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Präventivrache
Zwei Kanister Benzin, ein Fleischerhaken, eine Rohrbombe und ein Brett mit Nagel drin.
Wer auch immer mir was will - ich werd’s ihm zeigen. Und tatsächlich, ich weiß auch, wer mir was will und was er vorhat. Das hat mir Schorse gesteckt, und normalerweise ist Schorse sehr verlässlich, was solche Sachen angeht. Der ist ein echter Kumpel. Auf den kann man sich immer hundertzwölf komma drei vier Prozent verlassen. Weiter im Text.
Ein Luftgewehr, geladen, eine Dose CS-Gas, eine Fahrradkette und zwei Dutzend Reißnägel.
Zugegeben: Einmal hatte Schorse komplett falsch gelegen. Das war damals die Sache mit dem fetten Schwabbel Korinth. Der hatte mir in Wirklichkeit gar nichts gewollt. Das kam dann hinterher heraus, da war es natürlich zu spät. Aber im Nachhinein betrachtet: der Übergewichtige hatte die Abreibung trotzdem verdient gehabt. Wie wir später erfuhren, hatte das Mastschwein heimlich die Freundin vom degenerierten Hugo begattet. Hinter ihrem Rücken. Ekelhaft, wenn man daran denkt. Außerdem hatte er mal als Pfadfinderleiter Devisen unterschlagen, mindestens sieben Mark, das haben wir ihm nie vergessen, denn damals war das viel Geld. Und als ob das noch nicht reichen würde, quasi als Krönung, war er noch unsagbar fett. Einfach unbeschreiblich voluminös gigantisch überdimensional erschütternd dick. Wenn das mal nicht mehr als genug ausreichende Gründe gewesen sind.
Ein Baseballschläger, ein Schlachtermesser, eine Socke mit einem halben Ziegelstein und sechs Dartpfeile.
Perry Rosenthal - der will mir was! So heißt der Wicht. Ein Name wie aus einem missratenen Paukerfilm mit Theo Lingen. Ein Name wie aus dem Sortiment von IKEA gestrichen. Ein Name von einem Steckbrief eines gesuchten Sexualverbrechers. Ein Strichername, ein stinkender, kranker Schweinename. Der allerletzte Name auf der ganzen Welt. Mir dann etwas wollen, noch dazu mit diesem Namen, da hat er die Rechnung ohne seine Nemesis gemacht. Okay, meinetwegen soll er’s versuchen, aber dann werde ich ihm zuvorkommen. Damit muss der düstere Konspirateur rechnen.
Eine abgesägte Schrotflinte, zwei Stinkbomben, ein stabiler Eisenprügel und das alte Bajonett von meinem Großvater.
Perry Rosenthal - der weltbekannte Stadtstreicher, der asoziale Krampenkönig. Sitzt den ganzen Tag in seinem muffigen Büro und wälzt Akten, schmiedet aber in Wirklichkeit finstere Pläne gegen mich. Das hat er sich so gedacht, der Herr Rosenthal.
Ein Beil, gut geschliffen, eine Schreckschusspistole, eine Packung Böller und ein Bratenspieß.
Das erinnert mich an dieses eine Mal, vor zwei Jahren, als Tockwurst-Karl mir was wollte. Die Information hatte Schorse mir zugetragen. Ich gehe also hin und ziehe ihm eins mit ner Magnumflasche über. Da brauchte ich den ganzen Rest meiner Ausrüstung gar nicht mehr einzusetzen. Alles umsonst mitgeschleppt.
Drei Ampullen Schwefelsäure, ein Paar Handschuhe mit aufgeklebten Glasscherben und eine Schleuder mit Kieseln als Munition.
Da fällt mir ein: Batterien für die Stichsäge habe ich vergessen, ich Volldepp! Da klatscht man sich doch an die Stirn! Nun denn, muss ich eben ohne die Säge auskommen. Das wird schwierig, weil sie normalerweise essentiell ist. Vielleicht finde ich ja irgendwann das Netzteil wieder. Wo war ich stehengeblieben...
Ein paar Daumenschrauben, eine Katana und eine 45er Magnum. Das war alles. Nur das Nötigste. Dann kann’s ja los... Hoppla!
Hat die alte Rampalla doch wieder vergessen, die Teppichecke auf dem Treppenabsatz nach dem Putzen wieder umzuklappen. Das kann ich natürlich auch nicht sehen, schwer beladen, wie ich bin. So denk ich mir noch, aber da falle ich auch schon.
Verfluuuuuuuuuucht!
Mein Arsenal segelt durch die Luft und ich krache auf die erste Stufe nieder, leider hab ich mir die Handschuhe mit den Glasscherben bereits angezogen, sie bohren sich in meine Haut, aber bevor ich zum schreien komme, geht die Schreckschusspistole neben meinem Ohr los, mein Trommelfell platzt, der Rest der Reise verläuft ohne Ton, eine Ampulle Schwefelsäure zerbricht auf meinem Fuß, ich brülle lautlos, zweite Stufe. Die Daumenschrauben fallen mir auf den Kopf, ich greife wild um mich, kann mich aber nirgendwo festhalten, ich erwische die Spitze des Bratenspießes, wieder großes Geschrei und Geklage, dritte Stufe. Die Rohrbombe trifft mich im Genick, und der Baseballschläger im Auge, zu weiteren Schmerzenslauten kommt es aber nicht, da ich plötzlich eine Ladung Reißnägel im Mund habe, vierte Stufe. Die Fahrradkette wickelt sich um meinen Hals, ich schlittere mit dem Bauch genau auf das Brett mit Nagel drin, viel Gekreisch, ein Querschläger aus der Schrotflinte trifft mich am Arm, fünfte Stufe. Ich knalle auf den Benzinkanister, dann sehe ich die Böller und hoffe, dass jetzt nichts Funken schlägt, ich stöhne, als mich die Daumenschrauben ein zweites mal am Kopf treffen, ein Dartpfeil steckt mir in der Nase, die Katana schlitzt mir das Schienbein auf, sechste Stufe. Die Stinkbomben platzen auf. Wenn ich schon keinen Sound habe, so nun doch wenigstens Geruch. Schon rutscht das Bajonett an mir vorbei und erwartet mich am Fuß der Treppe, ich Falle auf das CS-Gas und nebele mich ein, tränend und hustend klatsche ich mit der Stirn auf den Eisenprügel, siebte Stufe. Das Schlachtermesser schneidet mir ins Ohr, das Luftgewehr schießt mir in den Nacken, das Beil erwischt bloß meine Hose, und die Schleuder ist zum Glück leicht, mir ist schon genug Schweres auf den Schädel gefallen, dafür spieß ich mir die linke Hand auf den Fleischerhaken, achte Stufe, die Daumenschrauben treffen mich ein weiteres Mal, diesmal ins Zentralmassiv, ich rutsche direkt ins Bajonett und Schluss.
Juchu, Glück gehabt: Die Socke mit dem Ziegelstein hat mich verfehlt!
Trotzdem, oooooh, bin ich wütend, oooooh. Wie ein rotes Monstrum erhebe ich mich aus dem Schrotthaufen am Fuß der Treppe, wühle mich aus den Überresten meines einst so stolzen Arsenals. Keine Zeit, die Wunden zu lecken, nun ist die Zeit der Rache. Ich befreie mich von dem umliegenden Müll, komme zur Oberfläche, der Schutthaufen gebiert einen Engel der Vergeltung.
Wer mir das angetan hat, ist wohl klar. Wer verantwortlich ist für mein Martyrium, wer Schuld hat an meinem Unglück.
Perry Rosenthal, das Schwein.
Ich ziehe eine tiefrote Spur zu Unrecht vergossenen Blutes durch die Stadt. Rosenthals Verhängnis humpelt durch die Straßen, mit nichts als der 45er in der Hand. Die Leute Glotzen, als hätte sie noch nie einen Racheengel gesehen.
Da oben ist das Büro der Sau. Im Wutrausch, in Trance und Rage stürme ich die Treppen hinauf zur Basis des Verbrechers, Blut spuckend und eine Aura des Todes verströmend. Das ist seine Tür. Endlich. Der Misthaufen wird es sich in Zukunft zweimal überlegen, ob er mir noch mal was will. Oder besser gesagt, er wird sich nie mehr irgendwas überlegen können.
Ohne zu zögern trete ich die Tür ein, das Stück Scheiße sitzt am Schreibtisch und benimmt sich so, als ob nichts wäre, gafft mich an und tut überrascht, aber ich fackel nicht lange, ziehe die Magnum und drücke tausend mal ab.