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Massenhaltung
Es war kurz vor Mitternacht, als Professor Brorér, leicht verschlafen und schlecht gelaunt, den einsamen Gebäudetrakt betrat.
Fütterungszeit, dachte er missmutig und gab den Code in ein Zahlenschloss ein. Es klackte leise und sanft schwang die Tür auf. Er ging in sein Büro und knipste das Licht an.
Gregor sollte schon hier sein und auf ihn warten. Eigentlich müsste alles vorbereitet sein, damit der Akt der Fütterung, der immer wieder recht gefährlich war, möglichst rasch beendet wurde. Aber Gregor war nicht da, das Büro war verwaist, die Anlage, mit der das Vieh durch die Käfige geleitet wurde, war nicht bestückt und überhaupt war es hundekalt hier.
Er trat an seinen Schreibtisch, zog einen Schlüssel aus seiner Westentasche und öffnete damit eine Schublade. Dort heraus holte er einen anderen Schlüssel und verstaute ihn in eine andere Tasche seiner Weste.
Neben seinem Büro lag der Flur, der als Zugang diente zu der Halle. Es half nichts, wenn Gregor nicht kam, würde er allein anfangen müssen.
Das kalt flackernde Neonlicht auf dem Flur machte ihm immer wieder zu schaffen. Und das Brüllen der Blutsauger. Nachts, natürlich, zur Fütterungszeit, war es am schlimmsten. Es war ihre aktive Zeit, sie waren kaum zu bändigen. Am Tage hingegen waren sie ruhig und träge, meist schliefen sie, so dass sie bequem zu melken waren.
Er ging den Flur entlang und neben dem Klappern seiner Schuhe waren die Schreie der wütenden Vampire das beherrschende Geräusch. Selbst hier, hinter hunderter Mauern.
In seinem heute schon als Standardwerk geltenden Buch „Der Vampir – in Freiheit und Haltung“ hatte er überzeugend dargelegt, dass der Blutsauger in Gefangenschaft zwangsläufig aggressiver und noch lebhafter werden musste, als er ohnehin schon war. Lege einen Vampir in Ketten, hatte er ausgeführt, und er wird nicht ruhen können, außer bei Sonnenlicht.
Damals, im Jahre 06, als er schlüssig nachweisen konnte, dass der Vampirismus, der seit Jahrhunderten schon durch das Volkstümliche geisterte, eine Stoffwechselkrankheit war, die den Menschen vollständig veränderte und von seinem Selbst entfremdete, verlor die Wissenschaft schlagartig die Scheu vor diesem Thema und jeder Pimpf nannte sich fortan Forscher und stellte Studien hierzu an. Ein wahrer Boom war ausgelöst worden und immer mehr Exemplare dieser Spezies wurden aufgespürt und viele von ihnen gefangen.
Er öffnete die Tür zu den Ställen. Alles ruhig hier, das Vieh stand im Dunkeln und wartete auf den Beginn der Zeremonie. Er konnte nicht allein beginnen, Gregor musste ihm helfen. Also würde er den Routinerundgang ohne seinen Assistenten erledigen.
Er holte sich einen Kittel und ein Klemmbrett aus dem Spind neben dem Eingang zur Halle. Waschen half bei dem Kleidungsstück nicht mehr, die Blutflecken hatten sich regelrecht eingebrannt in den Stoff, sie würden nie mehr verschwinden.
Mit dem Kittel als Schutz wagte er es, hineinzugehen. In dem Moment, in dem er die schwere Stahltüre öffnete, fiel der Lärm wie eine Welle über ihn her. Brorér schätzte, dass sich so der Dschungel anhören musste, wenn er sich in Aufruhr befand. Kreischen, Jaulen, Krächzen, Schreien – aus allen Richtungen drang der Lärm. Dazwischen immer wieder Kettenrasseln und Eisengeklirr.
Als er die Tür öffnete und das Licht anschaltete, erstarb das Spektakel, nur um kurz danach mit neuerlicher Macht und umso bösartiger loszubrechen.
Diesen Gestalten hier hatte Brorér sein halbes Leben und seine gesamten Forschungen gewidmet, er hatte sich ihnen verschrieben und nun wollte er durch sie reich werden.
Er hielt in dieser Halle etwa zweihundert Vampire, mal mehr, mal waren es weniger. Schnell starb einer weg, die Geschichte von der Unsterblichkeit der Blutsauger war ein Ammenmärchen, sie waren im Gegenteil sogar weit weniger widerstandsfähig als gesunde Menschen. Nachschub zu bekommen war nicht so einfach, die wenigen Exemplare, die aufgefunden wurden, waren teuer und selten. Jeder wollte sie melken. Man konnte natürlich versuchen, eine eigene Zucht zu eröffnen, die Krankheit war vererbbar, aber das war verdammt langwierig und niemand gab eine Garantie für den Erfolg.
Er war an den Lärm gewöhnt. Als er durch ihre Reihen ging, gelang es ihm, seine Aufmerksamkeit auf die einzelnen Individuen zu richten.
Sie waren zweifach gesichert. Jedes war einzeln in einem Käfig untergebracht und dazu mittels Handfesseln und Ketten an die jeweiligen Wände arretiert. So wurden sie untergebracht, gleich nach ihrer Ankunft und erst wenn sie starben – die guten hielten bis zu zwei Jahre durch – wurden sie wieder losgeeist. In der Zwischenzeit, so hoffte er, hatten sie ihr Soll erfüllt, ihre Kosten eingefahren und ein hübsches Sümmchen dazugebracht.
Er blieb vor einer der Kreaturen stehen. Während seine Artgenossen neben Brüllen und Schreien auch damit zu tun hatten, an ihren Fesseln zu zerren und sich ohne Unterlass hin- und herzuwerfen, hing dieser hier erbarmungswürdig an der Erde. Wäre er ein Mensch gewesen, Brorér hätte Mitleid mit ihm gehabt. Als er vor dem Käfig stand, öffnete die Gestalt langsam die Augen. Früher war es eine Frau gewesen, vor Ausbruch der Krankheit, wahrscheinlich eine hübsche dazu. Jetzt jedoch – er schaute auf die Kennkarte an ihrem Gitter, sie war seit zehn Monaten hier – war sie dürr bis auf die Knochen, die Haut spannte sich gelb über die Gelenke und ihr Haar war struppig und ganze Büschel waren ausgerissen und lagen verstreut auf dem Boden herum. Mit Mühe hielt sie ihre Augen geöffnet, blickte Brorér an und knurrte leise.
Er würde sich drum kümmern müssen, diese hier machte nicht mehr lange. Also schrieb er sich eine Notiz und ging weiter.
Die Forschung an den Vampiren war etwa fünf Jahre angesagt, danach erlahmte das allgemeine Interesse, man akzeptierte die Fakten und sah ein, dass diese Krankheit offensichtlich in die Akte „unheilbar“ abgelegt werden müsste. Also beschränkte man sich auf Schadensbegrenzung und führte die Kasernierung der Blutsauger ein
Professor Brorér aber forschte weiter. Er hatte sich einen Namen gemacht als Wissenschaftler und Vampirjäger, doch das sollte es noch nicht sein. Er wollte mehr.
R2H13 nannte er die Substanz, die er aus der Niere eines in Gefangenschaft gehaltenen Vampirs extrahieren konnte. Bei einem gesunden Menschen wurde dieses Enzym nicht produziert, also musste es etwas mit der Krankheit unmittelbar zu tun haben.
Er forschte mit diesem Stoff weiter und intensiver; er war sich sicher, etwas Wichtiges gefunden zu haben und mit R2H13 etwas Großes an der Angel zu haben. Dass diese Substanz nur vier Monate später die Partydroge Nummer eins werden würde, damit allerdings hatte er kein Stück gerechnet. Da das Rauschmittel keinerlei Nebenwirkungen zeigte und noch dazu nicht süchtig machte, konnte er sie legal verkaufen und fand reißenden Absatz.
Während er durch die Gänge schlenderte und sich vom Rechen überzeugte, ließ er das Klemmbrett am Gitter entlang rattern. Das machte die Biester noch zusätzlich wütend und sie verausgabten sich und pumpten sich leer in ihrer Raserei. Man musste schließlich an die Melkung denken. Es kam vor, dass einer von den Blutsaugern trotz Tageslicht zur Besinnung kam und das konnte dann für den Melker wirklich unangenehm werden. Und da nur Gregor und er selbst in diesem, seinem Unternehmen arbeiteten, abgesehen von Fernand, den er erst vor Kurzem eingestellt hatte, bestand die Möglichkeit, dass solch ein ungeplanter Angriff eines Vampirs auch ihn selbst traf. Fernand, der erst allmählich sein Vertrauen erarbeitete, zählte noch nicht zu hundert Prozent dazu, wenigstens für den Melkprozess konnte er nicht eingesetzt werden.
Die Tür ging. Inmitten des chaotischen Lärms, dieses infernalischen durch zweihundert Teufelskehlen – pardon, einhundertneunundneunzig – hervorgerufenen Gejaules, ein Geräusch, das vertraut klang und wunderbar normal.
Gregor trat ein, abgehetzt und wie immer schlecht gekleidet. Kurz blickte er suchend umher und als er den Professor entdeckt hatte, kam er erleichtert auf ihn zu. Er beachtete die Blutsauger nicht.
„Gregor!“, mahnte Professor Brorér streng. „Was ist das nun wieder? Du bist nicht nur schlampig in deiner Arbeit, du verrichtest sie auch immer unpünktlicher.“
Der Kerl rechtfertigte sich nicht einmal. Er eilte mit einem „’n Abend, Professor!“ an ihm vorbei, wobei sein schmutziger Kittel hinter ihm herwehte wie ein verdreckter Wimpel. Er ging sofort an seine Arbeit – er bestückte die Fütterungsmaschine.
Die Käfige der Blutsauger waren zu viert so angeordnet, das in deren Mitte jeweils von allen vieren bequem erreichbar, ein Förderband lief. Zur Fütterungszeit nun wurde das Band mit lebendem Vieh bestückt und so deponiert, dass die Nahrung an ihrem vorbedachten Platz inmitten einer jeden Vierergruppe platziert wurde. Nachdem durch ein Mechanismus ein Teil des Gatters der Käfig beiseite gerollt wurden, konnten die Vampire dann im Quartett vom Opfer trinken und oft, sehr oft steigerten sie sich in einen solchen Blutrausch, dass sie das Tier töteten und zerrissen.
Zwei Monate schon benutzten sie Schweine um den Blutdurst der Geschöpfe zu stillen, die hatten sich bewährt und waren nicht so teuer wie in der Beschaffung wie Rinder.
Einem Vampir Menschen als Nahrung zuzuführen war per Gesetz verboten.
Die Schweine hinten begannen Krach zu machen, sie fühlten dass es an ihr Leben ging.
Brorér eilte hinter seinem Assistenten her und half ihm, die Tiere zu befestigen. Und zwischen Speck und Borsten versuchte er, mit ihm ins Gespräch zu kommen.
„So kann das nicht weitergehen“, rief er, während er ein Tier zu packen kriegte. „Ewig diese Schlampereien.“
Gregor antwortete nicht, er hatte mit einem Schwein zu tun, das sich besonders hartnäckig wehrte.
„Wenn wir wirklich die Besten auf dem Markt sein wollen, dann müssen wir vernünftig arbeiten.“
„Wir sind die Besten“, erwiderte Gregor und setzte die Maschine in Gang.
Die Schweine quiekten erbärmlich und die Vampire brüllten und kreischten – so stellte man sich die Hölle vor.
Als dann endlich die Motoren dröhnten, die das Band bewegten, gingen sie gemeinsam zurück in die Halle und mischten sich unter das blutsaugende Getier. Gregor übernahm die feierliche Handlung – er öffnete die Gatter.
Es war immer wieder ein Erlebnis zu beobachten, wie, je weiter sich das Band mit der köstlichen Fracht schob, es immer stiller wurde, andächtiger, nur gestört vom gierigen Schmatzen der Bestien und dem jammervollen Gestöhn der Opfertiere.
Sie durchschritten die Gänge, Gregor vorneweg und der Professor mit auf dem Rücken verschränkten Armen hinterdrein, und während sie nach dem Rechten schauten, konnte sich Brorér einen Anflug von Stolz auf das von ihm Geschaffenen nicht verkneifen.
Da saßen sie, alles seine Kinder, zerrten an ihren Fesseln und gruben ihre Zähne in die harte Haut des Viehs, bohrten sie durch die Schwarte um an das Blut zu gelangen, den Saft, der sie am Leben hielt und zu dem machte, was sie letztlich waren.
In Zeiten vor Brorérs Entdeckung, als Untote Legenden waren und man sich im Dunkeln über sie unterhielt, lebten die Vampire im Untergrund. Sie wurden größtenteils nicht wahrgenommen. Man tabuisierte ihre Existenz und sicherte ihnen dadurch das Überleben.
„Gregor, wir müssen uns unterhalten!“
Die Schweine gaben es auf, sich zu beklagen. Und so war die Atmosphäre der Halle erfüllt vom Schmatzen und Saugen der Barbaren.
Sein Assistent tat geschäftig an einem der Gitter, nutzte die Zeit, in der die Aufmerksamkeit der Meute einzig ihren Opfern galt, um hier etwas zu richten, dort etwas zu überprüfen.
„Gregor!“ Der scharfe Tonfall ließ ihn herumschnellen.
„Chef?“
„Was ist los mit dir? Du bist unaufmerksam, man kann sich nicht auf dich verlassen. Dass du heute zu spät kamst, war nicht das erste Mal, du bist, auch wenn du hier in der Halle arbeitest, immer ein wenig abwesend. Was bewegt dich?“
„Gar nichts, Chef“, antwortete er nur und lief an Brorér vorüber zu der kranken Vampirin, die jetzt reglos am Boden lag und nicht mehr versuchte, die Augen zu öffnen.
„Können...können wir nicht etwas für sie tun?“, fragte er kläglich.
„Ja, ja natürlich.“ Dem Professor leuchtete ein, dass etwas geschehen musste. „Gleich nach der Fütterung räumen wir sie fort.“
„Aber wir müssen ihr helfen!“
Entgeistert schaute er Gregor an. Sein Assistent stand mit dem Klemmbrett in der Hand vor ihm und seine Augenlider flatterten.
„Wie meinst du das: Du willst ihr helfen? Sie ist ein Vampir.“
„Aber sie leidet!“ Gregor schien ebenso hilflos wie die röchelnde Frau am Boden. „Wenn wir ihr jetzt helfen, dann kann sie es schaffen. Sie kann überleben.“
„Aber Gregor, mach dich nicht lächerlich! Auch wenn sie genesen wird, wenn sie mit ihrem jämmerlichen Leben davonkommt, so ist sie für uns doch vollkommen wertlos. Sie wird nie wieder vollwertige Substanz produzieren können, das weißt du. Sie wird unnütz sein.“
Gregor erwiderte nichts, er blickte nur abwechselnd mit großen Augen vom Professor zu der Kreatur und wieder zurück.
„Was ist los mit dir, Gregor? Woher diese plötzlichen Zweifel? Du weißt, wir wollen die Besten sein.“
Der Assistent klappte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch er kam nicht dazu. Ein Höllenlärm brach wieder los, gleich in der Nachbarschaft. Ein Schwein quiekte und vier Blutsauger brüllten vor Enttäuschung.
„Oh Gregor, was hast du getan!“
Ein Borstenvieh hatte sich losgerissen von seinen Fesseln. Es stürmte jetzt quer durch die Halle und die vier Vampire, zu denen es ursprünglich gehörte, warfen sich an ihren Fesseln hin und her, unfähig, ihre Beute zu erreichen.
Die beiden Männer liefen dazu.
„Das ist die nächste Dummheit, die ich mit ansehen muss. Wie weit willst du es noch treiben, Gregor? Wenn das so weiter geht, kann ich für nichts mehr garantieren!“
Der Professor brüllte sich selbst in einen Wutausbruch hinein. So sehr tobte er, dass er nicht bemerkte, wie still es um ihn herum wurde. Sein Assistent schaute ihn entgeistert an, die Vampire, die gleich neben ihm standen, hatten innegehalten und starrten mit einem seltsamen Ausdruck zu ihm herüber. Totenstille und Verwunderung.
„Was...?“ Der Professor kam zu sich. Er blickte sich um und sah nun seinerseits verblüfft in die Runde.
„Da guckt ihr dumm“, meinte mit einem hingezauberten Lächeln. „Schau, Gregor, sie sind ganz ruhig. Das habt ihr nicht erwartet.“ Er drehte sich zu dem kräftigsten der vier Vampire. Das war ein ungeschlachter Kerl von bullenartigem Wuchs mit wulstigen Lippen – blutverschmiert im grauen Gesicht und mit dem bekannten stechenden Blick der Blutsauger. Das blaue Hemd aus grobem Stoff, das hier jeder Eingesperrte trug und welches normalerweise bis in die Kniekehlen ragte, bedeckte bei ihm kaum das Gesäß und ließ ihn zu einer albernen Figur verkommen. Es störte ihn nicht, er stand aufrecht vor Brorér, die Arme halb erhoben und das Kleidungsstück spannte über den Leib.
„Schau sich einer diesen Prachtkerl an!“ Die Augen ließen den Professor keine Sekunde aus dem Blick, ruhig beobachtete der Vampir, wie sein Gegenüber langsam näher kam, wie er vorsichtig die Hand ausstreckte und überaus zaghaft die Stirn des Blutsaugers berührte, immer darauf bedacht, den Abstand ja nicht zu gering werden zu lassen.
Wie eine Säule stand der Vampir, starr, wie von Ehrfurcht gerührt, keiner von seinen ehemals geschmeidigen Muskeln zuckte.
„Siehst du.“ Brorér sprach leise, jedoch so deutlich, dass Gregor ihn hören konnte. „Schau, er weiß, wer sein Herr ist.“ Zum Vampir gewandt, dessen Blick zeigte, dass er kein Wort verstand: „Nicht wahr, du bist mein kleiner treuer Hund, du weißt, wer dir Blut beschafft!“ Die kalten Augen musterten den Wissenschaftler, ohne Regung und unergründlich.
Brorér strich federleicht mit den Fingerspitzen über die Haut des Vampirs. Dabei spürte er die Kälte und die Leblosigkeit des Gewebes – er war, wie immer, fasziniert. Er wurde sicherer, als sein Gegenüber nicht reagierte, kam ein wenig näher, berührte die stumpfen Haare etwas forscher.
„In gewissem Sinne, mein lieber Gregor“, meinte der versonnen, „in gewissem Sinne seid ihr zwei wie Brüder. Ihr gleicht euch in einigen Belangen, auch wenn du es sicher nicht wahrhaben willst. Er dient, siehst du, und auch du bist mir zu Diensten. Obwohl...“ er zwinkerte ihm mit dem rechten Auge zu, „obwohl in letzter Zeit nicht unbedingt besonders zuverlässig.“ Er winkte seinem Assistenten. „Komm her, mein Freund!“
Gregor tat wie ihm geheißen, zögernd trat er näher.
„Komm schon, komm schon!“ Brorér wirkte ungeduldig; Gregor hatte Angst. „Sag Guten Tag zu deinem Bruder!“
Der Professor lachte, sein schmutzig-roter Kittel flatterte um seinen Körper.
Mit einer plötzlichen Bewegung packte er seinen Assistenten beim Genick und zog ihn mit Wucht zu sich heran. Dann ging alles sehr schnell. Er gab dem verdutzten Gregor einen zusätzlichen Stoß und sprang gleichzeitig nach hinten aus dem Gefahrenbereich. Der Gehilfe fiel und der Vampir, der über ihm stand, erwachte zu Leben. Sein Gesicht nahm einen gierigen Ausdruck an, als er seinen Mund öffnete und einen gurgelnden Schrei ausstieß, sah man seine riesigen Reißzähne. Er griff sich den Mann der in Panik wegzukriechen suchte und zog ihn zu sich. Gregor versuchte, sich zu wehren, doch die Kraft des Vampirs überstieg seine um ein Vielfaches. Es gab ein widerliches Knacken, als sich die Zähne des Blutsaugers in das Fleisch des nackten Halses gruben. Gregor kreischte hysterisch und schlug um sich, doch der eiserne Griff ließ nicht locker. Nach und nach erstarben die Bewegungen des Assistenten, die Arme sanken herab und schließlich wurde er nur noch gehalten von der Kraft des Untoten. Der saugte und saugte.
Seine drei Artgenossen standen herum, zur Untätigkeit verdammt, ohne Möglichkeit, sich von den Fesseln zu lösen und so am schmackhaften Mahl teilzuhaben.
„Ein bedauerlicher Unfall“, murmelte Professor Brorér, während er schaudernd zusah, wie Gregor leblos, kalkweiß und mit stumpfem Blick zur Seite rollte. Der Vampir erhob sich. Seine Augen glänzten, und wenn auch das Gesicht blutverschmiert und bar jeden menschlichen Ausdrucks war, so strahlte seine Gestalt jetzt eine gewisse Erhabenheit aus, die den zu seinen Füßen liegenden Gehilfen umso kleiner machte.
Dann nahm er das Klemmbrett des Vampirs, vermerkte etwas darauf und hängte es wieder an seinen Platz. Als er durch die Gitter zu der Steuereinheit zurückging, pfiff er ein kleines Lied vor sich hin.
Diesen Blutsauger würde er sich merken müssen. R2H13+ war eine verbesserte Form der Substanz, veredelt, quasi der Champagner unter den Drogen. Die Wirkung gegenüber der normalen Droge war über die Maßen gesteigert, dementsprechend war der Preis, den man dafür verlangen konnte. Verdiente man vorher ganz ordentlich, war der Profit mit R2H13+ exorbitant. Der Haken an der Sache: R2H13+ wurde nur von Vampiren produziert, die zuvor Menschenblut konsumiert hatten.
Er musste sich den besagten Blutsauger genau merken.
„Nun, kein großer Verlust“, sagte der Professor zu sich selbst, während er den kleinen Hebel umlegte, mit dem er die Gitter schloss. „Gregor, du warst mir in letzter Zeit ein wenig zu zerstreut, unzuverlässig. Warst zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich bin nur gespannt, wie Fernand sich machen wird.“
Es klapperte im Hintergrund.
„Fernand, gut dass du da bist. Wir haben einiges vor!“
Der junge Mann betrat den Raum. Er guckte zwar ein bisschen dämlich, aber Brorér war guten Mutes, aus ihm einen vernünftigen Gehilfen machen zu können.
ENDE