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Oliver

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05.01.2015
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Oliver

Bei meinem abendlichen Rundgang durch die Sümpfe ist mir schon wieder einer über den Weg gelaufen. So ein kleiner Dicker mit knallroten Wangen, der mich an einen überreifen Apfel erinnert und so aufgedunsen ist, dass er die Augen kaum aufbekommt.

Hat alles falsch gemacht, was man im Sumpf falsch machen kann, der Bengel. Erstens, er ist zu fett. Bei dem Viehzeug, das hier durchs Unterholz kriecht, willst du flink sein und nicht in jeder Schlammgrube stecken bleiben. Zweitens, er hat sich den Rucksack mit Fressalien vollgestopft. Süßkram und so ein Zeug, bloß nichts Gesundes. Ich nehme an, der hat sich vor seiner Abreise Gedanken gemacht, dass er auf seinem Weg ein Gramm abnehmen könnte und dementsprechend vorgesorgt. Drittens, er ist hier runter gekommen. Irgendein Spaßvogel im Norden muss den Straßenbengeln erzählt haben, dass es bei uns etwas zu holen gäbe und jetzt kommen sie alle hier runter geschissen, um nachzuschauen, ob es stimmt.

Tut es nicht, das weiß ich.
Er hat Glück gehabt, dass ich ihm über dem Weg gelaufen bin, tadele ich den Specknacken. Der sagt nichts und lässt mich weiter schimpfen. Soll froh sein, dass es nicht die Anderen waren, sage ich. Die wollen nur fressen und heulen.

Er hält seinen Rand. Macht sich wahrscheinlich Gedanken darüber, was er sich später in den Trog kippt. Soll mir recht sein. So kann ich ihm sagen, wie die Sachlage aussieht.
Heute Nacht könne er bei mir bleiben, schlage ich vor. Wenn es dunkel ist, willst du echt nicht im Sumpf sein, füge ich hinzu. Da kommen sie gekrochen und suchen Sachen zum Fressen und Gründe zum Heulen.
Keine Widerworte. Braver Bengel. Cleverer Junge.

Als wir die Ortschaft erreichen, ist es bereits stockfinster. In keinem Haus brennt Licht. Die Laternen sind aus. Es ist totenstill. Jedes Gebäude ist nur eine dunkle Silhouette, die sich in die Schatten der großen Sumpfbäume kuschelt, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Die Leute wissen, was Sache ist. Da kommt keiner mehr raus und es macht keiner einen Mucks.
Ich packe das riesige Stück Speck und eile auf mein Geschäft zu.

Unser Städtchen ist klein, aber wir haben alles, was wir brauchen. Na klar, wir machen uns den Kram selbst und keiner ist wirklich in dem Beruf ausgebildet, dem er nachgeht, aber Not macht erfinderisch. Berthram steht an der Schmiede. Der war vorher in den Fabriken der Hauptstadt und weiß ein bisschen was über Metall. Das ist mehr als andere von sich sagen können. Elizabeth kümmert sich um die Schneiderei. Die haben wir da rein gestellt, weil sie eine Frau ist. Die hat ein Auge für so einen Mist, hat der Joseph gemeint. Joseph ist unser Bürgermeister, weil er am pragmatischsten denken kann. So läuft das bei uns. Mach dich nützlich und du darfst bleiben. Zu verschenken haben wir nichts. Das Leben im Sumpf ist hart.

Noch härter, seit sie aufgetaucht sind.
Ich war keine zwei Wochen hier, als sie zum ersten Mal kamen.
Zuerst haben sie den Friedhof umgegraben und sich die Frischen geholt. Als die weg waren, ging es ans Trockenfleisch: Die Mumien, die schon ein paar Jahrzehnte im Torfboden herumlagen und beim besten Willen nicht verrotten wollten.
Da dachte sich keiner was dabei.
Sollen sie die Leichen haben, meinte Joseph. Ein Problem weniger für die Stadt. Irgendwann wäre es eng geworden und wir wollten die Leute nicht unbedingt wieder aus der Erde holen, um Platz zu schaffen.

Seitdem glauben sie, dass es bei uns immer etwas für sie zu holen gibt.
Zuerst haben sie sich nur vor der Stadt herumgetrieben und geheult, inzwischen sind sie tapferer geworden und rennen in den Straßen herum. Da wird geheult und gekratzt, bis du den Verstand verlierst.

Vor drei Wochen haben sie Jane geholt, die Mistkerle. Sie wollte nochmal mit dem Hund raus, ist um die falsche Ecke gebogen und weg war sie. Wir haben sie tagelang gesucht und nichts gefunden. Nicht mal ihr Kleid oder so, das müssen die Viecher gleich mit gefressen haben.
Letzte Woche hat es Hemet erwischt. War das Heulen und Kratzen leid, macht die Tür auf, um den Viechern mal gehörig die Meinung zu sagen und weg war er.
Seitdem macht keiner mehr die Tür auf.
Und jetzt schickt uns irgendein Idiot die ganzen Straßenkinder aus dem Norden runter. Haben vermutlich gehört, dass es hier unten ein Problem gibt und haben sich gedacht, dass sie ihr eigenes beheben können, indem sie den Stöpseln irgendwas erzählen.
Dass die damit die Viecher durchfüttern, interessiert die auch nicht. Ist schließlich unsere Sache, nicht ihre. Mistkerle!

Ich führe den Speck durch die Hintertür hinab in den Keller. Ich bin umgezogen, seit die Viecher auch an den Fenstern kratzen. Nicht, dass plötzlich einer durchs Fenster kommt. Dann stehe ich schön blöd da.
Der Junge gehorcht, braucht aber etwas Hilfe bei den Stufen. Klar, wenn man sich hier nicht auskennt, fliegt man ganz schnell die Treppen rein und dann findet dich so schnell auch niemand. Da liegst du gut und gerne zwei Tage herum und rufst, bis einer reagiert. Wenn du Glück hast, bist du nur leicht verletzt, ansonsten bist du ruck, zuck ein Bein los, weil wir keinen Arzt haben – aber Sägen!

Ich erkläre ihm, dass ich keine Gästebetten habe und dass er sich auf den Tisch legen muss, um zu schlafen. Das wäre immer noch besser, als draußen im Sumpf zu übernachten, versichere ich ihm. Da holt dich eine Superspinne oder eine Plapperechse schießt sich auf dich ein.
Mit etwas Hilfe schafft er es auf den Tisch und ich kann damit anfangen, den Keller abzusichern.
Ich schließe die schwere Tür und schiebe einen Werkzeugtisch davor, um ganz sicher zu gehen. Danach sind die Kellerfenster dran. Da kratzen sie gerne dran herum und lecken die Scheiben ab, es ist eine elende Sauerei.
Das letzte Mal sind sie über meine Beete gestampft und haben die ganze Ernte zerstört, die Mistviecher. Ich bin der Ansicht, dass sie nicht mehr reinschauen, seit ich die Vorhänge angebracht habe, die ich jede Nacht zuziehe.

Ich hätte noch zu arbeiten, erkläre ich meinem Gast, er solle sich von dem Krach nicht stören lassen. Er antwortet mir nicht. Herrlich, der Bengel. Der hat kapiert, wie die Sache läuft. Ich füge hinzu, dass die Arbeit einige von den Viechern anlocken wird und dass er sich vom Gekratze und Geheule nicht aus der Ruhe bringen lassen soll. Die kämen hier nicht rein.

Das Licht einer Kerze ist der größte Luxus, den ich mir gönne, aber das reicht. Die meisten Handgriffe habe ich schon verinnerlicht. Ich sei kein Fleischer, habe ich Joseph gesagt, aber er war der Meinung, dass ich nur Übung brauche. Er hatte Recht.
Das Meiste ist reine Routine. Du musst nur aufpassen, dass du dir selbst nicht in die Finger schneidest oder an einem Knochen hängen bleibst.
Die.
Mitunter.
Extrem.
Widerspenstig.
Sein.
Können.

Da geht es schon los. Das Schmatzen des Fleisches, als das Messer hindurch gleitet und das Brechen der Knochen, als ich mit der Knochensäge arbeite, lockt einige von ihnen an.
Heulen und Kratzen.
Kreischen und Hauen.
Ich habe die Tür zu meinem Geschäft offen gelassen, stelle ich fest - aber ich bleibe ruhig. Uns passiert nichts, versichere ich meinem Gast. Durch die schwere Kellertür kommen sie nicht.

Die Viecher jaulen und werfen sich gegen die Tür, während ich Steaks zurechtschneide.
Davon könnten sie nichts haben, rufe ich ihnen zu. Das sei für die Menschen. Die müssten auch etwas zu sich nehmen.
Natürlich ernte ich dafür wütende Heulorgien.

Ich entscheide, dass es das Beste wäre, wenn ich sie ignoriere. Sie kommen nicht rein und ich gehe mit Sicherheit nicht zu ihnen raus.
Die Arbeit wird die ganze Nacht dauern und in den Morgenstunden ziehen sich die Viecher in den Sumpf zurück. Ich hoffe inständig, dass sie unzufrieden und hungrig verschwinden und widme mich meiner Aufgabe für die Gemeinschaft.
Morgen werde ich meinen Mitbürgern frisches Fleisch und Speck anbieten können. Das werden sie mir aus den Händen reißen, denn hier unten ist das Leben hart und wir haben nichts.

Nichts außer Heulen und Kratzen, Kreischen und Hauen, Beißen und Reißen.

 

Das ist Neuland für mich - zur Abwechslung mal kein Schwachsinn.

Ich probiere gerade neue Charaktere aus und kann mich besser in sie hinein denken, wenn ich kleine Geschichten über sie erzähle. Hier war ich mir am Schluss nicht sicher, ob der Horror-Tag passend wäre, also habe ich ihn weg gelassen. Viel Spaß mit Oliver, einem ganz sympathischen, jungen Mann.

 

Hallo NWZed,

ich schlage Dir vor, den Horror-Tag doch zu setzen. War zu spannend die Geschichte, um sie wegzudrücken, aber am Ende weiß ich wieder genau, dass ich Horror nicht abkann.

Du schreibst meistens das auch für dass. Das ist irritierend. Einige andere Fehler sind mir aufgefallen

ein Gramm

Also ich wünsche Dir weiter viel Spaß mit Oliver, den ich gar nicht sympathisch finde.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo NWZed

Sprachlich finde ich das sauber. Zwei Dinge:

So ein kleiner Dicker mit knallroten Wangen, die mich an die überreife Äpfel erinnern und so aufgedunsen sind, dass er die Augen kaum auf bekommt.

Entweder du schreibst nur "überreife Äpfel" (ohne den Artikel) (was ich die bessere Lösung finde) oder du schreibst "die überreifen Äpfel".

Dann kommst du da auch mit Singular / Plural durcheinander, erst ist es ein Dicker, dann aber mehrere Äpfel, im letzten Halbsatz wechselst du wieder in den Singular. Also vermutlich wäre diese Variante die beste: "So ein kleiner Dicker mit knallroten Wangen, der mich an einen überreifen Apfel erinnert und so aufgedunsen ist, dass er die Augen kaum auf bekommt."

jobär hat die das/dass Probleme angesprochen, die sind mir auch aufgefallen, hier die Stellen:

Das die damit die Viecher durchfüttern, interessiert die auch nicht.

Nicht, das plötzlich einer durchs Fenster kommt.

Ich erkläre ihm, dass ich keine Gästebetten habe und das er sich auf den Tisch legen muss,

Muss jeweils "dass" sein.

Ok, soviel zum Handwerklichen, kommen wir zum Inhalt.

Ich finde das Setting extrem spannend. Du gibst ja nur häppchenweise Informationen preis - kleines Städtchen, Sumpfgebiet, seltsame Wesen, die die Toten holen, offenbar eine auseinandergerissene Gesellschaft, denn es gibt Leute "aus dem Norden", die anscheinend in anderen Verhältnissen leben. Das ist post-apokalyptisch und hätte den Horror-Tag definitiv verdient.

Aber es sind eben nur Häppchen, die Lust auf mehr machen - leider hältst du uns das vor, obwohl der Erzähler offenbar mehr weiß und auch mehr erzählen könnte. Ich finde es schade, dass du da nicht weiter gehst. Für mein Empfinden hast du jetzt ein spannendes und atmosphärisches Setting etabliert (was gar nicht so einfach ist) - aber weiter geht der Text nicht. Das ist eine Grundlage, aber das Fleisch daran fehlt. Hast du vor, da noch weiter dran zu arbeiten, weil du ja meinst, du probierst neue Charaktere aus? Ich würde es begrüßen, denn ich finde, für eine gelungene Geschichte fehlt da einfach noch was.

Ich musste erst an Zombies denken, aber offenbar sind es irgendwelche mutierten Tiere - Superspinnen und Plapperechsen erwähnst du, die Wesen werden oft als "Viecher" bezeichnet - aber gut, spekulieren ist da jetzt mühsam.

Also der Text ist toll, Setting gut, Atmosphäre passt, du hast interessante Figuren, einen möglichen Konflikt - aber hey, wo ist jetzt die Geschichte :)? Die fehlt mir.

Grüsse,
Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

Heyho, Jo und Schwups! Danke fürs reinschauen an euch beide!

Um die Fehler kümmere ich mich selbstverständlich in aller Bälde. (Nach dem Essen, um genau zu sein. *g*)

Horrortag wird hinzugefügt.

Aber es sind eben nur Häppchen, die Lust auf mehr machen

War der Sinn des Ganzen. Mir wir auch wichtig, dem Leser nicht alles vorzukauen, was vor sich geht. Die besten Bilder kommen, wenn man sie dem Leser selbst überlässt. Darum gibt es hier viele Hinweise, aber nichts greifbares - wenn man sich den Text genau anschaut, kann man sich ungefähr zusammenreimen, worauf das Ganze hinaus läuft und was da los ist. Aber die möchte ich niemanden vorkauen, denn das wäre nicht der Horror hinter der Geschichte. Das ist imo das Unbekannte. =)

Und ja, mit dem Setting habe ich noch etwas vor. Allerdings wollte ich zuerst einmal etwas Neues ausprobieren und nicht immer nur in der Humorecke hocken.

EDIT: Und aktualisiert!

 

Hallo NWZed,

ich glaube, wir hatten noch nicht die Ehre. ;)

Ich fand die Geschichte nicht übel. Klar, ich hätte gerne erfahren, was das für Viecher sind, die da kratzen und heulen, aber ich fand es auch nicht schlimm, es nicht zu wissen. Da kann man wenigstens die eigene Fantasie bemühen. ;)

Ich mag den flapsigen Ton deiner Geschichte, der wirkt authentisch. Ich kaufe dem Ich-Erzähler definitiv ab, dass er ein zynischer Sumpfbewohner ist und wenig Freude am Leben hat. Und auch die Beschreibung der trostlosen Landschaft und des Dorfes sind dir gut gelungen. Hat mir gefallen.

Und das Ende, ja, das finde ich echt eklig, wenn er tatsächlich tut was ich denke. Mann, total fies und finster, da schüttelt's einen richtig. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass du da eine Serie draus machen oder das Setting in eine Fantasywelt integrieren könntest. Interessant wäre es allemal.

So ein kleiner Dicker mit knallroten Wangen, der mich an einen überreifen Apfel erinnert und so aufgedunsen ist, dass er die Augen kaum auf bekommt.

aufbekommt

Irgendein Spaßvogel im Norden muss den Straßenbengeln erzählt haben, dass es bei uns etwas zu holen gibt und jetzt kommen sie alle hier runter geschissen, um nachzuschauen, ob es stimmt.

Ich fände hier tatsächlich den Konjunktiv schöner.

Da kommen sie gekrochen und suchen Sachen zum fressen und Gründe zum heulen.

Fressen; Heulen

Da wird geheult und gekratzt Komma bis du den Verstand verlierst.

Haben vermutlich gehört, dass es hier unten ein Problem gibt und haben sich gedacht, dass sie ihr Eigenes beheben können, indem sie den Stöpseln irgendwas erzählen.

eigenes; das bezieht sich ja auf Problem

Ich füge hinzu, dass die Arbeit einige von den Viechern anlocken wird und das er sich vom Gekratze und Geheule nicht aus der Ruhe bringen lassen soll.

dass

Joa, viel zu meckern habe ich nicht. Ich fand's toll, gerne mehr davon.

Beste Grüße,
gibberish

 

Hallo NWZed,

toller Text. Schöne Athmosphäre.
Ich versteh schon, dass Du mit dem setting noch was vor hast.
Aber für diese kleine Geschichte ist es schade, dass da keine Pointe kommt. Oder habe ich die Pointe nicht verstanden, und er schlachtet doch den kleinen Jungen?

gern gelesen
pantoholli

 

gibberish

Danke für's reinschauen! Ja, wir hatten in der Tat noch nicht das Vergnügen, aber so schnell kanns gehen! Die Korrekturen deinerseits sind bereits umgesetzt und in den Text eingeflochten.

Ich fände hier tatsächlich den Konjunktiv schöner.

Stimmt! Ist gemacht!

Da kann man wenigstens die eigene Fantasie bemühen.

Exakt! Ich hab natürlich eine eindeutige Version im Kopf, aber ich habs bewusst mit vielen Löchern formuliert, damit einem der eigene Kopf einen Streich oder Zwei spielen kann.

Großartig zu dieser Szene äußern möchte ich mich vorerst auch nicht, weil ich es spannend finde, in wie viele Richtungen der Ausschnitt verstanden wird. Das macht mir Freude!

Und daher muss ich auch pantoholli enttäuschen - deine Frage werde ich nicht beantworten. Nicht, weil ich böse bin, sondern aus den oben erwähnten Gründen.

Trotzdem danke ich dir fürs reinschauen und freu mich, dass es dir gefallen hat!

 

Hallo NWZed,

Die Geschichte ist in meinem Kopf hin und her gerollt und irgendwann war dann die Hypothese da. Ist wahrscheinlich völlig daneben, aber das macht nichts.

Eine Katastrophe führt dazu, dass die Menschen im Sumpf nicht mehr auf Ressourcen der Umwelt/Umgebung zugreifen können. Der Hunger lässt sie zu Kannibalen werden und sie verändern sich auch körperlich ("dass du dir selbst nicht in die Krallen schneidest") - manche mehr, manche weniger. Die einen sind noch so zivilisert, dass sie weiterhin in Häusern wohnen, die anderen ziehen in den Sumpf. Und dank der Frischfleischzufuhr aus dem übersättigten Norden geht das Leben weiter.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo NWZed,

Mir hat die Geschichte auch gut gefallen. Ich fand das ziemlich clever, dass der Grusel so "zweigleisig" funktioniert. Auf der einen Seite die heulenden Dinger im Sumpf, und auf der anderen Seite das immer stärker werdende Gefühl, dass auch mit dem Erzähler und seinen Mitbürgern etwas ganz und gar nicht stimmt. :thumbsup:

Ich befürchte das Schlimmste für den Jungen, aber die Geschichte verrät nicht, ob meine Befürchtungen zutreffen. Und das macht es irgendwie noch schlimmer. Ich meine, es fällt schwer, sich eine harmlose Interpretation für Stellen wie die hier zurecht zu legen:

Ich packe das riesige Stück Speck und eile auf mein Geschäft zu.

aber es ist prinzipiell möglich, weil der Erzähler nie explizit sagt, was er für den nächsten Tag verarbeitet. Vielleicht ist der Junge ja völlig unversehrt und kann am nächsten Morgen seiner Wege ziehen, wenn die Monster sich in den Sumpf zurück gezogen haben ... :Pfeif:

Aber ich muss sagen, ich finde Jobärs Interpretation ziemlich überzeugend. Die Stadtbewohner und die heulenden Biester haben vielleicht mehr gemeinsam, als der Erzähler zugeben will. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Heuler nur etwas hungriger und verwilderter sind als der Rest.

Ich will dich aber auch nicht dazu drängeln, hier irgendeiner Interpretation den Vorzug zu geben und uns Gewissheit zu verschaffen, denn die Ungewissheit macht für die Wirkung der Geschichte wirklich viel aus.

Auf jeden Fall freue ich mich drauf, wenn du noch mehr Geschichten in diesem Setting schreibst. :)

Grüße von Perdita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo NWZed,

eine sehr atmosphärische Geschichte ist dir da gelungen. Zwar büßt sie durch den lockeren Plauderton des Erzählers und die Dialoglosigkeit ein wenig an Unmittelbarkeit und Spannung ein, da der Eindruck von Selbstverständlichkeit entsteht. Der Erzähler und seine Zeitgenossen kennen es nicht anders, und das schon seit einer ganzen Weile. Aber da du selbst schreibst, du wolltest uns hier nur ein Aperitif servieren, dürfte dich meine 'Kritik' nicht weiter stören. Denn das hast du zweifellos vollbracht.

Lass mich noch einmal auf den Ton des Erzählers zu sprechen kommen. Er ist in seiner Flapsigkeit sehr erfrischend. Du könntest ihn allerdings noch eine Spur konsequenter durchziehen, und zwar, indem du Wörter, die dieses weitestgehend umgangssprachliche Register überschreiten, streichst, beispielsweise: pragmatisch, inständig, widerspenstig. Eben alles, was dem Leser nahelegt, dass "zu viel nachgedacht wurde". Denn dein Erzähler quatscht eben so, wie ihm der Mund gewachsen ist. Und das soll er auch.

Fazit: Ich fühlte mich bestens unterhalten und würde gern mehr Geschichten aus diesem Universum lesen.


Beste Grüße
ts

 
Zuletzt bearbeitet:

jobär

Sehr interessante Interpretation! Du hast Recht, richtig ist die nicht (kommt stellenweise aber nahe ran), aber einige Punkte haben mir so gut gefallen, dass ich tatsächlich in Betracht gezogen habe, meine Pläne anzupassen. Zusammen mit Schwups' postapokalyptischem Szenario gefällt mir das fast besser als meine Version. *g*

Perdita

Dankeschön fürs reinschauen!

Ja,

Ich befürchte das Schlimmste für den Jungen, aber die Geschichte verrät nicht, ob meine Befürchtungen zutreffen. Und das macht es irgendwie noch schlimmer.

So ists recht! Das ist der Grusel. Den muss ich nicht mal selbst schaffen, denn das macht der Leser für mich und ich kann mich mit den Lorbeeren schmücken.

Der wahre Horror sind die Dinge, die man nicht sieht und darum ist Alien auch ein zeitloser Klassiker und die Saw-Filme Popcornkino zum vergessen.

Irgendwo zwischen "Möglichst eklig" oder "Möglichst durchgeknallt" haben die Leute vergessen, dass der normale Mensch aufgebrachter reagiert, wenn irgendwo im dunklen Haus ein Holzbalken knarzt, als wenn ihm irgendein schleimiges Vieh beim besten Licht vor die Linse kriecht - schließlich könnte da alles mögliche im Haus rumkrabbeln.

Genau dahin wollte ich. Viel andeuten und nichts sagen. Wenn ichs erklären würde, wäre das ganze schöne Kopfkino für die Katz. So was überlass ich Christopher Nolan, der für alles eine Erklärung brauch, weil er meint, dass die Leute nicht selbst denken wollen.

Die Stadtbewohner und die heulenden Biester haben vielleicht mehr gemeinsam, als der Erzähler zugeben will. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Heuler nur etwas hungriger und verwilderter sind als der Rest.

Schöner Ansatz. So viel sei verraten: Die Leute im Städtchen würde man, wenn man vor ihnen stehen und sie ansehen würde, als Menschen bezeichnen.

tutorialslave

Auch an dich meinen Dank fürs Reinschauen!

Zwar büßt sie durch den lockeren Plauderton des Erzählers und die Dialoglosigkeit ein wenig an Unmittelbarkeit und Spannung ein, da der Eindruck von Selbstverständlichkeit entsteht.

Absicht. In dem Text berichtet kein allwissener Erzähler, sondern jemand, der diesen ganzen Schmand gewohnt ist. Ein Erzähler wäre zu einer gewissen Exposition verpflichtet und das wollte ich vermeiden.

Aber da du selbst schreibst, du wolltest uns hier nur ein Aperitif servieren, dürfte dich meine 'Kritik' nicht weiter stören.

Nun, ich wollte den Leuten nicht den Mund wässrig machen. Der Text ist eine Fingerübung für einen neuen Charakter, den ich noch nicht ausprobiert habe, in einem Stil, den ich nicht gewohnt bin, aber als ich damit fertig war und es mir durchgelesen habe, dachte ich mir, "Hey, das ist gar nicht so übel. Das solltest du teilen, vielleicht lässt sich damit was anfangen" und dann ist es hier gelandet.

Du könntest ihn allerdings noch eine Spur konsequenter durchziehen, und zwar, indem du Wörter, die dieses weitestgehend umgangssprachliche Register überschreiten, streichst, beispielsweise: pragmatisch, inständig, widerspenstig.

Guter Punkt. Den werde ich mir mal durch den Kopf gehen lassen!

 

Hey NWZed,

cooles Ding, dein kleiner Ausflug in den Sumpf. Dir ist es mit wenigen Pinselstrichen gelungen, eine überzeugende Atmosphäre zu schaffen und mich in die Story hineinzuziehen. Von daher habe ich die Geschichte in einem Rutsch durchgelesen, ohne mir zwischenzeitlich Notizen zu machen. Das war auch gar nicht nötig. Die Struktur ist wohldurchdacht und ergibt aus sich heraus Sinn.

Mir ist aufgefallen, dass dein Stil hier ein anderer ist, als noch bei der Krone der Insignifikanz. Das fand ich fast schon erfrischend, vor allem, weil du ihn beherrschst, ohne dass es aufgesetzt oder angestrengt rüberkommt. Natürlich schimmert hier und da die mir bekannte Handschrift durch, bspw. wenn du von Superspinnen und Plapperechsen schreibst, oder den Joseph die Elizabeth in die Schneiderei stecken lässt.

Besonders wirkungsvoll fand ich diese Stelle:

Das Meiste ist reine Routine. Du musst nur aufpassen, dass du dir selbst nicht in die Krallen schneidest oder an einem Knochen hängen bleibst.
Die.
Mitunter.
Extrem.
Widerspenstig.
Sein.
Können.

Das hat gut funktioniert bei mir, ich hab die Knochensplitter vor meinem geistigen Auge vorbeifliegen sehen. Der Twist ist dann auch denkbar makaber, wenngleich ein wenig vorhersehbar.

Wirklich gerne gelesen. Freue mich schon auf ein Wiedersehen mit den Sumpfbewohnern!

Exilfranke :)

 

Oliver, der Metzger im Sumpf

Hallo NWZed,
eine sehr interessante Geschichte. Ich mag Sumpfgeschichten. Gibt viel zum Nachdenken. Flüchtlinge, Sumpfmorlocks, Zukunft der Ernährung, proteinreich und manchmal mit viel Fett. Hat Spass gemacht, zu lesen.

Joseph ist unser Bürgermeister, weil er am pragmatischsten denken kann.
Wenn in den Sümpfen so wichtige Berufe vertreten sind, dann fehlen der Ballettchoreograph und der Rechtsanwalt.

ruck, zuck
Warum das Komma?

weil wir keinen Arzt haben – aber Sägen!
Keinen Arzt, dafür einen Metzger. Sehr gut!

Ich erkläre ihm, dass ich keine Gästebetten habe und dass er sich auf den Tisch legen muss, um zu schlafen.
..., um geschlachtet zu werden. So dachte ich gleich.

Herrlich, der Bengel.
Lecker, der Bengel.

Das Meiste ist reine Routine. Du musst nur aufpassen, dass du dir selbst nicht in die Krallen schneidest oder an einem Knochen hängen bleibst.
Schön wie hier die Arbeit dargestellt wird. Die Struktur des folgenden Satzes spiegelt für mich die Beschreibung des zähen Schlachtens. Bei jedem Punkt bleibt die Säge hängen und die Richtung (Zeile) wird gewechselt.

Ich hoffe inständig, dass sie unzufrieden und hungrig verschwinden und widme mich meiner Aufgabe für die Gemeinschaft.
Oliver ist ein tadelloser Sumpfbürger. Doch wenigstens die Knochen und den Darminhalt hätte er den Viechern hinwerfen können.

Morgen werde ich meinen Mitbürgern frisches Fleisch und Speck anbieten können.
Nett, wie sich Oliver kümmert. Ich weiss auch schon, wer sich das beste Stück holt.

Deine Geschichte hat mir sehr gefallen: einfallsreich, absurd, humorvoll, unterhaltsam, kreativ, laut und sumpfig; sogar mit neuen Lebensformen.
Viele Grüsse
Fugu
PS: Für mich ist das Science Fiction: Evolution der Menschen!

 
Zuletzt bearbeitet:

Nabend, Fugusan! Ich bedanke mich fürs reinschauen,

Wenn in den Sümpfen so wichtige Berufe vertreten sind, dann fehlen der Ballettchoreograph und der Rechtsanwalt.

Nicht auszuschließen, dass es unter den Sumpfbewohnern eins von beiden gibt. Die Berufe haben leider keinen praktischen Nutzen und ein Bürgermeister bringt eine gewisse Ordnung in einen zusammengewürfelten Haufen. Joseph war darin am besten!

Warum das Komma?

fragte ich mich auch, weil ich mir nicht sicher war, aber dann:

http://www.duden.de/rechtschreibung/ruck__zuck

Keinen Arzt, dafür einen Metzger. Sehr gut!

Nicht wahr? Wenn man keinen ausgebildeten Mediziner hat, kommt das immer noch am Nähesten. "Wie, du hast dich am Nagel angestoßen? Ab mit dem Fuß!" Hoffen wir für die Patienten, dass es genug Kokain in der Umgebung gibt - oh, und ein Notizbuch.

Oliver ist ein tadelloser Sumpfbürger. Doch wenigstens die Knochen und den Darminhalt hätte er den Viechern hinwerfen können.

Na, dann kommen sie aber wieder. Ein Teufelskreis!

Und natürlich auch einen Dank an Meister Franke für seine Zeit,

Freue mich schon auf ein Wiedersehen mit den Sumpfbewohnern!

Gibts. Ich habe mir erst heute einige Ideen aufgeschrieben. Vielleicht kann ich das Ganze zu etwas längerem aufblasen.

Mir ist aufgefallen, dass dein Stil hier ein anderer ist, als noch bei der Krone der Insignifikanz. Das fand ich fast schon erfrischend,

Nicht nur du! Es ist anstrengend, die ganze Zeit total neutral klingen zu müssen. *g*

Natürlich schimmert hier und da die mir bekannte Handschrift durch, bspw. wenn du von Superspinnen und Plapperechsen schreibst, oder den Joseph die Elizabeth in die Schneiderei stecken lässt.

Die Superspinne und die Echse gebe ich dir, aber Josephs Entscheidung, die Dame in die Schneiderei zu stecken, sollte in keinster Weise ein Witz sein. Sie macht sich dort einfach am besten!

Das hat gut funktioniert bei mir, ich hab die Knochensplitter vor meinem geistigen Auge vorbeifliegen sehen.

Mit der Stelle ging das Alles los. Auf dem Weg zum Supermarkt, während mir mein MP3-Player Rammstein um die Ohren gezimmert hat. Ein wenig antiklimatisch, wenn ich so darüber nachdenke =|

Der Twist ist dann auch denkbar makaber, wenngleich ein wenig vorhersehbar.

Vielleicht ist da auch gar kein Twist und Oliver hats einfach nur gut gemeint? Wer weiß das schon!

 

Sehr flüssiger und schöner Schreibstil. Die Geschichte liest sich gut und ist spannend erzählt. Gefällt mir sehr.

Braver Bengel. Cleverer Junge.
Diese Aussagen, finde ich nicht ganz so zusammenpassend. Allerdings kann ich nicht genau sagen wieso, aber bei den 4 Wörtern bin ich iwie hängengeblieben.

Ich packe das riesige Stück Speck und eile auf mein Geschäft zu.
Da musste ich wirklich lachen, gefällt mir sehr.

dass du dir selbst nicht in die Krallen
In diesem Setting, dass du hier erschaffen hast, führt der Begriff KRALLEN dazu, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob es sich bei den Bewohnern um echte Menschen handelt oder um Ungeheuer.

Morgen werde ich meinen Mitbürgern frisches Fleisch und Speck anbieten können
Dieser Satz im zusammenhang mit dem Begriff Speck bezogen auf den Jungen, löst dies eine Ungewissheit aus, die einen schönen Gruselfaktor hat.

Die Ungetüme aus dem Sumpf,ließen mich sofort an Goule aus zB the Witcher denken und haben dadurch Bilder erzeugt. Sehr überzeugendes Setting und gute Stimmung. Dies ist mehr als nur eine Schreibübung. Es wäre schön wenn man aus der Geschichte herauslesen könnte, ob es sich hierbei um eine DARK-Fantasy-Welt oder doch um eine Post-Apokalyptische Version unserer Welt handelt.

Grüße

Mattias

 

Heyho Matt! Danke fürs reinschauen,

Die Ungetüme aus dem Sumpf,ließen mich sofort an Goule aus zB the Witcher denken und haben dadurch Bilder erzeugt.

*Applaus*

Völlig richtig erkannt. Es handelt sich bei den Kreaturen um Ghule, wonach es sich bei dem Text um einen Charakter aus einem Fantasysetting handelt. Über die restlichen Abläufe verrate ich nach wie vor nix, aber mit dem Wissen, dass es sich dabei um Ghule handelt, kann der geneigte Leser sicherlich die Vorgänge zusammensetzen.

(Und The Witcher stimmt sogar teilweise, da ich ungesund viel Zeit mit Geralt von Riva verbracht habe, wobei mir durch den Kopf geschossen ist, dass Monsterjägergeschichten zu rar gesät sind. Meistens werden solche Kreaturen als Fast Food verheizt und ich möchte mit dem dahinter stehenden Projekt in eine Richtung gehen, die den Bestien den Respekt zukommen lässt, den sie verdienen.)

In diesem Setting, dass du hier erschaffen hast, führt der Begriff KRALLEN dazu, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob es sich bei den Bewohnern um echte Menschen handelt oder um Ungeheuer.

Dazu hatte ich mich zuvor schon geäußert: Krallen habe ich aus dem Umgangssprachlichen genommen, bin aber zufrieden mit den Interpretationen, die ein Wort erzeugt. Ganz gewöhnlich sind die Leute in dem Dorf tatsächlich nicht, aber dazu möchte ich nichts sagen.

Diese Aussagen, finde ich nicht ganz so zusammenpassend. Allerdings kann ich nicht genau sagen wieso, aber bei den 4 Wörtern bin ich iwie hängengeblieben.

Das sind einfache Gedanken; denen muss kein hoher Wert zugesprochen werden. Der Junge gehorcht, also ist er brav. Das er gehorcht, ist schlau. Also clever.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo NWZed,

nee, für mich ist das nix. Ist mir zu albern ... Superspinnen und Plapperechsen. Ich mag Horror durchaus, aber dann muss es eine psychologische Komponente geben. Die Geschichte geht schon mit Logikfehlern los: Wenn wir annehmen, dass die Story in einer Welt des Mangels spielt, wo solche Not herrscht, dass Menschen zu Kannibalen werden oder ihre Kinder loswerden wollen, dann werden diese kaum solche Fettbacken sein, wie es der Autor im Falle des kleinen dicken Jungen behauptet. Und wenn derartige Menschenfresser-Wesen das Dorf in Angst und Schrecken halten, fragt man sich, wie jemand, der noch ganz bei Trost ist, auf die Idee zu abendlichen Spaziergängen durch die Sümpfe kommt. Nee, das passt alles nicht.

Dass der Junge geschlachtet wird, war mir spätestens bei "Ich packe das riesige Stück Speck und eile auf mein Geschäft zu." klar. Überhaupt läuft das ganze zynische Geschwafel auf diesen Twist hinaus, der dann aber keine Überraschung darstellt.

Die Komponenten dieser Geschichte sind so Horror-Standards, wie z.B. Sümpfe, Monster und Metzger. Ich finde das in dieser Aufmachung nicht überzeugend, denn weder riecht oder fühlt man die Sümpfe noch spürt irgendein Gefühl der Bedrohung durch die Monster. Das Ganze ist bestenfalls skurril.

Ich habe gerade gesehen, dass Du meist im Bereich Humor geschrieben hast, und das merkt man dem Text an. Ein Zuviel an Ironie kann durchaus im Weg stehen, weil man dann nichts ernst nimmt, auch die Geschichte, die man erzählen will, nicht. Meine Empfehlung ist, mal eine ironiefreie Geschichte zu versuchen. Dann musst Du nämlich was riskieren. Ironie ist meist kritikresistent und unfähig, zu lernen.

Andererseits, wenn Du beim Schreiben Deinen Spaß hattest, mag das genügen.

Gruß Achillus

 

Hallo NWZed, ich glaube, das ist eine der ersten Geschichten, die ich von dir gelesen habe, und ich hab sie angeklickt, weil da Horror stand.
Ich hab die Geschichte zwar gerne gelesen, weil du einen sehr lockeren Plauderstil hast, aber ich muss Achillus in einem gleich Recht geben. Diese Geschichte nimmt sich selbst nicht ernst. Sie wirkt, als hättest du dich nicht entscheiden können, ob du in Richtung einer Parodie gehst oder ob du die Geschichte selbst und ihre Haupt-Figur wirklich zu etwas Ernsthaftem ausbauen willst.
Das geht für mich an der Stelle los, wenn der Junge dick ist und sauviele Süßigkeiten dabei hat, so schlecht können die Straßenjungs es dann im Norden ja nicht gehabt haben. Du deutest ja zum Glück einen Grund an, der das ein wenig abmildert. Aber so wirklich stimmig war es für mich nicht. Dann fehlt mir auch ein Grund, der den Metzger zu diesem Spaziergang herauslockt. Bzw, vom Verlauf der Geschichte her kann ich mir den Grund im Nachhinein vorstellen, aber auch in so einer Rollenprosa fehlt mir persönlich da die innere Logik oder zumindest eine Andeutung. Und auch die Krallengeschichte, ich bin natürlich auch beim ersten Lesen drübergestolpert und fand das klasse, dass da jetzt ein Ungeheuer den Metzger macht, aber naja, wär dann der Apfeljunge mitgegangen? Ich hab dann gelesen, der Ausdruck "Krallen" war umgangssprachlich gemeint, ich fand das schade, mir kommt das vor wie Spielerei, die in einer ernsthaften Horrorgeschichte aber einfach unpassend ist. Du führst den Leser durch einen simplen Worttrick in die Irre statt durch den Verlauf der story oder durch die Fallstricke die du durch die Handlung oder die Ausgestaltung der Charaktere gelegt werden. Der Verlauf muss amS zum Schluss schon ein in sich logisches Ganzes ergeben und die Rumzweifelei und Rumrätselei der Leser, wie das denn nun gemeint war und ob der Apfelbub nun geschlachtet worden ist oder nicht oder gar einer von den Wölfen, da käme es mir schon drauf an, dass das wenigstens die Hälfte der Leser richtig kapiert, wie das nun war. Das hat für mich gar nicht mit Übererklärung zu tun, sondern mit immanenter Logik.

Also das klingt jetzt alles so furchtbar streng, es ist aber eher als konstruktiver Gegenpol gemeint zu dem zahlreiechen Lob. Ich weiß ja nicht, in welche Richtung du gehen willst, in Richtung Horroparodie oder ob es eine ernsthafte Geschichte sein sollte. Und wenn letzteres, dann würde ich nicht nur auf den Plauderstil und die Ungewissheit achten und die skurrilen Einfälle, sondern auf die Stimmigkeit des Plots und auf eine für die meisten nachvollziehbare Logik.

Also mein Fazit ist, du schreibst schön und witzig, in dem gleichen überraschenden und absurd-skurrilen Stil, in dem du auch Kommentare verfasst, aber je nachdem, was du willst, fehlt mir hier die Bereitschaft, eine story bis zum Ende zu durchdenken.
Viele Grüße von Novak

 

Hallihallo Achillus! Danke fürs reinschauen. Gibt ja einige Dinge, die es zu besprechen gibt! *g*

Wenn wir annehmen, dass die Story in einer Welt des Mangels spielt, wo solche Not herrscht, dass Menschen zu Kannibalen werden oder ihre Kinder loswerden wollen, dann werden diese kaum solche Fettbacken sein,

Wie du richtig sagst, ist das eine Annahme. Steht irgendwo, dass es eine Welt des Mangels ist? Im Sumpf ist das vielleicht so. Aber wie sieht es im Norden aus? Von einem Logikfehler spreche ich mich frei, denn in meinem Kopf weiß ich, wie die Welt aussieht - gegen deine Interpretation sage ich allerdings nichts.

wo solche Not herrscht, dass Menschen zu Kannibalen werden oder ihre Kinder loswerden wollen,

Auch hierbei herrscht es sich um eine reine Annahme, keinen Fakt.

Und wenn derartige Menschenfresser-Wesen das Dorf in Angst und Schrecken halten, fragt man sich, wie jemand, der noch ganz bei Trost ist, auf die Idee zu abendlichen Spaziergängen durch die Sümpfe kommt.

Oliver. Das mit dem etwas nicht stimmt, ist mehr als offensichtlich. *g* Die anderen Leute haben draus gelernt.

Überhaupt läuft das ganze zynische Geschwafel auf diesen Twist hinaus, der dann aber keine Überraschung darstellt.

Sollte er auch nicht. Dafür ist das ganze, wie du bereits sagst, mehr als offensichtlich. Mir ging es darum, Oliver auszuprobieren und eine Geschichte zu erzählen, die sich dem Leser nicht direkt aufdrängt. Auf die er genauer schauen kann und wo er vielleicht beim zweiten oder dritten Mal drüberfliegen einen Hinweis rausfischt, die ihm die ganze Geschichte erzählt.

Ich finde das in dieser Aufmachung nicht überzeugend, denn weder riecht oder fühlt man die Sümpfe

Da hast du recht. Absicht. Die Sümpfe sind für die Geschichte im Grunde völlig unwichtig, weswegen ich ihnen keine Aufmerksamkeit schenke. Pacinggründe.

Das Ganze ist bestenfalls skurril.

Exakt meine Gedanken. Daher auch

Superspinnen und Plapperechsen

!

Aber wenn man mir nahelegt, das Horrortag zu setzen, weil die Inhalte für manche Leute als Horror empfunden werden, dann setze ich das Horrortag.

Zuviel an Ironie kann durchaus im Weg stehen, weil man dann nichts ernst nimmt, auch die Geschichte, die man erzählen will, nicht

Da muss ich allerdings sagen: Das ist Bollocks. Ich habe Oliver ernst genommen. Eins der ersten Dinge, die ich in diesem Forum gelernt habe, war Folgendes: Nimm deine Charaktere ernst und verschandel sie nicht zu Idioten. Daraus wurde Oliver, um ein Gefühl für neue Figuren zu bekommen.

Ironie habe ich keine in diesem Text versteckt. Null. Es ist auch keine Satire, nichts Humorvolles und keine Abhandlung über Horrorklischees. Wenn der Charakter darin ein paar Sprüche reißt, dann ist das seine zynische Art.

Von meiner Seite gibt es 0% ironischen Abstand.

Die von dir angesprochene psychologische Komponente ist da, wie du siehst. Der Text wird von vielen Leuten auf viele Art und Weisen interpretiert.

Die einen finden ihn albern, die anderen sehen darin eine klassische Horrorgeschichte, manche erkennen sogar eine postapokalyptische Welt. Nichts davon passt zu der Version, die ich im Kopf habe und für die man etwas Detektiv spielen muss. Da ich die Leute nicht für Idioten halte, wollte ich ihnen nicht alles offensichtlich vorkauen.

Wenn ich dich nicht dazu motivieren kann auf Schnipseljagd zu gehen, tut mir das leid, aber das ist ebenfalls eine legitime Reaktion, also no big deal.

Auf zu Novak ! Auch dir ein herzliches danke fürs reinschauen und kommentieren!

Sie wirkt, als hättest du dich nicht entscheiden können, ob du in Richtung einer Parodie gehst oder ob du die Geschichte selbst und ihre Haupt-Figur wirklich zu etwas Ernsthaftem ausbauen willst.

Zwei Mal hintereinander. Da muss ich doch glatt nachfragen:

Wo wirkt die Geschichte, als ob sie sich nicht ernst nimmt? Wegen der Plapperechse und der Superspinne? Das ist die einzige Albernheit, die ich absichtlich eingeflochten habe. Für weitere Beispiele bin ich durchaus dankbar, denn das hilft mir, zu verstehen - Lernerfahrung ho!

so schlecht können die Straßenjungs es dann im Norden ja nicht gehabt haben.

Richtig erkannt. Das ist Absicht.

Dann fehlt mir auch ein Grund, der den Metzger zu diesem Spaziergang herauslockt.

Da es sich nicht um eine Kurzgeschichte im klassischen Stil handelt, habe ich komplett auf Narrative verzichtet. Es ist in medias res - der Grund ist für die eigentliche Handlung völlig irrelevant, auch wenn er meiner Meinung nach recht offensichtlich ist.

Du führst den Leser durch einen simplen Worttrick in die Irre

Auch wenn ich mir nichts dabei gedacht habe und den Leser damit nicht verarschen wollte, hast du an dieser Stelle völlig Recht. Ich denke, da werd ich noch etwas gegen tun.

Der Verlauf muss amS zum Schluss schon ein in sich logisches Ganzes ergeben

Tuts meiner Meinung nach. Es endet doch eigentlich recht offensichtlich, nicht wahr? Man erfährt nebenbei ein bisschen was über die Umgebung, über Oliver und andere Dorfbewohner und dann gibts das recht eindeutige Ende.

Die tatsächlichen Vorgänge sind in der Geschichte versteckt und durch ihre vage Andeutung entfaltet der Text seine Wirkung. Die einen sagen "Das ist totaler Quatsch!", andere machen sich einen Kopf, andere können sich dazu nicht hinreißen; aber es wird/es wurde drüber geredet und nachgedacht - und das hat mich gefreut.

Das ist nachhaltiger, als wenn ich die xte Fast Food-Humorgeschichte raushaue, die eh keinen interessiert oder eine Horrorgeschichte von der Stange loslasse, in der alles offensichtlich ist.

es ist aber eher als konstruktiver Gegenpol gemeint zu dem zahlreiechen Lob.

So fasse ich es auch auf. Also keine Sorge, ich gehe deswegen nicht an die Decke - aber versuche trotzdem, meinen Standpunkt zu erklären und warum ich bei manchen Punkten einfach nicht zustimmen kann. Bevor man mir divenhaftes rumzicken vorwirft, füge ich das besser noch hinzu *g*

Und wenn letzteres, dann würde ich nicht nur auf den Plauderstil und die Ungewissheit achten und die skurrilen Einfälle, sondern auf die Stimmigkeit des Plots und auf eine für die meisten nachvollziehbare Logik.

Exactly. Der Plauderstil ist üblicherweise gar nicht mein Ding; ich mag einen allwissenden Erzähler lieber. Aber wenn ich in den Kopf eines Charakters möchte, dann soll er sich glaubwürdig anhören und nicht, als wäre er Edgar Allan Poe. Dann würde ich die Figur nicht für Voll nehmen.

fehlt mir hier die Bereitschaft, eine story bis zum Ende zu durchdenken.

Da fehlt mir eine nähere Erläuterung, denn ich bin immer noch der Auffassung, das es sich hierbei um eine abgeschlossene Geschichte handelt.

Und jetzt warte ich geduldig auf eine Auflistung der parodistischen Elemente, damit ich weiß, worauf ich das nächste Mal achten muss. (Plapperechsen und Superspinnen zählen nicht! *g*)

 

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