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Nichts für ungut
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Am Nachmittag saß ich wie üblich im Straßencafé.
Meine Tasse Kaffee genießend blickte ich in die Fußgängerzone hinein. Eigentlich war es ja ein Blick ins Leere, denn ich war in meine Gedanken vertieft und bekam somit nichts von dem mit, was sich da tatsächlich abspielte.
Spät hatte ich auch registriert, daß der junge Mann vermutlich auf der Flucht vor den zwei Glatzköpfen sein mußte, die jetzt ebenfalls am Naturkostladen vorbeizischten.
Als meine Augen den schwarzhaarigen Mann erneut erfaßten, war er über eine umgefallene Blechtonne gestolpert und bereits zu Boden gesunken. Über den scheppernden Krach der Tonne hatten sich neugierige Blicke an den nah gelegenen Wohnungsfenstern gebildet. Einige Menschen traten aus ihren Geschäften hervor und erkannten gerade rechtzeitig, daß im folgenden Fall auch Skins mitwirkten. Bei dem Anblick dieser sozial minderwertigen Schicht der Bevölkerung zuckten sie zusammen und verschwanden sofort wieder in ihren Läden.
Die Kahlköpfe hatten den schwarzhaarigen Jungen dann auch schon erreicht.
Sie richteten den Jungen auf und gaben lauthals rassistische Äußerungen von sich. Anschließend rissen sie ihm die Goldkette vom Hals und schleuderten sie zu Boden.
Der Junge bat flehend um Gnade, wobei er eigentlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wissen mußte, daß dies vergeblich war. Kaum mitbekommen, was ihm widerfahren war, hatte er einen Faustschlag in seinen Bauch eingefangen. Mit dem Wehgeschrei zusammengezuckt, erlitt er schon die nächste Schmerzwelle. Einer der Glatzköpfe hatte ihm einen Tritt mit dem Knie ins Gesicht verpaßt, woraufhin der Junge mit blutender Nase zu Boden sank.
Die Skins setzten den Jungen aufrecht auf seine Knien. Der eine der beiden umklammerte den Jungen, wobei er mit einem Arm den Hals des Jungen umfaßte, mit der anderen Hand an den Haaren zog. Der zweite Kahlkopf holte nun ein Klappmesser aus seiner Tasche und machte sich fertig, das Opfer gründlichst zu "rasieren". Er hatte die linke Hälfte des Schnauzers bereits qualvoll weggekrazt, als der Junge in unüberhörbare Schmerzensschreie aufging. Völlig demoliert versuchte er, seine letzten Kräfte dahingehend einzusetzen, aus der Schlinge herauszukommen. Durch das ständige Gewackel öffnete sich allmählich der Reißverschluß seiner Jacke und ein kleines, dünnes dunkelrotes Büchlein blickte hervor. Aber natürlich, das war doch -
Meine Vermutung bestätigte sich, nachdem die Glatzköpfe das Büchlein entdeckt hatten.
"Mensch, Christoph, der hat ja 'nen Deutschen Paß!" Verwundert ließ der Glatzkopf nun locker und der Junge fiel regungslos zu Boden. "He Mann, gut, daß wir das noch rechtzeitig gemerkt haben, nicht wahr?" entgegnete er.
Die Glatzköpfe richteten den Jungen wieder auf und zogen seine Jacke straff. "He, Mann, ´tschuldige, aber hättest Du uns das gleich am Anfang gesagt..." Christoph bemerkte die Goldkette, die verdreckt vor seinen Füßen lag. Er hob sie auf und drückte sie dem Jungen in die Hand. "Na dann, nichts für ungut, gell! Und halt die Ohren steif!"
Mit diesen Worten waren die beiden Kahlköpfe vom Tatort verschwunden, anbei den Jungen blutüberströmt zurückgelassen, der bereits erneut umgefallen war.
"´Nichts für ungut!´" dachte ich. "Nichts für ungut! Davon kann er sich jetzt wenig kaufen, du Arschloch!" Ich schlürfte wieder an meinem Kaffee, der inzwischen vollends abgekühlt war.