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- Anmerkungen zum Text
Obiger Text war der erste "lange" Text, den ich geschrieben hab.
Sonst hab ich immer nur Gedichte geschrieben und Gedankenschnipsel gesammelt.
Obsession
Ich bin hungrig. Ausgehungert. Laufe durch einen endlos langen Korridor gespickt mit Türen links und rechts. Was sich wohl dahinter befindet? Stürzend öffne ich die erste Tür und entdecke auf dem Boden stehend ein kleines Brett. Auf diesem liegt eine winzige Scheibe Brot, daneben steht ein Fingerhut mit Wasser. Nichts als Gier lässt meine Hand nach vorne schnellen. Welch herrliches Gefühl! Geifer rinnt meinen Mundwinkel herab, als ich drängend die nächste Tür aufreiße. Mein Flehen wurde erhört! Nie sah eine Terrine Suppe köstlicher aus! Nie ein Saft kräftiger! Angerichtet ist beides auf einem kleinen Tisch, nicht größer als ein Hocker. Die Hitze der Mahlzeit missachtend, greife ich die Terrine und schlucke deren gesamten Inhalt hinunter. Was sind schon ein paar Brandblasen an Händen und Lippen? Der Saft wird es richten.
Besänftigt verlasse ich den Raum, schlendere fast gemütlich zur dritten Tür. Gemächlich lege ich eine Hand auf die Klinke, drücke sie langsam, jedoch kräftig herab. Hat sich soeben eine Blase an meinem Finger geöffnet? Naja, und wenn schon...
Diesmal strecke ich zuerst meinen Kopf ein wenig durch den sich ergebenden Türspalt. Ich rieche, schnüffele, und kann mein Glück nicht fassen: die Luft ist geschwängert mit den köstlichsten Gerüchen! Das Zimmer betretend sticht ein vorzüglich gedeckter Tisch mir ins Auge. Braten, Gemüse, Soßen und Früchte, Fisch und Brote, Biere und Wein. Und das alles für mich?? Ich setze mich auf den einzigen Stuhl, binde mir ein Tuch um, greife zu Messer und Gabel und beginne mit dem Mahl. Nichts lasse ich unberührt. Fisch? Mag ich eigentlich nicht gerne, aber was soll's? Dazu trinke ich Bier um Bier, Wein um Wein. So langsam überkommt mich ein Völlegefühl. Ich reibe meinen Bauch, meine Schläfen. Ist es der Wein oder bin ich nur satt? Verschwenden möchte ich nichts. Bissen um Bissen, Schluck um Schluck mache ich weiter. Übrig bleiben nur ein paar Nüsse, angerichtet in einer goldenen Schale. Mir ist schwindlig, übel, mein Magen rebelliert. Ich beuge mich unsicher vor, nehme mir eine Nuss und verfalle ins Starren. Ich drehe die kleine Delikatesse hin und her. Es ist, als ob ich etwas entdecken möchte. Aber was? Ich stoße auf, dem Erbrechen nahe, und doch zucke ich die Schultern, lehne den Kopf zurück und lasse die Nuss auf meine ausgestreckte Zunge fallen. Meine Zähne mahlen, verrichten ihr Werk wie eh und je. Meine Wange juckt. Apathisch kratze ich mich. Seit wann habe ich Ausschlag? Die Blasen auf meinen Lippen spannen, einige bersten. Was passiert hier? Meine Hand unterlässt das Kratzen, wandert zu meiner Kehle. Luft, ich brauche Luft! Verzweifelt kralle ich mich in die Tischkante, falle japsend nach Vorne. Die Reflektion in der goldenen Schale zeigt eine aufgequollene, in Panik verzerrte Fratze. Ein letztes Röcheln, dann umgibt mich Schwärze.
Ich erwache mit dröhnenden Kopfschmerzen. Mein Mund ist wieder trocken, das Atmen fällt noch schwer. Die Schwellung meines Gesichts ist unangenehm, jedoch akzeptabel. Unter Zittern übergebe ich mich. Zeit meinem läditierten Körper Ruhe zu schenken. Ich igle mich ein, verharre, nichts treibt mich an.
Ein lautes Knurren meines Magens schaltet meinen Verstand wieder ein. Ich bemerke meine wunden, offenen Lippen.
Halte meinen Bauch. Zeit weiterzuziehen.
Mühsam erhebe ich mich, trete zurück auf den Korridor, laufe ein Stück. In Erwartung des nächsten Schmauses öffne ich eine weitere Tür. Doch nichts... Leere. Sachte gehe ich einen Schritt nach hinten. Drehe mich um. Das hölzerne Türblatt starrt mich an. Entschlossen stemme ich mich dagegen, stolpere, sehe weiße Wände. Ungläubig schüttele ich den Kopf. Energisch und in großen Schritten stürze ich voran, weiter, immer weiter. Vielleicht noch ein wenig Abstand?
Ich bin hungrig. Ausgehungert. Laufe durch den endlos langen Korridor gespickt mit Türen links und rechts...