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Mit Kennedy bei Mara
Liebe Leserschaft, warum schreibe ich eine Geschichte über einen Massenmörder, der Pornos synchronisiert, warum Kennedy jetzt besseren Sex hat und es sich immer lohnt, eine Packung Tampons zu kaufen. Und wie der Broiler entstanden ist.
Verwegen sah er aus, als ich ihn erspähte. Am Freitag war ich im Tante-Emma-Laden bei Mara und wollte Tampons kaufen. Als ich mich durch das Regal wühlte, kam ein Mann mit verbundenem Kopf, auf dem ein Fahrradhelm thronte, in das Geschäft. Während ich die Inhaltsstoffe einer Erdnussschokolade für Suizidfreunde durchlas, kam der Mann näher und stellte sich als J. F. Kennedy vor.
Ich schaute ihn von oben bis unten an und zeigte meinen berühmten. Da bemerkte ich, dass er neue Turnschuhe mit Glitzersternen anhatte. Mir stockte der Atem.
Ich presste ein energisches „Sind die etwas vom Kick-Ass-Shop?“ Er schaute die Schokolade an und sagte: „Die ist nicht gut, da bekommt man nur Kopfschmerzen.“ Ah ja, dachte ich mir, Geschmack hat er. „Mr. Kennedy, was machen Sie hier?“
„Naja, meine Frau schickte mich hierher, wir bekommen heute Besuch von Adolf Hitler und Thomas Jefferson und uns sind die kleinen Gürkchen ausgegangen.“
Wissen Sie, wenn man einen Vegetarier zu Besuch hat, ist es nicht einfach, das Richtige zu kochen. „Der Herr Hitler mag nun mal keine Bratwurst mit Diabetikermarmelade.“
So, so, dachte ich mir, das sind sie, die Ökos aus der Bronx; laden einen Psychopathen ein und servieren ihm eine Bratwurst mit Marmelade. Ich schaute mir Kennedy an und bemerkte, dass seine Binde am Kopf sich mit Blut tränkte. „Herr Kennedy, Sie bluten!“ Aus den Lautsprechern kam auf einmal irgendein Song von Scott Walker.
Kennedy drehte sich um und weinte. Er nahm eine Pistole aus seinem Jutebeutel und hielt sie sich an den Kopf. Ich riss die Augen auf, meine Hände zitterten, mein Körper wurde leichter. „Bitte, tun Sie es nicht hier, die Reinigungskraft war heute schon da!“ Er schaute mich an, ich griff nach seiner Hand, in der er die Pistole hielt. „Essen Sie einen Schokoriegel mit echten Nüssen für Nussallergiker, ihre Frau wird sie schon vermissen.“ „Was meinen Sie, was sie heute zu mir sagte?“
„Ich weiß nicht“, antwortete ich. „Sie sagte: Gehe zu Bob und hole Mildred, sie soll sich umziehen.“ „Wenn du schon mal dabei bist, so schaffe den Müll heraus.“ Kennedy brach zusammen, er weinte wie ein Kind. Die Binde tränkte sich immer mehr voll Blut, er ließ die Waffe fallen, die Musik hörte auf zu spielen, ich drehte mich zur Kasse. Mara, die Kassiererin, zeigte mit einem stummen Blick auf das Schaufenster. Ihre blonden Haare verfärbten sich rot. Draußen sah ich, wie der Himmel grün wurde.
Kennedy griff nach meinen Füßen. „Sie! Wissen Sie, was es heißt, jeden Tag nicht geliebt zu werden, jeden Tag zu leben und jede Nacht zu sterben? Heute Abend kommt Adolf. Er hatte vorgeschlagen, Thomas Jefferson zu einer Runde Bridge einzuladen.“ „Ja“, antwortete ich. Es ist immer dieser verdammte Samstag. Heute gehe ich zu der alten Brücke am Fluss und werde versuchen mich wie jeden Samstag umzubringen. „Tja, Kennedy, es ist ihre Party. Hätten sie in Dallas noch eine Stunde länger geschlafen und hätten sie mal ihrer Frau mal so richtig glücklich gemacht, dann wären sie nicht erschossen worden.“
Kennedy schaute mich an, ich konnte spüren, dass meine Äußerung alles andere als diplomatisch war. „Sie haben recht, ich hätte es machen sollen, hätte Oswald seine Entscheidung anders getroffen.“ „Welche Entscheidung?“ „Oswald hatte eigentlich Hunger bekommen, er wollte zu Sepsis Burger, er war nicht sonderlich interessiert an dem, was er tun sollte, doch die hatten die Fotos.“ „Welche Fotos?“, fragte ich. „Wissen Sie, er hatte ein Verhältnis mit Hoover und Oswald war so was wie eine Muse für Hoover.“ Später, als Oswald merkte, dass diese Typen ihn für seine sonderbaren Neigungen verurteilen wollten, bat er noch ein letztes Mal, mit Hoover und dem Huhn Penny, naja sie wissen schon. Als Hoover von Penny hörte, ließ er aus Eifersucht Oswald erschießen.“ Das Huhn Penny landete bei Walther Ulbricht als Broiler auf dem Teller.
Ich schaute Kennedy an, in meinen Händen hielt ich noch immer meine Schokolade, der Himmel verfärbte sich lila und Mara war auf einmal nicht mehr da. Ich fragte ganz lässig, wie es zu der Einladung mit Adolf käme. Er erzählte mir von einer Annonce im Bildstürmer, in der Adolf einen Hundesitter für Blondie III suchte. Er wollte nach Florida, um ein paar Tage auszuspannen. Dort sind Hunde verboten. Der Gouverneur behauptet, alle Hunde seien Spione von Fidel Castro. Jackie, die gerade ihren Hund bei dem Attentat verloren hatte, wollte nur mal wieder das Gefühl haben, einen Hund zu besitzen. „Ich antwortete auf die Anzeige und Adolf stand vor meiner Haustür, ganz im Floridalook.“ Er gab mir den Hund und eine Tasche mit Wagner-Schallplatten. Ich sollte sie für den Hund zum Einschlafen abspielen. Nun ja, so machen wir es jedes Jahr und irgendwann kam Adolf auf die Idee, doch einen Bridgeclub zu gründen, der jeden Samstagabend stattfindet, und als Extra wird immer ein Idol der Einfachdenker eingeladen. „Na ja, es wird Zeit, Herr Kennedy, die Schokolade in meiner Hand fängt an zu schmelzen.“ Vielleicht sehen wir uns mal wieder. „Grüßen Sie Ihre Frau.“
Ich dachte mir nur, warum so einen Massenmörder, das passt nicht zusammen, doch es ist mir wieder eingefallen, dass das Leugnen seiner Taten für die heutige Generation Heldentaten sind. Mir schaudert der Gedanke, jetzt wusste ich, warum ich damals von der Brücke sprang. Ich wollte aus dieser Welt weg. Was soll’s, Scheiße geht im Hochsommer nie von den Schuhen ab. So ist es mit den Menschen in der alten Welt.
Kennedy nahm den Fahrradhelm ab und drehte die Binde vom Kopf. Das Sonderbare war, dass ich kein Blut mehr sah. Ich berührte seinen Kopf und spürte einen Mann, der so glücklich verzweifelt war. Seine Augen steckten voller Liebe. Ich nahm die Pistole und steckte sie mir in den Mund. Mit der Pistole im Mund sagte ich ihm: „Wenn Sie mal sterben wollen, schießen Sie sich in den Mund.“ Das wirkt. „Am besten noch ein Schluck Wasser im Mund, das ist todsicher.“ Kennedy schaute mich an, er lachte und meinte: „Ich kann mich nicht erschießen.“ Jeden Tag versuche ich es, nachdem ich den Müll herausgebracht habe. Jackie weiß natürlich nichts davon, sie würde es mir nicht mehr erlauben, mit Adolf zu spielen. „Sie kann manchmal sehr unangenehm werden.“ Ich nahm die Pistole aus meinem Mund und schaute ihn verdutzt an. „Wenn sie mit Jackie reden, wird sie es verstehen, schließlich sind sie verheiratet und in einer Ehe sollte man keine Geheimnisse haben.“
Kennedy lief zum Eisregal und schaute rein, als ob er was suchte. Mit beiden Händen stützte er sich am Regal ab, er seufzte tief. „Wissen Sie, das Geheimnis ist, dass Jackie schon immer anders war als alle anderen Frauen.“ Sie benutzt immer diese kleinen Tampons: Glückseffekt. Sie macht dies schon, seit sie ein junges Mädchen ist. Wenn sie diesen benutzt, ist sie ungewöhnlich anders. Sie nimmt mich dann in die Arme und küsst mich, mit ihren Fingern berührt sie meine Lippen und sie vergisst sich völlig. Sie stöhnt so lange, dass das Telefon klingelt und sich unser Nachbar beschwert, weil wir ihn nicht eingeladen haben. “ Ich nahm mir ein Eis aus dem Regal und legte die Schokolade zum anderen Eis. „Wissen Sie, Herr Kennedy, ich sehe das nicht als Problem, wenn sie es mag.“ Es ist wunderschön, es zu tun, soll sie es doch machen, schließlich liebt sie es. Früher oder später werden sie sich daran gewöhnen, dass sie tot sind. Es ist ja auch was Schönes. Schauen Sie, wir stehen jetzt hier, ich mit meinem Jelly Jiko Eis, sie kaufen bestimmt heute noch was Schönes zum Bridge Abend und wir stehen hier und reden. Es ist doch toll, wir können nicht sterben, weil wir einfach so anders sind. Wissen Sie, ich war schon immer etwas merkwürdig. „Na ja, ich gehe auf diese Brücke und springe immer herunter, doch es funktioniert nicht, ich komme immer wieder zurück."
Kennedy schaute mich an und leckte von meinem Eis. Er holte einen kleinen Zeitungsbericht heraus. Es ist ein Bericht aus Dallas, er liest ihn vor: „Dallas, JFK wird wie immer leben in den Herzen vieler Amerikaner, er war einer der Größten.“ Im selben Atemzug, als er den Schnipsel in seinen Beutel steckte, seufzte er und schaute mir in das Gesicht. Er leckte wieder von meinem Eis. „Sie haben gut Reden, ich bin ein Mann des Herzens der Amerikaner gewesen, doch als sie meine Russ-Meyer-Filme fanden, war ich ein Strolch und man warf mir eine Affäre nach der anderen vor.“ Hier nützt es mir nichts, hier schaffe ich den Müll heraus und spiele jeden Samstag Bridge mit einem Mann, der ein Adolf Imitator ist. In Wirklichkeit ist es Alfredo, der schlechteste Hitlerimitator der Welt. Er wohnt direkt hinter der Bowlingbahn. Den Hund leiht er sich immer bei der Tochter von Ilse Hess und Lindbergh aus. Ich habe es am Anfang nur gesagt, weil ich Eindruck schinden wollte. Der echte Adolf hat einen Teilzeitjob in der Hölle, als Kassierer bei Vomit Donat.
Der kann da nicht raus, da er noch nebenbei österreichische Pornos synchronisieren muss. Ich dachte mir, wenn er schon mein Eis ableckt, kann ich ja fragen, warum er Russ Meyer schaut. Doch ich habe es gelassen, jeder weiß, dass es Meyer war, der Robert Kennedy erschoss. Meyer wollte, dass Boby die Gage zurückgibt, die er für einen Softporno mit Doris Day erhielt. Meyer wurde nicht angeklagt, man streute das Gerücht, es seien die Geheimdienste gewesen. Oh, er hatte mein Eis aufgegessen. Kennedy schaute mich an und lächelte. Er meinte, es sei auch in Ordnung, er wolle sich im Dorf zum Bürgermeister wählen lassen.
Na, das nenne ich mal Aktionismus! Ein Demokrat wird Bürgermeister und spielt jeden Samstagabend Bridge. Ich nahm mir meine verformte Schokolade aus dem Regal und ging zur Kasse. Kennedy lief mir hinterher, er tippte mich von hinten an. „Wissen Sie, Sie haben recht.“ Es ist schön, tot zu sein, es ist schön mit Jackie, ich liebe sie und das Jetzt. „Wir sollten uns mal wieder treffen.“ „Ja, das ist toll, wir können uns ja dann gemeinsam auf der Brücke verabreden.“ Morgen ist mein Todestag, ich mache mit ein paar Freunden eine kleine Feier, sie werden sich freuen, den künftigen Bürgermeister zu treffen, natürlich ein Idol unserer Herzen. „Sie können ja Jackie mitbringen.“ Kennedy ging heraus, drehte sich um und zwinkerte mir zu. Ich legte meine Ware auf das Band und gab Mara das Geld. „Wir sehen uns noch.“ Wie heißen sie eigentlich?“ „Ich weiß nicht, es ist ihr Traum, denken Sie sich einen Namen aus.“ Er lachte, schaute auf die Straße und sagte: „Mildred.“ „Okay, Mildred, das ist gut, gefällt mir.“ Kennedy ging auf die Straße, schaute in die Abendsonne, drehte sich nochmal um und winkte. „Mara ist es nicht ungewöhnlich: Hier bei dir trifft man lustige Leute. Hast du eigentlich Tampons mit Minzgeschmack? “ Mara lacht und meint, dass diese schon seit Jahren im Eisregal stehen und Jelly Jiko heißen. „Mara, Mara, immer diese Träume.“
Mädchen June