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Neben mir aufwachen

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08.11.2001
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Neben mir aufwachen

Neben mir aufwachen

Wenn ich aufwache, und sehe den Mann neben mir im Bett, dann weiß ich manchmal nicht, wo ich bin. Mein Körper liegt dort, unter derselben Decke wie seiner, und trotzdem weiß ich nicht, wo ich bin. Diese Distanz zwischen mir habe ich früher nie bemerkt. Ich weiß nicht, ob sie schon immer da war. Ich habe sie nie gespürt. Weil ich es nicht kannte, oder auch, weil der Spalt jetzt größer ist.
Für eine Zeit war jemand in meinem Leben, der etwas daran geändert hat. Mir das Gefühl gegeben hat, in meinem Körper zu sein. Ich habe gewusst, warum ich aufwachen wollte und neben wem. Ich war in mir, wenn ich aufwachte. Beinahe jeden Tag. Heute kostet es mich Kraft, soviel von mir in meinen Körper hineinzuzwingen, dass ich aufstehen kann. Meist ohne den Mann neben mir anzusehen. Manchmal ohne seinen Namen zu kennen. Wozu auch. Er bleibt nicht lang. Kaum je länger als zwei Nächte. Wenn überhaupt. Aber mir fällt es kaum noch auf. Sie ähneln einander. Nicht völlig, aber so, dass es mir auffällt.
Oft sehen sie gut aus. So gut, dass ich mich frage, warum sie mich wollen. Dass ich nicht verstehe, wen sie in mir sehen. Sie könnten jede haben, aber sie wählen mich. Manchmal. Dann steigt, von Zeit zu Zeit, in mir das Gefühl auf, ich wäre jemand Besonderes. Ich wäre jemand. Und ich denke, dass ich am nächsten Morgen wieder in mir aufwachen werde. Dass er es ändern kann. Es geschieht nie. Dass ich in mir aufwache, an einem der Morgende danach. Letztendlich wissen sie, dass sie zu gut für mich sind. Und sie lassen es mich spüren. Ich fühle nichts. Bin nur dankbar für ein paar Stunden, in denen ich an Nähe glauben kann. Manchmal, wenn er sagt, er kommt wieder, dann wage ich es, zu träumen. Von Zukunft und so. Aber das bleiben Träume.
Es gibt Tage, an denen sitze ich im Morgenmantel am Küchentisch und warte darauf, dass er geht. Mit der Frage, warum ich es tue, wenn ich mich danach so fühle, wie in diesen Stunden. Ich sehe mein Gesicht in der Fensterscheibe, vor der Dunkelheit, und fühle mich durchsichtig. Sehe mich so, wie er mich gesehen hat, letzte Nacht. Dann will ich nicht gesehen werden. Von niemandem. Nicht ihm, nicht mir. Nicht der Dunkelheit. Entferne mich aus mir. Ein stückweit.
Die Frage bleibt, steht zwischen mir und dem Bild im Fenster. Vielleicht tue ich es für die Illusion. Dafür, ein paar Stunden Nähe zu spüren. Vielleicht gebe ich mich zufrieden. Weil das Leben nicht mehr für mich hergibt. Es endet alles an diesem Punkt.
Einen habe ich gefragt: Warum? Warum er mich so behandelt. Mich nicht sieht. Er war wütend. Meinetwegen oder wegen meiner Frage. Oder wegen seiner Antwort. Genau weiß ich es nicht. "Du musst es wohl verdient haben", hat er mir vor die Füße geworfen, und sich nicht mehr umgedreht, als ich mich wieder ein Stück von mir entfernt habe. Männer wie er sind es, die mich dazu treiben. Und dann fühle ich mich so sichtbar, wie ich eben bin. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

hi Wolchi!

:confused:
Haikus... sind für mich sehr fremde Gesellen... damit hab ich mich noch nie wirklich beschäftigt....

die Meinung, die Innenansichten nicht für KGs hält, lehne ich ab. Sonst könnte ich für viele meiner Texte wohl eine neue Gattung schaffen. :D

aber mal im Ernst:
Wenn eine "Innenansicht" so wie hier eingesetzt wird, also um eine innere Entwicklung darzustellen, dann habe ich damit kein Problem.
was mir nicht gefällt, ist ein statisches Philosophieren in der Innenansicht.
Denn eine KG brauch zwar keine "action", aber jedenfalls eine Handlung, also eine Bewegung. Meiner Ansicht nach kann diese Handlung aber sowohl ein innerer Wandel, wie eine äußere Bewegung sein.

Lieben Gruß,

Frauke

 

Hallo arc en ciel,

wie gesagt, es gibt zu viele gute Kurzgeschichten in der `Innenansicht´, um sie abzulehnen. Was Du "innerer Wandel" nennst, finde ich auch wichtig, ein bloßes Stimmungsbild (Zustandsbeschreibung) reicht nicht für eine Kurzgeschichte, ebenso inhaltslose Action.

Weiterhin viel Erfolg,

tschüß... Woltochinon

 

genau diese Zustands-Beschreibungen meine ich... die sind eben in aller Regel keine Geschichten, sondern haben die Struktur meiner Tagebucheinträge. ;)

Lieben Gruß & Gute Nacht,

Frauke

 

Auf gut Glück eine rausgepickt - guter Treffer! :)

Die Geschichte ist zwar erztraurig - was ich überhaupt nicht schlimm finde - aber leider auch wunderschön schlicht geschrieben. Die Beschreibung eines nicht gerade erstrebenswerten Gemütszustandes hat mich so beschäftigt, dass ich (ICH!!!) ausnahmsweise mal das Fehlen einer eigentlichen Handlung nicht bemerkt habe... (man beachte: Ich! Handlung Komma Fehlende!! Nicht bemerkt!!! :eek1: )

Warum ich demnächst noch mehr von dir lesen werde, dürfte dir wohl klar sein.

Warum ich das, was die Geschichte mit mir gemacht hat (s.o.) gemein finde, erzähle ich dir mal in ner lauschigen Stunde im Park, auf ner Decke sitzend oder so, mit einem Dutzend Bekloppten drumrum... ;)

Berührte Grüße,
Markus

 

auf die Bekloppten drum rum legst Du wohl wert!! :D

Lieben Dank für die Kritik. Handlung wird in Prosa ohnehin überbewertet. Ich finde, die sollte der Realität vorbehalten bleiben.

Ich freu mich, wenn Du demnächst öfter mal was liest... ich hab ja eine Menge Zeug hier rumfliegen ;)

 

auf die Bekloppten drum rum legst Du wohl wert!!
Wenn du unbedingt willst, können wir die natürlich auch weglassen, und ich zeig dir noch meine Sammlung von westbayrischen Klosterpfortenfotos... :naughty:

Was die fehlende Handlung angeht: Okay. Mag sein, dass sie überschätzt wird. Aber ich hör ja auch immer noch Deep Purple und find das cool. :cool: Also kann ich auch Geschichten mit Handlung lesen, oller Neo-Konservativer Pseudo-Hippie, der ich bin... ;)

In dieser Geschichte liegt übrigens - das ist mir inzwischen aufgefallen - die entscheidende Handlung quasi im Off. Wir sehen nur das Resultat, können/müssen uns die vielen traurigen Momente selber dazudenken, und weil jeder seine eigenen traurigen Momente am besten kennt, geht das dann halt so ganz subtil unter die Haut. Ich sach ja: Gemein! ;)

 

Ah! der Herr hat es gesehen.... ! ich bin begeistert!

ich geb zu: Geschichten ganz ohne Handlung schreibe ich eigentlich nie. Nein, nicht daß ich wüßte.
Aber das bedeutet noch lange nicht, daß die Handlung sich immer in Bewegungen der Realzeit äußert. Sie kann durchaus auch mal einfach nur reflektiert werden, oder sie kann sich im Innern abspielen... oder ähnliches...

Soll ich das Angebot mit der Photosammlung verstehen, oder reizt mich das zu einem neuen Duell?? :D

 

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