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- 18.11.2011
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Mondscheinliebe
Wenn sich unsere Augen das erste Mal treffen, beginnt der Prozess.
Bei Vollmond umkreisen wir uns, tanzen im fahlen Licht.
Unsere Herzen schlagen den Rhythmus der Leidenschaft schnell und erbarmungslos.
Erste Berührungen. Zaghaft treffen sie auf schorfige Haut, auf fleischgewordene Schutzschilde und wir liebkosen unsere Gesichter - entstellt wie Masken.
Die Rolle sitzt perfekt und doch hoffen wir so inbrünstig, dass man unsere Lüge erkennt und sie herunterreißt wie tausend Jahre alte Gemäuer.
Wir umarmen uns und unsere Körper beginnen in der Hitze der Nacht zu glühen, die erste Schicht der Haut fällt in losen Brocken zu Boden wie frischer Schnee und die Maskerade gerät ins Wanken.
Wir tanzen und tanzen.
Der Rhythmus unserer Herzen lässt uns in feuriger Inbrunst bis zur Erschöpfung gehen und mit brennendem Atem erreichen wir gemeinsam die Ekstase.
Nun, endlich, ist es soweit.
Unmerklich werden unsere wilden Bewegungen langsamer.
Die Leidenschaft verwandelt sich in Tiefe und Wohlgefühl.
Der Herzschlag gibt die Richtung vor.
In huschenden Bewegungen, leichtfüßig und doch so tief greifend, ziehen wir uns die letzte Haut in Streifen vom Körper.
Mehr und mehr Schichten verlassen unser Gerippe und geben unser tiefstes, innerstes Preis. Die pumpenden Herzen schutzlos offen gelegt – wir waren noch niemals so verwundbar.
Die Fetzen der Haut, sie wehen wie ein leichtes Sommerkleid an unseren Körpern, wir erkennen die Schönheit, vom Mondschein in ganzer Blüte ans Licht gebracht.
Unser Tanz wird noch langsamer. Erhabener.
Voller Vertrauen schneide ich mir das Gesicht vom Kopf und ziehe es langsam von meinem Schädel.
Nur der Mond ist Zeuge, wie ich es dir in Liebe aufsetzte und jauchzend erkenne, wie ähnlich du mir bist. Mein Gesicht auf deinem Gesicht, schließe ich dich in meine Arme und küsse dich lange und innig.
Ich erkenne mich selbst in dir.
Die Verbindung ist komplett und während wir gemeinsam in Liebe verbluten geht vor uns in ganzer Pracht die Sonne auf.
Bis zur nächsten Nacht,
Geliebte.