Was ist neu

Obsession

Mitglied
Beitritt
08.05.2023
Beiträge
3
Zuletzt bearbeitet:
Anmerkungen zum Text

Obiger Text war der erste "lange" Text, den ich geschrieben hab.
Sonst hab ich immer nur Gedichte geschrieben und Gedankenschnipsel gesammelt.

Obsession

Ich bin hungrig. Ausgehungert. Laufe durch einen endlos langen Korridor gespickt mit Türen links und rechts. Was sich wohl dahinter befindet? Stürzend öffne ich die erste Tür und entdecke auf dem Boden stehend ein kleines Brett. Auf diesem liegt eine winzige Scheibe Brot, daneben steht ein Fingerhut mit Wasser. Nichts als Gier lässt meine Hand nach vorne schnellen. Welch herrliches Gefühl! Geifer rinnt meinen Mundwinkel herab, als ich drängend die nächste Tür aufreiße. Mein Flehen wurde erhört! Nie sah eine Terrine Suppe köstlicher aus! Nie ein Saft kräftiger! Angerichtet ist beides auf einem kleinen Tisch, nicht größer als ein Hocker. Die Hitze der Mahlzeit missachtend, greife ich die Terrine und schlucke deren gesamten Inhalt hinunter. Was sind schon ein paar Brandblasen an Händen und Lippen? Der Saft wird es richten.
Besänftigt verlasse ich den Raum, schlendere fast gemütlich zur dritten Tür. Gemächlich lege ich eine Hand auf die Klinke, drücke sie langsam, jedoch kräftig herab. Hat sich soeben eine Blase an meinem Finger geöffnet? Naja, und wenn schon...
Diesmal strecke ich zuerst meinen Kopf ein wenig durch den sich ergebenden Türspalt. Ich rieche, schnüffele, und kann mein Glück nicht fassen: die Luft ist geschwängert mit den köstlichsten Gerüchen! Das Zimmer betretend sticht ein vorzüglich gedeckter Tisch mir ins Auge. Braten, Gemüse, Soßen und Früchte, Fisch und Brote, Biere und Wein. Und das alles für mich?? Ich setze mich auf den einzigen Stuhl, binde mir ein Tuch um, greife zu Messer und Gabel und beginne mit dem Mahl. Nichts lasse ich unberührt. Fisch? Mag ich eigentlich nicht gerne, aber was soll's? Dazu trinke ich Bier um Bier, Wein um Wein. So langsam überkommt mich ein Völlegefühl. Ich reibe meinen Bauch, meine Schläfen. Ist es der Wein oder bin ich nur satt? Verschwenden möchte ich nichts. Bissen um Bissen, Schluck um Schluck mache ich weiter. Übrig bleiben nur ein paar Nüsse, angerichtet in einer goldenen Schale. Mir ist schwindlig, übel, mein Magen rebelliert. Ich beuge mich unsicher vor, nehme mir eine Nuss und verfalle ins Starren. Ich drehe die kleine Delikatesse hin und her. Es ist, als ob ich etwas entdecken möchte. Aber was? Ich stoße auf, dem Erbrechen nahe, und doch zucke ich die Schultern, lehne den Kopf zurück und lasse die Nuss auf meine ausgestreckte Zunge fallen. Meine Zähne mahlen, verrichten ihr Werk wie eh und je. Meine Wange juckt. Apathisch kratze ich mich. Seit wann habe ich Ausschlag? Die Blasen auf meinen Lippen spannen, einige bersten. Was passiert hier? Meine Hand unterlässt das Kratzen, wandert zu meiner Kehle. Luft, ich brauche Luft! Verzweifelt kralle ich mich in die Tischkante, falle japsend nach Vorne. Die Reflektion in der goldenen Schale zeigt eine aufgequollene, in Panik verzerrte Fratze. Ein letztes Röcheln, dann umgibt mich Schwärze.

Ich erwache mit dröhnenden Kopfschmerzen. Mein Mund ist wieder trocken, das Atmen fällt noch schwer. Die Schwellung meines Gesichts ist unangenehm, jedoch akzeptabel. Unter Zittern übergebe ich mich. Zeit meinem läditierten Körper Ruhe zu schenken. Ich igle mich ein, verharre, nichts treibt mich an.
Ein lautes Knurren meines Magens schaltet meinen Verstand wieder ein. Ich bemerke meine wunden, offenen Lippen.
Halte meinen Bauch. Zeit weiterzuziehen.
Mühsam erhebe ich mich, trete zurück auf den Korridor, laufe ein Stück. In Erwartung des nächsten Schmauses öffne ich eine weitere Tür. Doch nichts... Leere. Sachte gehe ich einen Schritt nach hinten. Drehe mich um. Das hölzerne Türblatt starrt mich an. Entschlossen stemme ich mich dagegen, stolpere, sehe weiße Wände. Ungläubig schüttele ich den Kopf. Energisch und in großen Schritten stürze ich voran, weiter, immer weiter. Vielleicht noch ein wenig Abstand?
Ich bin hungrig. Ausgehungert. Laufe durch den endlos langen Korridor gespickt mit Türen links und rechts...

 

Hallo @Wimmke ,

und herzlich willkommen im Forum. Zu deinem Text: so eine schnelle, gebündelte Ich-Perspektive. Das mochte ich. Allerdings werde ich aus deinem Text nicht ganz schlau. Für eine Metapher ist mir das nicht pointiert genug. Zumal ich als Leser nichts über die Hintergründe der Figur und der Situation erfahre. Für mich ist es so noch ein recht unbefriedigendes Leseerlebnis. Ein anderer Aspekt ist für mich auch die für meinen Geschmack etwas blumige Sprache.

Geifer

das ist schon sehr dick aufgetragen

die Luft ist geschwängert

auch das hier

Das Zimmer betretend

Solche Partizipien sind mit vorsicht zu genießen. Ist eine stark formalisierte Abkürzung, die quasi einen Satz und eine Handlung in einer anderen verschluckt – normalerweise hast du ja ein Verb(=eine Handlung) pro Satz, hierdurch hast du quasi zwei. Das überfrachtet Sätze nicht nur schnell, sondern wird (so nehme ich das wahr) auch als Abkürzung gelesen und nicht Äquivalent zu einem vollwertigen Satz. Auf jeden Fall auch ein ziemlicher Anti-Trend. Kann man schon mal machen, wenn es passt. Hier und in den anderen Beispielen in deinem Text würde ich es eher bleiben lassen.

leditierten

lädiert

Ich igele mich ein

igle

weiter zu ziehen

weiterzuziehen


LG und bis bald!
Carlo

 

@Carlo Zwei vielen Dank für deine Worte, die Fehler hab ich natürlich direkt korrigiert!
Ich wollte mit meinem Text einen Abhängigkeitskreislauf darstellen. Eine Situation beschreiben, in der man etwas unbedingt möchte bzw ersehnt, im Endeffekt alle Gefahren missachtet und trotz Schäden eben nicht aus dem Hamsterrad rauskommt? welche Sucht, Begierde, Abhängigkeit man auch selbst interpretiert.
Die Worte habe ich hier tatsächlich mit Absicht gewählt, um allgemein die Intensität der Situation zu verdeutlichen. Wobei ich eigentlich auch sonst gerne in "hochgestochenen" Worten schreib, gefällt mir irgendwie ??‍♀️?
Ich freue mich nichtsdestotrotz über künftige Kritik zu weiteren Texten.
Nochmals Danke?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Wimmke,

auch von mir ein herzliches Willkommen.

Vorab: Nimm meine Kritik bitte nicht persönlich - wir haben uns hier bei WK so eine Art Arbeitsethos geschworen, Feedback direkt und ehrlich zu geben. Das bringt viel und alleiniges Lob und gegenseitiges Schulterklopfen führen meistens lediglich dazu, dass jeder auf der Stelle stehen bleibt und als Autor nicht wächst.

Ich finde, du hast Talent. Ich meine, es zu spüren bei diesem Text. Nimm es mir nicht übel, und ich meine es nicht überheblich, aber meine, dass du noch ein wenig am Anfang des Prosaschreibens stehst. Prinzipiell ist baust du hier eine Metapher auf, in einer Art metaphorischen Welt, deren Regeln uns nicht ganz klar werden. Wieso isst die Person so viel? Wieso wird die Person ohnmächtig (!) weil sie so viel isst? Ist das überhaupt möglich (außer du bist Diabetiker o.ä.)? Weswegen hat sie Hunger? Das alles klärst du nicht, und meinst stattdessen:

Ich wollte mit meinem Text einen Abhängigkeitskreislauf darstellen. Eine Situation beschreiben, in der man etwas unbedingt möchte bzw ersehnt, im Endeffekt alle Gefahren missachtet und trotz Schäden eben nicht aus dem Hamsterrad rauskommt? welche Sucht, Begierde, Abhängigkeit man auch selbst interpretiert.
Hier sehe ich den Kardinalfehler. Eine Geschichte darf metaphorisch sein, aber ein Abhänigigkeitskreislauf, missachtete Gefahren, Schäden, Hamsterrad - all diese Komponenten sind deine Verantwortung als Autor, mir als Leser aufzuzeigen. Dieses Szenario hinzuwerfen gewissermaßen und zu sagen, interpretier, was du möchtest! Nee, so funktioniert das nicht, meiner Ansicht nach. Dein Problem ist, dass du gerne etwas zeigen möchtest, du die Idee für einen Konflikt hast, aber dich nicht konkretisierst. Das ist der Knackpunkt, bei dem es schwierig wird. Wenn du jetzt sagst, du möchtest über Benzo-Missbrauch etwas erzählen, Gefahren zeigen, die missachtet werden, das Hamsterrad, aus dem man nicht rauskommt - das wäre etwas Konkretes. Aber auch ein ganzer Roman, an dem du wahrscheinlich vier Jahre schreiben kannst. Für mich funktioniert das in der Form, wie du es hier versucht hast, jedenfalls nicht, weil ich als Leser mit einem Achselzucken herausgehe aus dem Lesen: Was habe ich Neues mitgenommen? Was konnte ich lernen? Wieso wurde ich emotional nicht abgeholt? Dass es Teufelskreise gibt, aus denen man nicht herauskommt, obwohl man sich dabei schadet, dürfte jedem klar sein. Dein Text geht nicht darüber hinaus, als einem das mitzuteilen: Es gibt Teufelskreise, man schadet sich, obwohl man weiß, dass man sich schadet, aber man nimmt es für einen "Rausch" in Kauf. Spannend wäre an dieser Stelle, etwas Konkretes zu lernen, das man so noch nicht gelesen oder gesehen hat. Oder zeige ein konkretes, persönliches Schicksal. Ich denke, viele junge Leute, die Bock auf schreiben haben, gehen auf diese Schiene, dass sie etwas in einer Metapher schreiben, weil man das häufig von Deutschlehrern im Deutschunterricht hört, dass das geil wäre, wie Kafka schreibt. Aber gleichzeitig schaut man dann doch Serien oder liest lieber Romane, wo ein konkreter Konflikt herausgearbeitet ist. Also ich persönlich rate vom metaphorischen Schreiben ab, wenn es wirklich nur eine reine Metapher ist, die bedient wird. Wenn du eine Erzählung mit Protagonisten, einem Konflikt usw. hast, und man die auch metaphorisch lesen kann, gerne. Aber in der Form erreicht der Text nicht seine Ziele, die er sich gesetzt hat (du schriebst ja, du möchtest etwas über Teufelskreisläufe und der Unfähigkeit, mit gefährlichen Verhalten aufzuhören, schreiben).

Mein Vorschlag: Beginne, indem du autobiografisch schreibst. Erzähle etwas, das dir oder Freunden passiert ist und was du interessant oder erzählenswert fandest und findest. Erfinde etwas dazu, lass etwas weg natürlich. Lies viel in deutscher Sprache und achte darauf, wie Autoren es bei Romanen oder Shortstories, die dir gefallen, machen. Imitiere, hole dir Feedback und zieh dir ein paar Schreibratgeber rein, um die Grundstruktur von Geschichten zu kennen. Sind natürlich nur meine Ratschläge, aber du kannst natürlich machen, was du möchtest. Ich habe das Gefühl, du hast was zu erzählen, aber weißt noch nicht ganz, wie. Ich bin gespannt.

Viele Grüße
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Wimmke

Für mich geht es in deinem Text um Bulimie, ist aber nur meine Interpretation. Finde ich naheliegend, da es um Fressflashs geht, dann auch das Übergeben, die Kotzerei, muss ja bei Bulimie keine 'Begleiterscheinung' sein, kann aber. Also für mich wird das relativ klar. Das Essen ist ja wie ein Zwang, Fisch mag ich nicht, schling ihn aber trotzdem runter. Vielleicht hab ich den Text aber auch zu wörtlich gelesen.

Dazu trinke ich Bier um Bier, Wein um Wein.
Ja, weiss nicht, 'Wein um Wein' klingt wie Flasche um Flasche, vielleicht zehn oder zwölf dieser 750ml-Dinger, dazu das Bier, ich glaube, da könnte bald auch ein(e) gestandene(r) AlkoholikerIn nicht mehr wirklich mithalten. Klar, es zeigt wieder die Sucht, aber das ist für mich etwas über das Ziel hinausgeschossen. Dann das mit dem Jucken, Ausschlag, aufgeplatzte Lippen, steht für mich für den Schmerz, mir kommen aber gleichzeitig auch die körperlichen (Langzeit-)Symptome von Crack oder sowas in den Sinn ... Verstehe schon, dass der Text eine Metapher in sich ist, aber, jetzt mal davon abgesehen, ob meine Vermutung mit der Bulimie ungefähr zutrifft oder nicht, ich würde da nicht zuviel (Suchterscheinungen) zusammenmixen, sonst wirkt das schnell unentschlossen.

Mühsam erhebe ich mich, trete zurück auf den Korridor, laufe ein Stück. In Erwartung des nächsten Schmauses öffne ich eine weitere Tür. Doch nichts... Leere. Sachte gehe ich einen Schritt nach hinten.
Plötzlich ist einer der Räume leer. Steht der jetzt für die Leere, die der/die Prot(a) empfindet? Oder sind die Räume die Tage und an diesem Tag bleibt er/sie sozusagen 'clean'? Ich weiss es nicht so recht, aber was macht dieser leere Raum mit ihm/ihr? Das muss ja was auslösen, Hunger, Suchtdruck, Verzweiflung, irgend sowas, also das kommt mir hier zu kurz und ich finde, da verschwendest Du Potential.

Ja, am Schluss dreht sich das Hamsterrad wieder von vorne. Ich hätte es schön gefunden, wenn der/die Prot(a) versucht hätte, sich daraus zu befreien, versucht hätte, die Mauern des Korridors einzureissen, die Türen einzutreten, wäre gespannt gewesen, was dann mit den Räumen und dem aufgetischten Essen passiert wäre und was diese Rebellion mit der/dem Prot(a) gemacht hätte ... Am Stil könnte man sicher noch bisschen feilen, aber alles in Allem fand ich das für einen Ersteinstand (hier im Forum, weiss nicht, wieviel Du sonst schon geschrieben hast) gar nicht mal schlecht.

Grüsse,
d-m

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom