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Panneköpp’ auf’m Weg zum e-car
Panneköpp’ auf’m Weg zum e-car
”... but I may as well try and catch the wind.”
Donovan
Als Peter bemerkte, dass er den Kühlschrank offen gelassen hatte, war es bereits zu spät. Der Koloratursopran seiner Königin der Nacht verlief sich wenig mozärtlich von der Küche in seinen Gehörgängen als ein „Wat hasse dich dabei widda’ jedacht?“
Ihm wurde die eigene Schlamperei schlagartig bewusst, er stellte sich aber dumm, was ihm nicht allzu schwer fiel, und flötete mit vollendetem Falsett und aufrichtig zurück: „Wat kann und soll ich mich wobei schon jedacht hab’n?“, eine Strategie, die einer Verurteilung wegen grober Fahrlässigkeit vorbeugen und zugleich Zeit schinden sollte, dass er aufs Äußerste besorgt anfügte: „Wa’s’n los, mein Schatz?“ Da er aber den häuslichen Frieden über alles liebte und doch zugleich gefährdet sah, schloss er geradeheraus und umso besorgter: „Is’ wat passiert?“, konnte aber gerade noch die Apposition ‚wenn ja, wie viel?’ unterdrücken.
„Nee!“, donnerte’s zurück, „aber dich passiert gleich wat“, und nach einer kleinen Atemübung: „Et stinkt hier wie von’ner toten Töle, weil d’e Kühlschrank auf is’.“
Schon einmal war Peter ähnliches widerfahren. Nur war er selbst da nicht ganz dicht gewesen, weil er einmal nicht korrekt gekleidet war. Prompt ging der Job verloren. Damals war er noch Pförtner des Paradies oder -das gewesen, hatte aber die arme Seele des Henrique Maximiano da Fonseca C. Neto nebst seinen weiteren zwölf oder dreizehn Namen, den Himmel & Erd und alles was dazwischen ist nur als St. Coelho kannte, den Einlass verwehrt und in die Gartenlaube zur Heiligen Hedwig, kurz: Mahler, und ihren zweihundertundfünf Romanzen verwiesen, als der Heilige des Pförtners Amt mit Gesten und den Worten „Pipi wird kalt“ verunglimpfte. Was der Chef – der sonst eher nichts mehr so richtig mitbekam - im elegantesten Aramäisch mit einem „Kephas, das ist Ihre letzte Schicht!“ entlohnte.
Die Papiere konnte er anderntags bei der rechten Hand des Chefs abholen. Zugleich und wie nebenbei wurd ihm durch den Junior ein Hausverbot erteilt.
War Peter damals einem – zugegeben – spontanen egoistischen Akt der Selbstjustiz erlegen, bei der jede Form der Rechtfertigung beim Chef fehlgeschlagen wäre, stellte er nun gegenüber Dora, die eigentlich – je nach Stand der aktuellen Lautverschiebung – Dorothea oder Theodora geheißen wurde, eine eher altruistische Begründung seines Tuns oder doch eher Unterlassens ausführlich vor, deren vollständige Wiedergabe den Rahmen dieser kurzen Geschichte und eine jede Plattform in den Weiten des Universums sprengen würde und darum hier aufs Wesentliche beschränkt bleiben muss.
„Spar mal nicht so mit der Lebendigkeit!“, greift das Publikum ein, dass ich so verblüfft wie blöde aus der Wäsche schau, dann ein wenig verwirrt meine Rechte auf die Brust leg und ungläubig frag: „Mein’n S’e mich?“
Dass das Publikum sich einmischt, ist mir seit Jahren nicht mehr widerfahren. War’s nicht seinerzeit beim Ikarus? - Vielleicht.
Wenn ich’s aber genau nehm, war’s ein letztes Mal in den Tagen, als ich mit Jean Paul in der Ewigen Baustelle auf seinen 250. angestoßen hab. Als hätt’ es je bei dem alten Schluckspecht bei dem Einen bleiben können!
Bevor ich mich aber in Erinnerungen verlieren kann, schalt’s mit Gelächter los: „Hören oder sehen Sie sonst noch wen?“, dass Dora zu mir für einen Augenblick von Peterchens Seminar unwirsch aufschaut, um zu pöbeln: „Aber hallo! -
Hazze Halluzinatzjonen?“, doch da lauscht sie wieder ihrem Göttergatten mit der Arie vom toten Hund und ich hab endlich das Publikum entdeckt.
Das ist wie gewohnt überschaubar. -
Sehr überschaubar!, finde sogar ich. Ich zähl genau bis eins und, was mir schon die Stimme einflüstern will, alles weiblich. Zudem nicht ganz unbekannt. Es ist Mme. elle. Richtig, mit kleinem e. War sie es nicht, die mich vor wenig mehr als sechs Jahren hier behutsam an die Hand nahm und auf schwankendem Gebälk laufen lehrte? – Oder doch versuchte.
Aber bevor ich an die ersten Laufübungen hierorts denken kann, ring ich mir ein gequältes: „Nee, nich’ so richtig …“, ab.
„Na, also!“
„Aber warum? – Warum nur? Warum sollt’ ich? Will ich et nich’ g’rad begründen …“
„Ja doch!,“ unterbricht elle. „Aber Sie müssen versteh’n: Als einfach gestrickte Person bin ich natürlich stets begierig darauf, dass sich die Handelnden in wörtlicher Rede austauschen. Dieser Dialekt …“
„Wat für’n Dialekt?“, fragt’s mich, der aus dem Staunen nicht mehr herausfindet.
„Ja, man!, dat Kölsch“, meint das Publikum mit korrekt gesetztem Akzent, „oder wat dat da is’, wat’e Panneköpp da sprechen, weiße dat nich’ mäh’?“
„Soziolekt, Mme., Soziolekt“, raunt’s aus mir, „die Sprache, die in all ihren Eigenheiten Herr Peter und Frau Dora Pan so sprechen“, und füge noch an, „weil s'e ga’ nich’ anners könn’n.“
„Papperlapapp“, winkt elle ab, „Jacke wie Hose! Könnt so’n Zoichs in größern Einheiten vertragen“, worauf die Vernunft sich einmischt: „Holla, holla, meine Lieben, das würd’ Ihnen beiden aber gehörig auf den Senkel geh’n", dass wir uns wieder dem Geschehen der Familie Pan zuwenden.
Derweil gab der Haushaltsvorstand gegenüber seinem vor Gott und einem Standesbeamten angetrauten Weibe vor, er habe sich an der Rettung der Welt vor der Klimakatastrophe angemessen beteiligen wollen. Freilich hätte der Haushalt niemals angemessen am globalen Emissionshandel teilhaben können, wäre er doch mangels Masse nicht einmal als konkursfähig beurteilt worden. Man bleibe also auf jene bescheidenen Mittel beschränkt, über die man verfüge – und das sei in Sachen Klimaschutz allein der Kühlschrank und fürderhin das Windrad. Wenn nun das Prinzip der Kühlung darin bestehe, Wärme von einem Ort zum andern umzuleiten, dann sollten doch weltoffene Kühlschränke auch zwei bis drei Grade Wärme auffangen, wenn nicht gar verhindern können. Irgendwo und irgendwer müsse ja endlich den Klimaschutz ernst nehmen und Ernst machen! „Wenn nich’ wir, wer sonst? Also: Warum nich’ gleich hier?“
Die Theorie blieb nicht unerhört. Herr Pan und Dora besteigen soeben ein schickes Windrad und machten eine Rundreise durch die Medienlandschaft in Tiutschiulant.