Quinn:
Es ist egal, wie die Wurst gemacht wird, hauptsache, sie schmeckt.
Und das schmeckt noch? Bei Lebensmitteln finde ich Industrieproduktion auch unbehaglich.
Es scheint ja Leuten zu schmecken. Sonst wären das keine Bestsellerautoren. Ich habe nur gesagt: Wie jemand schreibt, ob mit Kladde (die ja auch ein Autorenfetisch geworden ist) unterm Apfelbaum oder mit Sol Steins Literaturprogramm auf dem Laptop im ICE, das interessiert keinen. Das Endprodukt zählt.
Man kann sich ja über die Auswüchse des Literaturbetriebs mit Recht beklagen, dass Schätzing u.a. so erfolgreich ist, weil er - für einen Autoren - ordentlich etwas hermacht und reden kann - das kann Ingo Schulze, der von der Kritik geliebt wird, eben nicht.
Das Phänomen des "Schnellen Schreibens" z.B. wird ja oft als Qualitätsmangel angeführt, weil einige Autoren es gern so hätten, dass man sich jeden Satz rauspresst wie ein 12Pfund-Baby. Aber manche können das nunmal, deren erste Fassung odr wenigstens ihre zweite, ist so gut, dass ihre Leser ihnen die abnehmen und ihnen ihre Verlage dafür Geld geben.
Andere brauchen sehr viele Fassungen, müssen den Text länger liegen lassen, verfransen sich in Plotfäden oder müssen mittendrin eine Pause machen, weil sie sich in eine Sackgasse geschrieben haben. Als Autor, der vom Schreiben leben möchte, gut leben möchte, kann man sich - ich denke das leuchtet jedem ein - sowas halt nicht leisten. Zumal man dann ständig damit kämpft, seine Stammleserschaft zu halten und auszubauen. Wenn ich im "Markt" bin, an den Bahnhofshandlungen, und hab da ein Buch, das sich gut verkauft, muss ich möglichst bald eins nachschieben, denn in 3,4 Jahren haben mich die Leute wieder vergessen und ich muss die Marke erneut aufbauen.
Das hat natürlich mit der hohen Kunst und dem Jahrhundertroman nichts zu tun. Sondern das ist der Bereich der Literatur, der marktanalysiert, durchgestylt und zugeschnitten ist. Da schreiben die Autoren auch nicht frei. Da gibt es in den Genreverlagen oder Buchreihen klare Vorlagen: Sex zwar alle 50 Seiten, aber straight und Abblende beim Licht-Aus, der Held darf nicht beschädigt werden, darf keine Angewohnheiten oder Makel haben, die ihn als Fantasieobjekt für die Leserschaft (natürlich auch sexuell) unattraktiv machen würden, Happy-End ist oft vorgeschrieben.
Das sind lauter so Sachen, bei denen man zu Recht den Kopf schütteln kann.
Mal davon ab, muss man auch klar sagen: Die Leute, die so regelmäßig schreiben, das sind schon keine Idioten oder Stümper, die haben mehr Bücher gelesen und mehr Talent als die meisten anderen. Vor allem aber haben sie Disziplin, auch so regelmäßig zu schreiben, und nehmen das viel ernster als Hobbyautoren.
Wenn hier einer im Monat zwei Texte á 15.000 Zeichen einstellt, ist das schon viel und er wird argwöhnisch beäugt. Normal schreibt ein professioneller Autor, wenn er schreibt, je nach Tempo, irgendwo zwischen 7 und 12 Normseiten am Tag. Das sind andere Dimensionen.
Natürlich tut ein Autor gut daran, wenn er die Leser nicht schauen lässt, wie die Wurst gemacht wird. Die möchten, dass dem Autor der Roman in einem Geniestreich einfällt und dass er ihn dann, wie von der Muse geküsst, fieberhaft schreibt, ohne abzusetzen, aber als er dann aus seinem Schreibkämmerlein kommt, ist darüber Winter geworden.