur eine Predigt. Und sie wird schlimmer als die Endzeit jemals sein kann.
Eine letzte Mauer steht noch. Auch hinter die gelangen wir. Gnade dem, den wir dort finden. Dafür, was dann kommt, sind wir noch viele.
Bist du das hinter dieser Mauer, Gott, he?
Wir werden dir predigen.
Deine Worte, du Teufel.