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MISSTRAUEN

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20.11.2001
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MISSTRAUEN

Mißtrauen

Sie kannte ihn bereits seit einigen Jahren, aber seit drei Monaten sind sie sich sehr viel näher gekommen. Sie glaubte, ihm vertrauen zu können, nichts ließ sie daran zweifeln. Er ging seinem Beruf des Installateurs nach und war nebenbei, wie sie, politisch engagiert. Bis auf kleine Detailfragen waren sie sich immer einig, welcher Weg für sie der richtige sei. Das veranlaßte sie dazu, Übereinstimmung auch in anderen Dingen anzunehmen.

Während sie in der Küche stand und für den Ausflug Essen und Getränke in die Kühltasche packte, wollte Julia, daß er mit ihr spielt. Er hatte nichts dagegen und folgte ihr ins Kinderzimmer. Sie hörte, wie er die Türe hinter sich schloß, schaute nach, ob sie sich nicht verhört hat. Nie machte sie die Kinderzimmertür zu, außer Julia schlief gerade. „Naja, wahrscheinlich ist er es so gewohnt...“ dachte sie sich, schloß den Reißverschluß und stellte die Tasche ins Vorzimmer. Schnell zog sie sich noch um, öffnete die Tür und fragte: „Fahren wir?“

Abends, als sie alleine waren, sprach sie ihn darauf an: „Warum machst du die Türe zu, wenn du mit Julia spielst?“
„Wieso nicht? Was hast du dagegen?“
„Ich weiß´nicht... Laß sie bitte in Zukunft offen.“
„Na gut, - ich finde es halt normal, daß ich, wenn ich in einem Zimmer bin, die Türe zu mache.“
„Mir ist es lieber, wenn sie offen bleibt, dann fühlt man sich nicht so abgesondert“, schob sie als Grund vor, weil sie ihren wahren Verdacht nicht äußern wollte, es gab ja wirklich keine besonderen Anzeichen dafür.

Ihr Verdacht erhärtete sich aber, als er von ihr wollte, daß er ihr die Schamhaare abrasieren dürfe. Nein, der Verdacht erhärtete sich nicht, sie sah ihn vielmehr dadurch bestätigt. Sie ließ ihn wortlos links liegen, sie konnte momentan nichts sagen. Nach einer Weile erklärte sie ihm, er habe sie ganz schön runtergeholt, mit dieser Frage, aber warum, wolle sie für sich behalten.

Es arbeitete in ihrem Kopf. Kleine Mädchen haben keine Schamhaare. Was veranlaßt einen Mann dazu, dies von einer Frau zu wollen? Will er in Wahrheit ein kleines Mädchen im Bett haben? Sie wußte, selbst wenn sie mit ihm reden würde, könnte sie dem Gesagten nicht trauen, er würde es in jedem Fall bestreiten. Ob es der Wahrheit entspricht, würde sie doch nicht wissen. Und warum macht er noch immer die Zimmertür zu?

Sie wußte nicht, wie ihr geschah. Bis gestern liebte sie ihn noch, sah sie die Möglichkeit, mit ihm eine Familie zu werden – und jetzt das. Niemanden konnte sie fragen, denn niemand wüßte die Antwort.
Wenn gar nichts dahinter ist und alles nur blöde Zufälle, dann täte sie ihm unrecht, wenn sie einfach Schluß macht – und schließlich würde es sie ja auch schmerzen. ... Oder? ... Gefühle können sich schnell wandeln...
Sie wußte, sie dürfe das Risiko nicht eingehen und sie haßte ihn für diese Frage, wegen der sie ihn nun nicht mehr lieben konnte. Doch, Schmerz war da auch dabei... Alle Hoffnungen sind auf einmal in den Fluß geplatscht und weg waren sie.

Sie half ihm noch, seine restlichen Sachen zu packen und schloß dann die Türe hinter ihm zu.

 

Hi pip,

hoffe, du hattest gerade was grünes an. :)

Aber, vielleicht auch gerade AM ANFANG einer Beziehung sollte das gesunde Mißtrauen vorhanden sein. Soll nicht heißen, dass man das dem Partner zutrauen muss.

Gruß vom querkopp, der sich gerade einen schönen Rotwein in den Mund und nicht über die Klamotten gegossen hat.

 
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Kraft meiner Einflussgewalt als Mitglied und Leser dieses ehrenwerten Forums erhebe ich diese kleine Geschichte aus Häferls Feder aus den Tiefen des Vergessens hinauf in das Scheinwerferlicht der allerersten Seite dieser Rubrik. Auf, dass diese allseits noch viel belesen wird! (klatsch, klatsch...) :D

Aber im Ernst: MISSTRAUEN wurde im April nur gerade mal fünf Tage lang mit Beiträgen honoriert. Und das bei dieser, noch dazu recht gut dargestellten, Thematik! Da ich meine, dass das zu wenig war, hole ich den Text jetzt im November (spät, aber ich bin halt erst jetzt auf ihn gestoßen) einfach wieder nach oben! :D

Jetzt noch zu meinem Eindruck:
Ich finde die Geschichte bis an ihre Grenze, eher noch darüber hinaus, (zu) kurz gefasst. Fast schon notizartig beschreibt sie die Umstände und kann gar nicht schnell genug auf den Punkt kommen (hier: Punkt=Titel). Mir erscheint die Handlung zu fragmentarisch. Erst später in den Beiträgen angesprochene Fragen, zB. weshalb die Frau die Kinderzimmertüre nicht einfach wieder öffnete, nachdem der Mann diese schloss, werden von dem Text nicht beantwortet.

Dann enthält die Schilderung für meine Begriffe noch einige Stolpersteine. Etwa hier:

"Naja, wahrscheinlich ist er es so gewohnt..." dachte sie sich, schloss den Reißverschluß und [...]
Ich musste diese Stelle erst dreimal lesen, bevor ich den Begriff "Reißverschluß" mit der "Kühltasche" in Verbindung brachte! Nach den Worten "Julia", "Kinderzimmer" und "Türe hinter sich schloß" dachte ich wie selbstverständlich an eine ganz andere Art "Reißverschluss"!! :sconf:
An der Stelle "...dachte sie sich, schloss den Reißverschluß..." war ich dann somit natürlich komplett verwirrt! :drool:

Auch die Textstelle

Ihr Verdacht erhärtete sich, als er von ihr wollte, daß er ihr die Schamhaare abrasieren dürfe.
ist zunächst rätselhaft: Wer rasiert hier wem die Schamhaare ab? Ich dachte zunächst, er wolle dem Kind diese abrasieren! Immerhin wird das Alter des Kindes nirgends erwähnt! Und unter "spielen" kann man viel verstehen!
Auch Dobby erlag diesem Missverständnis (damit bin ich wenigstens nicht allein. Puuh! ). Ich denke auch, dass der grasse Gedankensprung von der Disskussion über die offene oder geschlossene Kinderzimmertüre im vorhergehenden Absatz zu den Schamhaaren der Frau (schließlich stand ja gerade noch das Kind im Mittelpunkt!) einfach zu plötzlich kommt. Also mir geht das jedenfalls einen Gang zu schnell... ;)
last not least:
...Fluß geplatscht...
ist stilistisch sicher nicht besonders gelungen. Hört sich sehr kindlich an. Und das bei einem so ernsten Thema...

Also: Vom Inhalt her eine runde Sache! Aber durchaus noch etwas überarbeitungswürdig.
Zum Thema selbst wurde ja schon ausführlich diskutiert, und ich fühle mich mangels entsprechender Erfahrungen nicht kompetent genug, hier noch etwas beitragen zu können. Zur Geschichte an sich wurde aber erwartungsgemäß (aufgrund des Themas) kaum etwas gesagt. Auch deshalb mein Posting! :)


@ Pandora

Geschrieben von Pandora am 02.04.2002

(Ausführliche Kritik zur Story reiche ich nach)

Na, jetzt wird's aber langsam mal Zeit, was Pan? :lol:

 

Puh, die Geschichte muß ich irgendwann aus den Augen verloren haben... Ja, das Geburtstagfeiern meines Sohnes war Schuld... :D

Danke an Euch alle. :)

Liebe Ratte!

:kuss: Danke!

Also, wenn ich mich da so umschau, und mir jetzt die Geschichte noch einmal lese, dann, dann...
Ja, ich werd sie wohl ganz, komplett, durch und durch, von Grund auf überarbeiten und die offenen Fragen schließen. ;)

Alles liebe,
Susi

 

Hallo Häferl,

was für grausame Themen - Kindesmissbrauch und das durch die blosse Möglichkeit entstehende Misstrauen. Ich tue mich (als Mutter) so schwer mit diesem Thema - habe manchmal das Gefühl als lebe ich in einem Paralleluniversum, weil ich mir, auch wenn man es immer wieder hört und liest, einfach nicht vorstellen kann,dass es WIRKLICH passiert - dass es Menschen gibt, die das tun. Der Gedanke ist so unwirklich, so fürchterlich, dass ich ihn einfach nicht an mich ranlassen kann. Ich denke, dass ist mit Sicherheit ein Grund bei vielen Müttern, dass sie (unbegründestes oder auch begründestes) Misstrauen nicht zulassen - weil sie einfach nicht wahrhaben wollen oder können, dass so etwas fürchterliches WIRKLICH passiert.

Vom Stil her finde ich die Geschichte nocht nicht wirklich rund, auch ein wenig kurz und manchmal nicht subtil genug - es liest sich eher wie ein Bericht, weniger wie eine Geschichte, hebt sich sprahlich sehr von Deinen anderen Geschichte ab, finde ich - aber ich habe auch das Gefühl, dass es Dir hier mehr um das Thema als um die Umsetzung einer stilistisch und sprachlich genialen Geschichte ging.

Hab die Geschichte nur ungern gelesen - weil sie mich zwingt, mich mit diesem Thema einmal mehr auseinanderzusetzen - aber gerade dafür bin ich Dir dankbar. Wahnisinnig tolle Mutter - die nur ihrem Gefühl vertraut und sich auch gefühlsmäßig auf keinen "Kompromiss" einlässt. Man kann nur wünschen, dass alle Mütter so viel Vertrauen in ihre Gefühle hätten - und so uneingeschränkt dazu stehen. Wieviel Kindern dieses fürchertliche Schicksal dann wohl erspart bliebe ...

Denke nur oft darüber nach wie man seine Kinder denn wirklich schützen kann - ich möchte sie so ungern nur mit Angst vor der Welt groß werden lassen, möchte sie nicht zu Misstrauen erziehen und noch weniger immer beaufsichtigen.

Danke fürs "Aufrütteln"!!

Gruß
Kay

 

Hujuiui...
Ein sehr schöner Diskussionsansatz.
Unabhängig von davon bleibt mir jedoch zuerst festzustellen, dass die Geschichte gut verdichtet, d.h. aufs wahrlich Wesentliche beschränkt wurde, was m.E. ein einen Pluspunkt beim Lesen ausmacht.
Die Gedankengänge der Protagonistin, gerade dieses introvertierte Grübeln, wurden anschaulich zu Papier gebracht, du erlaubst dem Leser einen ungestörten Blick in ihr Inneres, beziehst ihn ein.
Einzig störend fand ich manchmal den Sprung vom Perfekt auf Präsens bei Konjunktivsätzen.
So. Ohje, welch überbordende Diskussion. Geb ich mal meinen Senf dazu:
Hauptaspekt dieser Geschichte ist nicht das subtile Damoklaesschwert eines drohenden Missbrauchs, sondern meiner Meinung nach das - wie ich finde - fast schon an paranoide Irrationalität
grenzende Misstrauen, welches die Protagonistin, wohl ganz Kind ihrer Zeit, dem Mann, welchen sie liebt aufgrund zweier diffuser Verdachtsmomente entgegenbringt.
:bla:

Mit besten Grüßen,
Steffen

 

Liebste Susi!

Dieses sehr ernste Thema (Danke "Ratte" für´s Exhumieren!) hast Du mit entsprechendem Feingefühl ins rechte Licht gerückt. Bis zu welchem Punkt ist Misstrauen angebracht oder kippt zur Paranoia um? Schwer zu sagen. Klar wohl, dass die Liebe zum Partner zu Fehlentscheidungen führen kann und der Blick im Falle von Verwandten oft genug verschleiert bleibt.
Die Spätfolgen für die Kinder (meist lebenslang) werden oft genug unterschätzt. "Gesundes" Misstrauen wäre wünschenswert.

Habe gestern im ORB den Film "The war zone" von Tim Roth angeschaut. War wirklich nicht leicht zu ertragen. Da wird deutlich, wie das Leugnen von Tatsachen das Leben der Beteiligten zerstört. Absolut spitze gemacht, der Film!


Liebe Grüße an Dich
Antonia

 

"Gesundes" Misstrauen wäre wünschenswert.

Keine Vorverurteilung, aber auch keine Vertuschung.

So, wie es sein sollte! Ist es aber meistens nicht.


Ciao
Antonia

 

Hallo Häferl,

Eine an für sich gut erzählte Geschichte. Ich bin auch der Meinung, dass man "innere Verdächte" ernst nehmen sollte, auf jeden Fall! Was mir allerdings mißfällt, ist, dass die Mutter ihrem Lebensgefährten überhaupt keine Chance gibt, zu überprüfen, ob der Verdacht eine reale Grundlage hat. Warum hat sie nicht einfach mal die Tür aufgerissen?!?

Stichpunkt Schamhaare rasieren. Versteh schon, dass Du die Kombination beider Dinge für alarmierend hältst, ein bißchen wäre es mir vielleicht auch so ergangen. Andererseits kann es auch reiner Zufall sein und Schamhaare-rasieren hat so viele Komponenten ganz anderer Art, ästhetischer, phantasievoller etc.

Sie scheint zu ihrem Freund darüberhinaus noch gar kein richtiges Vertrauensverhältnis aufgebaut zu haben. Es wundert mich, dass sie sich vorstellen konnte, mit ihm eine Familie zu haben. Auf was für einer Grundlage?!

Mir gefällt Deine schnörkellose Art zu erzählen. Ein bißchen könntest Du noch auf die Verwechselung der Zeiten achten. z. B.

Sie kannte ihn bereits seit einigen Jahren, aber seit drei Monaten sind [>waren] sie sich sehr viel näher gekommen. Sie glaubte, ihm vertrauen zu können, nichts ließ sie daran zweifeln. Er ging seinem Beruf des Installateurs nach und war nebenbei, wie sie, politisch engagiert. Bis auf kleine Detailfragen waren sie sich immer einig, welcher Weg für sie der richtige sei. Das veranlaßte sie dazu, Übereinstimmung auch in anderen Dingen anzunehmen.

Während sie in der Küche stand und für den Ausflug Essen und Getränke in die Kühltasche packte, wollte Julia, daß er mit ihr spielt [>spielte]. Er hatte nichts dagegen und folgte ihr ins Kinderzimmer. Sie hörte, wie er die Türe hinter sich schloß, schaute nach, ob sie sich nicht verhört hat [>hatte]. Nie machte sie die Kinderzimmertür zu, außer [wenn] Julia gerade schlief.


Gruss Petra

 
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Danke Kai, Paranova, Antonia und Heiko fürs Lesen, Kritisieren und Diskutieren der Geschichte!

Heiko... Warum bist Du eigentlich kein Richter geworden?
Weißt Du, warum ich die Geschichte geschrieben hab?
Ich erzähl es Dir - nein, zuerst muß ich sagen, daß der Protagonistin sonst nie bei einem Mann solche Gedanken gekommen sind, also Deine schlimmen Befürchtungen nicht zutreffen. ;)

Die Frage, ob die Entscheidung richtig war, hat die, wie Du mal sagtest, "bekannte Protagonistin" bereits fast eineinhalb Jahrzehnte verfolgt, bevor ich diese Geschichte schrieb und das mit dem Hintergedanken, hier eine Antwort zu finden, nachdem ich erkannte, wie kompetent hier manche Leute urteilen können.
Eigentlich hab ich sie deshalb auch eher nüchtern geschrieben, ich wollte nicht zu viel Meinung einfließen lassen, um das Urteil nicht vorwegzunehmen oder festzuschreiben.

Und dachte dann aufgrund der Kritiken schon, meine Protagonistin sei im Recht, nahm mir dann sogar vor, die Geschichte doch noch umzuschreiben - bis zu Deiner Antwort...

Klar, das wäre der richtige Weg gewesen...
Das bringt mich aber gleichzeitig auf den Punkt, warum ich alle diese Geschichten von meiner "bekannten Protagonistin", auch wenn ganz wenige, wie diese hier, noch getarnt sind, überhaupt schreibe.
Sie konnte über persönliche Dinge ja überhaupt nicht reden. Auch, daß sie politisch aktiv war, war ja eigentlich nur eine Flucht davor. Politisch konnte sie ihre Meinung sagen, das betraf sie auch selten direkt und wenn, dann nur als eine von vielen Betroffenen. Politik war ja auch das, was die beiden eigentlich verband.
Es ist eines von vielen Beispielen, wo die Erziehung von Frau K. ihre Wirkung gezeigt hat: Die Protagonistin traute sich nicht, über ihre Gefühle zu reden. Sie hatte Angst, obwohl derjenige ihr nie etwas getan hat. So blieb ihr nur das Ausweichen, indem sie Schluß machte, statt zu Reden. - Später hat sie es zum Glück aber doch noch gelernt. ;)

Alles liebe,
Susi

 

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