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Thema des Monats No Exit

Seniors
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28.11.2014
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No Exit

Hektisch agierende, schwer bewaffnete Polizisten, hin- und herfahrende Krankenwagen, Gesichter, gezeichnet von Angst und Schrecken. Auf allen Bildschirmen über mir die gleichen, sich wiederholenden, stummen Bilder.

Das Band bringt meinen Steppmantel, die Schuhe, die Handtasche. Der Laptop meines Hintermannes schiebt sich durch die Gummilaschen. Wo ist mein kleiner roter Koffer? Während ich meinen Mantel und die Schuhe anziehe, schaue ich fragend zu den Sicherheitsleuten an der anderen Seite des Bandes. Es sind mehr als sonst. Einer erwidert meinen Blick und weist mit dem Daumen hinter sich. Da steht er. Unsicherheit erfasst mich. Ich gehe um das Ende des Bandes. Was habe ich übersehen? War doch eigentlich eine gute Idee: nur Handgepäck, kein Einchecken, keine Wartezeiten.
Es ist stickig. Den Mantel werde ich wieder ausziehen, sobald ich durch bin. Was ist mit der Klimaanlage? Draußen sind es achtzehn Grad – Mitte November. Das ist auch in Budapest nicht normal.

Eine Angestellte fordert mich mit einer knappen Geste auf, den Koffer zu öffnen und alles herauszunehmen: die Unterwäsche, die Hose, die Blusen, die Strickjacke, die Ersatzschuhe, das Geschenkpäckchen Paprikapulver, die Kulturtasche. Nacheinander nehme ich alles heraus, halte es ihr für einen Moment hin, um es dann betont akkurat neben meinen Koffer zu legen. Natürlich, sie übertreiben es, denke ich. Doch diskutieren wäre jetzt sinnlos. Wie auch? Die Frau zeigt auf die Kulturtasche und ich öffne den Reißverschluss. Sie fingert darin herum, zieht endlich das Handgel raus. Ein Kollege kommt dazu. Gemeinsam schauen sie sich das Etikett an, halten die Tube gegen das Licht, betrachten den blasigen Inhalt, lassen sich Zeit. Ich öffne meinen Mantel, warte.
Endlich sind sie fertig. Das Gel darf nicht mit. Die Gesten sind eindeutig. Alles andere kann zurück. Der Kollege geht.
Das Schließen des Koffers macht mir Probleme. Ich spüre den Blick der Frau auf meinem Nacken. Warum steht sie immer noch hier? Ohne zu grüßen, wende ich mich ab und gehe in Richtung Duty Free. Eine Hand tippt mir auf die Schulter. Was denn noch? Wortlos reicht sie mir meine Handtasche.

Vor der Parfümerieabteilung steht eine Bank. Ich ziehe meinen Mantel aus, setze mich und atme tief durch. Europa 2015, denke ich. Man muss das jetzt wohl alles so hinnehmen.

Vor einer halben Stunde hat mich Jan vor dem Eingang abgesetzt.
Nachdem er den kleinen Koffer auf den Bordstein gestellt hatte, legte er mir seine Hände auf die Schultern: „Hab eine schöne Zeit und pass gut auf dich auf. Drei Tage vergehen schnell.“ Er küsste mich. Beim Öffnen der Autotür fiel ihm noch etwas ein: „Und du weißt ja: Das Flugzeug ist das sicherste Verkehrsmittel.“ Sein Lächeln versuchte den Ernst in seiner Stimme zu überspielen. Er kennt meine Flugangst.
Bevor er in den Süden Ungarns, wo wir seit zwei Jahr leben, zurückfährt, wird er ein paar Stunden in einem Thermalbad verbringen, wie er es immer macht, wenn er schon einmal in Budapest ist.

Der lange Aufenthalt im Kontrollbereich hat die Wartezeit verkürzt. Ich halte mich nicht an den Parfümständen auf und gehe gleich weiter zum Gate. In der Ladenpassage begegnen mir schwer bewaffnete Männer. "Nichts ist mehr, wie es war." Die Worte eines Politikers kommen mir in den Sinn.

Im Warteraum füllen sich allmählich die Reihen. Eine Angestellte in der auberginefarbenen Uniform der Fluggesellschaft tritt hinter das Pult. Durch die bodentiefen Scheiben sehe ich, wie sich die Maschine aus Düsseldorf ruhig und langsam dem Gebäude nähert. Alles wie immer – noch eine Viertelstunde bis zum Einstieg. Ach ja, das Handy. Beim Einstellen des Flugmodus sehe ich, dass es fast leer ist.
Zwanzig Minuten vergehen. Die meisten der Passagiere stehen schon, warten, dass es losgeht. Eigentlich müsste alles längst gecheckt sein, geht es mir durch den Kopf. Die Angestellte steht am Fenster, schaut zur Maschine. Ich studiere ihr Gesicht. Es ist ausdruckslos. Sie geht zurück. Weitere zwanzig Minuten vergehen. Endlich. Ein Krächzen, dann die Mikrofonstimme: „Liebe Passagiere, wir bitten Sie um etwas Geduld. Es gibt ein kleines technisches Problem. Ihr Flug wird sich um etwa vierzig Minuten verzögern.“
‚Kleines technisches Problem’. Die Bordkarte klebt an meinen Fingern. Ich schiebe sie in das Seitenfach der Tasche und reibe meine Handflächen an der Hose. Männer in schwarzen, eng sitzenden Anzügen zücken ihre Smartphones, eine Mutter wiegt ihr Kind auf den Armen.

Ich nehme mein Buch aus der Tasche, suche die richtige Seite und lege es auf den Schoß. In meinem Kopf wieder die Bilder von gestern: schreiende, auf die Straße laufende Menschen, umgeben von einer Rauchwolke, die mit ihnen aus dem Haus quillt. Schlimme Zeiten. Sollte man im Moment überhaupt fliegen, wenn man nicht muss?
Stille hat sich über den Warteraum gelegt. In meinen Ohren ein leiser, sirrender Ton. Die Angestellte nimmt ihre Papiere, geht weg. Keine Durchsage, keine Erklärung.

Ich möchte mit Jan telefonieren. Vielleicht ist er noch nicht im Bad. Im Toilettenraum müsste es eine Steckdose geben. Beim Aufstehen fällt mein Buch zu Boden.

Ich schaue dem Handy zu, wie es sich auflädt, denke an den 11. September, denke an Passagiere, die in den Unglücksmaschinen letzte Gespräche mit ihren Angehörigen führten. Noch jetzt, vierzehn Jahre danach, erfasst mich die Tragik der Situation.

Zehn Minuten müssen genug sein. Ich ziehe das Kabel aus der Steckdose und gehe zurück zu meinem Platz. Er ist noch frei. Ich schaue auf den Bildschirm. Neunzig Minuten Verspätung. Keine Durchsage. Ich betrachte die Gesichter der Wartenden. Manche sind stoisch nach vorne gerichtet, andere können ihre Augen nicht vom Bildschirm nehmen – nur wenige sprechen miteinander, flüstern, wie mir scheint. In meinen Ohren immer noch dieser feine, sirrende Ton.

Endlich die Mikrofonstimme, verzerrt und schwer verständlich: Bei der Maschine habe man einen kleinen technischen Defekt festgestellt. Man bemühe sich, diesen zu beheben und bitte weiterhin um Geduld. Deutsch, Englisch und Ungarisch, zum Schluss ein überdeutliches Knacken.

Jan ist nicht erreichbar. Ich schreibe ihm eine SMS. Immer wieder treffe ich den falschen Buchstaben, beginne neu. Meine Lippen sind rau. Ich sollte sie in Ruhe lassen.
Mehr als eine Stunde ist vergangen. Neben mir die Titelseite einer ungarischen Zeitung. Ich sehe die Bilder des Attentats, verstehe die Überschriften nicht. Meine Hände fühlen sich klebrig an.
Ich stehe auf, nehme Mantel und Koffer und gehe zur Toilette. Der kalte Wasserstrahl läuft über meine Knöchel. Im Spiegel sehe ich mein Gesicht. Auf den Wangen zeigen sich kleine rote Stellen. Auch der Hals ist gerötet. Ich verliere mich in meinem Spiegelbild. Technischer Defekt? Was verheimlichen die uns? Können die das in der kurzen Zeit wirklich beheben? Die Zeit drängt. Die müssen schnell sein, sonst wird es teuer: Nach drei Stunden Verspätung müssen die Tickets erstattet werden. … Und wenn sie was übersehen? … Vielleicht ist ja auch was ganz anderes passiert?
Ich gehe zurück, mein Platz ist besetzt. Mein Blick wandert über die Reihen. Einer ist noch frei, ein Mantel und eine schwarze Tasche liegen darauf. Der Mann ist mit seinem Tablet beschäftigt. Unschlüssig schaue ich hinüber. Was will ich eigentlich in Deutschland? Die Familie kann ich auch im Frühjahr treffen. … Das Wetter soll regnerisch werden. Alles nur für drei Tage. Hundertdreißig Euro. Zweimal Essengehen. … Jan wird mich nicht verstehen. Oder vielleicht doch? Irgendwann muss er doch mal auf sein Handy schauen.
Ich stehe und spüre, wie meine Gedanken sich verhaken, immer um denselben Punkt kreisen, nur eine Konsequenz zulassen.

Ich ziehe den Mantel an, gehe durch die Passage, vorbei an den kleinen Läden, schlängle mich durch die Parfümregale, reiße mit dem Koffer eine Geschenkpackung vom Ständer und bin wieder im Kontrollraum. Ich will raus. Ich will zurück nach Hause.

Ein Angestellter hält mich am Arm fest, weist zurück in Richtung Duty Free. Ärgerlich schüttle ich seine Hand ab, besinne mich und suche nach einer Möglichkeit, ihm meine Situation zu erklären. Doch meine kargen Ungarischkenntnisse lassen das nicht zu. Jan hat wahrscheinlich recht, wenn er sagt, dass ich mich endlich mal darum kümmern sollte.
„Sprechen Sie Deutsch?“
„Nem.“
Neuer Versuch:
„Do you speak English?“
“Nem!”
Klar, denke ich. Wollen zu Europa gehören und sprechen nicht mal eine Fremdsprache!
Ich ziehe die Bordkarte aus der Tasche, halte sie ihm hin und zeige auf die Eingangshalle: „Vissza!“ Gut, dass mir in diesem Moment das Wort für ‚zurück’ einfällt.
„Nem! Nem szabat!“
Der Mann fasst mich wieder am Arm, will mich zurückschieben. Ich bocke. Es muss doch eine Möglichkeit geben, hier wieder rauszukommen. Die können mich doch nicht zwingen, zu fliegen, wenn ich das gar nicht will.

Wir stehen uns gegenüber. Der Mann wartet, schaut mich verschlossen an. Was wäre eigentlich, wenn ich ihn einfach ignorierte, einfach an ihm vorbeiginge? Er ahnt, was ich vorhabe, geht wortlos ein paar Schritte zurück, breitet seine Arme aus und versperrt mir den Weg. Eine lächerliche Situation. Wir erregen Aufmerksamkeit.
Zwei Uniformierte in Schwarz nähern sich uns. Sie sind bewaffnet: Gewehre und Schlagstöcke. Mir wird heiß, mein Kopf glüht.
Zu dritt stehen sie jetzt vor mir, lassen mich nicht aus den Augen. Der Angestellte flüstert den beiden Bewaffneten etwas zu. Ich verharre und weiß nicht weiter, rieche meinen Schweiß; das Dröhnen in den Ohren ist stärker geworden.
Ich sehe mich um, suche einen Blickkontakt. Alle sind mit sich beschäftigt, schauen nur hin und wieder verstohlen zu uns rüber. Niemand, an den ich mich wenden könnte. Das kann doch nicht sein. Es muss doch einen Weg geben, hier wieder rauszukommen. Ich bin doch nicht die Erste, die ihren Flug, aus welchen Gründen auch immer, nicht antreten möchte. Ich muss Jan erreichen.

Immer noch die Mailbox. Durchsagen hallen in meinen Ohren. Übelkeit steigt in mir auf. Ich kann nicht mehr stehen. Die Bank vor dem Duty Free. Ich gehe zu ihr und setze mich, erhebe mich noch einmal, ziehe den Mantel aus. Mit den Händen versuche ich, mein Gesicht zu kühlen. Meine Unterlippe ist aufgesprungen und schmerzt.
Die Drei sprechen miteinander, lassen ihren Blick nicht von mir.
Einer der beiden Uniformierten geht weg.
Wieder der Lautsprecher. Ich möchte mir die Ohren zuhalten. Dieses Dröhnen in meinem Kopf. Tränen treten mir in die Augen, laufen über die Wangen, tropfen auf den Pullover, färben das helle Beige dunkler. Meine Hand verwischt die Tränen. Ein Finger ist schwarz. Das Taschentuch fasert aus. In der Kulturtasche ist noch ein Päckchen. Weinend beuge ich mich über den Koffer, öffne ihn und nehme die kleine Tasche heraus. Ich muss vergessen haben, ihren Reißverschluss zu schließen. Alles rieselt auf den Boden: die Zahncreme, die Wimperntusche, die Cremes, der Kamm, das Seifenstück, die Wattestäbchen, die Zahnseide. Auch die grünen Baldrianperlen fallen aus ihrer Schachtel, verteilen sich, kullern überall hin. Ich bücke mich nach vorne, sammle ein paar Sachen auf und werfe sie zurück in die kleine Tasche. Das weiter hinten unter der Bank Liegende kann ich nicht erreichen. Ich muss aufstehen und mich bücken. Der Mantel rutscht von der Bank. Ich greife nach einer Perle, fasse daneben, falle auf die Knie und breche schluchzend zusammen. Aus Augen und Nase rinnt es. Das Taschentuch in meiner Hand ist völlig aufgeweicht. Ich sitze vor der Bank und vergrabe mein Gesicht in den Ärmeln meines Pullovers, schluchze und weine.


„Kann ich Ihnen helfen?“
Erst langsam wird mir bewusst, dass ich gemeint bin. Ich schaue auf und sehe durch den Tränenschleier eine junge Frau in einem auberginefarbenen Kostüm. Sie beugt sich zu mir herab.
„Was ist denn nur los mit Ihnen?“
Ich schluchze, möchte nur immer weiter weinen.
„Beruhigen Sie sich doch. Alles wird gut werden.“ Sanft streicht sie mir über die Schulter. Dann reicht sie mir ihre Hand.
„Bitte. Versuchen Sie aufzustehen.“
Ich komme umständlich auf die Beine und wir setzen uns.
Immer noch zucken meine Schultern, die Nase trieft. Sie reicht mir ein Taschentuch.
„Sagen Sie mir doch, was los ist.“
Ihre Stimme beruhigt mich etwas, aber das Schluchzen behindert mein Sprechen.
„Ich möchte nicht fliegen. … Ich möchte zurück. … Bitte.“
Wieder streicht sie mir über den Rücken. Sie nimmt die zerknitterte Bordkarte, die aus dem Seitenfach der Handtasche hervorlugt, und studiert sie.
„Keine Sorge“, murmelt sie. „Alles wird gut werden. Kommen Sie bitte.“
Behutsam schiebt sie mir ihre Hand unter den Arm und wir stehen gemeinsam auf.
„Jetzt gehen wir erst mal zum Zoll.“ Sie beugt sich nach unten und sammelt auf, was noch auf dem Boden liegt. Ich stehe daneben und sehe ihr zu, wie sie den Koffer schließt und den Mantel über ihren Arm legt. Wieder wäre meine Handtasche beinahe liegengeblieben. Sie hängt sie mir über die Schulter.
„Jetzt erst mal zum Zoll“, wiederholt sie. Ein kleines Lächeln tritt in ihre Augen: „Und dann dürfen Sie wieder raus.“

Allmählich versiegen die Tränen. Wir gehen durch einen langen, schmalen Gang und ich denke, dass unter meinen Augen alles verschmiert sein muss. Neben mir höre ich die ersten, noch leisen Akkorde meiner Handymelodie.

 

Für alle, denen der Titel zu englisch ist: Ich konnte mich wirklich nicht dazu durchringen, stattdessen: ‚Kein Ausgang’ zu schreiben. Wer möchte, kann den Titel in seinem Kopf einfach austauschen.

 

Liebe barnhelm,

ich habe es bei der englischen Überschrift belassen und sie nicht im Kopf ins Deutsche übersetzt, da ich finde, für die Szenerie am Flughafen passt das Englisch sehr gut ;)

Du weißt ja, mir gefällt dein Stil total, ich schwebe über deine Geschichten irgendwie immer rüber, weil mich deine Formulierungen wie von allein ein Stück weitertragen. So auch hier. Hier sogar noch schneller, weil es echt spannend war. Du schaffst es sehr gut, die Stimmung zuzuspitzen. Schon am Anfang, die Handgepäckkontrolle, fängt das Gefühl ein, das man mittlerweile an den Flughäfen hat. Beklemmung. Nicht schlimm, nicht so, dass man Panik bekommt, aber diese Beklemmung habe ich vor ein paar Jahren noch nicht gespürt. Im September flogen wir nach Rhodos und mein Verlobter wurde gleich rausgefischt und auf Sprengstoffspuren untersucht. Natürlich war nichts, aber die Mienen der Sicherheitsbeamten, die Art und Weise, wie man jetzt untersucht wird – das ist echt ein anderes Kaliber als früher.

Am stärksten fand ich diesen Absatz: Wieder der Lautsprecher. Ich möchte mir die Ohren zuhalten. Dieses Dröhnen in meinem Kopf. Tränen treten mir in die Augen, laufen über die Wangen, tropfen auf den Pullover, färben das helle Beige dunkler. Meine Hand verwischt die Tränen. Ein Finger ist schwarz. Das Taschentuch fasert aus. In der Kulturtasche ist noch ein Päckchen. Weinend beuge ich mich über den Koffer, öffne ihn und nehme die kleine Tasche heraus. Ich muss vergessen haben, ihren Reißverschluss zu schließen. Alles rieselt auf den Boden: die Zahncreme, die Wimperntusche, die Cremes, der Kamm, das Seifenstück, die Wattestäbchen, die Zahnseide. Auch die grünen Baldrianperlen fallen aus ihrer Schachtel, verteilen sich, kullern überall hin. Ich bücke mich nach vorne, sammle ein paar Sachen auf und werfe sie zurück in die kleine Tasche. Das weiter hinten unter der Bank Liegende kann ich nicht erreichen. Ich muss aufstehen und mich bücken. Der Mantel rutscht von der Bank. Ich greife nach einer Perle, fasse daneben, falle auf die Knie und breche schluchzend zusammen. Aus Augen und Nase rinnt es. Das Taschentuch in meiner Hand ist völlig aufgeweicht. Ich sitze vor der Bank und vergrabe mein Gesicht in den Ärmeln meines Pullovers, schluchze und weine.
Oh je, da habe ich mitgelitten. Nichts klappt mehr, alles fällt runter, die Tränen lassen alles verschwimmen, völliger Zusammenbruch.

barnhelm, ich finde deine Geschichte hat wieder viele leise Töne, die durchklingen, aber nicht plakativ herausgeschrien werden. Die Stimmung deines Textes hat mich überzeugt und mitgerissen. Mir fällt tatsächlich nichts ein, das ich ändern würde. Fehler habe ich auch keine gefunden.

Sehr gern gelesen!
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo barnhelm,

ich finde Deine Geschichte ganz klasse. Am Beginn dachte ich noch: Ach je, noch eine Story zum Thema Terrorangst und wie sich unsere Gesellschaft verändert, womöglich noch mit Anschlag "live" oder mit arabisch aussehenden Leuten, die verdächtig aussehen. Aber beim Weiterlesen merke ich: Es geht hier gar nicht um das gesellschaftliche Ganze, sondern nur um eine Einzelperson, da spielt die sicherheitspolitische Lage zwar eine Rolle, eine deutliche auch, aber sie ist nicht das allein Ausschlaggebende, sondern da ist vorher schon ganz viel, was diese Person ausmacht und mit zu dieser Zuspitzung führt.

Der Stil ist hervorragend, die vielen kleinen Gesten und Details, mit denen Du die Gefühlslage Deiner Prota vermittelst. Das Show, don't tell ist sehr gut umgesetzt, bis auf ein, zwei kleine Ausrutscher. Und man kann dem einfach sehr gut folgen, alles nachfühlen, auch wenn man - wie ich - selbst weder unter Flug- noch unter Terrorangst leidet. Solche Dinge nachzufühlen, die mir persönlich eher fremd sind, gelingt mir in den meisten anderen Geschichten nicht so gut.

Unsicherheit erfasst mich.
Da ist noch ein Tell, einer von den Ausrutschern. Das brauchst Du auch gar nicht so plakativ zu sagen, das Drumherum macht das schon deutlich.

Ersatz-Schuhe
Braucht keinen Bindestrich, "Ersatzschuhe" liest sich besser.

Doch diskutieren wäre jetzt sinnlos. Wie auch.
Vielleicht mit Fragezeichen? Kann man aber unterschiedlich sehen.

Ich spüre den Blick der Frau auf meinem Nacken?
Dafür hier wohl lieber einen Punkt.

Europa 2015K denke ich.

Vor einer halben Stunde hat mich Jan vor dem Eingang abgesetzt.
Er nimmt den kleinen Koffer, stellt ihn auf den Bordstein (...)
Da hast Du eine Rückblende, die Du im Perfekt einleitest, dann erzählst Du aber im Präsens weiter. Finde ich nicht optimal, ist aber Geschmackssache.

er kennt meine Flugangst
Könnte man auch als Tell ansehen. Finde ich hier aber nicht schlimm, im Gegenteil sogar nützlich, weil es hilft zu unterscheiden, was sozusagen der Grundzustand Deiner Prota ist und was im Gegensatz die aktuelle Situation ausmacht.

In der Ladenpassage fallen mir schwer bewaffnete Männer auf, die der Szenerie etwas Angespanntes und Bedrückendes verleihen. ‚Nichts ist mehr, wie es war.’
Noch etwas Tell, das kannst Du bestimmt umschreiben. Warum einfache Anführungsstriche für das Politikerzitat?

Es gibt ein kleines[,] technisches Problem.
Komma raus, auch in der darauffolgenden Wiederholung.

Neben mir die Titelseite einer ungarischen Zeitung. Ich sehe die Bilder des Attentats, verstehe die Überschriften nicht.
Sie wohnt seit zwei Jahren in Ungarn und kann noch nicht mal die Überschriften in den Zeitungen verstehen?

Ich verliere mich in meinem Spiegelbild. Technischer Defekt? Was verheimlichen die uns? (...)
Hier gehst Du in Kursivschrift über. Damit hast Du jetzt drei verschiedene Darstellungen für die Gedanken Deiner Prota: normale Schrift, einfache Anführungsstriche und eben Kursivschrift. Solltest Du vereinheitlichen.

Ein Angestellter hält mich am Arm fest, weist zurück in Richtung Duty-Free
Hast Du oben ohne Bindestrich geschrieben. Beides okay, sollte aber einheitlich sein.

Eine lächerliche Situation.
Tell.

Also, trotz dieser paar Kleinigkeiten eine feine Geschichte. Ich hätte sie allerdings noch stärker gefunden, wenn die Terrorangst weniger im Vordergrund gestanden hätte, das hat inzwischen auch schon etwas klischeehaftes. Ich denke, Du hättest noch mehr von den Gefühlen auch einfach so aus der Person heraus entwickeln und das bedrohliche Drumherum etwas subtiler anbringen können, so als letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Sehr gerne gelesen.

Grüße vom Holg ...

 

Hallo The Incredible Holg,
nur ganz schnell zu

Sie wohnt seit zwei Jahren in Ungarn und kann noch nicht mal die Überschriften in den Zeitungen verstehen?

Das ist durchaus möglich. Ich lebe und arbeite nun seit 10 Jahren in Ungarn, bin allerdings fast immer unter Leuten, die Deutsch oder Englisch sprechen und spreche die ungarische Sprache so leidlich. Aber es ist wirklich so, dass es fast unmöglich ist, diese Sprache so nebenbei zu erlernen. Wenn du das nicht systematisch machst, dann verstehst du auch nach zwei Jahren die Hochsprache nicht, zumal die Präpositionen an die Substantive angehängt werden und Modalitäten (Modalverben) sich in der Konjungation des Verbs (oft mittendrin) befinden. Ganz anders als bei uns.

Dazu später mehr, auch zu deinem und RinaWu s Kommentar.
Ich danke euch beiden schon jetzt sehr.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe barnhelm,

ich habe Deine Geschichte sehr gerne gelesen und habe mit Deiner Prota mitgelitten. Ungarisch nicht zu verstehen: wenn mensch eine völlig fremde - nicht einmal indogermanische - Sprache nicht lernen muss, dann wird es auch Jahre dauern, bis mehr als einige Worte im Gedächtnis hängen bleiben. Ich habe vor vielen Jahren versucht finnisch zu lernen (auch eine finnugrische Sprache) und habe es aufgegeben, zumal ja damals die meisten Finnen Deutsch oder Russisch sprechen konnten (heute können sie es vielleicht ja nicht mehr).

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo barnhelm,

auch ich mochte deine Geschichte. Eine alltägliche Situation, die sich nach und nach zu einem grauenhaften Szenario verengt. Nachvollziehbar schlingt sich die Schlaufe der Angst immer fester um deine Prota, was du im Text durch Zunahme von Tempo gut spiegelst.
Gelungen finde ich auch die Balance zwischen Außen und Innen. Du verlierst dich nicht in der Wahrnehmung der Prota, sondern gibst relevante Eindrücke, ohne penetrant zu werden. Gerade bei diesem Thema kann das schnell in die Hose gehen, könnte ich mir vorstellen. In deiner dargebotenen Form finde ich das angemessen reduziert.
Gut auch, dass du ohne ein Feindbild auskommst. Die Angst ist auch so greifbar genug.

gerne gelesen
grüßlichst
weltenläufer

 

Liebe Barnhelm,

ich mag das sehr wie du schreibst, und solltest du jemals einen Roman schreiben, werde ich auch den lesen.

Der Titel ist perfekt und ich glaube, dass auch jemand, der der englischen Sprache nicht mächtig ist, den Titel versteht.

Einzig das Ende gefällt mir persönlich nicht so. Du baust so viel Spannung auf und diese verpufft in einer fast vorhersehbaren Handlung. Ich hätte mir jetzt irgendwie noch eine Art Knall gewünscht. Irgendwas nicht vorhersehbares, womit ich nicht gerechnet habe.

Liebe Grüße
Lobilotte

 

Hallo barnhelm,

sorry, dass ich Deine längere Antwort nicht abwarte. :)

Ich lebe und arbeite nun seit 10 Jahren in Ungarn, bin allerdings fast immer unter Leuten, die Deutsch oder Englisch sprechen und spreche die ungarische Sprache so leidlich. Aber es ist wirklich so, dass es fast unmöglich ist, diese Sprache so nebenbei zu erlernen. Wenn du das nicht systematisch machst, dann verstehst du auch nach zwei Jahren die Hochsprache nicht, zumal die Präpositionen an die Substantive angehängt werden und Modalitäten (Modalverben) sich in der Konjungation des Verbs (oft mittendrin) befinden. Ganz anders als bei uns.

Ich kenne (eher flüchtig, über gemeinsame Bekannte) eine Handvoll Leute, die beruflich ein paar Jahre in China waren. Ich stelle mir das vergleichbar vor: eine komplett andersartige Sprache (dort sogar noch mit den fremden Schriftzeichen); wenig Kontakt mit Einheimischen, die ihre Muttersprache mit einem sprechen wollen; wenig Zeit fürs Eintauchen in Land, Sprache und Kultur.

Ich finde sowas total schade, eine verpasste Gelegenheit, den Horizont zu erweitern. Die europäischen "Gastarbeiter" in China leben - so wurde es mir zumindest erzählt - in regelrechten Ghettos, die ihre hiesigen Arbeitgeber dort bauen, abgeschottet von der Normalbevölkerung. Nun wäre China nicht mein Ding, Ungarn vielleicht eher (von der Politik abgesehen), und ich habe einfach ein Faible für Sprachen. Ich könnte mich schwer damit abfinden, in einem Land zu leben, ohne mich mit Leuten auf der Straße, im Geschäft oder anderswo unterhalten zu können, ohne die lokalen Medien nutzen oder Straßenschilder lesen zu können. Ich würde unbedingt die Sprache lernen - systematisch, wie Du sagst, und möglichst schnell.

Was heißt das für Deine Geschichte? Ich denke, es sagt ein bisschen über den Charakter Deiner Prota aus, wie sie mit dem Sprach"problem" umgeht. Sie scheint ein etwas ängstlicher Typ zu sein - wie wirkt sich das aus? Schottet sie sich ab, bleibt lieber für sich? Dann lernt sie vielleicht eher nicht die Sprache. Oder fühlt sie sich unsicher, wenn sie (wie man ja in der Geschichte leidvoll miterlebt) die Leute um sich herum nicht versteht? Dann wäre das vielleicht eine Motivation gewesen, die Sprache eben doch zu lernen. Wie stellst Du Dir diese Frau außerhalb ihrer Ängste vor? Ist sie ein lebenslustiger, kontaktfreudiger Mensch? Das wäre wieder ein Argument für das Sprachenlernen usw.

Kannst ja mal ein bisschen darauf rumdenken, wie Du die Frau haben willst. :)

Grüße vom Holg ...

 
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So, ihr Lieben,

jetzt werde ich mal antworten. Gestern war Weihnachtsmarkt angesagt.

Liebe RinaWu. Wie immer freue ich mich ganz besonders, dass auch dir meine Geschichte gefallen hat.
Ja, diese Beklemmung, die man an den Kontrollen inzwischen überall spürt, die wollte ich zeigen, und natürlich, die Angst und – wie du richtig sagst – die Panik, die sich mehr und mehr einstellt. Die Zutaten waren Flugangst und die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen an den Flughäfen. Mit der Flugangst ist es nach meiner Erfahrung so, dass sie sich nicht wirklich verliert, auch wenn man, wie ich, sehr oft fliegen muss. Die Entfernungen lassen einfach keine sinnvolle andere Möglichkeit zu. Immer noch habe ich kalte, feuchte Hände, wenn wir losfliegen und aufsteigen und wenn Turbulenzen auftreten. Das verschwindet wohl nie ganz, obwohl mit der Zeit der Verstand dann doch die Oberhand gewinnt und man alles, was geschieht, besser einordnen kann. Aber es braucht nur etwas zu geschehen, was anders ist als sonst, und du sitzt tief in deinem Sitz und fürchtest dich. So ist das leider.
Rina, danke für deinen Kommentar und natürlich dafür, dass du meine Geschichte gerne gelesen hast.

Lieber The Incredible Holg,

zuerst danke ich dir fürs Lesen und dann für die vielen Anregungen, die du mir gibst. Du widmest dich den Geschichten mit großer Genauigkeit und man hat als Autor das Gefühl, da hat einer sich das wirklich durch den Kopf gehen lassen, was man da geschrieben hat.

Die Fehler, die du gefunden hast, habe ich hoffentlich alle korrigiert.
Mit dem kursiv Geschriebenen überlege ich noch. Die Stelle kennzeichnet ja die Wende in meiner Geschichte und sollte deshalb besonders hervorgehoben werden. Mal sehen, wie das andere empfinden.
Und dann das ‚Show don’t tell’. Hab ich natürlich versucht. Doch ich wollte nicht zu dogmatisch damit umgehen, deshalb der eine oder andere ‚Ausrutscher’. Daneben hat meine Phantasie leider versagt, um die Atmosphäre der Bedrückung zu zeigen und nicht nur zu benennen. Vielleicht kommt mir da noch eine Idee. Ich wollte es nur nicht zu gewollt aussehen lassen.
Du findest, dass die Terrorangst zu stark im Vordergrund steht. Für mich war sie eigentlich die Möglichkeit, die ganz normale Flugangst in einen brisanteren Rahmen zu stellen. Ein großer Autor kann es vielleicht schaffen, allein das Thema Flugangst zu einem inneren Drama werden zu lassen, ich brauchte dazu eben diesen äußeren Rahmen. Da es mir schwer fällt, mir eine ganz neue Handlung auszudenken, würde ich gerne in den Bereich des Psychologischen gehen, um die Innenwelt einer Person zu beschreiben. Aber dazu muss ich noch kräftig lernen und üben.

Du hättest noch mehr von den Gefühlen auch einfach so aus der Person heraus entwickeln und das bedrohliche Drumherum etwas subtiler anbringen können, so als letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Das genau ist eigentlich das, was ich anstrebe. Bis Silvester ist ja noch viel Zeit und ich werde mal überlegen, wo dies möglich ist, ohne dass das dann ein Zuviel wird.

Zur ungarischen Sprache habe ich schon einiges gesagt. Ich gehe jetzt mal auf deinen zweiten Kommentar ein. Vor vielen Jahren habe ich einen Vertrag unterzeichnet, in dem so etwas Ähnliches wie dies stand: "Sie sind verpflichtet, innerhalb eines Jahres die Sprache des Landes, in das sie entsendet werden, zu lernen – außer Chinesisch und Ungarisch." Das war wirklich so und kam meiner Faulheit sehr entgegen, zumal um mich herum alle Leute Deutsch sprachen. Zudem habe ich einen Mann, der ein echtes Sprachgenie ist und eine Sprache sehr schnell lernt. So habe ich in der ersten Zeit wirklich diese Weibchenrolle angenommen und ihn machen lassen. Das führte natürlich dazu, dass ich oft passiv daneben stand, wenn etwas mit den Handwerkern oder Hilfen besprochen wurde. Irgendwann habe ich mich dann doch hingesetzt und gelernt. Aber Ungarisch ist wirklich sehr schwer. Es würde zu weit führen, hier die vielen Besonderheiten anzuführen.

Wie stellst Du Dir diese Frau außerhalb ihrer Ängste vor?
Genau diese Frage nehme ich mir noch einmal vor, und überlege, an welchen Stellen ich ihr noch mehr Kontur verleihen könnte. Im Moment ist das wie immer bei mir: Die Geschichte ist fertig und mir fällt nichts mehr dazu ein. Aber eure Anregungen werden mir hoffentlich einen Anreiz geben, mich noch mal hinzusetzen.

Holg, danke nochmals für deinen ausführlichen Kommentar.

Liebe Grüße an dich und an RinaWu
barnhelm


Den anderen antworte ich später. Heute haben wir hier einen knackig kalten, aber sehr sonnigen Tag und mein Hund und ich machen jetzt einen langen Waldspaziergang. Bei dem stellen sich irgendwann immer 'Wortkrieger'-Gedanken ein und ich bin sicher, dass mir das eine oder andere noch einmal durch den Kopf gehen wird.

 

Hallo barnhelm,

Und dann das ‚Show don’t tell’. (...) Ich wollte es nur nicht zu gewollt aussehen lassen.
Ich glaube, um die Gefahr brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Du machst das ja ganz super, sehr beiläufig. Das wirkt auf mich in keiner Weise gezwungen. Vor meiner Zeit hier im Forum hätte ich nicht mal benennen können, was Du da machst. :)

Du findest, dass die Terrorangst zu stark im Vordergrund steht. Für mich war sie eigentlich die Möglichkeit, die ganz normale Flugangst in einen brisanteren Rahmen zu stellen. Ein großer Autor kann es vielleicht schaffen, allein das Thema Flugangst zu einem inneren Drama werden zu lassen, ich brauchte dazu eben diesen äußeren Rahmen.
Aber bitte nicht falsch verstehen. Ich meine nicht, dass der Terror- und Sicherheitsaspekt raus sollte. Ich finde es sehr plausibel, dass auf die "Grundangst", die sie vorm Fliegen hat, noch die aktuellen Ereignisse obendrauf kommen und das dann die Prota über die Klippe schiebt. Und das ist auch jetzt schon prima umgesetzt. Ich persönlich fände es halt noch spannender, wenn Du die Gewichtung etwas weiter verschieben würdest. Dann könnte es noch mehr nach einer persönlichen Geschichte und noch weniger nach einem Kommentar zur aktuellen politischen Situation aussehen. Aber wie gesagt: auch jetzt schon sehr, sehr gut.

Vor vielen Jahren habe ich einen Vertrag unterzeichnet, in dem so etwas Ähnliches wie dies stand: "Sie sind verpflichtet, innerhalb eines Jahres die Sprache des Landes, in das sie entsendet werden, zu lernen – außer Chinesisch und Ungarisch."
:lol:

Das war wirklich so und kam meiner Faulheit sehr entgegen, zumal um mich herum alle Leute Deutsch sprachen. Zudem habe ich einen Mann, der ein echtes Sprachgenie ist und eine Sprache sehr schnell lernt. So habe ich in der ersten Zeit wirklich diese Weibchenrolle angenommen und ihn machen lassen. Das führte natürlich dazu, dass ich oft passiv daneben stand, wenn etwas mit den Handwerkern oder Hilfen besprochen wurde. Irgendwann habe ich mich dann doch hingesetzt und gelernt.
Dann ist Deine Prota Dir womöglich sehr ähnlich, das klingt ja auch schon in anderen Details an, die Du hier erläuterst. Du kannst natürlich auch eine kurze Bemerkung dazu in Deine Geschichte einbauen, die dann zum einen erklärt, warum sie kein Ungarisch kann, und zum anderen das Profil der Figur schärft (Abhängigkeit vom Mann, vom beruflichen Umfeld; Bedauern, dass sich der Sprache nicht gewidmet hat/widmen konnte; der Vorsatz, das bald nachzuholen, wasweißich).

Grüße vom Holg ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber jobär,

wie immer freue mich über die Empathie, die du auch fiktiven Personen entgegenbringen kannst. Du musst ein sehr feinfühliger Mensch sein.

Zur ungarischen Sprache habe ich in meinem Kommentar an Holg schon einiges gesagt. Es ist wirklich so, dass das Nichtsprechen einer Sprache dich völlig isolieren kann. Deshalb finde ich es heute so gut, dass viele junge Leute Englisch sprechen. So ist sehr schnell eine Basis der Verständigung hergestellt. Ich erinnere mich noch an Frankreich-Urlaube in den Siebzigern und Achtzigern. Auf dem Land sprach niemand Englisch und ich war immer darauf angewiesen, dass mein Mann alles regelte. Auch unser eigener Englisch-Unterricht war ja in den ersten Jahrzehnten der BRD alles andere als gut, nicht wirklich orientiert am praktischen Sprachgebrauch. Shakespeare-Floskeln im Kopf führten bei mir einmal dazu, dass ich nach einem 'Inn' fragte, als wir nach einem schnöden Pub Ausschau hielten. Dass zum Thema Fremdsprachen.

Lieber jobär, ich wünsche dir ein schönes Wochenende.
barnhelm

Lieber weltenläufer,

Eine alltägliche Situation, die sich nach und nach zu einem grauenhaften Szenario verengt.
Als großer Highsmith-Fan wäre das genau mein Thema. Und wenn sich das dann noch stärker im Innern der Person als in der äußeren Umgebung abspielte, fände ich es noch besser. Hier habe ich das mal versucht und ich freue mich, dass es dir gefallen hat. Danke dir fürs Lesen und deinen Kommentar.
Auch dir wünsche ich ein schönes Advents-Wochenende.
barnhelm

Liebe Lobilotte,
danke für deinen freundlichen Kommentar. Zu einem Buch wird es wohl nicht kommen, da fehlt mir die Phantasie und auch der Impetus. Auch zu den Kurzgeschichten bin ich ja eigentlich nur gekommen, weil ich mal ausprobieren wollte, wie das geht.
Ja, das Ende. Da habe ich lange drüber nachgedacht. Ich habe auch nach einem Knall gesucht, ihn aber nicht gefunden. Mir ging einiges durch den Kopf: ein arabisch aussehender Mitreisender, ein Gepäckstück, das herrenlos in der Gegend steht, eine völliges Durchdrehen der hysterischen Frau und Ähnliches. Aber das liegt mir erstens nicht und zweitens war meine Idee, aus einem Nichts etwas zu machen. Denn in der Geschichte passiert ja eigentlich nichts, alles spielt sich im Kopf dieser hysterischen Frau ab.

Lobilotte, nochmals danke für deinen Kommentar und auch dir wünsche ich ein schönes Wochende.

barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo The Incredible Holg,

Du kannst natürlich auch eine kurze Bemerkung dazu in Deine Geschichte einbauen, die dann zum einen erklärt, warum sie kein Ungarisch kann, und zum anderen das Profil der Figur schärft (Abhängigkeit vom Mann, vom beruflichen Umfeld; Bedauern, dass sich der Sprache nicht gewidmet hat/widmen konnte; der Vorsatz, das bald nachzuholen, wasweißich).

Ich habe deine Anregung nun mal aufgenommen und die Stelle, als sie durch den Kontrollbereich zurück will, ein bisschen verändert. Damit wirkt die Dame allerdings etwas arroganter, aber ich denke, das kann auch an ihrer Nervosität liegen.

Danke dir nochmals für’s Mit-Überlegen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo barnhelm,

Ich habe deine Anregung nun mal aufgenommen und die Stelle, als sie durch den Kontrollbereich zurück will, ein bisschen verändert. Damit wirkt die Dame allerdings etwas arroganter, aber ich denke, das kann auch an ihrer Nervosität liegen.

Du meinst diesen Satz?

Klar, denke ich. Wollen zu Europa gehören und sprechen nicht mal eine Fremdsprache!

Ich denke, der wirkt nicht zu arrogant. Sie sagt es ja auch nicht laut. In ihrer geistigen Verfassung kann ich so einen Gedanken gut nachvollziehen.

Wenn ich darüber nachdenke, kann ich den Gedanken auch sonst nachvollziehen. Nicht wegen EU und so, sondern generell bei Flughafenpersonal, das ja nun zwangsläufig ein internationales Publikum hat.

Grüße vom Holg ...

 

Liebe barnhelm

mir gefällt diese Geschichte und dein feiner, sensibler Blick, der nichts Schreiendes oder Effekthaschendes hat.

Paar Anmerkungen:

Hektisch agierende, schwer bewaffnete Polizisten, hin- und herfahrende Krankenwagen, Gesichter, gezeichnet von Angst und Schrecken.
du zoomst gut rein, aber ein noch genauerer Blick auf die Szenerie, exemplarisch gewissermassen, gefiele mir noch besser... zB neben mir sehe ich die aufgerissenen Augen eines Kindes/Passagiers oder die Polizisten genauer beschreiben...

Durfte etwas nicht hinein?
den Satz kannst du eigentlich streichen, klingt nicht gut und ich verstehe das Geschehen auch ohne ihn...

Es ist stickig.
wie wirkt stickig auf den Prot?

die Unterwäsche, die Hose, die Blusen, die Strickjacke, die Ersatzschuhe, die Handtücher, das Geschenkpäckchen Paprikapulver, die Kulturtasche.
der Artikel kann weg... und warum Handtücher und Paprikapulver?

Man muss das jetzt wohl alles so hinnehmen.
Brauchst du diesen Erzählerkommentar? Ist doch in "Europa 2015" irgendwie schon mit drin. Oder kürzer... klingt halt, so wie es ist, komisch...

Er nimmt den kleinen Koffer, stellt ihn auf den Bordstein und zieht den Griff hoch. Er sieht mich fest an:
warum hier Präsens? und der letzte Satz: er sieht... ist das nicht ein Schauen?

[Sein Mund lächelt,/QUOTE]
ein Mund allein. lächelt der?

Bevor er in den Süden Ungarns, wo wir seit zwei Jahren leben,

wird er ein paar Stunden in einem Thermalbad verbringen, wie er es immer macht, wenn er schon einmal in Budapest ist.
warum er das macht. bleibt unerklart, trägt nichts bei außer, dass es wohl in Budapest tolle Thermalbäder gibt...

In der Ladenpassage fallen mir schwer bewaffnete Männer auf
auch hier wünschte ich mir einen genaueren Blick...

Die Angestellte steht am Fenster, schaut zur Maschine. Ich studiere ihr Gesicht. Es ist ausdruckslos. Sie geht zurück. Weitere zwanzig Minuten vergehen. Endlich. Ein Krächzen, dann die Mikrofonstimme
ziemliches Stakkato, könntest du im ersten Satz auch noch machen, um diesen Moment der Stillstands zu verdeutlichen...

Die Bordkarte klebt an meinen Fingern.
Bester Satz. Da ist alles enthalten: Anspannung, Furcht...

Sollte man im Moment überhaupt fliegen, wenn man nicht muss?
brauchst du den Satz?

Ich schreibe ihm eine SMS.
hätt se ma whatssapp benutzt :)

Ich sollte sie in Ruhe lassen.
wer ist sie? die Lippen?

Meine Hände fühlen sich klebrig an.
du hast das oben schon ganz ähnlich... Bordkarte kleben... ich würde dieses Bild nicht zweimal verwenden oder etwas verändern...

Klar, denke ich. Wollen zu Europa gehören und sprechen nicht mal eine Fremdsprache!
ich glaube das haben schon andere angemerkt... also englisch sollte doch jeder können, der am Flughafen arbeitet, zumindest rudimentär...

Tränen treten mir in die Augen, laufen über die Wangen, tropfen auf den Pullover, färben das helle Beige dunkler. Meine Hand verwischt die Tränen. Ein Finger ist schwarz. Das Taschentuch fasert aus.
super!

„Ich möchte nicht fliegen. … Ich möchte zurück. … Bitte.“
Wieder streicht sie mir über den Rücken. Sie nimmt die zerknitterte Bordkarte, die aus dem Seitenfach der Handtasche hervorlugt, und studiert sie.
„Keine Sorge“ murmelt sie. „Alles wird gut werden. Kommen Sie bitte.“
starker dialog auch in der Folge

Neben mir höre ich die ersten, noch leisen Akkorde meiner Handymelodie.
guter Schluss: nur welche Melodie?

Mir hat die Geschichte wirklich gefallen. Mehr davon bitte :)
einen guten Start in die Woche und Grüße nach Ungarn
Isegrims

 

Liebe barnhelm,

was zeichnet eine KG für mich in erster Linie aus? Ich beantworte die Frage kurz und knapp: Wenn sie die Fähigkeit besitzt, mich augenblicklich in die Handlung zu ziehen.
Das gelingt Dir mit Deiner zurückhaltenden, einfühlsamen Art des Erzählens sehr gut.
Sofort ärgere ich mich mit Deiner Prota über die Gottgleichheit der Zollbeamten, spüre die Unsicherheit, die Ängste und die inneren Vorgänge dieser Frau.
Und endlich ist auch bei mir der Groschen gefallen, wie ´show, don`t tell´ im konkreten Falle auszusehen hat.

Ein Terminologie-Haar habe ich in der Suppe gefunden.
„Durch die bodentiefen Scheiben sehe ich, wie sich die Maschine aus Düsseldorf ruhig und langsam der Gangway nähert.“

Das starre ´Ding´, dem sich ein Flugzeug langsam nähern kann, wird wohl Passagierbrücke oder umgangssprachlich Finger genannt. Die Treppe, die man als Gangway bezeichnet, wird doch erst zur Maschine gefahren, wenn sie still steht.
… wie sich die Maschine ruhig und langsam der Fluggastbrücke nähert.
Hört sich ziemlich bescheuert an. Die Ursprungsform ist natürlich eleganter. So, jetzt habe ich Dir wieder den Schwarzen Peter zugeschoben, ist Dein Text.

Eine angenehme Woche mit vielen Inspirationen wünscht
peregrina

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Isegrims,

danke für deinen umfangreichen und detaillierten Kommentar. Ich werde mir alles durch den Kopf gehen lassen und noch mal an den Text gehen, eventuell aber erst morgen.

Hektisch agierende, schwer bewaffnete Polizisten, hin- und herfahrende Krankenwagen, Gesichter, gezeichnet von Angst und Schrecken.
du zoomst gut rein, aber ein noch genauerer Blick auf die Szenerie, exemplarisch gewissermassen, gefiele mir noch besser... zB neben mir sehe ich die aufgerissenen Augen eines Kindes/Passagiers oder die Polizisten genauer beschreiben...
Muss ich mal drüber nachdenken, Gute Anregung.

Durfte etwas nicht hinein?
den Satz kannst du eigentlich streichen, klingt nicht gut und ich verstehe das Geschehen auch ohne ihn...
Hast recht.

Es ist stickig.
wie wirkt stickig auf den Prot?
Ja, da könnte ich nachbessern.

die Unterwäsche, die Hose, die Blusen, die Strickjacke, die Ersatzschuhe, die Handtücher, das Geschenkpäckchen Paprikapulver, die Kulturtasche.
der Artikel kann weg... und warum Handtücher und Paprikapulver?
Auch hier hast du recht. Ich hatte die Idee, dieses 'Teil für Teil' noch stärker zu unterstreichen. Aber ich denke darüber nach, die Artikel zu streichen. Ja, die Handtücher können weg. Handgemalenes Paprikapulver ist viel intensiver und besser, meint meine Schwester:D

Man muss das jetzt wohl alles so hinnehmen.
Brauchst du diesen Erzählerkommentar? Ist doch in "Europa 2015" irgendwie schon mit drin. Oder kürzer... klingt halt, so wie es ist, komisch...
Hier würde ich ganz gerne dabei bleiben. Es verstärkt die Sache und soll auch dieses Resignieren der Prot. kennzeichnen.

Er nimmt den kleinen Koffer, stellt ihn auf den Bordstein und zieht den Griff hoch. Er sieht mich fest an:
warum hier Präsens? und der letzte Satz: er sieht... ist das nicht ein Schauen?
Schaut ist besser. Korrigiere ich. Ich fand die Vergangenheit so schwerfällig und dachte, dass, wenn ich den ersten Satz in der Vergangenheit formuliere, alles klar sein würde. Ist natürlich von der Grammatik her nicht richtig, erschien mir aber die bessere Lösung. Holg hat, glaube ich, schon Ähnliches bemerkt.

Sein Mund lächelt,
ein Mund allein. lächelt der?
Ja, mein ich schon. Hast du eine andere Formulierung? Du kennst das doch: Jemand schaut dich ernst an, versucht das aber durch das Hochziehen der Mundwinkel zu mildern.

Bevor er in den Süden Ungarns, wo wir seit zwei Jahren leben,
wird er ein paar Stunden in einem Thermalbad verbringen, wie er es immer macht, wenn er schon einmal in Budapest ist.
warum er das macht. bleibt unerklart, trägt nichts bei außer, dass es wohl in Budapest tolle Thermalbäder gibt...
Das soll erklären, warum er erstens noch in Bp. und zweitens nicht erreichbar ist.

In der Ladenpassage fallen mir schwer bewaffnete Männer auf
auch hier wünschte ich mir einen genaueren Blick...
Ja, hat Holg? auch schon angemahnt. Muss ich noch mal ran.

Die Angestellte steht am Fenster, schaut zur Maschine. Ich studiere ihr Gesicht. Es ist ausdruckslos. Sie geht zurück. Weitere zwanzig Minuten vergehen. Endlich. Ein Krächzen, dann die Mikrofonstimme
ziemliches Stakkato, könntest du im ersten Satz auch noch machen, um diesen Moment der Stillstands zu verdeutlichen...
Denk ich drüber nach.

Sollte man im Moment überhaupt fliegen, wenn man nicht muss?
brauchst du den Satz?
Ich habe ihn als ersten konkreten Hinweis, auf das, was dann passiert, gedacht.

Ich schreibe ihm eine SMS.
hätt se ma whatssapp benutzt

Hab ich inzwischen drauf.

Ich sollte sie in Ruhe lassen.
wer ist sie? die Lippen?
Ja, genau.

Meine Hände fühlen sich klebrig an.
du hast das oben schon ganz ähnlich... Bordkarte kleben... ich würde dieses Bild nicht zweimal verwenden oder etwas verändern...
Hast recht, ändere ich.

Klar, denke ich. Wollen zu Europa gehören und sprechen nicht mal eine Fremdsprache!
ich glaube das haben schon andere angemerkt... also englisch sollte doch jeder können, der am Flughafen arbeitet, zumindest rudimentär...
Ja, aber es ist wirklich so, über ein paar Floskeln kommen viele in Budapest nicht hinaus. Besonders die nur rumstehenden Sicherheitsleute. Und ein Gespräch ist überhaupt nicht möglich. Aber es ist auch eine Abwehrhaltung: Er versteht ja die Frage, antwortet aber mit einem kategorischen Nein. Für ihn ist ja klar: Die Frau darf hier nicht durch. Keine Diskussion.

Neben mir höre ich die ersten, noch leisen Akkorde meiner Handymelodie.
guter Schluss: nur welche Melodie?
Das ist der Klingelton ihres Handys. Jan meldet sich. Alles wird gut.

Isegrims, du hast dir viel Arbeit mit mir und meinem Text gemacht. Dafür danke ich dir.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo peregrina,

ja, die Sache mit ‚Show don’t tell’,Nachdem Jimmy sie uns wieder und wieder um die Ohren gehauen hat, kapieren wir es endlich. Ob wir es je so gut schaffen wie er, wage ich zu bezweifeln.
Natürlich habe ich es hier versucht und bis auf ein paar Ausrutscher scheint es auch gelungen zu sein. Ist doch eine nette Bastelei, wenn man überlegt, wie zeige ich das jetzt, ohne es zu benennen. Macht mir Spaß.

peregrina, ich freue mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat und sie bei dir funktioniert hat. Und mit der Gangway hast du vollkommen recht. Aber gerade in Budapest wurde in diesem Jahr ziemlich viel improvisiert, weil sie noch einiges ausbauen. Und so war es wirklich möglich, dass du zum Flugzeug, das in der Nähe stand, laufen musstest und nicht durch diese Brücke gingst. Auch mir erscheint dieses Wort ‚Passagierbrücke’ sperrig. Aber natürlich wird eine Gangway erst später rangeschoben. Vielleicht kann ich die Sache umschreiben. Muss ich mal überlegen. Das sind ja immer diese Kleinigkeiten, bei denen es irgendwie hakt und man überlegt und überlegt.

peregrina, liebe Grüße nach Holland. Ich bin wahrscheinlich erst wieder im Frühjahr in der Nähe, aber dann eher etwas weiter oben in der Nimweger Gegend.

Genieße diese besinnliche Zeit und lass dich schön beschenken.
barnhelm


Hallo maria.meerhaba,

wusste ich doch, dass das so kommen würde: Wir sind, was unser Temperament angeht, wohl wie Feuer und Wasser. Ich beneide dich um deine Emotionalität und die Leichtigkeit, mit der du sie rauslassen kannst. Ich stehe mir dabei meistens selber im Weg – und so geht es meinen Figuren leider auch. Als ich vor vielen Jahren einmal beurteilt wurde, sagte man mir: Sie machen das super, aber können sie nicht etwas lebendiger sein. Hab ich versucht, wirkte aber wie schlechtes Theater. Und so geht es mir mit meinen Geschichten: Mehr ist im Moment nicht drin. Ob sich da noch was ändert, kann ich nicht sagen. Danke dir, dass du aber auch die Einschränkung, dass alles am Lesen vom Handy lag, gemacht hast. Das lässt mich hoffen, dass dir meine Geschichte doch noch ein klitzkleines bisschen gefallen könnte.

Maria, danke für deinen Kommentar.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Barnhelm,

mir gehen bei dieser Geschichte verschiedene Gedanken durch den Kopf, ich habe etwas Mühe, die zu ordnen, also nicht wundern, wenn es ein bisschen wirr daherkommt:

Der Text hat viele Qualitäten: gute Sprache, gutes Szenario, anschauliche Schilderung der verschiedenen Stadien eines Nervenzusammenbruchs, viele genau beobachtete Details ... Das alles erlaubt schon von einer gelungenen Geschichte zu sprechen. Das, was ich daran auszusetzen habe, ist also Kritik auf hohem Niveau.

Die Anschaulichkeit, mit der Du Nervosität, Beklemmung, Panik und Verzweiflung Deiner Protagonistin beschreibst, steht für mich in Kontrast zur eigentlichen Situation. Ich weiß, dass Menschen mit Flugangst bereits bei "normalen" Flügen zu kämpfen haben. Und ich kann auch nachvollziehen, dass Polizei, Durchsuchung, Erinnerungen an den 11. September, Flugverzögerung, Attentatsschlagzeilen einen Flug nicht angenehmer machen. Trotzdem hinterlässt der Zusammenbruch Deiner Protagonistin ein paar Fragezeichen bei mir.

Mir ist das ein Tick zu hysterisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Menschen gibt, die unter diesen Umständen tränenüberströmt am Flughafen zusammenbrechen, auch wenn sicher die meisten ein mulmiges Gefühl haben werden. Natürlich würde ein flaues Gefühl im Magen der Protagonistin allein keine Story hergeben. Deshalb lässt Du als Autorin die Szene eskalieren.

Literaten neigen ja dazu, die menschliche Empfindsamkeit für einen Wert an sich zu halten. Deshalb spielen sich in so mancher Geschichte des sensiblen Autors/ der sensiblen Autorin Emotionen ab, über die der weniger zart besaitete Mensch nur die Achseln zuckt. Trotzdem: Ich, liebe Barnhelm, wäre unter den von Dir dort beschriebenen Umständen sicher nicht weinend am Boden herumgekrochen. Wie sieht´s mit Dir aus?

Nun kann man argumentieren, dass es – wenn auch seltener – hoch empfindsame Menschen gibt, man braucht ja nur unter Millionen die eine Person herauszufischen, die tatsächlich unter diesen Umständen zusammenklappen würde. Und so eine Person gibt es natürlich. Doch was sagt die Geschichte dann aus?

Wäre es nicht attraktiver, die Geschichte so aufzubauen, dass sich jeder darin wieder findet? Ich denke, das könnte man erreichen, in dem man zeigt, dass der Terror von diesen Irren, zwar auf ein reiches Europa, aber nicht auf komplett sorgenfreie Menschen trifft. Es ist doch nicht so, dass die Anschläge von Paris (oder wo auch immer) uns aus einem sonst total unbeschwerten Leben reißen. Zu all den ganz verschiedenen Problemen die die Menschen haben (Gesundheit, finanzielle Sorgen, Beziehungsprobleme, Identitätsprobleme, Ängste) kommt die Terrorangst nun dazu. Und das macht einen großen Teil der Wirkung aus.

Wenn Du zeigen würdest, dass Deine Protagonistin ohnehin in einer schwierigen psychischen Situation steckt, dann wäre ihr Zusammenbruch plausibler. Flugangst ist da eine Möglichkeit. Ich kenne Menschen, die so starke Angst vor dem Fliegen haben, dass sie verschreibungspflichtige Beruhigungsmedikamente einnehmen müssen, um das überhaupt durchzustehen. Du hast die Flugangst erwähnt, aber sie bleibt zu abstrakt. Man bekommt als Leser zwar die Info, aber man sieht nicht, was das bedeutet. Denn die Gefühle, die man zusammen mit der Protagonistin erlebt – und die, wie gesagt, gut beschrieben sind – beziehen sich scheinbar allein auf die Terrorgefahr.

Fazit: Ich lese die Geschichte im jetzigen Zustand als Individualphänomen. Sensible Frau bricht am Flughafen zusammen. Gut beschrieben, detailliert erfasst. Aber ein Sonderfall.

Ich weiß nicht, ob Dir meine Eindrücke helfen. In jedem Fall gern gelesen.

Gruß Achillus

 

Lieber Achillus,

ich danke dir für deinen ausführlichen Kommentar und deine Überlegungen.

Ich versuche mal, mich zu erklären. Der Geschichte liegt eine autobiographische Situation zugrunde. Normalerweise neige ich nicht zur Hysterie, aber ich habe eine diffuse Flugangst, die sich leider auch in all den Jahren nicht wirklich verringert hat. Und die äußert sich immer dann am stärksten, wenn etwas nicht so ist, wie es normalerweise abläuft. Allein das Gefühl, dass da was nicht in Ordnung ist (technischer Defekt) oder langes, zermürbendes Warten, bis es endlich losgeht, können bei mir schon zu einem Fluchtverhalten führen. Ich habe genau die Situation, wie ich sie hier beschrieben habe, vor zwei Jahren erlebt: Weil ich keinen anderen Flug bekam, musste ich mit WIZZ-Air fliegen. Das ist eine gute ungarische Billig-Airline. Aber mir war sie noch nicht bekannt und deshalb suspekt. Und eben bei diesem Flug gab es dann eine mehr als zweistündige Verspätung. In meinem Kopf drehte sich alles irgendwann nur noch um die Begriffe Billig-Airline und Defekt. Das machte mich mürbe und ich beschloss, nicht zu fliegen. Mit rationalem Verhalten hatte das nichts mehr zu tun. Das weiß ich. Aber da spielt sich ein Kopfkino ab, das man Menschen ohne Flugangst nur schwer erklären kann. Bis heute kann ich mich nicht mehr erinnern, wie es mir letztendlich gelungen ist, aus diesem Kontrollbereich herauszukommen. Ich bin zwar nicht zusammengebrochen, stand aber völlig neben mir.

Dazu kommt noch, dass es auf einigen Flughäfen (und dazu gehört Budapest) keine offizielle Möglichkeit gibt, den Kontrollbereich in Gegenrichtung zu verlassen. Es gibt keine Stelle, an die man sich wenden kann. Lässt sich hier sogar nachlesen.
http://www.vielfliegertreff.de/airports-lounges/51017-eingesperrt-budapest-airport-2.html

Zum Gefühl der Angst kommt dann noch das Gefühl des Ausgeliefertseins hinzu. Das hat mit Terrorangst erst mal nichts zu tun, das ist wirklich nur Flugangst. https://www.palverlag.de/Flugangst.html

Du hast die Flugangst erwähnt, aber sie bleibt zu abstrakt. Man bekommt als Leser zwar die Info, aber man sieht nicht, was das bedeutet. Denn die Gefühle, die man zusammen mit der Protagonistin erlebt – und die, wie gesagt, gut beschrieben sind – beziehen sich scheinbar allein auf die Terrorgefahr.
Ich hab das eigentlich genau umgekehrt gesehen. Die Attentatsbilder sind nur die ‚Nahrung’ der Flugangst, oder, wenn du so willst, ihr konkreter Anlass, aber nicht ihre Ursache. Flugangst entzieht sich ja rationalen Erkenntnissen und Erklärungen, zumindest, solange man die Sache nicht konsequent psychologisch aufarbeitet.

Ich glaube, um den Terror in den Mittelpunkt zu stellen, braucht es eine ganz andere Herangehensweise. Das ist dann wohl eher dein Metier. Ich habe es mehr mit dem, was sich auf der Ebene der Einbildung abspielt.

Ich hoffe, dass ich jetzt nicht an dir vorbeigeredet habe. Aber so wollte ich meine Geschichte verstanden wissen.

Lieber Achillus, ich wünsche dir eine schöne Adventszeit.

Liebe Grüße
barnhelm

 

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