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Nur eine Nacht

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24.01.2009
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Nur eine Nacht

Als der alte Golf vor unserem Haus hält, lackiere ich mir gerade die Fußnägel. Auf der Beifahrerseite steigt eine junge Frau aus, fast noch ein Mädchen, lang und dünn, mit rotem Lockenhaar, sie streckt und dehnt sich, als wäre sie in der Kiste geschrumpft, sie kreist Schultern und Becken und Kopf, und ich finde, sie übertreibt maßlos. Ich kenne sie nicht, habe das Mädchen nie zuvor gesehen, das jetzt vor meinem Küchenfenster Turnübungen vollführt. Nun steigt auch der Fahrer aus, ihn erkenne ich sofort, obwohl es Jahre her ist, dass ich ihn zuletzt gesehen habe, er, damals noch ein Kind, in meinem Garten spielte. Ruben! Er geht um den Wagen herum, schlingt die Arme um die Turnerin und die beiden küssen sich, wie nur Frischverliebte küssen, wild und endlos. Mir wird übel und meine Hände zittern, mein Herz schlägt hart und schnell und ich frage mich, ob es wohl gleich explodieren wird. Nach dem Kuss holen sie zwei Rucksäcke aus dem Kofferraum, öffnen das Gartentor und kommen händchenhaltend auf unsere Haustür zu; ich flüchte ins Bad, verstecke mich vor ihrem Klingeln, will es nicht hören, ich will, dass sie wieder abfahren, dahin, wo sie hergekommen sind oder sonst wohin, nur verschwinden sollen sie, weit weg und nie wieder kommen. Endlich verstummt ihr Läuten, ich atme auf, verlasse meinen Bunker und laufe ihnen direkt in die Arme, barfuß, mit drei lackierten Zehen und im Bademantel, der noch vom Morgen übrig ist.
»Besuch für dich«, sagt Arne, mein Mann, er ist vom Einkauf zurück, stellt drei Tüten auf dem Boden ab, ich sehe Lauch, der wie Palmen aus der Tüte wächst.
»Hey«, sagt Ruben.
»Hey«, sagt auch die Turnerin.
»Hey«, sage ich, und kann meinen Blick nicht von Rubens Gesicht abwenden, starre ihn an und will es doch nicht sehen.
Ruben freut sich über das Wiedertreffen, freut sich, dass ich tatsächlich zu Hause bin, erst dachte er ja, sie hätten Pech, schließlich sei Sommer und die Leute führen in den Urlaub. Er entschuldigt sich für den Überfall, eigentlich wollten sie ja für den Zwischenstopp zum Onkel, aber nun wären Sachen dazwischengekommen, ganz plötzlich und deshalb dachte er, er könne ja mal fragen, ob sie diese Nacht hier bleiben könnten, nur eine Nacht, auf dem Sofa oder dem Fußboden, egal, sie würden keine Ansprüche stellen, keine Umstände, morgen früh würden sie weiter nach Neapel reisen, sie bräuchten kein Frühstück, nur Kaffee, ob es mir recht wäre? Ich schaue zu Arne, der zuckt mit den Schultern, was so viel heißt wie, mir egal. Ich höre mich sagen: »Ja, klar. Gar kein Problem.«

*​

Seit meine beste Freundin Biene mit ihrem neuen Freund im Bett lag und Filme schaute oder auch keine Filme schaute, jedenfalls hatte sie keine Zeit mehr für mich, saß ich samstagnachmittags allein an einem Tisch im Café und las ein Buch. Er kam stets gegen fünf, setzte sich an den Tisch neben dem Zigarettenautomaten, zog ein Heft aus seiner Lederjacke, bestellte eine Cola und schrieb. Wenn er nicht schrieb, trommelten seine Finger auf der Tischplatte, und er schaute in den Raum, als würde er in der Caféluft nach einem Wort suchen, als gäbe es viele Worte dort, doch er suchte ein ganz spezielles, er musste es nur aus all den anderen Worten herausfiltern.
Ich nannte ihn den Trommler, stellte mir vor, wie er hinter einem Schlagzeug saß, mit seinen Sticks den Einsatz anzählte, wie er sich hier im Café neue Texte ausdachte. Er blieb eine Stunde, dann legte er das Geld für die Cola auf den Tisch, steckte sein Schreibheft zurück in die Jackentasche und verließ das Café ohne einen Abschiedsgruß hinter die Theke. Ich stellte mir vor, wie er am Abend in einen Club fuhr, in dem er mit seiner Band auftrat, wo ihm die Mädchen um den Hals flogen, bis er eine von ihnen mitnahm, in eine Wohnung mit Kohleofen und Kohlgeruch im Treppenhaus, wo es immer kalt war und sie sich unter Decken vergruben; nackt, verschwitzt und außer Atem.
Als er an jenem Samstag sein Geld auf den Tisch legte, trafen sich unsere Blicke, ich fühlte mich ertappt und wurde rot, senkte meinen Blick und las konzentriert in meinem Buch, bis er sich auf dem Stuhl mir gegenüber niederließ und es albern wurde, so zu tun, als gäbe es ihn nicht.
»Hey«, sagte der Trommler.
»Hey«, flüsterte ich.
Später gingen wir zu ihm, stiegen die Stufen hinauf, es roch nach Kohl im Treppenhaus, in seinem Wohnzimmer stand ein Kohleofen, es war gut geheizt, wir schauten einen Film und tranken Wodka, später bat ich um Leitungswasser, wir redeten kaum, schauten noch einen Film, ich fragte ihn, ob er Schlagzeug spiele, was er verneinte, ob er überhaupt ein Instrument spiele, was er ebenfalls verneinte, wir vergruben uns unter Decken, nackt, verschwitzt und außer Atem, und ich verliebte mich in den Trommler, der kein Trommler war.

*​

Ich steige mit Ruben und der Turnerin die Treppen hoch. Gestern erst habe ich die Betten frisch bezogen, Minnie Mouse fürs untere Bett, die Meerjungfrau fürs obere, ich sammle Barbies Wohnmobil und Barbies Pferd und Barbies Casanova vom Boden auf und stopfe alles zu den anderen Mädchensachen in die Regale. Die Turnerin steht nun ganz still, Ruben hinter ihr, noch immer im Türrahmen, als traue er sich nicht, die Schwelle zu übertreten.
»Ist das okay für euch?«, frage ich.
Die Turnerin sagt nichts, Ruben meint, sie bräuchten kein eigenes Zimmer, die Couch wäre völlig in Ordnung, er wolle meinen Kindern das Zimmer nicht streitig machen.
»Arnes Töchter wohnen bei ihrer Mutter«, sage ich. »Kommen erst in zwei Wochen wieder. Aber lasst die Finger von der Glitzerschminke.«
»Kein Problem«, sagt Ruben und tritt nun doch über die Schwelle, stellt seinen Rucksack neben das Puppenhaus und legt sich ins untere Bett auf Minnie Mouse. Das Bett ist zu kurz, er muss die Beine anwinkeln, und ich frage mich, was ich hier eigentlich tue, schließlich haben wir auch ein ganz normales Gästezimmer.
»Doch, ist völlig okay. Danke!« Er trommelt mit den Fingern auf seinem Bauch und ich kann nicht anders, als hinzustarren, das auf und ab der Finger zu verfolgen, den Rhythmus zu hören, der von seinem Körper geschluckt wird, den niemand hört, außer ich, laut und deutlich.
Er fragt, ob es unhöflich wäre, wenn er mit Tina ‘ne Runde drehe, ihr zeige, wo er gewohnt habe, wo es das beste Eis gab und wo er mit dem Schlitten in den Zaun gebrettert ist? Wollte bisschen in seinen Wurzeln graben.
»Sicher«, sage ich, »geht ihr mal ‘ne Runde.«
Tina, wirft ihren Rucksack auf das obere Bett, sagt: »Wir können die Matratzen ja auf den Boden legen.« Sie schaut mich an, sagt: »Wir machen das morgen auch wieder ordentlich.«
Endlich gehen die beiden. Wurzeln graben, was für ein Scheiß, denke ich. Im Eisladen! Arne putzt in der Küche das Gemüse fürs Abendessen und ich sitze auf dem Fußboden im Mädchenzimmer, und suche nach Worten in der Luft, nach einem Wort, ein lautes, so laut, dass es all die anderen in mir zum Schweigen bringt. Aber da ist kein Wort. Kein einziges Wort ist in der Luft, also gehe ich runter zu Arne und schmiege mich an ihn, lasse mich von ihm festhalten, bei ihm ist es still.

*​

Über die Jahrtausendwende fuhren wir gemeinsam auf eine Hütte in den Bergen. Biene und ich setzten uns alberne Hüte auf den Kopf und hässliche Brillen auf die Nasen, ihr Paul und mein Trommler mixten die Bowle, die uns das Hirn vernebelte.
»Ich will ein Kind«, sagte ich an Neujahr zum Trommler.
»Wozu?«
»Es würde gut zu uns passen.«
»Zu dir vielleicht.«
»Zu dir nicht?«
»Nicht jetzt. Später.«
»Wann später?«
»Später eben.«

Meinen Großeltern war dieses Haus zu groß und der Garten zu viel geworden, sie zogen in eine Stadtwohnung inmitten von Arztpraxen, Apotheken und Supermärkten, ich in ihr großes Haus, allein, ohne den Trommler, uns waren die Decken abhanden gekommen, unter denen wir uns vergraben konnten.
Während ich still in die Kissen heulte, schrie Biene ihren Schmerz unter Wehen in die Welt. Ruben wurde geboren, meine Freundin und ihr Paul schoben den Winzling durch den ersten Schneesturm des Jahres nach Hause.
Ich sah meinen Trommler in fremden Gesichtern, traf seinen Schatten im Supermarkt, im Kino, im Bus, ich wiegte Bienes Baby, das aussah wie ein kleiner Trommler.
»Blödsinn«, sagte Biene.
»Aber guck doch mal.«
»Hör sofort damit auf!«
Mit der Zeit hörte der Schatten auf, mich zu verfolgen, ich traf den Trommler immer seltener, irgendwann gar nicht mehr, erst wieder, als Ruben sieben Jahre alt war. Man hatte mir kurz zuvor die Eierstöcke entfernt, Ruben und ich buddelten Kartoffeln aus, er saß auf dem Boden, am anderen Ende des Beetes, legte jede Kartoffel wie einen Schatz in den Korb. Es war heiß an jenem Tag, ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und dabei Erde ins Gesicht, und als Ruben seinen Kopf zur Sonne neigte, sah ich den Trommler, er hockte als kleines Kind mitten in meinem Kartoffelbeet, ich starrte Ruben an, schluckte, wandte meinen Blick ab, lief ins Haus und schaufelte mir literweise kaltes Wasser ins Gesicht, redete mir ein: Das kann nicht sein. Biene und der Trommler. Niemals! Niemals hätten die beiden. Wann denn auch?, schob es auf die Sonne, die Hitze, zu wenig Wasser getrunken.
»Hast du eigentlich noch Kontakt zum Trommler?«, fragte ich abends Biene, während Ruben und Paul ein paar Bälle zwischen die Apfelbäume schossen.
»Nee«, sagte Biene. »Wie kommst du drauf?«
»Nur so.«
Ein halbes Jahr später zog Biene mit ihrer Familie in den Norden, weit weg, wir entfernten uns, verloren uns ganz aus den Augen.

*​

Tina, die Turnerin, baut einen Joint und lässt ihn rumgehen. Die beiden plappern auf uns ein, schwärmen von Italien, Ruben trommelt mit seinen Fingern auf der Tischplatte.
»Hör auf damit!«, sage ich.
»Tschuldigung. Dumme Angewohnheit.«
Ich nicke, stehe auf, um aus der Küche eine weitere Flasche Wein zu holen. Ruben folgt mir, wir stehen da, ich mit dem Korkenzieher in der Hand, er seine Hände in den Hosentaschen.
»Warum bist du hier?«, frage ich.
»Meiner Mutter geht es nicht gut.«
»Was habe ich damit zu tun?«
»Ich dachte, es interessiert dich vielleicht.«
»Und wenn nicht?«
»Dachte nur, du solltest es wissen.«
»Okay, jetzt weiß ich es.«
»Sie hat ein Foto im Arbeitszimmer hängen, ihr beide, Arm in Arm auf einer Silvesterparty, mit albernen Hüten auf dem Kopf und hässlichen Brillen auf den Nasen.«
»Und?«
»Dachte nur, das solltest du auch wissen.«
»Sonst noch was, was ich wissen sollte?«
Der Korken steckt fest, ich bekomme ihn nicht heraus, Ruben nimmt mir die Flasche ab, zieht einmal kurz und die Sache ist erledigt. »Danke, dass du uns die Nacht hier schlafen lässt. Morgen früh sind wir wieder weg.«
Er geht mit der Flasche ins Wohnzimmer, ich räume Besteck, Gläser und Teller aus dem Geschirrspüler, ein Teller rutscht mir aus den Händen, fällt zu Boden, ich fluche, und als ich die Scherben auflese, trete ich mit dem nackten Fuß in eine hinein, ich klebe ein Pflaster drauf und wische das Blut von den Fliesen. Danach ziehe mich in mein Bett zurück. Ich höre die drei unten lachen, höre, wie sie mitten in der Nacht die Treppen hochpoltern, höre die Geräusche aus dem Badezimmer, ihre Schritte im Flur, wie die beiden im Zimmer nebenan umräumen, gackern, höre ihre Stimmen, ohne zu verstehen, was sie sagen, ich spüre, wie Arne sich von hinten an mich schmiegt, wie sein Atem meinen Nacken streift, wie seine Hand meinen Arm streichelt, und endlich, endlich kann ich einschlafen.
Am nächsten Morgen, als Arne und ich aufstehen, sind die beiden fort. Die Matratzen liegen wieder in den Kinderbetten, es steht kein Golf mehr vor meinem Küchenfenster, nur zwei abgewaschene Kaffeetassen neben der Spüle.

 

Ello @Fliege,

ja, stark. Erinnert mich an was von Carver. Du schreibst etwas üppiger, weiblicher, würde ich mal sagen, aber von der Grundausrichtung ist das sehr, sehr gut. Kleine weiße Lügen, ein wenig Hintergehen, das stellt das ganze Leben auf den Kopf, alles wird in Frage gestellt, nichts ist mehr, wie es vorher war. Super. Tristesse royal, wie et eben so is.

Aber. Mir geht das was zu fix. Du hetzt da etwas atemlos durch. Ich finde vor allem, dass Ruben da einfach so mirnichtsdirnichts auftaucht, obwohl seine Mutter und die Prot sicher zehn Jahre oder so keinen Kontakt mehr haben - da frage ich mich, warum? Und warum tauchen die ausgerechnet bei der auf? Da müsste was sein, was Ruben tatsächlich geprägt hat, wie ein Baumhaus oder so, wo er sagen kann: DA muss ich unbedingt hin, das hier ist WIRKLICH prägend. So kommt mir das aus dem nichts. Warum sollten die auch so einen guten Kontakt pflegen? Da muss es einen Grund für geben, der klar wird, oder aber eben so was, wo Ruben sagen kann, das gehört zu meiner Kindheit. Dann wäre das gerechtfertigt.

Weiter. Mir fehlen Verdachtsmomente. Frauen basteln doch aus allem eine Möglichkeit, wo ihre Typen THEORETISCH hätten fremdgehen können. Wie, du warst Zigaretten holen, schnell noch irgendwo eine Nummer geschoben, GIB ES ZU! Also, da müsste sie nachdenken, wo kann das passiert sein, da oder da oder da, und das könnte dir euch weiteren Raum verschaffen, noch etwas weiter in die Charaktere zu gehen, sie zu zeigen, durch die Augen der Prot. Erinnerungen. Fragen. War er der Typ? Nee. Doch! Nee! Aber vielleicht ... das Zweifelnde, Zermürbende fehlt mir, am Ende sehe ich diese Frau, die keine Kinder gebären kann, und dann sieht sie Ruben, die Leibesfrucht ihres angebeteten Trommlers und ihrer Ex-BBF, und sie sieht ja im Grunde die Entwicklung, die sie gerne gehabt hätte, und sie steht da mit nichts, mit Arne, alles scheiße gelaufen, aber ich sehe den Prozess nichts, du könntest die Fallhöhe krasser machen. Und: ihre ehemalige beste Freundin, der darf es auf keinen Fall schlecht gehen. Solchen Leuten geht es IMMER gut, denen scheint die Sonne aus dem Arsch, sie sollte im Lotto gewonnen haben, immer noch 90 60 90, neuen, zehn Jahre jüngeren Typen, und ein tolles, tolles Leben.

Ich finde, du hast hier die Ansätze zu einem wesentlich längeren Text, und ich mag die Anordnung der Figuren, aber ich will mehr, viel mehr, weil ich das gerne gelesen habe, und ich finde, du könntest dem Text das gönnen, den Figuren, die sich dann besser entfalten können.

Gruss, Jimmy

 

Hey @Fliege!

Auch mir hat deine Neue ausgesprochen gut gefallen. Was ich sehr mag, ist die Art, wie du deine Figuren mir einfach kommentarlos zeigst und wie ich da nach und nach verstehe, wie alle in Beziehung zueinander stehen und was da los ist in diesem Haus, bei deinen Prots. Das kommt mir sehr subtil und lebendig vor, jeder hat seine eigene Agenda, seine eigenen Mätzchen; es ist auch spannend, weil praktisch zwischen jeder Figur ein Konflikt liegt - bis vielleicht auf das junge Pärchen.
Jedenfalls gefällt mir das sehr gut, wie du die Leute hier vorstellst, wie das praktisch ein kleiner, intensiver Ausschnitt aus dem Leben deiner Prot ist, unter dessen Oberfläche man aber beim Lesen richtig merkt, dass es rumort, dass da etwas am Brodeln ist.

Ich werde mich sowohl in meinem Lob als auch Kritikpunkten zwangsläufig wiederholen, ich hab eben die Vorkommentare etwas durchgescrollt - ich hoffe, es bringt dir trotzdem etwas, in dem Sinne, dass du weißt, ich als Leser würde mich hier oder dort mit einreihen.

Ich sehe zwei Dinge an der Geschichte, die man noch verbessern könnte bzw. wo ich nach dem Lesen mehr oder weniger im Unklaren war - beides wurde schon angesprochen.

Zuerst ist das die Frage, wieso das junge Pärchen deine Prot besuchen? Irgendwie wirkte auch für mich der Grund ein wenig unorganisch. Deine Prot ist seit Jahren mit der Mutter des Jungen zerstritten, er kennt sie praktisch nur aus Kinderjahren, und als er durch die Stadt fährt, fährt er einfach bei deiner Prot vorbei und fragt, ob er sich einquartieren darf? Irgendwie wirkte das für mich ein wenig unecht, so, als ob noch was fehlen würde als Erklärung oder Motivation. Es kommt mir auch nicht so vor, dass er deine Prot besuchen will, um ihr über den Gesundheitsstand von Bine Bescheid zu geben, dafür wirkt er für mich am Anfang zu fröhlich und es passt schon, dass er das in einem ruhigen Moment anspricht, aber als Motivation, sich dort eine Nacht einzuquartieren, fand ich das nicht ganz schlüssig.
In der jetzigen Konstellation ergibt das Einquartieren jedenfalls für mich nicht so wirklich Sinn und wirkt leider in deinem sehr schlüssigen und authentischen Text als einer der für mich schwächeren Punkte.

Zweitens habe ich nach dem Lesen nicht verstanden gehabt, dass der Junge der Sohn von Bine und dem Trommler ist. Ich habe den Text eigentlich sehr aufmerksam gelesen und dachte, ich hätte alle Nuancen begriffen, aber als ich dann in den Kommentaren gelesen habe, dass so viele begriffen hätten, dass es sich um den Sohn Bines und Trommlers handelt, dass das so klar wäre, dachte ich mir: Hä? Also ich hab das überhaupt nicht gesehen, mir war dieses Detail zu versteckt. Für meinen Geschmack ist hier noch ein wenig den Vorhang öffnen keineswegs verbunden mit einem Schlechterwerden des Textes - im Gegenteil, hätte ich das beim Lesen etwas offensichtlicher wahrgenommen und gleich im Text verstanden, hätte mich die Story wahrscheinlich noch mehr begeistert!

Also, zwei Punkte, bei denen ich mich hinter Vorkommentatoren einreihe. Ansonsten hab ich das wirklich sehr gerne gelesen und habe auch das Gefühl, dass du einen kleinen Sprung gemacht hast, in die Richtung, dass sich dieser Text noch intensiver und reifer (im Sinne von Autoren-Reife) liest.

Was die Symbolik an geht, die für manche Kommentatoren etwas "drüber" war, fand ich das Zerbrechen der Weinflasche gar nicht schlimm bzw. too much, sondern eigentlich sehr gut. Für mich war eine etwas zu eindeutige und vielleicht auch "slapstickhafte" Symbolik das Zerbrechen des Korkens, als deine Prot das Gespräch mit dem Jungen führt - das hätte es für mich nicht gebraucht, weil dieses Zerbrechen, ich glaube, Peeperkorn schrieb es, ein wenig so wirkt, als ob du mir als Leser noch mal nachträglich erklären möchtest, was jetzt im Gespräch vorfällt und wie sich das anfühlt. Das hätte es für mich nicht gebraucht - die Weinflasche dagegen fand ich authentisch und gut!

Wirklich sehr gerne gelesen, Fliege! :)

Besten Gruß
zigga

 

Guten Morgen @ Fliege

Es freut mich zu hören, das dir mein Kommentar gefallen hat

es kommt nicht oft vor, dass sich hier erst mal jemand umsieht und liest und kommentiert, die meisten wollen nur Feedback für die eigenen Sachen
Ich habe mich erst einmal umgesehen und gelesen, weil mir noch son bisschen die Ideen fehlen. Ich würde total gerne schreiben und hab schon das ein oder andere Aufgeschrieben, das ist allerdings noch weit weg von einer fertigen Geschichte.
Da ich euch kein völligen Schrott präsentieren will, habe ich mich also erstmal umgeschaut und sowohl die Geschichten als auch die Kommentare sehr aufmerksam gelesen.

Der Gedanke kommt also immernoch auf, ach je,
ich finde es gar nicht schlimm das der Gedanken auf kommt. Ich mag das sogar eigentlich sehr gerne, weil dadurch dieser Überraschungsmoment größer ist. Als dann klar wird, das er der Sohn ihrer , man muss wohl sagen, ehemaligen besten Freundin ist, hat man dieses, schon einmal erwähnten, positiven, "ach quatsch, damit hätt ich ja jetzt garnicht gerechnet"-Moment und ich persönlich finde die immer sehr gut. Darauf war auch das "vom Stuhl gefallen, meinerseits, bezogen. Also ja eindeutig was positives.
Diese Momente geben der Geschichte eine neue Richtung und man muss sich wieder neu in die Geschichte einfinden. Es hindert die Geschichte daran nur so dahin zu plätschern und sorgen beim Leser dafür das er wieder aufmerksam wird, was da geschieht. Ich mag das :-)

Man liest sich wieder, ich hoffe, ich auch mal von dir.
das hoffe ich auch, muss nur noch die passende Idee und den Mut finde es zu veröffentlichen :-)

Liebe Grüße
Shey :-)

 

Lieber @Friedrichard,

Wahnsinn, wie weit Du gegraben hast!,

Das denke ich nach deinem Kommentar aber auch :) Vielen, lieben Dank.

... und der Name Rubens (nach einer Volksetymologie seht, da ist ein Sohn“)
Ja, als ich den Namen so im Kopf hatte und mal geschaut, was er denn bedeute, und dann darauf gestoßen bin, war völlig klar, der Name und kein anderer. Was Du dann im weiteren ausführst, war wieder Stoff zum Schließen für meine Bildungslücken, und hier musste ich direkt lächeln:
Nun gut, gar so biblisch wird es nicht, beginnt ja auch nicht mit einer Fußwaschung, sondern mit der wahrscheinlich altägyptischen Sitte, sich die Fußnägel zu lackieren, ...

Paar Flüsgen
Auch die hebe ich auf, wenn ich heute nochmal in den Text gehe.

Nun ja, ich misch mich ungern in Familienangelegenheiten anderer ein, aber ein bisschen Voyeurrantentum muss auch mal sein.
Ich dachte, das sei der Sinn des Lesens :D

Gern (aber nicht weitersagen) gelesen vom
Das bleibt unser beider Geheimnis. Versprochen.

Hab einen schönen Tag!


Hey @jimmysalaryman,

Kleine weiße Lügen, ein wenig Hintergehen, das stellt das ganze Leben auf den Kopf, alles wird in Frage gestellt, nichts ist mehr, wie es vorher war. Super. Tristesse royal, wie et eben so is.
Das klingt so radikal, so endgültig, dabei wollte ich doch ... :D Danke für die Blumen!

Aber. Mir geht das was zu fix. Du hetzt da etwas atemlos durch.
Als ich die Idee so in meinem Kopf spazieren führte dachte ich auch, das wird ein längerer Text und als ich schrieb und auf einmal fertig war, dachte ich so, wow, das ist mal dicht, und war davon eigentlich ganz angetan.

Ich finde vor allem, dass Ruben da einfach so mirnichtsdirnichts auftaucht, obwohl seine Mutter und die Prot sicher zehn Jahre oder so keinen Kontakt mehr haben - da frage ich mich, warum?
Ja, verstehe, dass die Frage aufkommt. Ich hatte da so die Unbedarftheit der Jugend vor Augen. Ich habe mich damals (auch wegen Geldmangel, Student und so) ständig bei irgendwelchen Leuten eingeladen und meine Begleitung gleich dazu, und man will ja auch die Welt besser machen, Revolution!, aber klar, so muss man das nicht unbedingt lesen, und deine Lesart ist wahrscheinlich die wahrscheinlichere. Mal gucken. Glaub nicht, dass ein Baumhaus da reicht, dann wäre auch mit der Eisdiele oder dem Zaun genüge getan. Ich denk drüber nach und hoffe, mir kommt noch ein guter Gedanke.

Weiter. Mir fehlen Verdachtsmomente. Frauen basteln doch aus allem eine Möglichkeit, wo ihre Typen THEORETISCH hätten fremdgehen können. Wie, du warst Zigaretten holen, schnell noch irgendwo eine Nummer geschoben, GIB ES ZU! Also, da müsste sie nachdenken, wo kann das passiert sein, da oder da oder da, und das könnte dir euch weiteren Raum verschaffen, noch etwas weiter in die Charaktere zu gehen, sie zu zeigen, durch die Augen der Prot. Erinnerungen.
Ja, das erscheint mir erst mal einfacher, das glaubhaft im Textunterzubringen, werde da was nachreichen. Grundsätzlich will ich aber gar nicht, dass der Text sich dehnt und streckt, ich finde diese Konzentration schon recht reizvoll. Nur verstanden soll er werden, so wenig wie möglich Lücken hinterlassen.

Und: ihre ehemalige beste Freundin, der darf es auf keinen Fall schlecht gehen. Solchen Leuten geht es IMMER gut, denen scheint die Sonne aus dem Arsch, sie sollte im Lotto gewonnen haben, immer noch 90 60 90, neuen, zehn Jahre jüngeren Typen, und ein tolles, tolles Leben.
Das ist mir zu amerikanisch :D.

Ich finde, du hast hier die Ansätze zu einem wesentlich längeren Text, und ich mag die Anordnung der Figuren, aber ich will mehr, viel mehr, weil ich das gerne gelesen habe, und ich finde, du könntest dem Text das gönnen, den Figuren, die sich dann besser entfalten können.
Wenn ich das mache, dann richtig. Und eigentlich habe ich grad ein anderes Projekt am Laufen.

Danke Dir sehr, sehr, sehr. Es war ein Freude.
hab einen schönen Tag!


Hey @zigga,

und auch Dich ein Danke für Besuch, Zeilen und Zeit. Habe mich sehr gefreut.

Auch mir hat deine Neue ausgesprochen gut gefallen. Was ich sehr mag, ist die Art, wie du deine Figuren mir einfach kommentarlos zeigst und wie ich da nach und nach verstehe, wie alle in Beziehung zueinander stehen und was da los ist in diesem Haus, bei deinen Prots.
Haste, oder haste nicht? Weil:
Zweitens habe ich nach dem Lesen nicht verstanden gehabt, dass der Junge der Sohn von Bine und dem Trommler ist.
Ich mein, ich habe da ja schon ordentlich nachgeholfen, weil das ja wichtig ist, ist ja der Kern des Pudels. Und wenn der sich nicht öffnet, dann ist das Mist. Andere lesen das jetzt heraus und ich will es nicht unbedingt in Pink an die Wand schreiben, weil ich es schön finde, wenn sich das so im Laufe erschließt. Davon lebt die Geschichte ja auch, dass sich das Puzzle so nach und nach zusammenfügt. Aber es muss sich fügen, sonst ist das Bild am Ende ja kaputt , weil unvollständig. Aber ich versuche, da noch ein Tröpfchen irgendwo unterzubringen. Muss ja nicht Pink sein.

Jedenfalls gefällt mir das sehr gut, wie du die Leute hier vorstellst, wie das praktisch ein kleiner, intensiver Ausschnitt aus dem Leben deiner Prot ist, unter dessen Oberfläche man aber beim Lesen richtig merkt, dass es rumort, dass da etwas am Brodeln ist.
Freut mich sehr.

Zuerst ist das die Frage, wieso das junge Pärchen deine Prot besuchen? Irgendwie wirkte auch für mich der Grund ein wenig unorganisch.
Habe was bei jimmy zu geschrieben. Werde schauen, was ich da tun kann.

... und habe auch das Gefühl, dass du einen kleinen Sprung gemacht hast, in die Richtung, dass sich dieser Text noch intensiver und reifer (im Sinne von Autoren-Reife) liest.
Da haste jetzt aber tief in die Lobkiste gegriffen :).

Was die Symbolik an geht, die für manche Kommentatoren etwas "drüber" war, fand ich das Zerbrechen der Weinflasche gar nicht schlimm bzw. too much, sondern eigentlich sehr gut.
Nee, ging weniger um die Symbolik, sondern um den Standort. Das fügte sich erst nicht ein, sondern war so hinterdran geklebt, was es in seiner Bedeutung einfach aufgebläht wurde. Ich habe die Scherben verschoben, weshalb der kaputte Korken jetzt in direkter Nachbarschaft mit dem kaputten Teller (nicht Weinflasche) steht und daher so doppelt wirkt. Der kann eigentlich jetzt wirklich raus.

Hat mich sehr gefreut, habe einen schönen Tag!


Hallo @Shey,

Da ich euch kein völligen Schrott präsentieren will, habe ich mich also erstmal umgeschaut und sowohl die Geschichten als auch die Kommentare sehr aufmerksam gelesen.
:thumbsup:

ich finde es gar nicht schlimm das der Gedanken auf kommt. Ich mag das sogar eigentlich sehr gerne, weil dadurch dieser Überraschungsmoment größer ist. Als dann klar wird, das er der Sohn ihrer , man muss wohl sagen, ehemaligen besten Freundin ist, ...
Danke Dir auch, mich darin zu bestätigen, ist ja eigentlich auch der Plan gewesen. Nur ist mir auch wichtig, dass es einem irgendwann dann doch aufgeht. Nicht so leicht, wenn man da nicht ganze Zäune einbauen will. Und das Maß versuche ich halt gerade auszuforschen.

Diese Momente geben der Geschichte eine neue Richtung und man muss sich wieder neu in die Geschichte einfinden. Es hindert die Geschichte daran nur so dahin zu plätschern und sorgen beim Leser dafür das er wieder aufmerksam wird, was da geschieht.
Genau so solllte es sich im besten Falle lesen lassen. Ist schön, wenn es funktioniert, was man sich so dachte.

das hoffe ich auch, muss nur noch die passende Idee und den Mut finde es zu veröffentlichen :-)
Das Forum wird ne Weile hier bleiben, also, kein Stress, Spaß soll es ja machen. Auch das Schreiben.

Euch allen liebe Grüße!
Fliege

 

Hallo Fliege, vorneweg: das ist eine schöne, gut geschriebene Geschichte. Du hast bereits viel positives Feedback erhalten, ganz zu recht. Auch viele Hinweise. Ich will mich auf einen einzelnen Aspekt konzentrieren, der mich beschäftigt, seit ich Peeperkorns Anmerkung Der Text macht genau das, was ich mir unter guter Literatur vorstelle. gelesen habe. Ich kann dem so uneingeschränkt nicht zustimmen, und das hat nichts mit dem Inhalt, sondern nur mit der Form zu tun.

Mal ein Beispiel dafür, was ich mir unter guter Literatur vorstelle:

Wir hatten Hörsäle, Schulbänke und Werktische verlassen und waren in den kurzen Ausbildungswochen zu einem großen, begeisterten Körper zusammengeschmolzen. Aufgewachsen in einem Zeitalter der Sicherheit, fühlten wir alle die Sehnsucht nach dem Ungewöhnlichen, nach der großen Gefahr. Da hatte uns der Krieg gepackt wie ein Rausch. In einem Regen von Blumen waren wir hinausgezogen, in einer trunkenen Stimmung von Rosen und Blut. Der Krieg mußte es uns ja bringen, das Große, Starke, Feierliche. Er schien uns männliche Tat, ein fröhliches Schützengefecht auf blumigen, blutbetauten Wiesen. »Kein schönrer Tod ist auf der Welt ...« Ach, nur nicht zu Haus bleiben, nur mitmachen dürfen!
»In Gruppenkolonne antreten!« Die erhitzte Phantasie beruhigte sich beim Marsch durch den schweren Lehmboden der Champagne. Tornister, Patronen und Gewehr drückten wie Blei. »Kurztreten! Aufbleiben dahinten!« …

Das Treiben auf der Dorfstraße bot den an die Ordnung der Städte gewöhnten Augen einen fremden Anblick dar. Man sah nur wenige, scheue und zerlumpte Zivilisten; überall Soldaten in abgetragenen, zerschlissenen Röcken mit wettergegerbten, meist von großen Bärten umrahmten Gesichtern, die langsamen Schrittes dahinschlenderten oder in kleinen Gruppen vor den Türen der Häuser standen und uns Neulinge mit Scherzrufen empfingen. In einem Torweg glühte eine nach Erbsensuppe duftende Feldküche, von kochgeschirrklappernden Essenholern umringt. Es schien, als triebe das Leben hier ein wenig dumpfer und langsamer. Der Eindruck wurde durch den beginnenden Verfall des Dorfes noch vertieft.

Nun kann man Ernst Jüngers In Stahlgewittern weder thematisch noch vom Umfang her mit Deiner Kurzgeschichte vergleichen, und das will ich auch gar nicht. Es geht mir um den Sound der Sprache. Du sprichst den Leser an, als wäre er ein Kumpel, ein Vertrauter. Denn dass die Erzählerin sich zu Beginn der Geschichte gerade die Nägel lackiert, ist sowohl trivial als auch intim. (Ich arbeite gerade an einem Experiment, wo das noch drastischer passiert: Der Erzähler sitzt auf dem Klo und liest, und er beschreibt seine Katze, die auf dem Badewannenrand sitzt und ihn aufmerksam beobachtet.)

Eine solche Nähe ohne Vorspiel gewissermaßen aufzudrängen, ist mir als Leser manchmal zu vertraulich (nicht in Deinem Fall, aber generell). Ich beobachte nicht nur hier im Forum diese Tendenz, dass junge Autoren/ Erzähler gleich mit privaten Dingen herausplatzen. Wie gesagt, als Experiment oder als Schreibübung ist das sicher lohnenswert, aber als gute Literatur empfinde ich das nicht.

Es gibt hier also eine gewisse Nähe und Intimität zum Leser, die auch dadurch herausgestellt wird, dass die Erzählerin in Alltagssprache mit dem Leser spricht und ganz grundsätzlich in Alltagssprache erzählt. Das ist es, was mich am meisten stört und was es mir unmöglich machen würde, einen Roman in dieser Form zu lesen.

Ich erfreue mich an Literatur ja gerade, um der Alltagssprache und dem Alltagsdenken zu entkommen, um neue Ebenen des Sprachlichen und Gedanklichen zu entdecken, mehr in die Tiefe zu gehen, Subtileres wahrzunehmen.

Wenn Alltagsbegebenheiten durch Alltagssprache (und sei sie noch so sauber) dargestellt werden, und die ästhetische Komponente fehlt, dann ist das für mich Pop-Literatur. Oder es geht in Richtung Pop-Literatur. Das steht für mich qualitativ nicht in einer Reihe mit Schriftstellern wie E.Jünger, Márquez, Kafka usw.

Und genau wie wir einen Fremden als plump empfinden, der sich unaufgefordert an unseren Tisch im Restaurant setzt und vertraulich daher redet, so ist auch mit Erzählern, die auf dicke Kumpels machen. Ihnen fehlt die Eleganz und Kühle der Distanz.

Andererseits nehmen wir sie wie im Fall Deiner Geschichte als aufrichtig und wahrhaftig wahr. Man kann darüber streiten, welche Attribute zu bevorzugen wären und ob diese überhaupt in Konkurrenz miteinander stehen müssen.

Meine Empfehlung an Dich lautet, mehr mit klassischer Sprache zu experimentieren. Dass Du innerhalb der Grenzen der Alltagssprache sauber formulieren und anschaulich schreiben kannst, das weißt Du ja. Und man muss ja nicht gleich die Wortgewalt eines Jünger oder Franzen anstreben. Mag sein, dass das heute ohnehin antiquiert wirkt.

Auf der anderen Seite wollen wir sprachlich aber auch nicht bei Charlotte Roche landen. Auch sie schreibt anschaulich, gut lesbar, gut verständlich, weitgehend ohne sprachliche Patzer. Aber das ist eben Pop-Literatur.

Vielleicht verfolgst Du aber auch ganz andere Ideen, dann vergiss, was ich gesagt habe.

Gruß Achillus

 

Und man muss ja nicht gleich die Wortgewalt eines Jünger oder Franzen anstreben. Mag sein, dass das heute ohnehin antiquiert wirkt.
Nur mal kurz: Jünger empfinde ich als einen Sprachnuancierungsgott (mit In Stahlgewittern zitierst du natürlich ein umstrittenes Werk, Auf den Marmorklippen jedoch gehört zu meinen persönlichen All-time-favourites gerade im Hinblick auf den Tonfall, die Luzidität der sprachlichen Mittel), Frantzen eher ein Charakterisierungsgenie, sehr komplexe, echte, wirkliche Figuren und die erschafft @Fliege gerade auch in diesem Text.

 

Hey @Fliege!
Hab die anderen Kommentare noch nicht gelesen, da mach ich mich später drüber her. Erstmal mein ungetrübter Leseeindruck.

und die beiden küssen sich, wie nur Frischverliebte küssen,
Ich glaube, vor wie kommt kein Komma.

und ich frage mich, ob es wohl gleich explodieren wird. N
Das könnte weg.

Er blieb eine Stunde, dann legte er das Geld für die Cola auf den Tisch, steckte sein Schreibheft zurück in die Jackentasche und verließ das Café ohne einen Abschiedsgruß hinter die Theke.
Was für ein Poser :rolleyes:

Ich stellte mir vor, wie er am Abend in einen Club fuhr, in dem er mit seiner Band auftrat, wo ihm die Mädchen um den Hals flogen, bis er eine von ihnen mitnahm, in eine Wohnung mit Kohleofen und Kohlgeruch im Treppenhaus
Ich glaub, den kenn ich :D

wir redeten kaum, schauten noch einen Film, ich fragte ihn, ob er Schlagzeug spiele, was er verneinte, ob er überhaupt ein Instrument spiele, was er ebenfalls verneinte,
Scheint alle Worte in der Cafestunde zu verbrauchen, der gute Mann

Aber lasst die Finger von der Glitzerschminke.«
:lol:

Das Bett ist zu kurz, er muss die Beine anwinkeln, und ich frage mich, was ich hier eigentlich tue, schließlich haben wir auch ein ganz normales Gästezimmer.
Deine Protagonistin ist mir total sympathisch! Und die Kinderbettwäsche ein schöner Hinweis auf die Vergangenheit

Wurzeln graben, was für ein Scheiß, denke ich. Im Eisladen!
Herrlich!

uns waren die Decken abhanden gekommen, unter denen wir uns vergraben konnten.
Was für eine schöne Beschreibung

Ich sah meinen Trommler in fremden Gesichtern, traf seinen Schatten im Supermarkt, im Kino, im Bus, ich wiegte Bienes Baby, das aussah wie ein kleiner Trommler.
Das finde ich total geschickt gemacht, denn das:
und als Ruben seinen Kopf zur Sonne neigte, sah ich den Trommler, er hockte als kleines Kind mitten in meinem Kartoffelbeet
hat mich kalt erwischt.

»Nee«, sagte Biene. »Wie kommst du drauf?«
Boah! Was für eine bitch! Nicht nur, dass sie den Freund der Prota vögelt, sie streitet es auch noch ab und lässt sie seelenruhig mit dem Mini-Trommler spielen, nachdem sie sich vorher ewig ihren Liebeskummer angehört hat. Ohne Worte, echt.

»Meiner Mutter geht es nicht gut.«
»Sie hat ein Foto im Arbeitszimmer hängen, ihr beide, Arm in Arm auf einer Silvesterparty,
Späte Reue … Nur verstehe ich nicht, warum Ruben dann so plötzlich bei der Prota auftaucht. Um ihr das zu sagen? Das kommt mir irgendwie konstruiert vor. Zumal er ja seine Freundin mitgebracht hat und Arne ist ja auch noch da.

Die Matratzen liegen wieder in den Kinderbetten, es steht kein Golf mehr vor meinem Küchenfenster, nur zwei abgewaschene Kaffeetassen neben der Spüle.
Das ist ein schönes rundes Ende, da kommt einem der Besuch fast wie eine Fatamorgana vor. Genauso wie die Beziehung zum Trommler.

Heftige Geschichte. Hat mir gut gefallen. Auch, wie so beiläufig immer wieder Arne erwähnt wurde. Er bekommt ja nicht allzu viel Gesicht, ist mehr so ihr Fels in der Brandung. Womit die alte Geschichte vom Bad Boy aufgegriffen wird, der gar nichts tut, sich nicht mal um eine Unterhaltung bemüht bevor er mit ihr in die Kiste springt - und ausgerechnet ihn kann sie nicht vergessen. Aber Arne - der ist immer da.
Jeder in der Geschichte scheint vor den anderen irgendwas zu vertuschen. Ich bin mir nicht sicher, ob Arne vom Trommler weiß und nur nichts sagt und die Prota ahnt, dass er es weiß, aber auch nichts sagt. Auf alle Fälle tun alle so unschuldig. Biene, die Prota, der Trommler, Arne, Ruben … Nur Tina scheint einfach nur Tina zu sein.

Heftig fand ich auch, wie die drei da unten lachen und für die Prota stürzt gerade eine Welt ein. Das ist schon ziemlich starker Tobak. Und wirklich gut gemacht. Bis auf die Stelle, wo Ruben von seiner Mutter erzählt. Das ist natürlich ein sehr zentraler Punkt, der überhaupt erstmal Licht ins Dunkel bringt. Trotzdem war mir das an der Stelle etwas zu wenig, aber das habe ich ja schon gesagt. Ansonsten: :thumbsup:

Liebe Grüße,
Chai

 

Liebe Fliege,

puhh, du hast es mir nicht einfach gemacht, die Personen zuzuordnen.
Als dann:

Ruben wurde geboren,
las, war ich komplett verwirrt. Also nochmal von vorne angefangen zu lesen.
Beim dritten Lesen hat die Geschichte funktioniert. Aber ich würde dir sehr ans Herz legen, anfangs irgendwie deutlich zu machen, dass Ruben nicht der Trommler ist.

Nun verstehe ich das so, dass Biene mit ihrem Trommler fremdging und ein Kind von ihm bekam, was der Trommler der Erzählerin verwehrte. Im ganzen Gefühlschaos trifft sie eine Bauchentscheidung und steckt die Beiden in die Kinderzimmer. (Schönes Symbol).

Nachdem ich die Beziehungen untereinander kapiert habe, liest sich die Kurzgeschichte gut.
Die gleiche Wiederholung, zB von der Begrüssung mit dem "Hey", das Trommeln, das ist schon alles geschickt gemacht.

Aber so, wie du im Moment noch die Leser an die Geschichte heranführst, werden viele beim ersten Lesen ein Hä? auf den Lippen haben, vermute ich mal. ;)

Nun steigt auch der Fahrer aus, ihn erkenne ich sofort, obwohl es Jahre her ist, dass ich ihn zuletzt gesehen habe, er, damals noch ein Kind, in meinem Garten spielte.
als er ein Kind war, war es noch Omas Garten, das verwirrt zusätzlich, weil man so denken könnte, die Erzählerin müsste um einiges älter als Ruben sein


Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Achillus,

was für ein Kommentar! Herzlichsten Dank.

... und das hat nichts mit dem Inhalt, sondern nur mit der Form zu tun.
Ich verfolge deine Kommentare ja immer sehr gern und interessiert, weil Du immer so Punkte ansprichst, an die ich selbst gar nicht denke, aber hin und wieder kommen Argumente, wo ich denke, geh ich nicht mit, sehe ich anders. Das sind in der Regel Geschmacksfragen oder Ansichtssachen, worüber man schlecht diskutieren kann.
Ich habe bisher weder Jünger noch Frantzen gelesen, auch wenn sie schon seit langem auf meiner Liste stehen, irgendwann sind sie sicher dran. Das Zitat ist sprachlich natürlich wirklich schön, da gibts gar nichts, das steht und spricht für sich. Und da wären ja noch einige Autoren, die mit Sprache zaubern können, da mochte ich schon so manches Mal auf die Knie gehen.

Es geht mir um den Sound der Sprache. Du sprichst den Leser an, als wäre er ein Kumpel, ein Vertrauter. Denn dass die Erzählerin sich zu Beginn der Geschichte gerade die Nägel lackiert, ist sowohl trivial als auch intim.
So Punkte meine ich. Ich habe mir darüber noch nie so Gedanken gemacht, und wo Du das so hinschreibst, ja, da hat er Recht, der Achillus.

Eine solche Nähe ohne Vorspiel gewissermaßen aufzudrängen, ist mir als Leser manchmal zu vertraulich (nicht in Deinem Fall, aber generell).
Verstehe ich.

Ich beobachte nicht nur hier im Forum diese Tendenz, dass junge Autoren/ Erzähler gleich mit privaten Dingen herausplatzen. Wie gesagt, als Experiment oder als Schreibübung ist das sicher lohnenswert, aber als gute Literatur empfinde ich das nicht.
Weiß nicht, ob das so ein subjektives Ding ist. Das Maß ist sicher entscheidend. Ich mag schon sehr gern, sehr nah bei den Figuren sein, und für mich ist das ein wichtiges Kriterium, ob ein Roman was taugt oder nicht. Denke aber, da bist Du auch nicht so weit entfernt von. Ich will betonen, dass ich hier nicht meine Geschichte verteidige, sondern mich auf meine Lesevorlieben beziehe, also gerade vom Allgemeinen rede.

Es gibt hier also eine gewisse Nähe und Intimität zum Leser, die auch dadurch herausgestellt wird, dass die Erzählerin in Alltagssprache mit dem Leser spricht und ganz grundsätzlich in Alltagssprache erzählt. Das ist es, was mich am meisten stört und was es mir unmöglich machen würde, einen Roman in dieser Form zu lesen.
Der Gedanke ist für mich ja gerade ziemlich neu, deshalb mag ich ja auch deine Komms so, ich kann bisher nur sagen, ich habe erst kürzlich einen solchen Roman gelesen und fand den gut. Werde jetzt, da ich das auf dem Schirm habe, aber mehr darauf achten, was das mit mir als Leser macht, wenn die Sprache sehr alltäglich ist und ich Leser als Kumpel angesprochen werde.

Ich erfreue mich an Literatur ja gerade, um der Alltagssprache und dem Alltagsdenken zu entkommen, um neue Ebenen des Sprachlichen und Gedanklichen zu entdecken, mehr in die Tiefe zu gehen, Subtileres wahrzunehmen.
Das heißt für mich jetzt aber, der Oberflächlichkeit entgehen, und die ist ja nicht unbedingt ausgeschlossen, wenn ich mich der Alltagssprache bediene.

Wenn Alltagsbegebenheiten durch Alltagssprache (und sei sie noch so sauber) dargestellt werden, und die ästhetische Komponente fehlt, dann ist das für mich Pop-Literatur. Oder es geht in Richtung Pop-Literatur. Das steht für mich qualitativ nicht in einer Reihe mit Schriftstellern wie E.Jünger, Márquez, Kafka usw.
Kann ich nachvollziehen. Allerdings strebe ich für mich diese Reihe gar nicht an.

Ihnen fehlt die Eleganz und Kühle der Distanz.
Ich tue mich ja oft genug schwer mit deinen Texten, ohne dass ich den Finger drauf legen könnte, deshalb. Ich spüre da nur immer diese Distanz. Vielleicht habe ich jetzt endlich den Grund dafür gefunden.

Meine Empfehlung an Dich lautet, mehr mit klassischer Sprache zu experimentieren. Dass Du innerhalb der Grenzen der Alltagssprache sauber formulieren und anschaulich schreiben kannst, das weißt Du ja. Und man muss ja nicht gleich die Wortgewalt eines Jünger oder Franzen anstreben. Mag sein, dass das heute ohnehin antiquiert wirkt.
Weiß nicht, ob ich das wirklich erstrebenswert finde für das, was ich schreiben will. Ich denke, da haben wir beide sehr unterschiedliche Ziele vor Augen.

Auf der anderen Seite wollen wir sprachlich aber auch nicht bei Charlotte Roche landen. Auch sie schreibt anschaulich, gut lesbar, gut verständlich, weitgehend ohne sprachliche Patzer. Aber das ist eben Pop-Literatur.
Aber nicht alles, was in Alltagssprache geschrieben ist, ist automatisch Charlotte Roche. Und, keine Ahnung, wenn die mal über was anderes schreiben würde, sich mal wirklich einem gesellschaftlichem Thema annehmen würde, vielleicht könnt ich sie dann sogar mögen. Sie ist für mich halt inhaltlich nicht lesbar.

Vielleicht verfolgst Du aber auch ganz andere Ideen, ...
Ja, doch. Wenn ich Romanplot für mich entwerfe (die ich nie und nimmer alle schreibe), dann steckt da viel mehr der Gedanke an Unterhaltung drin, als an Literatur.

Aber ich werde da jetzt wirklich mal drauf achten, auf die Erzählerkumpel, und was das mit mir macht. Schon für diese Sensibilisierung dafür möchte ich dir danken. Wieder was, was ich mitnehme. Ach, ich mag deine Komms einfach, weil du so ganz andere Maßstäbe ansetzt und deshalb so ganz anders an Texte rangehst wie ich.

Liebe Grüße, lieben Dank, Fliege


Hey @Isegrims,

da ich beide Autoren bisher nicht gelesen hab, bin ich für deinen Einwurf dankbar. Und jetzt bin auch sehr neugierig auf beide geworden. Sie rücken auf meiner Liste gleich mal ein paar Stellen nach oben.

Frantzen eher ein Charakterisierungsgenie, sehr komplexe, echte, wirkliche Figuren ...
Charakterisierungsgenie klingt nach einem definitiven Muss. Ganz bald.

Danke für deinen Einwurf und lieben Gruß!


Liebe @Chai,

Hab die anderen Kommentare noch nicht gelesen, da mach ich mich später drüber her. Erstmal mein ungetrübter Leseeindruck.
Dafür mal ein ganz dickes Danke. Ich habe den Text inzwischen so nachgearbeitet, da interessiert mich, ob er jetzt funktioniert. Und frisch gelesen ist da immer hilfreicher als im Vergleich/Abgleich zu lesen.
Über deine Liste hab ich mich gefreut. Ich bin ein Listenfan, kann ich nichts gegen machen.

Das finde ich total geschickt gemacht, denn das:
...
hat mich kalt erwischt.
Wie schön! Ich könnt um den Tisch hopsen vor Freude.

Nur verstehe ich nicht, warum Ruben dann so plötzlich bei der Prota auftaucht. Um ihr das zu sagen? Das kommt mir irgendwie konstruiert vor. Zumal er ja seine Freundin mitgebracht hat und Arne ist ja auch noch da.

Da hoffte ich Abhilfe zu schaffen, durch:

Er entschuldigt sich für den Überfall, eigentlich wollten sie ja für den Zwischenstopp zum Onkel, aber nun wären Sachen dazwischengekommen, ganz plötzlich und deshalb dachte er, er könne ja mal fragen, ob sie diese Nacht hier bleiben könnten, ...
Das er eigentlich mehr aus Zufall dort gelandet ist. Überliest man aber scheinbar.

Das ist ein schönes rundes Ende, da kommt einem der Besuch fast wie eine Fatamorgana vor. Genauso wie die Beziehung zum Trommler.
Schön gesagt. Überhaupt wie Du Arne als Figur wahrnimmst, freut mich sehr.

Jeder in der Geschichte scheint vor den anderen irgendwas zu vertuschen. Ich bin mir nicht sicher, ob Arne vom Trommler weiß und nur nichts sagt und die Prota ahnt, dass er es weiß, aber auch nichts sagt. Auf alle Fälle tun alle so unschuldig. Biene, die Prota, der Trommler, Arne, Ruben … Nur Tina scheint einfach nur Tina zu sein.
:)

Vielen lieben Dank für den Kommentar, all das Gute darin und auch die offenen Stellen, die dir blieben.


Liebe @bernadette,

:cry:
Erst lese ich bei Chai, scheinbar gehts jetzt auf, und dann kommst du, und nichts funktioniert mehr. Ich habe inzwischen (gefühlt) ganze Zäune in den Text geworfen und immer noch.

Beim dritten Lesen hat die Geschichte funktioniert. Aber ich würde dir sehr ans Herz legen, anfangs irgendwie deutlich zu machen, dass Ruben nicht der Trommler ist.
Und hier war ich verwirrt, weil du dann später schreibst:
... als er ein Kind war, war es noch Omas Garten, das verwirrt zusätzlich, weil man so denken könnte, die Erzählerin müsste um einiges älter als Ruben sein
Die Erzählerin ist um einiges älter, weshalb Ruben nicht der Trommler sein kann. Das ist doch alles richtig so :confused: Und es war nicht Omas Garten, sondern ihrer in dem Ruben spielt.
Oma gibt ihr das Haus, sie trennt sich vom Trommler, Biene bekommt in dieser Zeit Ruben. Trommler weg, Ruben-Baby da, sie in Omas Haus.
Aber was auch immer ich jetzt aus dem Text zitiere, Du konntest nicht folgen, das muss ich kaufen.

Aber so, wie du im Moment noch die Leser an die Geschichte heranführst, werden viele beim ersten Lesen ein Hä? auf den Lippen haben, vermute ich mal. ;)
Aber langsam weiß ich auch echt nicht mehr, ich habe so viel schon reingegeben. Ich seh die Leerstellen nicht mehr, wo mir der Leser vom Wege abkommt. Aber er kommt und das wurmt mich außerordentlich.

Lieben vielen Dank auch Dir. Ich geh jetzt weiter Zäune suchen.

Beste Grüße an alle, Fliege

 

Hallo @Fliege,

kein Kommentar, nur ein Hinweis:

Aber langsam weiß ich auch echt nicht mehr, ich habe so viel schon reingegeben. Ich seh die Leerstellen nicht mehr, wo mir der Leser vom Wege abkommt. Aber er kommt, und das wurmt mich außerordentlich.

Ich habe die Geschichte vor ca. einer Woche gelesen und hatte keine Verständnisschwierigkeiten. Das mit den Leerstellen ist ja auch immer eine sehr subjektive Sache, dem einen fehlt etwas, dem anderen ist sie nicht groß genug. Da gibt es wohl kein objektives Maß. Insofern, wenn Du keine Leerstellen siehst und es Leser gibt, denen es ähnlich geht, dann hast Du doch für Dich und eine gewisse Leserschaft das richtige Maß gefunden. Ich glaube nicht, dass man es bei diesem Punkt allen recht machen kann.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hey Fliege,

ich versuche dir zeitnah ein paar markante Stellen aufzuzeigen, wo ich die Irritation am ehesten gesehen habe. Ach ja, und spätestens in Freiburg tröste ich dich dann gehörig :kuss:

LG, bernadette

 

Liebe @Fliege,

ich muss als erstes sagen, dass mir die Geschichte sehr, sehr gut gefällt.
Und das, obwohl ich beim ersten Lesen ziemlich auf dem Schlauch stand, ein zu jugendliches Bild von der Ich- Erzählerin hatte und, wie andere auch, deshalb den Trommler mit Ruben gleichsetzte. Aber ich traute mich nicht zu meckern, sondern wollte erstmal abwarten, um zu sehen, wie es anderen Lesern geht.
Du hast so toll nachgebessert, an nur wenigen Stellen geschraubt, so dass ich mich jetzt fragen muss, warum ich es nicht gleich kapiert habe. Obwohl ... so in etwa lag ich mit meinen (nicht ausgesprochenen) Vermutungen richtig.
Es war eigentlich alles da in der ersten Fassung, ich hätte nur genauer hinschauen, mir Ruhe beim Lesen gönnen sollen. Aber da war die große Müdigkeit nach der Challenge, zu viel Kommentierarbeit und ja, auch Überdruss.

Nun kriegst du von mir die Stellen kommentiert, die mir besonders gut gefallen haben.

Endlich verstummt ihr Läuten, ich atme auf, verlasse meinen Bunker und laufe ihnen direkt in die Arme, barfuß, mit drei lackierten Zehen und im Bademantel, der noch vom Morgen übrig ist.

Sehr raffiniert, wie du den Konflikt scheinbar herunterspielst und dann erst recht für die Prota verschärfst. Was für eine als peinlich empfundene Situation! Sehr punktiert auf das Gefühl von Unterlegenheit und damit ein Déja-vu-Erlebnis.

Ich stellte mir vor, wie er am Abend in einen Club fuhr, in dem er mit seiner Band auftrat, wo ihm die Mädchen um den Hals flogen, bis er eine von ihnen mitnahm, in eine Wohnung mit Kohleofen und Kohlgeruch im Treppenhaus, wo es immer kalt war und sie sich unter Decken vergruben; nackt, verschwitzt und außer Atem.

päter gingen wir zu ihm, stiegen die Stufen hinauf, es roch nach Kohl im Treppenhaus, in seinem Wohnzimmer stand ein Kohleofen, es war gut geheizt, wir schauten einen Film und tranken Wodka, später bat ich um Leitungswasser, wir redeten kaum, schauten noch einen Film, ich fragte ihn, ob er Schlagzeug spiele, was er verneinte, ob er überhaupt ein Instrument spiele, was er ebenfalls verneinte, wir vergruben uns unter Decken, nackt, verschwitzt und außer Atem, und ich verliebte mich in den Trommler, der kein Trommler war.

Sehr eindringlich hier die wortwörtliche Wiederholung. Schon klar, der Trommler ist kein beliebig austauschbarer One-Night-Stand, da geht es ums Ganze, wie ja auch ziemlich bald der Kinderwunsch auftaucht.

Warum bist du hier?«, frage ich.
»Meiner Mutter geht es nicht gut.«
»Was habe ich damit zu tun?«
»Ich dachte, es interessiert dich vielleicht.«
»Und wenn nicht?«
»Dachte nur, du solltest es wissen.«
»Okay, jetzt weiß ich es.«

Wenig Worte, dennoch ist dem Leser klar, dass die gegenseitigen Botschaften angekommen sind, zumal sich Ruben als sehr hartnäckiger Botschafter seiner Mutter geriert, auch wenn offenbleibt, was genau er über seinen Vater weiß. Es wird ja nicht ausgesprochen.

trete ich mit dem nackten Fuß in eine hinein, ich klebe ein Pflaster drauf und wische das Blut von den Fliesen.

Die nackten Füße, mal mit rotlackierten Nägeln, mal mit Blut verziert. Farbymbolik, oder? Und ein Hauch Selbstbestrafung, aber wofür?

Jedenfalls eine sehr starke Geschichte, dabei leicht, wie von ungefähr formuliert. Eben dein Markenzeichen.

Bis bald in Freiburg
wieselmaus

 

Hey @Geschichtenwerker,

kein Kommentar, nur ein Hinweis:
Aber er hat sich so tröstlich angefühlt.

Ich habe die Geschichte vor ca. einer Woche gelesen und hatte keine Verständnisschwierigkeiten.
Weil das so schön ist zu hören.

Das mit den Leerstellen ist ja auch immer eine sehr subjektive Sache, dem einen fehlt etwas, dem anderen ist sie nicht groß genug. Da gibt es wohl kein objektives Maß.
Ja, ich weiß. Und normalerweise gebe ich den selben Rat wie Du mir. Aber mir ist total wichtig, dass sich die Personenbeziehungen eben nicht als Rätsel gestalten. Bleiben ja noch genügend Leerstellen übrig, und mit denen kann ich ausgezeichnet leben.

Danke für den Einwurf, war bisschen wie ein Taschentuch.


Liebe @bernadette,

Ach ja, und spätestens in Freiburg tröste ich dich dann gehörig :kuss:
ja, bitteeee :herz:

Freu mich sehr. Bin schon ein Hippel-Zappelkind.


Liebe @wieselmaus,

ich muss als erstes sagen, dass mir die Geschichte sehr, sehr gut gefällt.
Wenn ein Kommentar so beginnt, dann freut man sich auch aufs Weiterlesen. Vielen lieben Dank für deine Zeit und Worte. Es war so schön!

Und das, obwohl ich beim ersten Lesen ziemlich auf dem Schlauch stand, ...
Zurecht. Das war schon sehr dünne alles und hat dem Leser viel abverlangt. Hat mich auch echt geärgert, dass ich da nicht den Blick für hatte, weil bei mir im Kopf ja alles total klar war, ach ... tja, nu ist passiert.

... an nur wenigen Stellen geschraubt, so dass ich mich jetzt fragen muss, warum ich es nicht gleich kapiert habe. Obwohl ... so in etwa lag ich mit meinen (nicht ausgesprochenen) Vermutungen richtig.
Habe ja an der Geschichte selbst auch nichts geändert, sondern nur da nachgelegt, wo die Listen mir die Lücken aufzeigten. Und die waren echt groß.

Es war eigentlich alles da in der ersten Fassung, ich hätte nur genauer hinschauen, mir Ruhe beim Lesen gönnen sollen.
Ach, es lag schon sehr viel Schuld bei mir.

Nun kriegst du von mir die Stellen kommentiert, die mir besonders gut gefallen haben.
:bounce: Ich mag das. Danke dafür.

Wenig Worte, dennoch ist dem Leser klar, dass die gegenseitigen Botschaften angekommen sind, zumal sich Ruben als sehr hartnäckiger Botschafter seiner Mutter geriert, auch wenn offenbleibt, was genau er über seinen Vater weiß. Es wird ja nicht ausgesprochen.
Ja. Und das ist z.B. eine Leerstelle, die ich nicht gedenke zu füllen.

Die nackten Füße, mal mit rotlackierten Nägeln, mal mit Blut verziert. Farbymbolik, oder? Und ein Hauch Selbstbestrafung, aber wofür?
Ich seh das nicht als Selbstbestrafung, für mich stand tatsächlich das Bild Füße schön (na ja halbschön) vs. Füße kaputt.

Jedenfalls eine sehr starke Geschichte, dabei leicht, wie von ungefähr formuliert. Eben dein Markenzeichen.
:kuss:

Das war wirklich ein Kommentar wie heiße Schokolade mit Sahnehäubchen. Ich freue mich sehr auf Freiburg, auf Dich und schon so bald.

Liebe Grüße ins Wochenende an alle,
Fliege

 

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