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Ohwieschön, Sonne.
Zusammengekauert sassen Ralph und Kim nebeneinander. Kims zartes Gesicht war Rusverschmiert; Ihre Hose am linken Hosenbein, vom Knie an abwärts zerfetzt. Leichte Brandwunden waren zu sehen. Der Schuh fehlte. Ihre, einstmals weisse, mit Rüschen verzierte Bluse, war grau und die Rüschen ein Opfer der Flammen geworden. Und auch er sah nicht besser aus. Sein Hemd hing in Fetzen am Körper. Seine Hose war Knie abwärts verbrannt und die schweren Stiefel sahen aus wie Homer’s Beef am Samstag. Er hatte die Arme um Kim gelegt und sie atmete langsam ruhiger. Sie sassen mit weiteren dreissig Menschen auf dem Dach des Postamtes fest. Dritter Stock. Und die Lavamassen hatten das Haus nun entgültig umschlossen.
Ohne Hilfe aus der Luft war aus diesem Inferno kein entkommen. Und auf eine solche Rettung, hier, 40 Meilen vor der Küste; vor einer Stunde war mit keiner Hilfe zu rechnen. Während er seine Freundin festhielt und sie sich sanft küssten, realisierte er, dass sie hier sterben würden. Zusammen mit drei duzend Touristen, die wirklich kein Schwein kannte.
Aber sie beide kannte ja auch kein Schwein hier. Waren sie doch erst vor vier Tagen hier angekommen, um vierzehn Tage Urlaub zu verbringen. Billig Reise. Last Minute. Wenn sie wieder in der Heimat wären, würde er sich mal beschweren müssen. Er sah immer noch keinen Hubschrauber und die ersten Häuser des Urlaubsortes gingen Mittlerweile in Flammen auf. Sie würden auf diesem verdammten Dach sterben. Und er hatte doch noch so viel vor. Wollte heiraten. Kinder. Ein Kuchenwettessen gewinnnen. Nichts von all dem war nun noch wichtig. Er und seine Freundin würden hier und heute elendig verecken. Wenigstens war der liebste Mensch in seinem Leben an seiner Seite, obwohl er sich für sie wünschte, sie wäre weit weg von hier.
Sein Blick fiel auf die Mitleidenden Touristen. Er wunderte sich, wie es die drei dicken Mitfünfzigerinnen aufs Dach geschafft hatten. Und wie es das Dach schaffte, die drei zu halten, als sein Blick auf einer älteren Frau hängen blieb. „Das ist doch...“, entfuhr es ihm. Er stand auf und ging behänden Schrittes zur anderen Seite des Daches. Kim schaute verdutzt hinterher, als Ralph sie so sitzen lies. Eigentlich wollte sie empört hinter ihm her rufen, entschied sich aber kurzerhand ihm zu folgen. Ralph hatte mittlerweile die ältere Dame erreicht. Sie schien um die achtzig und war nicht schmächtig. Wirkte aber im gegensatz zu Ralph’s 1,98m recht klein.
„Sind sie nicht Frau Adam-Bandowski, meine frühere Kindergärtnerin?“ fragte Ralph und legte den Kopf schief. „Oh!“ entgegnete die Dame, ihr karierter Rock und die Jacke sahen ziemlich mitgenommen aus. „Ja, aber das ist ja schon fast achtzehn Jahre her. Seitdem bin ich pensioniert. Sie sind.. ?“ fragte sie nun und legte den Kopf schief. „Ralph Meier, ausm Tannenweg. Von Meier’s Stuben.“ „So so“, sagte die Alte, „der kleine Ralph Meier.“
Raplh grinste und entgegnete der Frau „Wissen Sie noch, im Sommer 74, als ich den Bauklotzturm von Jörg Figge umstiess und sie mir eine gedonnert haben, das ich drei Tage eine rote Wange hatte?“ „Nein. Ich musste so viele Kinder bestrafen. Sie werden die Ohrfeige schon verdient gehabt haben, oder?“ fragte sie und lächelte.
Ralph’s Körper spannte sich an, seine Faust schoss nach vorne und traff die alte Frau mitten in’s Gesicht. Ihr Kopf schoss nach hinten und ihre Füsse hoben gleichzeitig vom Dachfirst. Kopfüber strützte die alte Frau vom Dach. Riss vom nebenanstehenden Birnbaum auf ihrem Weg nach unten noch zwei Äste mit sich und verglühte mit einem lauten „Fosch!“
Langsam versank das Haus in der Lava. „Das Leben ist doch gerecht“ sagte er und küsste seine Freundin, während am Horizont die Sonne unterging. Ohwieschön, Sonne.