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Menschenfresser

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29.03.2013
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Menschenfresser

Tom erschauerte und hielt seine Hände über die Glut. Nicht mehr lange, und die Sonne würde Kälte und Nebel vertreiben.
Der Hundling, der sich neben dem Feuer zusammengerollt hatte, winselte. Seine Hände öffneten und schlossen sich, seine Lefzen zitterten. Schließlich ging ein heftiger Ruck durch seinen Körper und er öffnete die Augen.
„Na, auf der Jagd gewesen?“, fragte Tom.
„Eher auf der Flucht.“ Tyras setzte sich auf und gähnte.
„Vor wem?“
„Keine Ahnung. Frag mich lieber, wovor. Es war groß – und zugleich klein, irgendwie … Ach was soll’s, ein Traum, mehr nicht.“
„Groß und zugleich klein irgendwie?“
„Es kam aus dem Fluss, ein riesiges Kind ... das Wasser war rot und dampfte ... als es den Kopf schüttelte, wurden aus den Spritzern Vögel, die waren auch rot … es schüttelte sich so lange, bis nichts mehr von ihm übrig war.“ Tyras tippte sich an die behaarte Stirn. „Völlig verrückt, stimmt’s?“
„Und dann?“
„Die Vögel sind gelandet, direkt vor mir. Hunderte. Kamen langsam auf mich zu, die Viecher. Tja, da bin ich eben losgerannt. Das war’s.“
„Und ich?“, wollte Tom wissen. „Bin ich auch in dem Traum vorgekommen?“
„Du warst nicht da. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern.“
Tyras stand auf und deutete flussaufwärts. „Da kommen sie. Ziemlich pünktlich, muss ich sagen.“
Die Mastspitzen der Korvette leuchteten im Schein der aufgehenden Sonne. Tom öffnete seine Truhe und nahm das Fernrohr heraus. Er betrachtete die kunstvoll geschnitzte Gallionsfigur, einen goldenen Adlerkopf auf dem Körper eines grünen Drachen.
Wenig später betraten sie das Deck des Schiffes und wurden von ihrem Auftraggeber begrüßt. Agar war ein hagerer, ernst blickender Mann. Er musterte Tom und besonders den Hundling eine Weile, bevor er ihnen die Hand entgegenstreckte.
„Es ist lange her, dass ich einen Hundling gesehen habe, noch dazu einen so stattlichen. Und Ihr, mein Freund“, sagte er zu Tom gewandt, „seid also bereit, diesen Auftrag zu übernehmen?“
„Wären wir sonst hier?“
„Natürlich, sicher.“ Agar griff in sein Wams und förderte einen Lederbeutel zutage, den er einige Sekunden anstarrte, bevor er ihn Tom übergab. „Es sind zwei. Der Kleine ist für euch, der Große für die elenden Leichenfresser, die meinen Sohn entführt haben.“
Tom öffnete den Beutel und ließ die beiden Kristalle auf seine Handfläche gleiten. Während der Kleinere einer Erbse glich, hatte der Große die Ausmaße einer Kinderfaust. Beide schimmerten rötlich, und Tyras atmete geräuschvoll aus.
„Senker! Meine Güte, damit könnte man…“ Er berührte sie zaghaft mit den Fingerspitzen. Senker, oder Rosensteine, wie sie auch genannt wurden, wuchsen in den Hirnen der großen Felsenbären des Rhu’wan-Gebirges wie Perlen in einer Muschel. Der große Stein musste im Schädel eines wahrhaft gigantischen Tiers herangereift sein.
Tom erinnerte sich an das Fell eines Jungtieres, das bei seinem Oheim an der Wand der Eingangshalle hing und mit dem man eine gewöhnliche Droschke samt Zugpferd hätte bedecken können. Es hieß, diese Steine besäßen magische Kräfte, aber Tom hielt das für Unsinn. Fest stand, dass selbst der Kleinere der beiden Steine ein Vermögen wert war.
„Solltet ihr mir mein Kind und den großen Stein zurückbringen, wird meine Großzügigkeit keine Grenzen kennen, so viel kann ich euch versichern.“
„Wo soll die Übergabe stattfinden?“
„Flussaufwärts, eine halbe Tagesreise von hier. Kennt ihr die Fährstation Dol-Kanoi? In der dortigen Schenke warten sie bereits. Mein Schiff wird später in der Nähe vor Anker gehen und ich werde eure Rückkehr erwarten.“

In der Scheune stank es entsetzlich. Der Junge starrte durch die Gitterstäbe auf die fünf zuckenden Körper, die vor der gegenüberliegenden Bretterwand von der Decke hingen. Nie zuvor hatte er etwas Vergleichbares gesehen. Und, da war er sich sicher, die furchtbaren Schmerzensschreie dieser bedauernswerten Menschen würden er nie mehr vergessen können.
Als er die Schritte hörte, warf er sich zu Boden und stellte sich schlafend. Das Tor der Scheune wurde aufgerissen. Das Geräusch, das folgte, kannte er nur zu gut.
Das Schaben einer Klinge, die aus einer Lederscheide gezogen wurde.

Agar hatte den beiden eine Jolle zur Verfügung gestellt, mit der sie die Strecke in wenigen Stunden bewältigt hatten. Seine Truhe hatte Tom an Bord der Korvette zurückgelassen und sich nur mit dem Nötigsten versehen.
Vor der Fährstation, die sich unmittelbar neben der Schenke befand, standen an die zwanzig Männer mit Bierkrügen und Pfeifen in den Händen und redeten lebhaft aufeinander ein. Es war gegen Mittag und die Sonne stand im Zenit.

„Natürlich ist der Kleine nich hier – was habt ihr denn gedacht?“ Der Mann musterte Tom und den Hundling verächtlich. Seine beiden Kumpane waren sitzengeblieben und grinsten.
Der Schankraum war bis auf die drei Kerle leer. Die anderen Gäste hatten anscheinend beim Anblick der angsteinflößenden Gestalten den Schankraum verlassen, um ihr Bier lieber in der sengenden Sonne zu trinken.
„Also, wenn ich euch richtig verstehe, sollen wir euch den Stein überlassen, und ihr bringt den Jungen in ein paar Tagen unversehrt hierher?“
„Genau.“
„Und das sollen wir euch glauben?“, fragte Tyras. „Weil ihr Männer von Ehre seid, hab ich recht?“
„Stimmt, das sind wir.“
Der Hundling sah Tom fragend an. Der nickte unmerklich.
Wenige Sekunden später lagen zwei der Männer mit gespaltenen Schädeln auf dem Boden. Der dritte starrte auf Tyras‘ Klinge, deren Spitze sich in seinen Magen bohrte. Es bedurfte keiner besonderen Überredungskunst, ihn zur Preisgabe des Ortes zu bewegen, an dem man Agars Sohn gefangen hielt. Mit zitternden Fingern zeichnete er eine grobe Karte auf ein Stück Papier. Tyras warf dem Wirt, der sich zitternd hinter der Theke verkrochen hatte, ein Goldstück zu. „Wir waren nicht hier, merk dir das. Mach sauber, und schaff die Kadaver weg.“ Mit diesen Worten stiess er dem dritten Strolch seinen Dolch in den Leib.

„Diese verdammten Blutsauger!“
Der Hundling rieb sein rechtes Ohr. Es gab nur wenige Stellen an seinem Körper, die nicht von dichtem Fell bedeckt waren. Er wandte sich um. „Wieso eigentlich wirst du nicht gestochen? Kein Fell, überall blanke Haut – aber die Viecher verschonen dich. Möchte wissen, warum.“
Tom, der wusste, dass Tyras jegliche Bemerkungen über seinen ganz speziellen Körpergeruch übelnahm, murmelte etwas von Schicksal und ertragen müssen, und ließ durchblicken, dass er einfach nur Glück habe.
Ihm war klar gewesen, dass Agars Sohn irgendwo in dem riesigen Waldgebiet oberhalb der Senkun-Ebene gefangen gehalten wurde. Ohne die Karte wäre es jedoch so gut wie aussichtslos gewesen, ihn zu finden.
Sie hatten sich an der Fährstation zwei Dromgolls gemietet, die schneller, ausdauernder und genügsamer als Pferde waren. Der Hundling hatte anfänglich protestiert und kundgetan, dass er kein Tier bestiege, das mehr als vier Beine habe, aber schließlich ließ er sich überreden.
„Kein Feuer, Tyras“, sagte Tom, als sie sich gegen Abend im Schutz einer Felswand niederließen. „Wir wollen nichts riskieren. Die Karte ist zwar nicht übermäßig genau, aber es ist nicht mehr weit. “
„Die Mücken …“ jammerte der Hundling, „sieh dir mal meine Ohren an! Und woher willst du wissen, dass wir bald da sind?“
„Ein Gefühl, nichts weiter.“
„Gefühl … pah!“

Der Junge wandte sich ab, doch vor seinem inneren Auge sah er genau, was der Mann mit dem Messer anstellte. Wie er die Wunden anschließend mit einer Art Baumharz verklebte, damit seine Opfer nicht verbluteten; wie er dabei schmatzte, kicherte und grunzte. Einmal hatte er ein Stück aus dem Oberschenkel eines Mannes herausgeschnitten und es sich in den Mund geschoben. Dann hatte er in einen kleinen Bottich mit Harz gegriffen und die blutende Stelle damit beschmiert. Das Geschrei des Mannes hatte ihn belustigt. Kauend hatte er dagestanden und schließlich mit einem Knüppel zugeschlagen.
Den Jungen beachtete er nicht. Lediglich ein Wort sagte er, wie jedes Mal, bevor er die Scheune verließ.
„Bald.“ Es klang, als habe er stundenlang auf dem zu großen Wort herum gekaut und es dann ausgespuckt.
Der Junge dachte viel an sein Zuhause. Flüchtete in Gedanken in die friedlichen Wälder und duftenden Wiesen, die sein Elternhaus umgaben. Er dachte an seine Freunde, an die Bediensteten, die ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatten. Sein Vater war reich. Bestimmt würde er ihn freikaufen.
Bestimmt.
Bald.

Der Baum bot ihnen eine ausreichende Sicht auf das Dorf.
„Spielende Kinder, zwitschernde Vögel, gackernde Hühner“, wisperte Tyras. „Es sieht alles so verdammt … harmlos aus. Ich kann’s kaum glauben.“
„Ja“, erwiderte Tom, „aber was hast du erwartet? Behaarte, blutverschmierte Gestalten, die grunzend um riesige Pfannen mit gebratenen Babies herumtanzen?“
„Was glaubst du, wo haben sie den Jungen?“
„Ich weiß nicht. Wir müssen abwarten.“
„Siehst du die alten Weiber da an dem Kessel? Da ist er vielleicht schon gelandet.“
„Womöglich“, sagte Tom. „Vielleicht gehst du da runter und fragst einfach.“
Rings um das Dorf war ein breiter Streifen Wald gerodet worden, auf dem nichts wuchs als Gras und vereinzelte, kniehohe Büsche. Tom vermutete, dass nicht mehr als zweihundert Menschen hier hausten, ein Drittel davon Kinder.
Er zog sein Glas aus der Weste. Einige der Häuser bestanden aus Mauerwerk, doch die meisten waren einfache Holzhütten, deren Dächer aus Bohlen bestanden. Die Fugen waren geteert, wie man es von Schiffsplanken kannte.
Eine Gruppe von Kindern, die vor einer großen Scheune standen und durch die Spalten der Wand ins Innere spähten, fiel ihm auf. Sie stießen sich an und machten eindeutige Gesten, fuhren sich mit der flachen Hand über die Kehlen und rieben sich lachend die Bäuche. Irgendetwas sagte ihm, dass der Knabe dort drin gefangen gehalten wurde. Er reichte dem Hundling das Glas und deutete auf die Kinder.
„Da in der Scheune vielleicht“, flüsterte er.
„Gut möglich.“

„Walte, mein Schatz, aufgewacht. Es ist Zeit, aufzustehen!“ Er schlug die Augen auf und sah das Gesicht seiner Mutter über sich. Er streckte sich und wischte sich ihren feuchten Schmatzer von der Stirn. Durch das Fenster drang der Duft gemähten Grases und der Rosenhecke im Garten. Die Vögel zwitscherten, in den Ställen wieherten Pferde. Die Morgensonne malte helle Kringel an die Wand zu seiner Linken. Er streckte die Arme nach seiner Mutter aus. Verwundert bemerkte er einen Schatten auf ihrem Gesicht. Ihr Mund verzog sich zu einem höhnischen Grinsen. Sie hob den Arm, und er erkannte das Hackmesser aus der Küche in ihrer Hand. Die Sonne ließ es glitzern, und als es niedersauste, stieß sie ein Keuchen aus.
Der Schmerz in seinem Fußgelenk war unbeschreiblich, und er wachte auf.
„Na, Jungchen? Süß geträumt?“
Es war der Mann mit dem großen Messer. Er zerrte an der eisernen Fußfessel des Jungen und schmierte eine übelriechende Salbe auf den verletzten Knöchel.
„Kannst es kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen, ich weiß. Verrätst du mir deinen Namen, Kleiner?“
„Menschenfresser!“ stieß der Junge hervor und spuckte dem Mann ins Gesicht.
„Oho! Ein seltsamer Name für so einen hochwohlgeborenen Knaben. Weißt du, ich glaube, ich probier mal ein Stückchen von deiner Hand. Schmecken nämlich am besten, die Handflächen. Dein Vater wird’s verkraften.“ Er wischte sich den Speichel von der Wange und zog sein Messer.

„Hörst du das?“
„Verdammt … das klang wie ein...“
Ein zweiter Schrei war zu hören, der jedoch abrupt endete. Kurz darauf verließ ein Mann die Scheune. Er zeigte den Kindern lachend etwas, um es sich dann mit großem Getue in den Mund zu stecken.
„Das war Agars Sohn, ich bin mir sicher. Das müssen wir uns heute Nacht mal ansehen, Tyras.“
„Ja.“

Der Mann hatte sich auf seinen Arm gekniet, ihm mit einem schnellen Schnitt den Daumenballen der linken Hand entfernt und ihm ein schmutziges Stück Stoff in den Mund gestopft. Dann war er hinausgegangen, ohne die heftig blutende Wunde mit Harz zu verschließen.
Nun war es Nacht. Fliegen umschwirrten den Jungen. Auf der pochenden Wunde hatte sich eine dünne Schorfschicht gebildet. Der Schein eines großen Lagerfeuers drang durch die Ritzen des Scheunentors. Er hörte Gesang und schrilles Gelächter. Seine Entführer schienen sich prächtig zu amüsieren.
Einige Male glaubte er, Flüstern, Kratzen und gemurmelte Worte an der Wand hinter ihm zu hören. Doch die Geräusche wiederholten sich nicht, und so versank er erneut in einen Dämmerzustand jenseits aller Hoffnungen. Schließlich schlief er ein.

Weder Tom noch der Hundling, dem die Menschenfresser ein noch größerer Greuel als die Untoten in der Ebene waren, hatten Skrupel bei dem, was sie vorhatten. Bei dem Lärm, den diese Bestien in Menschengestalt veranstalteten, mussten sie sich nicht einmal besonders leise bewegen, als sie an einigen Hütten am Dorfrand trockenes Laub und Gras anhäuften. Gegen Mitternacht zündeten sie alles an und zogen sich zurück. Binnen weniger Minuten brannten die Holzhütten lichterloh. Beißender Rauch breitete sich aus, und die Einwohner rannten panisch umher.
Die Scheune lag am entgegengesetzten Ende des Dorfes. Es gab kein Schloss, nur einen Riegel aus Holz, und das Tor zu öffnen war eine Sache von wenigen Sekunden. Der Junge kauerte in einem hölzernen Käfig, war jedoch mit einer im Boden verankerten Kette gefesselt, die ein ernsthaftes Hindernis darstellte.
„Der Mann hat einen Schlüssel, der Mann mit dem Messer“, flüsterte der Knabe und deutete auf das rostige Schloss an seinem Knöchel.
„Ich finde den Kerl“, stieß Tyras aus und bevor Tom etwas sagen konnte, war der Hundling verschwunden.

Tyras presste sich neben dem Tor an die Scheunenwand. Zufrieden ließ er seinen Blick über das Chaos, das sich vor ihm abspielte, wandern. Die Dorfbewohner rannten, zeitweise von Rauchwolken verhüllt, panisch zwischen den lodernden Hütten umher wie aufgescheuchtes Vieh.
Das seid ihr, dachte der Hundling. Vieh, nichts sonst.
Er verspürte kein Mitleid, als er sah, wie einen Steinwurf von ihm entfernt die Kleidung eines Mannes, der ein Kind auf dem Arm trug, Feuer fing. Wenige Augenblicke später standen beide in Flammen und stürzten zu Boden. Für einen Moment glaubte Tyras den Geruch von Gebratenem wahrzunehmen.
Er setzte sich in Bewegung. Das Heft seines kurzen Schwertes mit der Rechten umklammernd, näherte er sich den beiden zuckenden und kreischenden Körpern. Zwei kräftige Hiebe beendeten ihren Todeskampf.
Geduckt hastete Tyras weiter. Der Mann, den er suchte, musste sich irgendwo in diesem Getümmel aufhalten. Durch Toms Glas hatte er den hageren, in schmutzig-graues Tuch gehüllten Kerl genau gesehen. Die lederne Kappe mit den Ohrenklappen würde er sofort wiedererkennen.
Wie aus dem Nichts sah sich der Hundling einer alten Frau gegenüber, die der Rauch eben noch verhüllt hatte. Sie hustete und versuchte mit vor Schreck geweiteten Augen zu schreien, wobei ihr zitternder Arm auf ihn deutete. Tyras zögerte keine Sekunde. Die Klinge in ihren Hals zu stoßen und sie wieder herauszuziehen, war die Sache einer Sekunde. Er sah sich um, doch niemand hatte Notiz von ihm genommen. Wieder trieb eine dichte Rauchschwade über ihn hinweg. Er hörte Stimmen. Gebrüllte Befehle waren das – der Hundling verstand nur einzelne Brocken. Jemand versuchte, Ordnung wieder herzustellen, das Löschen des Feuers zu organisieren. Hunde bellten, Kinder wimmerten, Frauen kreischten. Sehr schön, ihr Tiere!
Immer wieder rissen die Rauchwolken auf. Als unmittelbar neben ihm eine Hütte in sich zusammenfiel, eine Funkenwolke zum Himmel stieg, begann sein Nackenfell zu glimmen. Mit der Linken wischte er die Funken weg, als er den Kerl sah.
Kein Zweifel. Der dreckige Bastard bewegte sich, zwei prall gefüllte Säcke schulternd, zum Rand des Dorfes. Am Gürtel trug er einen weiteren Beutel aus grauem Hanf.
Mit wenigen Sprüngen hatte Tyras ihn eingeholt.
„Soll ich dir tragen helfen? Sieht verflucht schwer aus.“ Wie angewurzelt blieb der Mann stehen und wandte sich um. Während er die beiden Säcke zu Boden gleiten ließ, musterte er staunend das merkwürdige Wesen, das da mit gezogenem Schwert vor ihm stand. Auf seiner Brust baumelte an einem ledernen Riemen ein Bund mit zwei kleinen Schlüsseln. Er öffnete den Mund, doch bevor er etwas sagen konnte, sprang ihn der Hundling an und stieß ihm seine Klinge bis zum Heft in die Brust.
Schaumiges Blut quoll aus dem Mund des Menschenfressers, seine Augen traten aus ihren Höhlen und er schlug lang hin. Tyras sah sich um, während er die Klinge einige Male in der Wunde drehte, dann zog er das Schwert heraus. Er hockte sich seitlich neben den Kopf des Mannes, griff in dessen Haar und trennte mit wenigen Schnitten seinen Kopf vom Rumpf. Dann löste er den Beutel vom Gürtel, und schüttete die darin befindlichen Münzen achtlos auf den Boden.
Nach wenigen Minuten war er zurück. Er schloss das Tor der Scheune und warf Tom den Schlüsselbund zu. An seinem Gürtel baumelte ein Sack aus grobem Hanf.


Agar umarmte und küsste seinen Sohn, dessen Tränen ein Geflecht von hellen Linien auf seine dreckverkrusteten Wangen gezeichnet hatten. Dann wanderte sein Blick zu dem Stoffbündel, das Tyras mit einer Verbeugung auf die Decksplanken fallen ließ.
„Was ist das?“
„Seht selber nach“, sagte der Hundling, dem sein Stolz deutlich anzusehen war.
Agar bückte sich, öffnete den Sack, und starrte verblüfft hinein.
„Das ist er, Vater“, rief Walte, „der Mann, der ein Stück von meiner Hand gegessen hat! Tyras hat ihm den Kopf abgeschnitten, als er den Schlüssel geholt hat.“
In dem weit aufgerissenen Rachen des Menschenfressers steckte etwas rötlich Glitzerndes.
„Nehmt es Tyras nicht übel“, sagte Tom. „Mein Freund hat mitunter einen sonderbaren Humor.“

 

Hallöchen harrytherobot,

eine sehr unterhaltsame Geschichte, die du hier geschrieben hast! Die Charaktere sind recht sympathisch und ich wäre gespannt gewesen, ob der Junge überlebt, hätte ich nicht versehentlich das Ende als Erstes gelesen :shy:

Allerdings hat es mir irgendwie an einer Erläuterung der Menschenfresser gefehlt; sind die jetzt einfach nur Menschen, die andere Menschen vertilgen oder hat es einen "magischen" Grund, warum sie so sind. Aber du hast ja Neugier daran in mir geweckt, was wiederum auch ein Plus ist :thumbsup:

MfG
NerdLion

 

Hallo NerdLion,

freut mich, dass sie Dir gefallen hat. Aber wie kann das denn passieren, das Ende zuerst gelesen? Das ist dann wohl Pech für dich, kann man nichts machen…

sind die jetzt einfach nur Menschen, die andere Menschen vertilgen oder hat es einen "magischen" Grund, warum sie so sind. Aber du hast ja Neugier daran in mir geweckt, was wiederum auch ein Plus ist
Die Menschenfresser sind einfach nur boshafte fehlgeleitete Gourmets, sozusagen. Über einen ‚magischen‘ Grund hab ich mir gar keine Gedanken gemacht. Die sind so, wie sie sind. Böse, böse, böse. Hältst du das denn für nötig – die Ursachen ihres kannibalischen Treibens zu erläutern?
Auf jeden Fall danke ich dir für deine Meinung und das positive Fazit, NerdLion.

Schöne Grüße
Harry

 

Hallo harry!

Ich mag ja dieses Universum sehr, und freue mich immer, wenn eine neue Fantasy-Geschichte von dir auftaucht, wo ich diesen Figuren wieder begegnen kann. Es war gewohnt spannend, souverän geschrieben, und hatte wieder sehr schöne kleine Details, die diese Welt lebendig machen - die Edelsteine aus Bärenhirnen haben mir diesmal besonders gefallen.

Trotzdem, dieses Mal habe ich mich etwas schwer getan, die Geschichte zu mögen. Das muss dich aber nicht grämen - sprachlich habe ich nichts zu meckern, Spannung ist auf jeden Fall aufgekommen, also es liegt nicht am Handwerk. Eher habe ich mich mit dem Inhalt nicht so richtig anfreunden können.
Deine ersten Geschichten in dieser Fantasy-Welt - insbesondere "Der Duft der Toten", was glaube ich immer noch meine Lieblingsgeschichte von denen ist - haben mich so angesprochen, weil es neben der düsteren, gruseligen Atmosphäre, die man relativ häufig findet in modernen Fantasygeschichten, noch etwas anderes gab. So eine melancholische Stimmung - schwer zu beschreiben und vielleicht auch ein Produkt meiner Nostalgiebrille - aber die habe ich in diesem Text vermisst. Ich meine, in diesen Geschichten sind schon immer schlimme Dinge passiert - aber nach meinem Eindruck waren sie bisher nicht so vordergründig brutal wie bei dieser hier.

Es fällt mir deutlich schwerer als früher, zu deinen Protagonisten zu halten. Klar, das sind Söldner, und die haben schon viel mitgemacht, die leben davon, wenn nötig Gewalt zu gebrauchen und sind wahrscheinlich inzwischen ziemlich abgestumpft. Aber wenn sie da drei Männer kaltblütig abstechen, aus denen sie die Information, die sie brauchen, vielleicht auch mit weniger Gewalt herausbekommen hätten ... Schwarz-weiß ist nicht mehr schick, schon klar, heute sind Grautöne modern. Ich muss es auch nicht haben, dass der Held einer Fantasygeschichte immer eine strahlend weiße Weste behält. Aber wenn die beiden Protagonisten hier nicht gegen Feinde antreten würden, die so dermaßen over-the-top böse sind, dass es mir ehrlich gesagt schon ein bisschen holzschnittartig vorkommt, dann würde es einem mittlerweile schwer fallen, sie noch als "die Guten" zu sehen - mir zumindest.

Ja, und zum Thema over-the-top Bösewichte - diese Kannibalensache. Die liegt mir ein bisschen schwer im Magen (nein, auf den konnte ich nicht verzichten :)).

Es gibt so generell zwei Typen von Kannibalismus in der Literatur und in ganz seltenen Fällen auch in der Realität. Das eine ist der geisteskranke sadistische Killer - so ein Hannibal-Lecter-Verschnitt. Das andere sind Leute, denen es an gewöhnlicher Nahrung mangelt - Schiffbrüchige, Flugzeugabsturzüberlebende in den Anden, etc.

Dieses Kannibalendorf in deiner Geschichte - angenommen, die fressen Menschen, weil sie ansonsten nicht genug zu essen haben. Dann verhalten die sich ziemlich unlogisch. Leute einsperren, ab und zu ein Stückchen abschneiden und die Wunden verschließen ist grausam und eklig - aber abgesehen davon ist es auch dämlich.
Jetzt mal ganz nüchtern betrachtet, den Horroraspekt außen vor gelassen - wenn es darum geht, seinen Hunger zu stillen, dann ist die vernünftigste Vorgehensweise schlachten, aufessen und eventuelle Reste haltbar machen. Das Opfer lange am Leben erhalten, während man es schon anknabbert, bedeutet: Entweder man muss es füttern - das heißt weniger zu essen für einen selbst. Oder es magert ab und verhungert schließlich - das heißt auch weniger zu essen für einen selbst. Und Stress soll sich auch negativ auf die Fleischqualität auswirken. :p

Aber gut, vielleicht haben die Menschenfresser im Grunde genug zu essen, vielleicht handelt es sich um ein ganzes Dorf voller Hannibal Lecters, denen es ganz einfach Spaß macht, Menschen zu foltern und zu essen. Dann verhalten sie sich aber auch unlogisch. Wenn die nur einsame Wanderer einfangen würden, dann könnten sie mit ihrem Treiben womöglich noch lange unbehelligt weiter machen. Aber stattdessen entführen sie den Sohn eines sehr reichen Mannes, und heben sich den auch noch mehrere Tage auf (wenn er gleich im Topf landen würde, gäbe es wenigstens hinterher keinen Beweis ...) - die müssen doch damit rechnen, dass das Ärger bringt.

Auf mich hat das den Eindruck gemacht, als ob es dir vor allem darum ging, dass es da halt möglichst grausam und eklig zugeht. Als Horrorszenario funktioniert das auch - aber es ist ja nicht bloß ein Gruselbild, sondern eine Geschichte, wo man doch davon ausgehen muss, dass alle Figuren auch ein Innenleben haben. Und "ich bin gruselig und böse" ist halt keine glaubwürdige Motivation.

Na ja, und nachdem du das Dorf da im schlimmstmöglichen Licht präsentiert hast, wo sogar die Kinder sadistische Fieslinge sind, kam es mir dann auch so vor, als ob die Protagonisten es ein bisschen zu einfach haben bei der Befreiung des Jungen. Ich hätte mit mehr Widerstand und Problemen gerechnet. Sie sind ja nur zu zweit, und es gibt ziemlich viele Kannibalen.

Das hört sich jetzt nach ganz viel Beschwerde an, deshalb will ich noch mal deutlich sagen - gerne gelesen habe ich es schon. Ich war gespannt, wie es ausgeht, und freue mich auch, wenn es noch mehr Geschichten in diesem Universum von dir gibt. (Übrigens, auch wenn es keine Serie ist, finde ich, du könntest ruhig die anderen Texte in einem Kommentar verlinken, falls jemand die früheren Abenteuer noch nicht kennt.)

Vielleicht hast du jetzt einfach so eine gewisse Frustration von mir abgekriegt, über diesen "Grimdark"-Trend in Fantasygeschichten, den ich langsam so ein bisschen leid werde, und das zielt gar nicht alles auf deine Geschichte ab.

Ich lese das schon auch gern, ich würde zum Beispiel viel dafür geben, George R.R. Martin in den Hintern zu treten, damit ich endlich rausfinde, welche von meinen Lieblingsfiguren in Das Lied von Eis und Feuer als nächstes drauf gehen und welche überleben und sich zu amoralischen Monstern entwickeln. :)

Aber es gibt jetzt gefühlt unheimlich viel von dem Zeug, und manchmal habe ich das Gefühl, andere Arten von Fantasy werden gar nicht mehr ernst genommen. Irgendwie finde ich das merkwürdig - ausgerechnet bei Fantasy mit "aber so ist es doch realistischer" zu argumentieren ... . :)

Sorry für das Offtopic.

Grüße von Perdita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, harrytherobot,

mit so einer Geschichte hast du ja genau meinen Geschmack getroffen: graue Protagonisten, die nicht gut, nicht böse sind, Fantasy und ein paar Horrorelemente, dabei aber "ungruselig" genug, dass ich das auch abends noch lesen kann :D

Wie auch schon Perdita erwähnt hat, sind die Details, die du miteinbringst, willkommene kleine Schmäckerchen und die Hirnkristalle sind ja mal ein Hammer Konzept.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aber doch aufgefallen:

Zu erst einmal fände ich es hilfreich, die Parts aus der Sicht des Jungen kursiv zu schreiben oder anders hervorzuheben, sodass man sofort merkt "Aha, andere Perspektive". Vielleicht geht es ja nur mir so, aber ich habe besonders beim ersten Wechsel kurz gestutzt, weil ich nicht mit einer anderen Sicht gerechnet hatte.

Wenige Sekunden später lagen zwei der Männer mit gespaltenen Schädeln auf dem Boden. Der dritte starrte auf die Tyras‘ Klinge, deren Spitze sich in seinen Magen bohrte. Es bedurfte keiner besonderen Überredungskunst, ihn zur Preisgabe des Ortes zu bewegen, an dem man Agars Sohn gefangen hielt.

Bei "die Tyras' Klinge" ist das "die" zu viel, kann das sein?
Vielleicht bin ich ja gerade total auf dem Holzweg, aber die Wunde im Magen ist doch letztendlich die Todesursache oder? Wenn er also sowieso sterben muss, warum sollte er unsern beiden Söldnern dann den Aufenthaltsort des Jungen verraten? Warum verpasst er den beiden nicht noch Eins, indem er ihnen nichts verrät, während er schon im Sterben liegt? Oder geht es hier eher um "Du wirst qualvoll verrecken, aber wenn du mir sagst, wo der Junge ist, beschere ich dir einen einfachen Tod"?

So, moving on.

„Das war Agars Sohn, ich bin mir sicher. Das müssen wir uns heute Nacht mal ansehen, Tyras.“
„Ja.“

Ich finde das "Ja" ein bisschen unnötig. Das macht jetzt nicht viel aus, aber es müsste nicht da stehen mMn.

Nur wenige Minuten kehrte er zurück.

Da fehlt ein "später", so weit ich das sehen kann :p

Ich würde mir zu deinen Charakteren ein wenig mehr Geschichte wünschen in Form von Anekdoten und kleinen Erinnerungen. So nach dem Motto "Hey, Tyras, schon wieder Kannibalen, weißt du noch damals...?". Du hast wunderbar kleine Details zu deinem Universum eingefügt - dasselbe würde ich mir für deine Protagonisten wünschen bzw für ihre gemeinsame Vergangenheit. Musst du nicht zwingend in die Story schreiben, ich finde es einfach nur wahnsinnig interessant, aber damit mag ich allein dastehen.
Ich habe gelesen, dass du schon andere Texte aus diesem Universum online gestellt hast. Ich weiß jetzt nicht, ob die Protagonisten die Selben sind. Wenn ja, würde ich vermutlich dort meine Anekdoten finden.

Was ich allerdings wichtig finde, ist, dass du ein bisschen mehr Infos über die Menschenfresser gibst. Ich habe jetzt durch deine Antwort auf NerdLion im Großen und Ganzen erfahren, was ich wissen wollte, aber mMn trägt es super zum Verständnis und Lesespaß bei, wenn man etwas genauer weiß, mit wem deine Protagonisten und wir es zu tun haben. Ein bisschen mehr Hintergrund fände ich da angemessen - du musst ja nicht kleinlich beschreiben, warum deine Antagonisten so sind, wie sie sind, es würde mir schon reichen, etwas mehr von dem zu erfahren, was Tom und Tyras über die wissen. Machen die Kannibalen öfter Probleme? Wenn ja, seit wann, lebten sie schon immer dort? Hatten die beiden schon mal mit Kannibalen zu tun? Usw usf

So, das war's jetzt aber von meiner Seite :) Die Geschichte hat definitiv meinen Geschmack getroffen und ich würde auch gern noch weitere Abenteuer von Tom und Tyras lesen, dann aber bitte mit mehr persönlichem Hintergrund der beiden ;)

LG Krizzle

 

Hallo Harry,

auch ich habe Deine Geschichte mit Genuss gelesen. Handwerklich makellos, plastische Charaktere, bildhafte Handlung, nette Randbeobachtungen. Die von Perdita angemerkten Logiklücken habe ich offen gesagt glatt überlesen.

Ich mag diese Sorte Kurzgeschichten, die zwar für sich allein stehen können (sonst sind es ja keine KG) und bei denen man trotzdem den Eindruck hat, sie seien Teil von etwas Größerem, in das man mittendrin einsteigt. Und so ist es ja offenbar auch, obwohl ich es als Neuling in diesem Forum nicht wusste.

Wenn ich etwas kritisieren sollte, dann die Tatsache, dass die Handlung zu geradlinig verläuft. Da gibt es keine Probleme zu lösen, keine Hindernisse zu überwinden; da geht nichts schief, was die Helden zwingt, ihren Plan zu ändern. Ich habe auch nicht wirklich daran gezweifelt, dass sie den Jungen heil (naja, fast heil) retten. Das einzig Unerwartete war der Schlussgag mit dem Stein im Kannibalenmaul.

Wenn wir in meiner Jugend Das Schwarze Auge gespielt haben, waren das immer die Missionen zwischendurch, mit denen wir unsere Charaktere ein bisschen gepimpt haben. Losziehen, Orks kloppen, Punkte sammeln, aufsteigen. War schon okay, aber die kniffligen Abenteuer waren die besseren.

Nun komme ich aber auf meinen obigen Punkt zurück: diese Geschichte als Teil einer größeren Gesamthandlung. Wenn ich mir diese Episode als Element einer Sammlung (Buch?) von Tom-und-Tyras-Stories vorstelle, in der es eben mehr und weniger bombastische Abenteuer gibt, dann ist nichts dran auszusetzen. Und so war es eigentlich auch damals beim Schwarzen Auge.

Grüße vom Holg

 

Hallo Perdita,

Du hast schon Recht, das Ganze ist deutlich brutaler geworden, in gewisser Weise herzloser – was an der Thematik liegen mag. Vielleicht habe ich meine beiden Helden ein bisschen zu heftig agieren lassen in der Schenke, allerdings – was in ‚Der Duft der Toten‘ wunderbar gepasst hat, nämlich ein wenig Wehmut und Gefühl über die Szenerie zu gießen, schien mir bei dieser Thematik, Menschenfresser eben, nicht angebracht. Kurz gesagt: dieses Mal wollte ich Blut sehn, Horror, rohe Gewalt. Ich geb’s gerne zu.
Allerdings muss ich zu meiner Ehrenrettung erwähnen, dass ich mich durchaus gezügelt und auf so Einiges, was ein Splatter-Herz höher hätte schlagen lassen, verzichtet habe.
Ich stimme Dir auch zu, dass ich den reinen Pfad der Logik bei der Schilderung der abartigen Boshaftigkeit der Kannibalen ziemlich aus den Augen verloren habe. Ich wollte eine kranke, bedrohliche Atmosphäre aufbauen und hab dabei die bösen Buben fast karikaturenhaft dargestellt. Die alten Feinschmecker hätten in der Tat mehr Tiefe vertragen, hast Recht.
Mal sehn. Vielleicht widme ich den Typen mal eine eigene Geschichte (Vielleicht aus ihrer eigenen Sicht. Dann wird’s allerdings wirklich krank). Irgendwie schon reizvoll – aber andererseits, bah! Lieber nicht. Ich könnte mir vorstellen, mal was traditionelleres mit Drachen, Flüchen oder dem guten alten Runenzauber zu probieren. ‚Die Nacht der Hundlinge‘ oder ‚Drachensturm‘ oder so …

Das hört sich jetzt nach ganz viel Beschwerde an, deshalb will ich noch mal deutlich sagen - gerne gelesen habe ich es schon. Ich war gespannt, wie es ausgeht, und freue mich auch, wenn es noch mehr Geschichten in diesem Universum von dir gibt. (Übrigens, auch wenn es keine Serie ist, finde ich, du könntest ruhig die anderen Texte in einem Kommentar verlinken, falls jemand die früheren Abenteuer noch nicht kennt.)
Ich will’s versuchen.
Vielleicht hast du jetzt einfach so eine gewisse Frustration von mir abgekriegt, über diesen "Grimdark"-Trend in Fantasygeschichten, den ich langsam so ein bisschen leid werde, und das zielt gar nicht alles auf deine Geschichte ab.
Das macht nichts, kann ich gut verstehn. ‚Grimdark‘ – der Begriff war mir neu. Nennt man das jetzt so? 30% Fantasy plus 70% düsteres Morden?
Immerhin hat die Story dir wohl im Großen und Ganzen doch gefallen:
Ich mag ja dieses Universum sehr, und freue mich immer, wenn eine neue Fantasy-Geschichte von dir auftaucht, wo ich diesen Figuren wieder begegnen kann. Es war gewohnt spannend, souverän geschrieben, und hatte wieder sehr schöne kleine Details, die diese Welt lebendig machen - die Edelsteine aus Bärenhirnen haben mir diesmal besonders gefallen.
Dafür herzlichen Dank!
Auf die Kristalle, die in Bärenhirnen wachsen(!) bin ich auch ein bisschen stolz.

Dein Kommentar, Perdita, ist wie immer, wie soll ich sagen – wertvoll und bei aller Kritik aufmunternd. Danke auch für deine Zeit.

Herzliche Grüße
Harry

 

Hallo Harry,

also ich muss sagen, dass ich enttäuscht bin von der Geschichte. Ich fand es toll, dass du aus deiner Reihe ein neues Abenteuer präsentierst.
Aber beim Lesen fühlte ich mich ein bisschen betrogen. Deine beiden Gestalten beleuchtest du hier kaum. Zum einen ist es vermutlich für EInsteiger in deinen Kosmos recht schwer ein Bild von den beiden zu bekommen, und als jemand, der die Gestalten schon kennt, bringst du keine neuen Facetten dazu.

Dabei ist deine Idee doch eigentlich eine sehr spannende. Die ENtführung, die Kannibalen, die Rettung.
Mit deinen Schnitten zwischen den Episoden, die du erzählst, schneidest du auch einige wichtige Punkte weg, die durchaus für Spannung gesorgt hätten. Will meinen, das geht zu glatt für deine Prots. Die haben einen Auftrag. Und erfüllen ihn. Geschichte zu Ende. Den Kampf, die Action, das Drama - all das kommt nicht vor oder deutlich zu kurz. Und damit meine ich jetzt vordergründig keine Schlachtszenen (obwohl du die durchaus passen würden), es könnten auch Dramen sein, die sich zwischen den beiden ergeben, Missgeschicke, die den Plan gefährden, Unvorhergesehens, das einen oder beide zweifeln lassen, mit ihrer Vergangenheit konfrontieren, oder gegeneinander aufbringt ...
Da sind etliche Möglichkeiten, aber du wählst den schnörkellosen geraden Weg. und das finde ich etwas zu lahm.
Ich finde, da hast du eine zu großartige Welt für angelegt, um das jetzt so einfach weiter zu stricken ...

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Krizzle,

sehr schön, wenn ich genau deinen Geschmack getroffen habe. Du bist schon der zweite, der die Hirnkristalle gut findet. Dann sind wir jetzt zu dritt, denn ich find‘s auch eine gute Idee, alles was recht ist. Die Jagd auf diese Bären wäre eine schöne Grundlage für eine Story. Tom und Tyras bekommen den Auftrag, so ein Monstrum zu erlegen …

Vielleicht bin ich ja gerade total auf dem Holzweg, aber die Wunde im Magen ist doch letztendlich die Todesursache oder? Wenn er also sowieso sterben muss, warum sollte er unsern beiden Söldnern dann den Aufenthaltsort des Jungen verraten? Warum verpasst er den beiden nicht noch Eins, indem er ihnen nichts verrät, während er schon im Sterben liegt? Oder geht es hier eher um "Du wirst qualvoll verrecken, aber wenn du mir sagst, wo der Junge ist, beschere ich dir einen einfachen Tod"?
Nicht das Messer steckt in seinem Bauch, sondern allenfalls übt die Spitze Druck aus. Bedrohlich genug, um den Kerl zum Reden zu bringen, aber nicht tödlich. So hab ich’s jedenfalls gesehen. Vielleich ist ‚bohren‘ da der falsche Ausdruck. Mal seh’n, was andere sagen.
Ich wüsste jetzt auf Anhieb nicht, wie ich das anders formulieren könnte.
Ich würde mir zu deinen Charakteren ein wenig mehr Geschichte wünschen in Form von Anekdoten und kleinen Erinnerungen. So nach dem Motto "Hey, Tyras, schon wieder Kannibalen, weißt du noch damals...?". Du hast wunderbar kleine Details zu deinem Universum eingefügt - dasselbe würde ich mir für deine Protagonisten wünschen bzw für ihre gemeinsame Vergangenheit. Musst du nicht zwingend in die Story schreiben, ich finde es einfach nur wahnsinnig interessant, aber damit mag ich allein dastehen.
Ich habe gelesen, dass du schon andere Texte aus diesem Universum online gestellt hast. Ich weiß jetzt nicht, ob die Protagonisten die Selben sind. Wenn ja, würde ich vermutlich dort meine Anekdoten finden.
Hier zum Beispiel erfährt man, wie sich Tom und der Hundling kennenlernen.http://www.wortkrieger.de/showthread.php?54049-Das-Flo%DF

Die Teile mit dem Jungen kursiv zu schreiben, ist definitiv eine Überlegung wert. Wirklich eine gute Idee.
Die Kannibalen – tja, da bist du auch nicht alleine mit der Forderung nach mehr Tiefe und Background. Ich überlege …
Und ich danke dir auch für deine Korrekturen. Wird erledigt. Für so was bin ich immer dankbar. Elende Schluderei …
Also, noch mal danke für deinen Kommentar und deine Zeit, Krizzle

Schöne Grüße
Harry

 

Hallo Holg,

da hast Du Recht, die Handlung verläuft gradlinig und unkompliziert. Es gibt keine unvorhergesehenen Zwischenfälle, was bei einigen (hoffentlich wenigen) Lesern vielleicht eine gewisse Langeweile aufkommen lässt. Aber beim Schreiben sah ich irgendwie keine Veranlassung, so was einzubauen. Mir schien das alles hinreichend spannend zu sein. Wahrscheinlich bin ich einfach nur zu detailverliebt und auf die Erschaffung der Atmosphäre fixiert gewesen. Eben ein alter Dario Argento Fan, jedenfalls was seine frühen Filme betrifft, ‚Profondo Rosso‘, ‘Suspiria‘, ‚Opera‘ usw. Ich denke, ich werde dieses kleine Abenteuer doch so lassen, wie es ist und bei der nächsten Geschichte ein bisschen mehr Dramatik einfließen lassen. Ich kann solche Kritik schon verstehn. Gut möglich, dass ich, wenn ich die Story in einem halben Jahr noch mal lese, der selben Meinung bin.

Nun komme ich aber auf meinen obigen Punkt zurück: diese Geschichte als Teil einer größeren Gesamthandlung. Wenn ich mir diese Episode als Element einer Sammlung (Buch?) von Tom-und-Tyras-Stories vorstelle, in der es eben mehr und weniger bombastische Abenteuer gibt, dann ist nichts dran auszusetzen. Und so war es eigentlich auch damals beim Schwarzen Auge.
Das ‚Schwarze Auge‘ war mir unbekannt. Habe bei Wiki nachgesehen, es ist also ein Rollenspiel, wie ich jetzt weiß. Da kann ich nichts zu sagen – Rollenspiele: für mich Terra Incognita sozusagen.
Dass Du die Geschichte trotzdem genossen hast,
auch ich habe Deine Geschichte mit Genuss gelesen. Handwerklich makellos, plastische Charaktere, bildhafte Handlung, nette Randbeobachtungen. Die von Perdita angemerkten Logiklücken habe ich offen gesagt glatt überlesen.
freut mich außerordentlich. So ein Lob ist glatt was zum einrahmen. Blödsinn – Fototapete!

Perdita hat mir empfohlen, Links zu den anderen Stories aus diesem Universum reinzustellen. Falls Du (oder sonst jemand) also Lust hast, da mal reinzusehn …
1 http://www.wortkrieger.de/showthread.php?52943-Der-Duft-der-Toten (erster Auftritt v. Tom)
2 http://www.wortkrieger.de/showthread.php?54049-Das-Flo%DF (Tom und Tyras lernen sich kennen)
http://www.wortkrieger.de/showthread.php?54861-Das-Flo%DF-2-(neue-Version) Fortsetzung v. 2

Danke noch mal für deine Rückmeldung, Holg.

Herzliche Grüße

 

Hallo Harry,

Das ‚Schwarze Auge‘ war mir unbekannt. Habe bei Wiki nachgesehen, es ist also ein Rollenspiel, wie ich jetzt weiß. Da kann ich nichts zu sagen – Rollenspiele: für mich Terra Incognita sozusagen.

So wie für mich die frühen Filme von Dario Argento. Da sind wir wohl unterschiedlich sozialisiert, aber wie langweilig wäre es auch sonst? :)

Danke für die Links zu den anderen Geschichten, die werde ich mir baldmöglichst zu Gemüte führen!

Grüße vom Holg...

 

Hallo weltenläufer,

tut mir leid, dass Du enttäuscht oder gar gelangweilt warst.
Ich habe ja schon in meiner Antwort an Holg versucht zu erklären, warum dieses Mal alles so glatt, oder besser gesagt problemlos ablief. Ich gebe zu, hätte ich einen Film gesehn, bei dem die Helden so gar keine Widerstände zu überwinden gehabt hätten, wäre ich womöglich auch unzufrieden gewesen. Je nach Tagesform genieße ich aber auch mal was Gradliniges und erfreue mich an den Details am Rande oder genieße einfach nur die Atmosphäre der Settings.
Dass Tom und der Hundling sich ernsthaft streiten könnten, ist mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen, aber die Idee ist ausgezeichnet und ich ziehe sie für die nächste Geschichte in Erwägung. Auch die weitere Ausarbeitung der Charaktere habe ich wohl vernachlässigt.
Du machst eine Menge guter Vorschläge,

es könnten auch Dramen sein, die sich zwischen den beiden ergeben, Missgeschicke, die den Plan gefährden, Unvorhergesehens, das einen oder beide zweifeln lassen, mit ihrer Vergangenheit konfrontieren, oder gegeneinander aufbringt ...
die allesamt bedenkenswert sind, die allerdings in einer so kurzen Story unterzubringen schwer möglich war. Aber es geht ja weiter und dann werde ich an deinen Kommentar denken, (du bist da ja nicht der Einzige, der was vermisst. Perdita gings ähnlich) und mehr Tiefe, Dramatik und Unerwartetes mit reinpacken.
Danke Dir, Weltenläufer, jedenfalls für deine Kritik. Nur Positives zu hören, bringt einen natürlich auch nicht weiter.

Herzliche Grüße
Harry

 

he harry,

da muss dir nichts leid tun ;)
schön, wenn du meine Anregungen aufnimmst.

ie allesamt bedenkenswert sind, die allerdings in einer so kurzen Story unterzubringen schwer möglich war. /QUOTE]
auf keinen Fall alle aufnehmen. Das wäre dann deutlich überladen. Nein, einen Konflikt sollte es haben. Sonst läuft es eben zu glatt.
Mal sehen, was du da für Zündstoff in deine Fortsetzung bringst.

gründlichst
weltenläufer

 

Hallo harry!

Ich wurde beim Lesen deiner Geschichte immer wieder rausgeworfen. Wie erkläre ich, was ich meine? Du hast "Sprünge" im Handlungsfaden, die Szenen werden (meiner Meinung nach) nicht gut miteinander verknüpft. Ich gebe dir Beispiele:

Allgemein zur Zeichensetzung:
„Na, auf der Jagd gewesen?“ fragte Tom. => Komma hinter die wörtliche Rede (da die Redebegleitung folgt). Den Fehler machst du grundsätzlich (wenn die wörtliche Rede mit einem Satzzeichen endet).

Okay, dann zu meinen Beispielen:

"Beide schimmerten rötlich, und Tyras atmete geräuschvoll aus.
„Senker! Meine Güte, damit könnte man…“ Er berührte sie zaghaft mit den Fingerspitzen. Senker, oder Rosensteine, wie sie auch genannt wurden, wuchsen in den Hirnen der großen Felsenbären des Rhu’wan-Gebirges wie Perlen in einer Muschel. Der große Stein musste im Schädel eines wahrhaft gigantischen Tiers herangereift sein. Tom erinnerte sich"
=> Letzter, der was tut, ist Tyras. Dann: "er", das muss folglich Tyras sein, aber dann erinnert sich Tom, ohne dass ein Zeilenumbruch erfolgt war. Wer also sagt: "Senker ...", wer ist "er"?
=> Und ein Leerzeichen vor die drei Pünktchen ...

"Solltet ihr mir mein Kind und die Steine zurückbringen"
=> Ich dachte, der kleine Stein wäre die Bezahlung an Tom und Tyras? Müsste also eher heißen: "und den großen Stein", nicht "Steine".

"Vor der Fährstation standen an die zwanzig Männer mit Bierkrügen und Pfeifen in den Händen"
=> Und? Was haben die für eine Relevanz?
Du springst gleich weiter in "die Schenke". Wo ist die? Direkt am Anleger? Wir groß ist diese Fährstation, was soll ich mir darunter vorstellen? Nur einen einfachen hölzernen Anleger? Oder einen Ort von Kleinstadtgröße?
Und was haben die zwanzig Männer getan, die da rumstanden, als Tom und der Hundling ankamen?

"Die Schenke war leer."
=> Bis auf einen Mann, seine zwei Kumpane, Tom und den Hundling. "Leer" ist was anderes.

"Die Gäste hatten anscheinend beim Anblick der angsteinflößenden Gestalten den Schankraum verlassen"
=> Soll ich daraus schlussfolgern, dass dem Mann und seinen Kumpanen die Schenke gehört? (Die "Gäste" sind alle weg.)
=> Allgemein: die Perspektive hier: Wessen Sicht ist das? Jemand muss genau wissen, dass vorher Gäste da waren, aber nicht genau wissen ("anscheinend"), weshalb sie die Schenke verlassen haben.
=> Und wer sieht "angsteinflößend" aus? Der Mann und seine Kumpane oder Tom und der Hundling? Oder alle? An dieser Stelle fällt auf, dass du nirgends beschrieben hast, wie die aussehen.
"um ihr Bier lieber in der sengenden Sonne zu trinken" => Ach, das waren die Männer von der Fährstation? Dafür musste ich aber in einer Doppelschleife denken! Wenn du gleich geschrieben hättest, dass sich die Schenke in unmittelbarer Nähe des Anlegers befindet ... Dann hätten wir: keine Reaktion der Männer auf Tom und Tyras, also müssten die anderen drei "angsteinflößend" sein. Daraus müsste ich dann folgern, dass der Mann nicht Besitzer der Schenke ist (weil sonst nie Gäste da wären) ... => Ist immer noch nicht richtig klar, sorry.

„Und das sollen wir euch glauben?“ sagte Tyras.
=> Er fragt, genaugenommen.

"Wenige Sekunden später lagen zwei der Männer mit gespaltenen Schädeln auf dem Boden."
=> Wie jetzt? Warum verrätst du dem Leser nicht, wie das geschehen ist? Wie machen Tom und Tyras das? Oder war das göttliche Intervention? Oder ...?

"Es bedurfte keiner besonderen Überredungskunst, ihn zur Preisgabe des Ortes zu bewegen,"
=> Und warum nicht? Ist das in deinem Universum grundsätzlich so? Im Angesicht des Todes verrät ein Sterbender noch alles, was andere gerade wissen wollen?

"Tyras warf dem Wirt, der sich zitternd hinter der Theke verkrochen hatte"
=> Die Schenke war doch leer! Wer ist denn da noch alles? Ein kaiserliches Regiment?

"Mit diesen Worten stiess er dem dritten Strolch seinen Dolch in den Leib"
=> Da ist der Dolch doch schon! (Die Spitze im Magen.) PS: "Mal seh’n, was andere sagen." => Ich sage: Umformulieren. "Ich wüsste jetzt auf Anhieb nicht, wie ich das anders formulieren könnte." => Was du zu meinen scheinst, ist, dass er mit dem Dolch dem Mann am Bauch kitzelt. Dann ist aber um so unverständlicher, dass der Mann "ohne besondere Überredungskunst" zum Reden gebracht wird.
=> Und "stieß" mit ß.

"Die Teile mit dem Jungen kursiv zu schreiben, ist definitiv eine Überlegung wert. Wirklich eine gute Idee."
=> Dem stimme ich zu.

So, genug der Beispiele.
Mein Fazit: Mir fehlt da der Feinschliff.

Grüße,
Chris

 

Hallo zusammen,

man kann ja von den vermeintlich fehlenden Details in dieser Geschichte halten, was man will. (Ich hatte ja schon angemerkt, dass ich diese Kleinigkeiten weitestgehend überlesen habe. Ich toleriere sowas, wenn mich der Handlungsverlauf hinreichend fesselt.) Aber ich verstehe beim besten Willen nicht, warum jetzt schon mehrere Leute Probleme mit dieser Szene hatten:

Wenige Sekunden später lagen zwei der Männer mit gespaltenen Schädeln auf dem Boden. Der dritte starrte auf Tyras‘ Klinge, deren Spitze sich in seinen Magen bohrte. Es bedurfte keiner besonderen Überredungskunst, ihn zur Preisgabe des Ortes zu bewegen, an dem man Agars Sohn gefangen hielt.

Meine Lesart: Tom und Tyras haben die ersten beiden Männer erschlagen. Dem dritten piekst Tyras drohend mit dem Dolch in den Bauch. Der gibt die verlangten Informationen preis in der Hoffnung, sein Leben zu retten. Leider hofft er vergebens, weil Tyras ihn anschließend trotzdem ersticht.

Mal unabhängig von der moralischen Frage, ob Tyras den Mann hätte leben lassen sollen, scheint mir der Ablauf dieser Szene nun wirklich völlig klar und logisch.

Grüße vom Holg...

 
Zuletzt bearbeitet:

offshore schrieb:
Nicht, dass ich mich für einen extrem unflexiblen Leser halte, aber gewissen literarischen Genres stand ich über Jahrzehnte mit ziemlicher Skepsis gegenüber und las sie dementsprechend selten. Na ja, eigentlich gar nicht. Insbesondere Horror und Fantasy gingen mir schlicht am Arsch vorbei. Leuten wie dir und deinesgleichen hier im Forum gelingt es nun allerdings, meinen Widerstand ins Wanken zu bringen und mich immer öfter in Geschichten zu locken, nach deren Lektüre ich mich beschämt fragen muss, ob es, abgesehen von Vorurteilen, eigentlich einen triftigen Grund für meine langjährige Verweigerungshaltung gibt.

Erinnerst du dich, Harry? Das schrieb ich unter deiner großartigen Geschichte „Der Duft der Toten“. Und auch die Folgegeschichte „Das Floß“ gefiel mir wirklich gut. (Auch wenn ich beim Lesen damals nicht mitkriegte, dass es sich beim Protagonisten Tom um denselben Tom handelte, der schon in der anderen Geschichte vorkam, ja, dass eigentlich beide Geschichten in derselben von dir ausgedachten Phantasiewelt spielen.)
Bei der neuen Story nun taucht zu Beginn nicht nur Tom, sondern auch der Hundling wieder auf, ich wusste diesmal also gleich, in welchem Kosmos ich mich befand, und da meine Skepsis gegenüber Fantasy-Kram - wenn sie auch noch lange nicht verschwunden ist - mich zumindest nicht mehr vom Lesen abhält, hab ich halt weitergelesen. Noch dazu, weil du ja wirklich ein Garant für gute Texte bist. Und was deine Erzählsprache betrifft, hab ich auch hier nichts auszusetzen, die ist, wie ich’s von dir gewohnt bin, einfach gut, sehr wortgewandt und sehr bildhaft.

Aber… tja, jetzt kommt mein großes Aber …
Also wenn man so wie ich mit diesen ganzen einschlägigen Fantasy-Versatzstücken (Kristalle aus den Gehirnen von Riesenbären; Dromgolls; Hundewesen, die auf zwei Beinen laufen und sprechen können; die Figuren vermutlich kostümiert als so eine Art Crossover aus mittelalterlichen Haudraufs und Mad Max; Eigennamen mit unaussprechlicher Konsonantenfolge und mit mindestens einem Apostroph drin, usw.) nicht wirklich was anfangen kann, sie quasi mit einem Achselzucken zur Kenntnis nimmt, wenn man also diesem bizarren Setting nichts abgewinnen kann, ja, was bleibt dann? Na ja, der Plot. Und wenn ich jetzt mal versuche, mir den Plot ohne den ganzen Schnickschnack drum herum vorzustellen, also in einem realistischen Ambiente sozusagen, dann haut mich der ehrlich gesagt auch nicht gerade aus den Schuhen:
Zwei Typen werden von einem dritten Typen engagiert, dessen entführten Sohn zu befreien, bzw. Lösegeld zu überbringen. Drei der Entführer, ein Haufen Irrer mit nicht gerade sozialverträglichen Verhaltensweisen, versuchen erstmal, die zwei Typen zu verarschen und werden kurzerhand abgemurkst. Daraufhin befreien die beiden den Sohn. („Es gab kein Schloss und keinen Riegel, und das Tor zu öffnen, war eine Sache von wenigen Sekunden, nullo Problemo.“) Sie bringen ihn zurück zu Papa und Papa freut sich.
Wie soll ich sagen, Harry, für einen Actionreißer ist mir in der Story zu wenig Action, und für eine anspruchsvolle Spannungsgeschichte fehlt es mir an Figurenzeichnung, an origineller Interaktion der Figuren, vor allem der beiden Hauptfiguren. Die wenigen Worte, die sie wechseln, sind ja beinahe ausschließlich Kommentare zur Handlung.
Und vollends enttäuscht war ich vom für mich überraschend abrupten (und zahnlosen) Ende:

„Ich finde den Kerl“, stieß Tyras aus und bevor Tom etwas sagen konnte, war der Hundling verschwunden. Nur wenige Minuten später kehrte er zurück. Er zog das Tor der Scheune zu und warf Tom den Schlüssel zu. [besser z.B.: Er schloss das Tor und warf…zu.] An seinem Gürtel baumelte ein Sack aus grobem Hanf.
Mal abgesehen davon, dass es mich interessiert hätte, wie der Hundling es schafft, einen Typen zu finden, von dem er nicht einmal weiß, wie er aussieht, erwartete ich mir an der Stelle, dass es jetzt erst so richtig losgeht mit … hm, ja mit was eigentlich? Na ja, mit Action vielleicht, mit einer Flucht z.B., die sich unheimlich schwierig gestaltet, oder, um Begriffe aus der „Theorie des Kurzgeschichtenschreibens“ zu bemühen, mit einem Konflikt, mit einem Twist.
Aber nix Konflikt, nix Twist:

Agar umarmte seinen Sohn

Tja. das war’s. Der Sohn ist gerettet und wird erst mal in die Badewanne gesteckt und die Geschichte ist aus. Hm.

„Was für einen Schlüssel?“ unterbrach ihn sein Vater. „Ich glaube, es gibt eine Menge, was ich wissen möchte, aber du, mein Sohn, gehörst jetzt erst mal unter Deck in einen Zuber mit heißem Wasser und dann lässt du dir einen sauberen Verband anlegen.“
Mann, was für ein liebevoller Vater. (Um nicht zu sagen, was für eine missgückte Dialogregie. Hätte ich meine Söhne jedesmal, wenn sie mit einer aufgeschlagenen Lippe oder einem blutigen Knie nach Hause gekommen sind, mit solchen Worten empfangen, wären sie wohl schon längst mit einem Wanderzirkus abgehauen. Oder gar zur Fremdenlegion gegangen. Und hier reden wir immerhin von einem abgesäbelten Daumenballen.)

Er bückte sich, öffnete den Sack, und starrte hinein.
In dem weit aufgerissenen Rachen des Menschenfressers steckte, eingewickelt in ein Stück Leinen, etwas rötlich Glitzerndes.
Wieso steckt nicht einfach nur der Kristall im Rachen? Dann bräuchte ich mich als Leser nicht fragen, ob Agar eventuell auch magische Kräfte besitzt und durch das Leinen hindurchschauen kann.

Tja, Harry, du hast es eh schon gemerkt, diesmal konntest du mich nicht begeistern. Und ich hab lange überlegt, ob ich mich zu dieser Geschichte überhaupt äußern soll. Ich sehe ja an den Kommentaren der anderen, dass dir für Freunde des Genres hier was durchaus Lesenswertes gelungen ist.
Ich bin einfach der falsche Leser fur so was, glaub ich. Im Grunde komm ich mir ein bisschen vor wie ein Vegetarier, der in ein Steakhouse geht und sich dann beschwert, dass es ihm nicht geschmeckt hat. Warum ich jetzt trotzdem kommentiere? Na ja, ich wollte dir zumindest sagen, dass ich’s toll finde, wie du schreibst, auch wenn ich mit dem, was du schreibst, ausnahmsweise mal nix anfangen konnte.
Und nein, du brauchst mich diesmal gar nicht fragen, ob ich nicht Lust hätte, auch einmal so einen Fantasy-Beuschelreißer zu schreiben. Vergiss es.


offshore


PS
Mein Kommentar war übrigens schon fertig, bevor ich das hier unter "Cassandroid" gelesen habe:

harrytherobot schrieb:
Ernst, dein zweiter Vorname sei hinfort: Petze!
Also nicht, dass du glaubst, das wäre jetzt eine billige Retourkutsche. :D

 

Hallo harry und @The Incredible Holg!

Zu holgs Anmerkung:

"Aber ich verstehe beim besten Willen nicht, warum jetzt schon mehrere Leute Probleme mit dieser Szene hatten:"
"Wenige Sekunden später lagen zwei der Männer mit gespaltenen Schädeln auf dem Boden. Der dritte starrte auf Tyras‘ Klinge, deren Spitze sich in seinen Magen bohrte. Es bedurfte keiner besonderen Überredungskunst, ihn zur Preisgabe des Ortes zu bewegen, an dem man Agars Sohn gefangen hielt."
=> Ich weiß nicht, wie die anderen es sehen, ich lese nur, was da geschrieben steht.

Holgs Lesart: "Tom und Tyras haben die ersten beiden Männer erschlagen"
=> Das steht aber nicht im Text. Wer sie erschlagen hat, meine ich. War es Tom? War es Tyras? Oder wer anders? Im Text sieht man nur das Endergebnis, nicht, wie es dazu gekommen ist. (Harry bräuchte den Satz nur ein ganz klein wenig umzuschreiben, um die Sache klar zu machen. Und es wäre erheblich mehr Action drin, wenn die Szene ausgeschrieben wäre.)

Holgs Lesart: "Dem dritten piekst Tyras drohend mit dem Dolch in den Bauch."
=> Dolch im Bauch? Ja. Aber ich lese: "deren Spitze sich in seinen Magen bohrte". Im Magen, also in den Eingeweiden. Das ist keine Drohung mehr, sondern bereits eine schwerwiegende Verletzung.

Holgs Lesart: "Der gibt die verlangten Informationen preis in der Hoffnung, sein Leben zu retten."
=> Wenn er bereits tödlich verletzt ist, fällt diese Hofnung weg. Und ohnehin, warum sollte/dürfte er darauf hoffen, dass Tyras ihn verschont? Im Text ist dazu keine Andeutung zu finden. (Auch hier sehe ich viel verschenktes Potential.)

Nun klarer, Holg, warum mir die Szene nicht "wirklich völlig klar und logisch" ist?

Grüße,
Chris

 

hallo Chris,

nur ganz kurz, ich hab gerade nicht viel Zeit. Genau heisst es hier

Der Hundling sah Tom fragend an. Der nickte unmerklich.
Wenige Sekunden später lagen zwei der Männer mit gespaltenen Schädeln auf dem Boden. Der dritte starrte auf Tyras‘ Klinge, deren Spitze sich in seinen Magen bohrte.
Der Hundling hat also, so seh ich es, auf Toms Nicken hin blitzschnell beide Bösewichter plattgemacht und bohrt sein Kartoffelmesser dem Dritten in den Magen. Natürlich nicht ins Fleisch. So viel Intelligenz kann man dem Hundling schon zutrauen, dass er den Kerl nicht so schwer verletzt, dass der womöglich gar nichts mehr sagen kann, oder die Hoffnung, mit dem Leben davonzukommen, ganz fahren lässt.

Die anderen Kommentare werde ich in Kürze beantworten. Ein bisschen Geduld bitte.

Schöne Grüße
Harry

 

Hallo Chris,

Ich weiß nicht, wie die anderen es sehen, ich lese nur, was da geschrieben steht.

Ja, da liegt wohl der Hase im Pfeffer. Aber in vielen guten Geschichten steht eben auch eine Menge zwischen den Zeilen. Ganz konkret:

Wenige Sekunden später lagen zwei der Männer mit gespaltenen Schädeln auf dem Boden.

Da steht nicht nur, dass zu einem Zeitpunkt T (mit T[SUB]0[/SUB] + 2 sec <= T <= T[SUB]0[/SUB] + 5 sec) zwei Männer mit gespaltenen Schädeln auf dem Boden lagen. Da steht auch, dass das ganz schnell ging. Und zwar ohne dass Harry geschrieben hätte: "Es ging alles ganz schnell." Womöglich ging es sogar so schnell, dass die anderen Anwesenden (und natürlich auch die beiden Leidtragenden) kaum mitbekommen haben, wie es genau passierte. Oder ob es nun Tom oder Tyras oder beide zusammen waren. Da kann man sich doch richtig vorstellen, wie ein Zeuge das später weitererzählt: "Ich hab einmal kurz geblinzelt, und da lagen die zwei schon tot da!" All das vermittelt Harry mit diesem kurzen Satz.

Wenn ich mir vorstellen, Harry hätte geschrieben: "Blitzschnell zog Tyras sein Schwert und hieb es zuerst dem Linken in den Schädel. Noch ehe der Rechte reagieren konnte, hatte der Hundling erneut ausgeholt und auch ihm dem Kopf gespalten. Nach nur wenigen Sekunden lagen beide am Boden." Wie lahm wäre das denn? Wo bleibt denn da die Einbeziehung des Lesers, die Möglichkeit, mitzudenken und eine eigene Vorstellung des Geschehens zu entwickeln? Gar nicht zu reden davon, dass auch dann noch jemand Details vermissen könnte: Sind die beiden denn jetzt tot, oder leben die noch mit ihren gespaltenen Schädeln? Sind die richtig in zwei Teile geteilt oder nur eingekerbt? Längs oder quer? Steht ja alles nicht da.

Klar bleiben da Details der Spekulation überlassen. Ich habe z.B. angenommen, Tom und Tyras hätten je einen der Kerle übernommen. Harrys eigene Vorstellung war, dass Tyras allein beide erledigt hat. Also habe ich etwas "Falsches" gedacht, weil Harry es nicht explizit geschrieben hat. Aber ist das schlimm? Nicht die Bohne! Das wäre es höchstens, wenn es für den weiteren Handlungsverlauf wichtig geworden wäre, z.B. weil sich jemand dafür an Tyras rächen wollte, nicht aber an Tom. Aber wenn es so bedeutsam wäre, hätte Harry es sicher klarer gemacht.

Übrigens finde ich keineswegs, dass mehr Action drin ist, nur weil es expliziter ist. Da die Action letztlich sowieso nie auf dem Papier (oder Bildschirm) stehen kann, sondern im Kopf entstehen muss, scheint es mir im Gegenteil hilfreich, den Kopf des Lesers auch ein bisschen in Gang zu halten. Und wenn das Lesen um ein Mehrfaches länger dauert als die Handlung, ist das meistens (nicht immer) ein schlechtes Zeichen.

Aber ich lese: "deren Spitze sich in seinen Magen bohrte". Im Magen, also in den Eingeweiden. Das ist keine Drohung mehr, sondern bereits eine schwerwiegende Verletzung.

Wie ich an anderer Stelle kürzlich angemerkt habe, betreibe ich mein bisschen Schreiberei ja nicht sehr wissenschaftlich. Aber schlag doch mal auf Wikipedia Begriffe wie "Metonymie" oder "Synekdoche" nach. Hinter diesen hochtrabenden Begriffen verbergen sich Redefiguren, die jeder von uns immer wieder ganz selbstverständlich benutzt.

"Magen" für "Bauch" gehört auch dazu. Wenn Dir jemand seine Faust in den Magen rammt, durchstößt er dann auch Deine Haut und verätzt sich die Finger an Deinem Magensaft? Wohl eher nicht.

Zugegebenermaßen ist die Gefahr eines Missverständnisses etwas größer, wenn es sich wie hier um einen Dolch handelt und nicht um eine Faust. Aber der Satz steht ja nicht alleine da, sondern hat einen Kontext.

Holgs Lesart: "Der gibt die verlangten Informationen preis in der Hoffnung, sein Leben zu retten."
=> Wenn er bereits tödlich verletzt ist, fällt diese Hofnung weg.

ist ==> wäre
fällt ==> fiele
:)

Und ohnehin, warum sollte/dürfte er darauf hoffen, dass Tyras ihn verschont? Im Text ist dazu keine Andeutung zu finden.

Wenn Dir jemand eine Knarre an den Kopf hält, während er Dich etwas fragt, und wenn der vorher schon zwei Deiner Kumpels abgeknallt hat - verrätst Du ihm dann nicht alles, was er wissen will? Oder sagst Du "mir doch egal" und lässt Dich auch noch abmurksen? Ich glaube, die Warum-Frage stellt sich hier nicht ernsthaft. Und ganz bestimmt braucht man sie in der Story nicht auszudiskutieren.

Nun klarer, Holg, warum mir die Szene nicht "wirklich völlig klar und logisch" ist?

Verstanden, was Du sagen wolltest, habe ich schon beim ersten Mal. Nachempfinden, warum Du das so siehst, kann ich allerdings immer noch nicht.

Grüße vom Holg...

 

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