Nur bloß keinen Bahnhof
"Hey, was guckst du denn so?", fragte sie ihn. Und sie lächelte herzlich.
"Darf ich denn nicht verliebt gucken?", entgegnete er.
Sie grinste, kam auf ihn zu und trat ganz dicht an ihn heran. Jetzt spürte er ihren warmen Atemzug. Ihre kalte Stupsnase berührte die seine und sie grinste ihn weiter an.
Ein wunderschöner Kuss lies alle Kälte auf diesem Bahngleis verschwinden.
Er merkte, wie ihre Hände seine Wangen berührten und ihre Daumen sanft über diese strichen.
Als er wieder seine Augen öffnete, blickte sie ihn an. Ganz nah.
"Ich liebe dich", sagte sie und hatte dabei so einen Ausdruck im Gesicht, bei dem er eine Gänsehaut bekam.
Augenblicklich fuhr er seine Arme aus, seine Reisetasche fiel zu Boden und er umarmte sie, drückte sie ganz fest an sich heran und atmete tief ein.
Ihre goldblonden Haare verdeckten ihr linkes Ohr. Trotzdem war es so kalt, dass er es mit seinem Mund spüren konnte.
Sie roch so lieblich und friedlich. Einfach wunderschön.
Er bemerkte, wie sie ihn umklammerte und glücklich jauchzend ihren Kopf an seinen schmiegte.
"Gott schickt mir seinen liebsten Engel.", sagte er.
Sie nahm ihren Kopf zurück, blickte ihn mit strahlenden Augen an und sah, wie seinen Augen Tränen entwichen.
"Hey...", sie verstummte, strich ihm behutsam die Tränen aus dem Gesicht und küsste ihm auf beide Augen.
Das fühlte sich sehr gut an. Ihre warmen Lippen waren wie ein süßer Sommerwind.
Er blickte sie an. Sie griff nach seinen Händen und er drückte ihre ganz fest.
So standen sie da. Und sahen sich an.
Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken.
Sicher war es erst das erste Mal heute. Das wollte er doch eigentlich verhindern.
"Hast dich wohl echt nicht unter Kontrolle, Sebastian.", dachte er.
Auf dem Display las er "Berndmeyer". Ganz verschwommen. Er hatte Tränen in den Augen.
"Ja Herr Berndmeyer? (..)...Natürlich, das ist kein Problem. Doch das dürfte ich schaffen. Ja, kein Problem. In Ordnung. Tschüss."
Soviele Überstunden hatte er schon lange nicht mehr gemacht.
Aber es machte ihm nichts. Er hatte heute ja ohnehin nichts vor.
Wieso auch. Zu Hause erwartete ihn niemand.
Vielleicht würde er noch das Fitnessstudio aufsuchen.
Vielleicht würde er auch irgendeinen Ort aufsuchen, der ihm fremd war.
Nur bloß keinen Bahnhof.