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05.03.2015
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Menschenleere

Menschenleere

Ich betrachtete das staubige Panorama der Großstadtkulisse. "Ganz schön trostlos", murmelte ich und richtete meinen Blick in die Ferne, wo sich sandige Ranken zum Himmel streckten. "Hast du Feuer?"
Charlie sah mir irritiert in die Augen, während er am Rand des Daches hin und her wippte. "Feuer?", wiederholte er, als wisse er nicht, was das Wort bedeute.
"Es ist zwar heiß, aber meine Zigarette zündet sich trotzdem nicht von selbst an, mein Lieber."
Er wühlte in der Tasche seines Jacketts. Wortlos überreichte er mir ein silbernes Benzinfeuerzeug.
Mit einem Nicken bedankte ich mich.
"Behalt es. Ich rauche nicht mehr", murmelte er nervös und blickte in den Abgrund vor seinen Füßen.
Ich lachte angesichts der Ironie seiner Aussage.
"Ganz schön tief", nuschelte ich mit Zigarette im Mund und beobachtete eine Plastiktüte, die vom Wind über den Asphalt getrieben wurde.
"Vierundvierzig Stockwerke", erklärte mein Bekannter mit wehleidigem Blick. "Fällst du da runter, war's das auf jeden Fall."
Ich schmunzelte und schnippte die Asche in die Tiefe. Mit einem Nicken lenkte ich seine Aufmerksamkeit auf das stürmische Spektakel in der Ferne. "Wenn dich der Sandsturm dort erwischt, dann auch."
Charlie lachte, fast hysterisch.
"Ich bin ein bisschen wehmütig, wo es so langsam auf's Ende zu geht", gab ich zu und klopfte ihm auf die Schulter, was ihn fast aus dem Gleichgewicht brachte. Panisch hielt er sich an mir fest und strafte mich sofort mit einem wütenden Blick.
"Was soll das?", zischte er, machte aber keine Anstalten, zurückzutreten. Ich schwieg und betrachtete wieder das Treiben der Sandkörner in der Ferne, die den Himmel gar lodern ließen, während er weiterhin auf die menschenleere Straße starrte.
Eine erste Träne rann seine Wange hinunter. Ich stieß ein verächtliches Schnauben aus. "Den Flüssigkeitsverlust kannst du dir hier nicht leisten."
Er ignorierte mich.
"Die Menschen waren nie schlecht", stammelte er schließlich und wirkte damit noch armseliger.
"Und doch stehen wir beide hier."
"Was willst du schon wissen."
An seinem Tonfall gemessen, war das wohl eine Beleidigung.
Wieder schnippte ich die Asche in die Tiefe. "Ich wage zu behaupten", begann ich langsam, während ich mich an den Rand des Wolkenkratzers setzte, "dass ich das alles hier deutlich besser bewerten kann als du es je könntest."
"Was willst du schon wissen", wiederholte er etwas leiser und sah wieder in den Abgrund. Ich rollte mit den Augen und genoss anschließend einige Momente der Stille.
"Wenn du gehst, mein Freund, dann bin ich quasi arbeitslos", warf ich schließlich ein und blickte halb schmunzelnd zu ihm auf. "Du bist der Letzte."
Kommentarlos drehte er seinen Kopf zu mir und spuckte auf meine Badesandalen. Ich nahm es hin.
"Denk an den Flüssigkeitsverlust", erinnerte ich ihn erneut, während er wieder in die Tiefe starrte. "Diese Situation ist genauso kurios für mich, wie für dich."
"Aha?", entgegnete er sarkastisch.
Auf meinem Gesicht spürte ich, dass uns die ersten Sandkörner erreicht hatten. Genüsslich zog ich an meiner Zigarette. Es würde wohl auch eine meiner letzten sein. Tabak war so unheimlich selten geworden.
"Hattest du jemals Familie?" Er sah mir direkt in die Augen, als er die Frage stellte. Ich war ein wenig überrascht, auch wenn Menschen meistens sentimental wurden, wenn sie ihr Ende in Sicht hatten.
"Nichts, was du als solche bezeichnen würdest." Einen Augenblick später dämmerte mir langsam der Gedanke, dass er wohl eine Gegenfrage erwartete. Ich tat ihm den Gefallen. Schließlich war heute ein besonderer Tag.
"Und du?"
"Nie verheiratet, aber eine uneheliche Tochter, die bei ihrer Mutter aufwuchs", schoss es aus ihm heraus. "Ich hab' sie nie kennengelernt. Sie wohnte in Portugal."
Ich zuckte mit den Schultern. "Da kenn' ich traurigere Geschichten."
Er sah mich erneut wütend an.
"Ich kann dich auch belügen, wenn du dich dadurch besser fühlst", fügte ich schließlich hinzu.
"Man kann auch einfach die Klappe halten", zischte er zurück.
Vielleicht hatte er damit recht, dachte ich. Das war nur nie mein Job gewesen.
"Wenn es dich gibt, gibt es doch sicherlich auch einen Himmel, oder?"
Hoffnungsvoll sah er mich an. Ich zog meinen Strohhut tiefer ins Gesicht. Der Sand biss nun stärker.
"Wenn ich ehrlich zu dir sein soll," - und ich war ehrlich - "weiß ich es tatsächlich nicht."
Er schluckte. "Ein guter Mensch war ich ja."
Ich lachte. "Zumindest keiner meiner Klienten. Das spricht für dich."
Ein zufriedenes Grinsen schlich sich auf sein Gesicht.
"Weißt du", meinte er schließlich, "wenn du nicht so ein Zyniker wärst, wärst du kein schlechter Kerl."
"Der Zyniker liegt in meiner Natur. Aber das hier", ich zeigte auf die menschenleere Wüstenstadt, "war das Werk eines Volkes von Egoisten, nicht von Zynikern."
"Das ist also nicht das Ergebnis deiner Verführungen?"
Verunsicherung war in seiner Stimme zu hören.
"Ich bin ein Freund der Natur. Ich säge doch nicht den Ast ab, auf dem ich sitze."
Er schwieg.
Eine Weile lauschten wir dem Sandsturm, der bald an der Stadtgrenze angekommen war. Wir hatten nur noch Sekunden.
"Immerhin hatte ich die Gelegenheit, einmal mit dem Teufel persönlich zu sprechen", meinte er mit tiefer Ruhe in seiner Stimme. Es rührte mich tatsächlich ein wenig, diese Szene mitzuerleben, ein Teil von ihr zu sein. Der Tod des letzten Menschen. In wenigen Augenblicken im Sandsturm zerfetzt. Ich beschloss, ihm einen Gefallen zu tun.
"Viel Glück vor Himmels' Pforten", rief ich ihm durch das zunehmende Getöse des Sturms zu und verpasste ihm einen Tritt. Ohne einen Schrei stürzte er in die Tiefe.

 

Ich betrachtete das staubige Panorama der Großstadtkulisse. "Ganz schön trostlos", murmelte ich abwesend und weitete meinen Blick in die Ferne, wo sich sandige Ranken zum Himmel empor streckten. "Hast du Feuer?"
Der leibhaftige Herrseibeiuns, gewandet in Strohhut und Flipflops, als Ich-Erzähler einer Geschichte?
Grundgütiger, was für eine herrlich schräge Idee!
Und für meinen Geschmack wirklich großartig umgesetzt, Algaliarept. Also sprachlich hattest du mich von der ersten Zeile weg gepackt, sowohl die Beschreibung des Settings als auch den Dialog der beiden Figuren fand ich richtig, richtig gut.

"Ich bin ein Freund der Natur. Ich säge doch nicht den Ast ab, auf dem ich sitze."
Ohne zu zögern verpasste ich ihm einen Tritt. Ohne Schreie stürzte er in die Tiefe.
Und jetzt bleibt dem armen Teufel wohl nichts anderes über, als seine letzte Zigarette zu rauchen, oder?
Weil er ja nichts anderes ist als eine Fantasiekonstrukt der Menschen ...

Für mich ist das ein wirklich tolles Debüt, Algaliarept.
Ich bin mir sicher, dass ich dir zu dem Text noch mehr schreiben werde, ich wollte dich jetzt nur mal schnell willkommen heißen.


offshore

 

Hallo Algaliarept,

Super Geschichte, hat mir gefallen.


Mit einem Nicken richtete ich seinen Blick in die Ferne.

könnte da nicht "meinen" gemeint sein?

Nach wenigen Momenten dämmerte mir der Gedanke, dass er wohl eine Gegenfrage erwartete.

wenige Momente? der Moment an und für sich ist schon wenig. das find ich unpassend.

Das war nur nie mein Job gewesen

noch nie

Er schwieg

nur der Punkt fehlt ;-)

Einige Momente lang verharrten wir im Genuss des stürmischen Klänge.

der stürmischen Klänge. Ja und "einige Momente" mir gefällt es nicht

ansonsten echt toll geschrieben. Bin fast neidisch :shy:

gratuliere

LG
BRM

 

Hallöchen :)
Danke für eure beiden Kommentare und natürlich auch euer Lob - das mich selbstverständlich, gerade als Neuling hier, mit einem gewissen Stolz erfüllt.
Aber viel wichtiger ist mir natürlich noch die Kritik und die entlarvten Tipp- bzw. Rechtschreibfehler.

könnte da nicht "meinen" gemeint sein?
Nein, damit war tatsächlich Charlies Blick gemeint. Ich hatte mir eine Szene vorgestellt, in der jemand quasi durch's Nicken auf etwas zeigt - wie beispielsweise in der Disco, wenn man seinen Kumpel anstupst und in Richtung eines hübschen Mädels nickt, um ihn darauf aufmerksam zu machen - da mit dem Finger hinzeigen ja unhöflich und auffällig wirken würde. Bin mir nicht sicher, ob das im Text herauskommt - als Autor weiß man ja, wie die selbstkonstruierte Welt funktioniert und aussieht, da entgeht einem manchmal etwas.

Das war nur nie mein Job gewesen
noch nie

Auch das war bewusst gesetzt. Es sollte nach "Das war nur leider nie mein Job gewesen" klingen, nur ohne das 'leider', das dem Gedanken einen sehnsüchtig-weinerlichen Touch gegeben hätte, den ich vermeiden wollte. Ist eben ein wenig Umgangssprachlich, aber sind es ja auch nur die Gedanken des Ich-Erzählers.
Sollte es sich auch bei weiteren Lesern bestätigen, dass "nur nie" sehr unelegant klingt, werde ich es aber wohl ausbessern. Zu hundert Prozent überzeugt bin ich selbst auch nicht davon, von "noch nie" allerdings noch weniger. Damit bekommt der Gedanke eine Funktion für die Zukunft beigemessen - die aber ja nie stattfinden wird.

wenige Momente? der Moment an und für sich ist schon wenig. das find ich unpassend.
der stürmischen Klänge. Ja und "einige Momente" mir gefällt es nicht

Ja, die 'mehrfachen' Momente - wo du es ansprichst, fällt es mir auch auf. Werde es durch passende Ausdrücke ersetzen.

Und danke auch an dich, ernst offshore - bin gespannt auf deine ausführlichere Analyse :)

Gruß,
Algaliarept.

 

Hallo Algaliarept

Je suis Charlie kam mir spontan in den Sinn. Zufall?
Der Teufel hat viel Gesichter, nach Charlies Fall aber leider keine Aufgabe mehr.
Es handelt sich ja mehr so um eine Episode zum Ende der Menschheit, die sich durch ihr eigenes Tun selbst ausgerottet hat.

Warum mag ich die Geschichte? Weil sie gut erzählt ist. Der Stil ist geradlinig ohne viel Schnickschnack, die Dialoge sitzen. Ja, dein Einstand gefällt, auch wenn ich kleine Abstriche mache:
Mir fehlt noch ein bisschen Vorgeschichte, weshalb gerade der letzte Mensch da im Anzug auf dem Dach ist und der Teufel ihm "beisteht". Und, wenn ich mal die Konvention von Charlies "Glauben" berücksichtige - kommen Selbstmörder in den Himmel?
Aber das sind vernachlässigbare Facetten, ohne die die Geschichte trotzdem funktioniert. Einzig der Schupser am Ende könnte subtiler sein. "Übrigens, dein Schnürsenkel ist offen." Wonach Charlie das Gleichgewicht verliert, ein böser Unfall, und so klappt das dann auch mit dem Himmel. ;)

Kleinkram:

Der Sandsturm war an den Stadtgrenzen angekommen.
eine Stadt, eine Stadtgrenze

Ohne Schreie stürzte er in die Tiefe.
Ein Mensch, somit: Ohne einen Schrei.

Prima, weiter so,
Gruss dot

 

Hi dotslash - danke für den Kommentar, die Pluralformen hab' ich direkt in den Singular umgewandelt, mir beim Korrektur lesen gar nicht aufgefallen.

Das Hochhausdach war als Stilmittel gewählt, der Anzug ebenso. Die Pedanterie der Menschheit, selbst in solchen Situationen (der Anzug) und das Hochhaus, das "Gute ist oben", daher flieht der Mensch auf das Hausdach.
Und echter Selbstmord war es ja nicht. Daher tritt ihn ja der Teufel nach unten, damit war es Mord. Und du hast recht, mit den letzten drei Zeilen bin ich noch ein wenig unzufrieden, werde diese morgen wohl ausbessern (da ich heute eine hier nicht veröffentlichte Kurzgeschichte überarbeiten werde und die Idee für eine nächste Clustern will), sobald mir eben ein literarisch harmonischer Einfall gekommen ist.

Je suis Charlie liegt aufgrund politischer Aktualität vielleicht nahe, hat aber nichts mit der Geschichte zu tun. Anfangs war der Gedanke, ob ich einen Bezug zu Charlie Chaplin herstelle, quasi metaphorisch - im Sinne des sich Verstellens, eine bittere Hommage an das Wesen des Menschen, hat sich aber über den Text verloren und der Name blieb. Stört ja auch keinen, wie er jetzt heißt.

Gruß,
Algaliarept

 

Hallo Algaliarept (was für ein komplizierter Nick...) und Willkommen!

Also ich fands auch gut. Ja, richtig unterhaltsam sogar. Sprachlich sehr souverän und inhaltlich interessant.

Etwas Grundsätzliches zu deinem Text: Ich fand einige deiner Absätze unvorteilhaft gesetzt. Zwar kann man dem Dialog im Grunde problemlos folgen, weil sich allein aus dem Zusammenhang ergibt, wer gerade spricht, an einigen Stellen verwirren deine Absätze aber doch ein wenig. Als Beispiel ziehe ich mal die folgenden Zeilen heran:

"Aha?", entgegnete er sarkastisch. Auf meinem Gesicht spürte ich, dass uns die ersten Sandkörner erreicht hatten.
Genüsslich zog ich an meiner Zigarette. Es würde wohl auch eine meiner letzten sein. Tabak war so unheimlich selten geworden.
"Hattest du jemals Familie?"
Er sah mir direkt in die Augen, als er die Frage stellte. Ich war ein wenig überrascht, auch wenn Menschen meistens sentimental wurden, wenn sie ihr Ende in Sicht hatten.
"Nichts, was du als solche bezeichnen würdest."

Vorteilhafter wäre für mich folgende Formatierung:

"Aha?", entgegnete er sarkastisch.
Auf meinem Gesicht spürte ich, dass uns die ersten Sandkörner erreicht hatten.Genüsslich zog ich an meiner Zigarette. Es würde wohl auch eine meiner letzten sein. Tabak war so unheimlich selten geworden.
"Hattest du jemals Familie?" Er sah mir direkt in die Augen, als er die Frage stellte.
Ich war ein wenig überrascht, auch wenn Menschen meistens sentimental wurden, wenn sie ihr Ende in Sicht hatten. "Nichts, was du als solche bezeichnen würdest."

Bei folgender Stelle ging es mir wie BRM:

Mit einem Nicken richtete ich seinen Blick in die Ferne.

Das klingt etwas unglücklich. Vielleicht eher sowas wie: "Mit einem Nicken lenkte ich seine Aufmerksamkeit..."

"Ganz schön trostlos", murmelte ich abwesend und weitete meinen Blick in die Ferne,

Ich muss gestehen, ich habe noch nie davon gehört, dass jemand seinen Blick in die Ferne "weitet". Kann man das so sagen/schreiben? Kommt das vielleicht aus einer bestimmten Region Deutschlands oder aus einem anderen deutschsprachigen Land? Ich will dir da nicht gleich unterstellen, dass es falsch ist, aber für mich zumindest hört es sich falsch an, weil noch nie gehört.

"Es ist zwar heiß, aber meine Zigarette zündet sich trotzdem nicht von selbst an, mein Lieber."

Ach ja, die gute alte Erderwärmung...

"Ich wage zu behaupten", begann ich langsam, während ich mich an den Rand des Wolkenkratzers setzte, "das ich das alles hier deutlich besser bewerten kann [,] als du es je könntest."

dass
Außerdem kann das eingerahmte Komma weg.

Er klang verunsichert, wusste aber, dass ich ehrlich zu ihm sein würde.

Dein Ich-Erzähler kann nicht wissen, dass Charlie das weiß. Da fehlt etwas, das Ungewissheit ausdrückt. Sowas wie "... schien aber davon auszugehen, dass..."

Ja, also wie gesagt, hat mir gut gefallen. Der Teufel ist dir gelungen. Ein paar Abstriche mache ich bei Charlie. Der kommt durch seine Reaktionen mitunter etwas kindlich daher, find ich. Ist aber sicher auch nicht das Einfachste, sich in den letzten Menschen auf Erden hineinzuversetzen.

Wie auch immer, gern gelesen.

Gruß
Mix

 

Hi Mix, danke für deine Kritik :)

Hallo Algaliarept (was für ein komplizierter Nick...) und Willkommen!
'Al' tut's auch - ist der Name eines sehr charmanten Dämons aus einer Buchreihe, die ich vor vier oder fünf Jahren gelesen hatte. Und meistens als Nick nicht vergeben :P

Das klingt etwas unglücklich. Vielleicht eher sowas wie: "Mit einem Nicken lenkte ich seine Aufmerksamkeit..."

Das ist eine gute Idee - ärgert mich fast, dass mir dieser (eigentlich ja sehr einfache und geläufige) Ausdruck nicht selbst eingefallen ist.

Ich muss gestehen, ich habe noch nie davon gehört, dass jemand seinen Blick in die Ferne "weitet". Kann man das so sagen/schreiben? Kommt das vielleicht aus einer bestimmten Region Deutschlands oder aus einem anderen deutschsprachigen Land? Ich will dir da nicht gleich unterstellen, dass es falsch ist, aber für mich zumindest hört es sich falsch an, weil noch nie gehört.

Das 'weiten' war eher ein sprachliches Experiment, zumindest in meiner Gegend (Franken) würde das keiner so sagen. Hatte etwas anderes als 'richten' benutzen wollen, daher - um mich nicht zu lange mit einem einzelnen Wort aufzuhalten - einfach 'weiten' benutzt.
Aber hast recht, das passt irgendwie nicht ganz.

Werde den Text gleich ausbessern - für's Ende muss ich mir noch was runderes überlegen, wie schon gesagt.

 

Kurzer Nachtrag:

"Wenn du gehst, mein Freund, dann bin ich quasi arbeitslos", warf ich schließlich ein

Er schluckte. "Ein guter Mensch war ich ja."
Ich lachte. "Zumindest keiner meiner Klienten. Das spricht für dich."

Die beiden Aussagen passen nicht zusammen, selbst wenn der Teufel sie halb im Scherz äußert. Wenn Charlie nie ein Klient des Teufels war, dann ist der Teufel ja sowieso schon arbeitslos.

Achso, und du hast den Text unter "Philosophisches" am laufen, aber besonders philosophisch find ich ihn eigentlich nicht. Ein kurzer Wortwechsel darüber, ob die Menschen gut oder schlecht sind (oder im Fall deiner Geschichte "waren"), ob sie sich selbst vernichtet haben oder ob der Teufel seine Finger im Spiel hatte, das reicht mir da nicht. Bei einem Text, der philosophisch sein will, erwarte ich mehr. Das macht deine Geschichte jetzt nicht schlechter, ich finde nur, du solltest dir überlegen, ob du den Tag "Philosophisches" nicht raus nehmen willst.

Gruß
Mix

 
Zuletzt bearbeitet:

Noch kürzerer Nachtrag:

Mix schrieb:
Die beiden Aussagen passen nicht zusammen, selbst wenn der Teufel sie halb im Scherz äußert. Wenn Charlie nie ein Klient des Teufels war, dann ist der Teufel ja sowieso schon arbeitslos.
Ich sehe das anders, Mix.
Solange Charlie lebt, könnte sich der Teufel ja immer noch um seine Seele bemühen, also quasi seinem teuflischen Job nachgehen ...

:D

 

Solange Charlie lebt, könnte sich der Teufel ja immer noch um seine Seele bemühen, also quasi seinem teuflischen Job nachgehen

Ich weiß nicht, ernst.
da steht ja:

Er schluckte. "Ein guter Mensch war ich ja."
Ich lachte. "Zumindest keiner meiner Klienten. Das spricht für dich."

Das hört sich für mich so an, als würde der Teufel nur mit "schlechten" Menschen arbeiten. Menschen, die er nicht erst zu etwas Schlechtem verführen muss. Wenn Charlie also nicht zu dieser Art Mensch gehört, dann ist der Teufel bereits arbeitslos.

Alternativ kann man es vielleicht so interpretieren, dass der Teufel schonmal versucht hat, Charlie zu verführen und der aber nicht drauf reingefallen ist. So gesehen würden die beiden Aussagen des Teufels wohl keinen Widerspruch bilden. Ich habs aber eher so betrachtet wie oben beschrieben.

 

Mix schrieb:
Ich weiß nicht, ernst.
Ich in Wahrheit ja auch nicht, Mix.
Nur weil in zwei meiner Geschichten der Leibhaftige vorkommt, bin ich ja noch lange kein Experte für Teufelszeug. :Pfeif:

 

Um auch meine Meinung dazu beizutragen:

Im Grunde ist es ja in dieser Geschichte für keinen Menschen ausgeschlossen, dass er sich irgendwann den Teufel zur Hilfe holt. Das muss ja nicht von Geburt an geschehen - wie auch.

Solange ein Mensch allerdings lebt, existiert quasi die Möglichkeit, dass er eines Tages der Verführung nicht mehr widersteht - und mit dem Teufel in Bunde tritt.

In diesem Beispiel sagt Charlie ja, dass er doch eigentlich ein guter Mensch war - Vergangenheitsform, also bis jetzt (was ja, unglücklicherweise, auch das Ende seines Lebens ist).
Der Teufel antwortet darauf: "Zumindest keiner meiner Klienten" - man könnte nun ergänzen 'zumindest warst du keiner meiner Klienten' - in der Vergangenheit war Charlie das also nicht. Über die Zukunft und die Ausschlusskriterien der Teufelsarbeit treffe ich hier, finde ich, eigentlich keine Aussage.

Gruß,
Algaliarept

 

Hallo und Willkommen Algaliarept!

Mir hat dein Einstand auch gut gefallen, und Fehler habe ich keine mehr entdeckt, die vorangegangenen Kommentare scheinen die schon alle erwischt zu haben.

Deinen Stil fand ich angenehm zu lesen, und man bekommt ein gutes Bild von den beiden Figuren. Und die Idee, den letzten lebenden Menschen auf den Teufel treffen zu lassen, finde ich wirklich klasse.

Ich habe eigentlich nur einen einzigen Kritikpunkt - dafür aber einen relativ schwerwiegenden, finde ich. Mir passiert hier zu wenig. Du hast eine sehr sehr spannende Ausgangssituation, und zwei interessante Figuren. Aber du nutzt es nur für eine einzige Szene, einen Dialog, der sehr stark vom Erzähler dominiert wird. Der ist auch gut umgesetzt, aber ich finde, es steckt Potenzial für sehr viel mehr in der Idee.

Ich meine, der Teufel hat da praktisch seine letzte Chance, noch mal seinen Job zu machen. Der sagt ja selbst, dass Charlie nicht sein "Klient" ist, und das ist hier die allerletzte Gelegenheit, noch mal einen Klienten zu gewinnen. Und Charlie sieht dem sicheren Tod ins Auge, bis auf die Tatsache, dass er zufällig neben einer übernatürlichen Kreatur steht, die ihm so gut wie jeden Wunsch erfüllen könnte. Und keiner von beiden versucht das zu nutzen?

Na ja, es würde natürlich auch nichts mehr daran ändern, dass es mit der Menschheit zuende ist, und vielleicht haben die beiden längst eingesehen, dass es vergeblich wäre, noch irgendwas zu unternehmen.

"This is the way the world ends
Not with a bang but a whimper."

Aber unter dem Gesichtspunkt einer Geschichte betrachtet, wäre es halt vielleicht gar nicht so schlecht, wenn noch mal irgendwas "bang" macht. :)


Also versteh mich nicht falsch, eine gute Szene aus einer guten Idee zu machen, ist schon eine super Leistung und ich verstehe auch, dass man nicht unbedingt noch weiter machen will, wenn das erst mal geschafft ist - je mehr in einem Text passiert, desto größer ist das Risiko, dass irgendwas daneben geht, und gerade am Anfang sind solche kürzeren Texte als Übung eine gute Sache.
Ich finde die Geschichte auf jeden Fall gelungen. Aber Luft nach oben ist trotzdem da. Vielleicht ist das ja auch ganz gut so, dadurch bleibt für dich der Ansporn, weiter zu schreiben. :)

Grüße von Perdita

 

Hallo Algaliarept,
und noch ein Willkommen mehr hierorts :)

Joa, mir hat dein Einstand auch gefallen. Aber mit Abstrichen. Für mein Gefühl überlädtst du deine Sätze zu sehr. Die sollten schlanker sein, weniger Ballast mit sich tragen.
In meiner Wahrnehmung ist die Vergangenheit auch die falsche Zeitform. Ich denke, das würde alles schnittiger klingen, wenn du den Text in die Gegenwart holst.

Ich betrachtete das staubige Panorama der Großstadtkulisse. "Ganz schön trostlos", murmelte ich abwesend und richtete meinen Blick in die Ferne, wo sich sandige Ranken zum Himmel empor streckten.
Jedes dieser Wörter hat seine berechtigung, aber in der Fülle und das gleich zum Einstieg, das ist für mein Sprachgefühl schlicht zu überladen.
UNd es geht dann gleich so weiter:
Charlie sah mir irritiert in die Augen, während er vorsichtig am Rand des Daches hin und her wippte.
könnte man auch ausdünnen.
Er begann, in seiner Anzugjackentasche zu wühlen.
Und hier - was gibt uns das begann? Hat das eine Funktion? Nein, es längt nur, denn er wühlte in seiner Jackentasche. Anzugjackentasche, hast du das mal laut ausgesprochen? Wer spricht denn so? ;)
Naja, so geht es für mich in einem Fort. Klopf den Text mal auf Adjektive und Adverbien ab. Ich denke, da könnte man noch deutlich entschlacken und dadurch würde der text mächtig gewinnen.

"Das ist also nicht das Ergebnis deiner Verführungen?"
Er klang verunsichert, schien meinen Worten aber Glauben zu schenken.
finde ich seltsam, diesen Satz danach. Er stellt doch eine Frage. Mich hat das rausgerissen

Eine Weile verharrten wir im Genuss der stürmischen Klänge.
das ergibt so keinen rechten Sinn. Mal abgesehen davon, dass dein Prot bis dahin noch nciht wirklich genießt. Das kommt doch erst im Absatz danach, als er anscheinend sein Schicksal akzeptiert

Der Tod des letzten Menschen.
hier erwähnstz du es zum ersten Mal und du schließt gleich dfarauf mit:
Diese Welt war damit menschenleer.
würde ich ersatzlos streichen. Der Satz davor ist doch eh ein guter Schlusssatz, finde ich.

Fazit: Gern gelesen, aber handwerklich gibt es noch einiges zu tun. Auf gehts :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Danke Perdita, danke weltenläufer für eure Kritik :)

Ja, der große Knall, mit dem die Geschichte zuende geht, den gibt's hier nicht. Das war auch bis jetzt noch nie wirklich meine Stärke, werde mich aber auf jeden Fall darin üben.

Das Präsens als Zeitform zu wählen, wäre eine mögliche Idee, die ich auch selbst zu Beginn des Textes überdacht hatte. Ich fühle mich (zumindest noch) mit der Gegenwart beim Schreiben sehr unwohl, hab' persönlich immer den Eindruck, das klingt dann Kindergarten-Erlebniserzählung, als nach Kurzgeschichte.
In einer freien und inspirationsarmen Stunde werde ich dennoch darüber nachdenken, diesen Text mal komplett ins Präsens zu übertragen - und in zukünftigen Geschichten die Zeitform vielleicht auch bewusst von Anfang bis Ende einzusetzen (auch wenn es einer gewissen Eingewöhnungszeit bedarf).

Er begann, in seiner Anzugjackentasche zu wühlen.
Ja, da hast du natürlich recht - im Nachhinein stolpere ich auch über diesen Satz. Wichtig war mir, dass der Leser den Anzug vor Augen hat (da er, als metaphorisches Element, mir wichtig war) - 'Jackett' wirkt dann doch besser, das "Er begann" werde ich streichen.

Habe - außer der Präsensform und dem großen 'Knall' - die Korrekturen einfließen lassen und werde demnächst noch einmal zwecks Adjektiven und Adverbien - einige wenige habe ich schon ausgebessert/gestrichen, aber alle habe ich wahrscheinlich noch nicht erwischt - darüberlesen.

Gruß,
Algaliarept

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Algaliarept,
hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich mag es, wenn die Bösen sympathisch dargestellt werden, so dass man sie gern haben könnte. Gut gelungen! Auch das Ende.

[/QUOTE]"Viel Glück vor Himmels' Pforten", rief ich ihm durch das zunehmende Getöse des Sturms zu. Ohne zu zögern verpasste ich ihm einen Tritt. Ohne einen Schrei stürzte er in die Tiefe.[/QUOTE]

Da würde ich jedoch das erste "ohne" weglassen.

[QUOTE"Viel Glück vor Himmels' Pforten", rief ich ihm durch das zunehmende Getöse des Sturms zu und verpasste ihm einen Tritt. Ohne einen Schrei stürzte er in die Tiefe.][/QUOTE]

Lieben Gruß Damaris

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Algaliarept, ich habe ein großes Problem mit dem Text (dramatischer Einstieg :D), obwohl ich ihn mit Vergnügen gelesen habe und auch finde, dass Du gut schreiben und beschreiben kannst.

Erst mal das Positive: Das Szenario ist sehr anschaulich, Du schilderst den Wortwechsel so, dass man gut mitbekommt, wie die Beiden sich den Ball hin und her spielen. Und es macht Freude, das so mitanzuschauen. Deine eingesetzten sprachlichen Mittel funktionieren gut.

Aber: Was ist die Prämisse des Textes? Für mich wird hier keine Stoßrichtung des Textes klar, und deshalb plätschert das Ganze auch ohne Druckpunkt so vor sich hin. Die Attraktivität, die der Text besitzt, erschöpft sich in der gelungenen Darstellung der Szenerie.

Mir ging es am Anfang des Geschichtenschreibens so, dass ich mit einem tollen Szenario im Kopf einfach drauflos geschrieben habe und gehofft habe, das würde mich schon irgendwo hinbringen. Die Wahrheit ist, dass ein Szenario (Letzter Mensch sitzt mit Teufel auf dem Dach eines Wolkenkratzers) dramaturgisch nicht in den Griff zu kriegen ist, wenn man nicht weiß, was man ausdrücken will. Die Geschichte findet dann nicht nur keine Pointe, sondern lässt sich auch nicht gliedern oder strukturieren.

Ich will das mal an ein paar Beispielen erläutern:

Der letzte Mensch und der Teufel – Was ist hier die Ausgangslage? Dazu muss man wissen, was die Motive des Teufels sind. Der Teufel als Personifizierung des Bösen verfolgt das Ziel, die Menschen zu verderben. Er existiert einzig als Gegenspieler zu Gott, er handelt aufgrund seines Gotteshasses und beabsichtigt, die Menschen vom Pfad Gottes abzubringen.

Der letzte Mensch - wenn man dieses Bild in Zusammenhang mit dem Teufel und also der christlichen Vorstellungswelt bringt, dann kommt natürlich sofort der Tag des Jüngsten Gerichts ins Spiel. Es ist der Tag der Apokalypse, die Nacht ohne Morgen – die Welt endet in einem finalen Gottesgericht, bei dem alle Lebenden und Toten geprüft werden und entweder das ewige Leben erhalten oder zu ewiger Qual und Verdammnis verurteilt werden. Das Los zu ewiger Verdammnis trifft auch Satan selbst, der endgültig besiegt wird.

Wie steht das alles nun in Beziehung zu den Vorgängen in Deiner Geschichte? Der Teufel in Deinem Text ist widersprüchlich. Zwar ist er sarkastisch und zynisch, aber es wird nicht klar, was ihn antreibt. Er outet sich als Naturliebhaber, was unsinnig ist, weil er per Definition als übernatürliches Wesen nicht von der Natur abhängig ist. Er "hilft" dem letzten Menschen, damit dieser nicht wegen Selbstmord von Gott abgewiesen wird, was ebenfalls unsinnig ist, wenn man die Motive des Teufels betrachtet, der alles daran setzt, Gottes Reich zu zerstören.

"Der Zyniker liegt in meiner Natur. Aber das hier", ich zeigte auf die menschenleere Wüstenstadt, "war das Werk eines Volkes von Egoisten, nicht von Zynikern."

Wenn das andeuten soll, die Menschen hätten ihren Lebensraum durch Egoismus zerstört, dann ist die Weigerung des Teufels, dafür verantwortlich gemacht zu werden, ganz widersinnig. Die Verführungen des Teufels bestehen ja eben gerade darin, im Menschen an die selbstbezogenen, lustorientierten Impulse zu appellieren und Vernunft und Weisheit zu ignorieren.

Für mich ist das alles ganz und gar inkonsistent. Aber natürlich kann ich was übersehen haben. Deshalb habe ich folgende Bitte. Ich weiß, dass man als Autor nicht gern erklärt, was man beim Schreiben im Sinn hatte, denn das sollen ja die Leser herausfinden. Aber da das hier eine Literaturwerkstatt ist, gelten andere Regeln. Darum beschreibe mal bitte: Was ist die Idee, die hinter der Geschichte steckt?

Gruß Achillus

 

Vielen Dank Damaris, vielen Dank Achillus.

Deinen Verbesserungsvorschlag werde ich übernehmen, danke Damaris :)


So, Achillus, du hast ja einige Punkte angesprochen - danke dafür, verschafft mir selbst ein wenig Klarheit über die Praxis des Schreibens. Und du hast recht - ich hatte zunächst ein Szenario, oder, um wirklich bei Adam und Eva anzufangen: Einen Hauptcharakter, gleichzeitig Ich-Erzähler, den ich mit der Rolle des Teufels besetzen wollte.

Ich bin kein militanter Umweltschützer, zwar ernähre ich mich täglich mindestens vegetarisch - bis auf einen Tag im Monat, an dem ich mir Bio-Putenhackfleischburger (weil antibiotikafrei) gönne -, aber das hat andere Beweggründe als Umweltschutz.
Tatsächlich sehe ich aber häufig die Doppelmoral der Menschen hierbei - da unterstützt man eine Umweltkampagne, im nächsten Moment kauft man sich seine aus Regenwaldgebieten importierten Tofustücke oder gar -fertigprodukte.
Großindustrie und Pharmaindustrie gehen da ein wenig offener damit um, ja, wer die Kohle hat, den braucht's einen Scheiß kümmern, was die Menschen denken. Und auf sein Auto oder ein Handy will ja auch fast keiner verzichten. Im Grunde macht unsere Konsumwut diesen Planeten zunichte.

Hier kam die Kulisse, die Großstadt, quasi als Metapher für besagte Konsumwut zum Einsatz. Befreit von allen Menschen, ist ja das Ende, das beschrieben wird.
Über Hausdach und Anzug habe ich ja vorher schon eine Erklärung gegeben.
Aber ich greife schon vor - der Mensch, der einbezogen wird, war einfach als Charakter notwendig. Ein in Gedanken und Erinnerungen schwelgender Teufel wäre, so fand ich, langweilig gewesen.

Insgesamt wollte ich dann einige Charakterzüge der Menschen aufzeigen, die mich persönlich unglaublich stören, um nicht zu sagen, dass ich sie gar erbärmlich finde (was nicht heißt, dass ich diese Charakterzüge nicht auch selbst zeige; ein wenig Selbsthass ist der Kreativität manchmal ganz dienlich :P )
Einer davon ist das festhalten an etablierten Vorstellungen. Der Teufel ist so, er verführt uns, blabla. Wer sagt das? Niemand von uns hat jemals den Teufel kennengelernt, die meisten glauben auch nicht, dass etwas solches überhaupt existiert (bevor jemand nachfragt - ich selbst bin Agnostiker).
In der Geschichte stellt sich also der Teufel als sehr menschlich dar. Zweifelsohne, zynisch, hat etwas von einem Arschloch, ist sich dessen aber bewusst. Im Gegensatz zu Charlie, dem Menschen, der seine Meinungen und Gefühle kaum unter Kontrolle hält (-> sein neuer Gottglaube, -> der Gedanke an seine unbekannte Tochter, Etc.).
Ich hatte gehofft, dass es deutlich würde, dass der Teufel in diesem Text nur so gehandelt hat, da es eben in seiner Natur lag. Wie ein Eichhörnchen seinem Instink unterworfen ist, indem es im Herbst Nüsse verbuddelt. Doch im Gegensatz zum Menschen, der nicht aus seiner Welt ausbrechen kann, hat der Teufel sein Tun und Handeln über den Haufen geworfen. Gleichzeitig aber vorher genossen ("Wenn du gehst, bin ich quasi arbeitslos" oder so ähnlich).
Das entschuldigt natürlich auch stückweise das Handeln des Menschen. So viel wollte ich aber auch eingestehen.

Gleichzeitig macht der Teufel aber deutlich ("das ist das Werk von Egoisten"), dass es immer noch die Menschen waren, nicht er. Er hat geholfen, aber niemand war gezwungen ihm zu gehorchen. Der Egoismus treibt zum Pakt mit dem Teufel an, nicht der Teufel zum Egoismus (das tut er nicht einmal in Faust: "Du benimmst dich ja wie Hans Liederlich" (vgl. Faust I, Szene müsste ich nachsehen); und so ein faustischer Mephistopheles-Teufel sollte er in Aspekten werden).

Der Teufel selbst ist also für die Menschen nur Mittel zum Zweck gewesen; im Laufe des Textes sollte auch er eine Art Selbsterkenntnispfad beschreiten (daher auch der Tag Philosophisch). Zugegeben, für mich als Autor natürlich viel leichter zu erkennen als für einen Leser, ich weiß ja, was ich wieso tue.

Von der biblischen Überlieferung habe ich mich natürlich in den meisten Aspekten verabschiedet. Aber bewusst, der Text sollte allgemeingültiger werden, nicht nur auf's Christentum beschränkt.

Unter den Aspekten gelingt es dir vielleicht eher, den Plot zu verstehen - oder mir zumindest meine Fehler noch konkreter zu benennen :)

Gruß,
Algaliarept

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Algaliarept,

vielen Dank für Deine Erläuterungen. So, wie ich das sehe, besteht das Problem darin, dass die Prämisse des Textes nicht eindeutig und nicht sorgfältig genug formuliert wurde, bevor es mit dem Schreiben losging. Du wolltest eine Geschichte schreiben

- in der die Konsumwut kritisiert wird (die Menschen haben die Welt zugrunde gerichtet)
- die Bezogenheit auf Äußerlichkeiten entlarvt wird (der letzte Mensch trägt einen Anzug)
- der Konservatismus lächerlich gemacht wird (der letzte Mensch macht sich falsche Vorstellungen vom Teufel)
- im Gegensatz dazu soll der Teufel als pragmatisch und unorthodox handelnd gezeigt werden
- die Menschen sind für das letztendliche Desaster verantwortlich
- der Teufel kann sie nur verführen, wenn sie es zulassen

Meiner Ansicht nach wirbelt das alles so sehr durcheinander, dass es sich literarisch nicht fassen lässt. Eine Prämisse (ich stütze mich dabei auf die Überlegungen von Lajos Egri) muss in einen Satz passen und eine klare, deutliche Aussage darstellen, damit man sie handhaben und weiterverarbeiten kann. Die Prämissen meiner beiden letzten Geschichten waren Jeder Konflikt, den wir nicht lösen, kehrt immer wieder zu uns zurück und In jedem Mann steckt ein Raubtier. Sobald man das für sich klar gestellt hat, kann man daran gehen, das durch die Geschichte zu "beweisen".

Im Fall Deiner Geschichte sehe ich keine klare Prämisse. Gehen wir ein paar Ideen durch: Konsumwut wird zum Ende der Menschheit führen - das wäre eine Aussage, aber Deine Geschichte belegt diese Aussage nicht. Der Mensch macht sich eine falsche Vorstellung von der Wirklichkeit – Deine Geschichte deutet das an, aber zu einem Beleg dieser Prämisse müsste viel deutlicher auf die falschen Vorstellungen des letzten Menschen eingegangen werden. In Deiner KG werden sie nur am Rande erwähnt, und ehrlich gesagt, wenn Du mich darauf nicht hingewiesen hättest, wäre mir entgangen, dass Dir das wichtig ist.

Die Menschen sind für ihren Untergang verantwortlich - um das zu belegen, müsstest Du zeigen, wie es dazu kam / kommt. Dein Leser wird aber einfach vor den Fakt gestellt, das reicht nicht aus, um Spannung zu erzeugen und dem Ganzen eine Richtung zu geben.

Ein weiteres gravierendes Problem ist die Bezugnahme auf den Teufel. Ich habe das bei den Texten von Ernst schon kritisiert, weil ich glaube, dass es sehr schwierig ist, eine Figur zu handhaben, die mythologisch so stark aufgeladen ist. In dem Moment, wo der Teufel auf der Bühne erscheint, erscheinen auch all die Zuschreibungen, die ihm seit Jahrhunderten von den Menschen gegeben werden. Der Teufel ist kein weißes Blatt. Gegen diese Zuschreibungen musst Du dann als Autor ankämpfen, daran verhebt man sich schnell.

Und es gibt noch ein letztes Problem, das mir beim Lesen auffällt. Dir muss als Autor klar sein, auf welcher Ebene der Abstraktion Du Dich bewegst, und das wird sofort kompliziert, wenn Du mythologische Gestalten nutzt. Ist der Teufel in Deiner Geschichte ein reales aber übernatürliches Phänomen mit den Eigenschaften, die ihm von unserer Kultur gegeben werden? Ist er eine psychische Projektion? Ist er ein Geist unter anderen Geistern? Was weiß er? Was folgt aus jeder dieser Grundannahmen?

Mein Eindruck ist, dass Du Dir über diese Dinge nicht viele Gedanken gemacht hast, und deshalb wird es schwer, aus der Figur des Teufels jemanden zu machen, der irgendwo hin will.

Ich würde es so zusammenfassen: Weil es keine klare, eindeutig formulierte Idee (Prämisse) gibt, wissen die Figuren auch nicht was sie wollen oder sollen. Sie haben keine Motive und deshalb gibt es auch keinen Kampf, keinen Konflikt. Ohne Konflikt geht die Story nirgendwo hin.

Ein schönes Beispiel für einen sehr plastisch ausgearbeiteten Konflikt gibt Hemingways Der alte Mann und das Meer ab, das ja auch quasi eine längere Kurzgeschichte darstellt. Ohne viel nachzudenken würde ich die Prämisse jetzt einfach mit Im Kampf gegen die Natur unterliegt der Mensch umreißen. Der alte Mann muss den Fisch haben, er wünscht es sich nicht einfach nur, sondern er muss ihn haben. Er riskiert sogar sein Leben dafür. Diese Art von Konflikt zieht den Leser durch eine Story.

Das ist alles natürlich nur meine Privatmeinung. Andere Leser werden es anders beurteilen.

Gruß Achillus

 

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