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- 31.01.2016
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Mai
Seit siebenunddreißig Jahren arbeite ich in diesem Büro und bemühe mich gewissenhaft und zuverlässig, Texte zu bearbeiten.
Meine Haare sind mit der Zeit ergraut und am Ende des Jahres wird mein letzter Arbeitstag sein. Dann folgt die "goldene Zeit" und ich könnte den Garten im Hof kultivieren oder schon morgens am Meer spazieren gehen. Ich könnte zeichnen lernen, oder meine Mutter öfter besuchen.
"Guten Morgen, Mai. Wie geht's dir?" Die junge Kollegin, die meine Stelle übernehmen wird, ist sehr aufmerksam. Manchmal bringt sie mir eine Tasse Tee oder Selbstgebackenes an meinen Platz, fragt mich um Rat oder lädt mich nach der Arbeit in die Bar gegenüber des Büros ein. Bisher habe ich es umgehen können.
Ich gehe lieber gleich nach Hause, koche mir eine Kleinigkeit zum Abendessen und sitze jetzt im Frühling noch einige Zeit auf dem Balkon. Er steht voll mit Tontöpfen. In jedem ein anderes Kraut, das ich zum Kochen verwende. Ich höre gerne den Kindern auf der Straße zu, wie sie lachen und rufen beim Spielen und auch dem Lärm der Fahrzeuge, am liebsten aber den Geräuschen, die die Natur mit sich bringt, etwa dem Rauschen der Blätter in der Buche, die ich vom Balkon aus mit den Händen erreichen könnte, wenn der Wind einige Zweige herüber wehte. Ich amüsiere mich über die aufgebrachten Brillenvögel, die im Hof am Teich herumflattern, wenn sie etwas Abkühlung benötigen. Am späten Abend, wenn es ruhiger wird, lausche ich dem Plätschern vom Wasserspiel. Ich bemerke den Frosch, der um eine Partnerin wirbt und freue mich über die kleinen Glöckchen an der Schnur, die ich im Herbst neben den Bambusstrauch aufgehängt habe und die leise im Wind klimpern. Oder ich höre auf den starken Regen, der manchmal unvermittelt einsetzt und laut auf das Schuppendach prasselt. Dann wird es umgehend kühler und ich gehe in meine kleine Wohnung.
Es kommt auch vor, dass ich nach der Mahlzeit den alten Fernseher einschalte, den mein Mann gekauft hatte. Er sah sich sehr gerne Sportveranstaltungen im Fernsehen an oder Dokumentationen über verschiedene ferne Länder, die wir beide nie besucht haben. Wir hatten es uns aber auch nicht vorgenommen.
Vor der Wohnungstür steht heute eine Styroporkiste von einem Lieferservice. Ich habe sie schon im Laubengang vor anderen Eingängen liegen sehen. Er beliefert immer öfter alte Menschen oder auch berufstätige. Wenn man alles aufgegessen hat, stellt man die Schachtel einfach wieder vor die Tür, die dann abgeholt wird. Man zahlt einen Pauschalpreis im Monat. Ich ziehe es aber vor, weiterhin für mich selbst zu kochen. Es entspannt mich nach der Arbeit im Büro und ich liebe es, Gemüse zu verarbeiten, es je nach Garzeit in verschieden große Teile zu schneiden, bevor ich sie in einer großen Pfanne kurz brate. Früher bereitete ich mehrmals in der Woche Fisch zu. Mein Mann liebte Aal oder Petersfisch. Vielleicht gehe ich am Ende der Woche mal wieder auf den Fischmarkt unten am Hafen. Jetzt nehme ich erst einmal die Kiste mit in die Wohnung.
"Mai!" Die Nachbarin ruft. Sie wohnt über mir und verlässt das Haus nicht.
"Ich bin da", rufe ich zurück, "brauchst du etwas?" Wir wohnen unser halbes Leben in diesem Haus. Sie kümmert sich um ihren bettlägerigen Mann, so gut es geht. Ich bringe ihr hin und wieder etwas mit. Windeln zum Beispiel oder Zigaretten.
"Nein. Ich habe alles. Meine Tochter war heute hier. Ich habe gebacken. Hier. Nimm es dir raus", ruft sie und lässt einen Korb an einer Schnur am Balkon herab. Es ist ihr lieber so. Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen. Ich nehme das Gebäck heraus.
"Das sieht gut aus. Danke dir, Mimi. Heute habe ich eine Essenslieferung bekommen. Weißt du, was das bedeutet? Hast du auch eine bekommen?"
"Nein", schreit sie von oben. Sie ist schon etwas taub. Immerhin ist sie zwanzig Jahre älter als ich.
"Kochst du nicht mehr selbst?"
"Doch. Doch", rufe ich, "das ist eine Verwechslung", sage ich mehr zu mir selbst.
Nachdem ich die Schachtel geöffnet habe, bin ich überrascht, wie heiß die Speisen sind. Es sind fünf Schalen mit fünf unterschiedlich zubereiteten Gerichten. Ich halte meine Nase nacheinander über jedes der Schälchen. Die Speisen sind einfach, duften köstlich. Ein Spargel-Lachs-Salat, eines mit gefüllter Eierrolle, es könnten Spinat und Pilze sein, frittierter Tofu, Hühnerspiesse und kalte Nudeln.
Ich esse langsam und genüsslich. Lange habe ich nicht mehr ein derart gutes Abendessen gehabt. Ich fühle mich regelrecht beschwingt und unternehmungslustig, als hätte ich ein Glas Bier getrunken und entschließe mich noch zu einem kleinen Spaziergang vor dem Schlafengehen.
Als ich erfrischt zurückkehre, schreibe ich auf einen kleinen Zettel: 'Haben Sie vielen Dank für die Lieferung. Ich habe schon sehr lange nicht mehr so gutes Essen zu mir genommen, aber leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich keine Kundin bin und versehentlich beliefert wurde. Bitte klären Sie diese Verwechslung. Freundliche Grüße, Mai'
Ich verstaue das Papier in einer ausgespülten Schale und gehe schlafen.
Am nächsten Abend steht vor meiner Wohnungstür erneut eine Schachtel des Lieferdienstes. Im ersten Augenblick denke ich daran, sie stehen zu lassen, dann entschließe ich mich aber, sie mit hineinzutragen, wo sie nun schon einmal da ist.
Außerdem bemerke ich eine kleine Freude tief in mir, wenn ich daran denke, welche Köstlichkeit mich heute erwarten wird. Ich bin geradezu ungeduldig und neugierig. Dann besinne ich mich, decke erst einmal den Tisch und rufe meiner Nachbarin zu:
"Hallo! Ich bin zu Hause. Ist alles gut bei dir?" Als keine Erwiderung folgt, gehe ich auf den Balkon und rufe erneut:"Mimi! Ist alles in Ordnung?"
"Ja doch. Alles bestens. Ich habe zu tun. Wir reden später." Ich muss lächeln. Die Alte ist trotz aller Umstände recht fidel und resolut.
Ich begebe mich zu Tisch und öffne langsam und mit allen Sinnen eine Schale nach der anderen. Im Gegensatz zu gestern fülle ich die einzelnen Speisen in meine eigenen Porzellanschalen, auf denen Kraniche getuscht sind, die wir zur Hochzeit von meinen Eltern bekommen haben. Seit ich allein lebe, habe ich sie nicht mehr benutzt. Mir genügen sonst die Keramikschüsselchen aus dem Supermarkt.
Zu meiner Verwunderung gibt es heute andere Speisen. Keine einzige ist wie gestern. Sogar mein Lieblingsgericht ist darunter: Hähnchen mit Lotuswurzel. Außerdem ein Gemüsesalat mit Sesamdressing, etwas Reis mit gegrilltem Thunfisch und Honigmelone in Kugeln gestochen. Die sind herrlich im Mund. Kühl und glatt, süß und saftig. Ich lache auf und erinnere mich für einen kurzen Augenblick an die junge Frau, die ich einmal gewesen bin. Dann bemerke ich einen Zettel.
"Mai! Mahai", Mimis Stimme überschlägt sich beinahe. "Gibt es was Neues?"
Eigentlich möchte ich den Zettel lesen, aber dann antworte ich doch zuerst:
"Nein, alles wie immer. Ich habe sogar wieder Essen bekommen. Sie haben den Fehler noch nicht bemerkt. Irgendjemand wird seit zwei Tagen nicht versorgt. "
"Dann wirst du wohl mal anrufen müssen, bevor noch ein Unglück geschieht."
"Ja. Das sollte ich. Du hast recht."
"Hast du alles aufgegessen?"
Augenblicklich überfällt mich ein schlechtes Gewissen. Wie egoistisch ich bin. Vor Ärger kneife ich die Augen zusammen und stampfe mit einem Fuß auf den Holzboden. Gefühlsausbrüche entsprechen eigentlich nicht meiner Natur, denke ich noch währenddessen.
"Nein. Lass' deinen Korb herunter. Ich fülle dir den Rest ein."
Ich lege etwas Gemüsesalat und zwei Melonenkugeln in den Korb und Mimi zieht ihn nach oben. Nachdem alles aufgeräumt ist, setze ich mich auf meinen Balkon und falte das Papier auseinander.
'Es freut mich sehr, dass Ihnen mein Essen geschmeckt hat. Ehrlich gesagt bekomme ich niemals ein Lob oder überhaupt eine Mitteilung, nicht mal eine Beschwerde. Es ist das erste Mal, dass jemand Kontakt aufnimmt. Also lassen Sie es sich weiter gut schmecken. Freundlicher Gruß, Kai'
Ich bin irritiert, weiß gar nicht, woran ich zuerst denken soll. Mein Herz schlägt schnell und stark, meine Wangen sind heiß, sicher auch rot. Als ich vom Sitz aufgesprungen bin, habe dabei die Teetasse umgestoßen. Sofort ruft Mimi: "Hej, was machst du denn für einen Lärm. Wieso zerschlägst du dein Geschirr?"
"Ein Versehen, Mimi. Beunruhige dich nicht."
Ich lese die Zeilen immer wieder. Die Aufregung legt sich und erneut beschleicht mich ein Gefühl, das sich am ehesten mit Freude bezeichnen ließe. Mein Herz wird groß und lebhaft. Ich fühle mich leicht und leer, wie ein zu füllendes, schönes Porzellangefäß. Ich kann meine Gedanken nicht sortieren, gehe in dem kleinen Zimmer hin und her. Und da ist es wieder, das junge Mädchen, vergraben im Körper einer reifen Frau.
"Hast du den Lieferservice angerufen?", schreit Mimi und bringt mich auf den Boden der Tatsachen zurück.
"Nein. Ich ... "
"Wie bitte? Ich kann dich nicht verstehen. Schrei' mal lauter!"
"Ich erledige das gleich."
"Meinetwegen nicht. Mir hat's geschmeckt!" Ich höre Mimi in die Wohnung zurückschlurfen und dabei hinterlässt sie einen Duft aus Lotusblütenseife und Zigarettenrauch, der mit einem Lüftchen zu mir herunterweht.
'Werter Kai, Sie haben mich leider missverstanden. Ich habe Ihnen lediglich mitteilen wollen, dass ich zu unrecht ihr köstliches Essen geliefert bekomme. Ich erhalte es vermutlich anstelle eines anderen. Bitte veranlassen Sie doch das Nötige, damit alles wieder rechtens ist.
Im übrigen bin ich überwältigt von dem Lotuswurzelgemüse.
Lieber Gruß, Mai.'
'Liebe Mai, ich habe alle Kunden geprüft und jeder einzelne wird beliefert. Alles hat seine Richtigkeit. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie machen mich sehr glücklich mit Ihren Nachrichten. Manchmal denke ich, es macht keinen Sinn, hier zu kochen. Aber im Augenblick habe ich keine Wahl. Es gibt nicht viele Jobangebote für mich. Teilen Sie mir ruhig mit, mit welchem Essen ich Ihnen eine Freude bereiten könnte.
Und schön, dass sich unsere Namen ähneln. Lieber Gruß, Kai'
Ich habe das Gefühl, nur noch für sein Essen zu leben. Kai lässt sich nicht davon abbringen, mir die täglichen Mahlzeiten zukommen zu lassen. Und schon beim Aufstehen kann ich an nichts anderes mehr denken, als an den Moment, in dem ich die Schachteln öffne, den köstlich zubereiteten Inhalt verspeise und seine Zettel lese. Seit zwei Wochen erhalte ich jeden Abend das Essen und immer ist ein Brief von Kai darunter. Er ist geschieden und lebt noch nicht lange hier in der Stadt. Ich erwidere diese Briefe und habe ihm erzählt, dass ich auch verheiratet war und in einer Agentur arbeite.
Im Büro redet man über mich. "Was geht nur mit dir vor?", fragt eine Kollegin unvermittelt nach Büroschluss. "Du bist verändert.
Man könnte meinen, du hättest einen Jungbrunnen entdeckt." Ich merke, wie ich erröte, winke nur ab und laufe schnell zur Bahn.
"Liebe Mai, es mag seltsam klingen, aber ich möchte Sie unbedingt sehen, möchte wissen, wer Sie sind, die meine Speisen zu schätzen weiß. Ich habe übermorgen um neunzehn Uhr Feierabend und warte dann in der Bar am Hafen auf Sie.
In freudiger Erwartung, Kai'
"Wieso bist du nicht auf der Arbeit? Bist du krank?" Mimi klingt gereizt.
"Ich habe mir ein paar Tage frei genommen. Ich gehe aber gleich aus dem Haus. Brauchst du etwas?"
"Ja. Bring' doch bitte Zigaretten mit. Wo willst du denn hin?"
"Ich gehe zum Friseur und kaufe mir eine neue Bluse", rufe ich nach oben. "Ich weiß gar nicht, wann ich das zuletzt getan habe", füge ich etwas leiser hinzu.
"Jaja, mach das mal. Und erzähle mir dann von dem Mann, den du triffst. Vergiss die Zigaretten nicht."
Ich habe das Gefühl zu schweben seitdem ich den letzten Brief erhalten habe. Es fehlt mir buchstäblich Bodenhaftung und das flatterhafte Ding in meiner Brust ist kaum zu bändigen. Ich kleide mich sehr sorgfältig. Zur neuen Bluse in Weiß habe ich mich noch für einen dunkelroten Rock entschieden, der knapp meine Knie bedeckt. Die flachen schwarzen Schuhe glänzen und stehen an der Tür bereit für meine Verabredung.
Vorher gehe ich ein weiteres Mal ins Bad, um mein Aussehen zu prüfen. Ich trage das frisch geschnittene Haar offen, meine Haut ist klar, der Körper schmal. Durch das offene Fenster weht der Geruch einer Zigarette und als ich mir noch einmal die Hände mit der Lotusblütenseife wasche, schrumpft mein Herz plötzlich zusammen.
Es ist voll in der Bar am Hafen. Ich finde aber noch einen freien Platz an einem Tisch mit zwei nicht besetzten Stühlen. Es ist erst halb sieben. Ich wollte vor ihm dort sein. Geduldig sitze ich vor einem Glas Wasser und niemand beachtet mich. Alle Leute unterhalten sich angeregt, essen eine Kleinigkeit und trinken Bier. Ich sitze sehr aufrecht, weil ich ziemlich angespannt bin und bemerke ihn sofort, als er den Raum betritt. Er ist jünger, als ich vermutete. Ich schätze ihn auf Ende vierzig. Was ist nur in mich gefahren? Er setzt sich an den Tresen und hält Ausschau. Ununterbrochen reckt er den Hals und schaut sich um. Er trägt Jeans und ein weißes Hemd. Seine Haare sind ziemlich lang und er ist rasiert. Ich stehe auf, lasse etwas Kleingeld auf dem Tisch liegen und verlasse die Bar, ohne ihn anzusehen.
'Lieber Kai, Sie haben hoffentlich nicht allzu lange in der Bar am Tresen gesessen und auf mich gewartet. Ich saß an einem Tisch und habe sie beobachtet. Verzeihen Sie mir. Sie sahen so erwartungsfroh und lebendig aus, so frisch und voller Zuversicht.
Als ich mich für unsere Verabredung im Bad zurecht machte, nahm ich den Geruch von Seife und Zigarettenrauch wahr. Meine Nachbarin umgibt stets dieses Duftgemisch. Sie heißt Mimi und ist achtundsiebzig Jahre alt. Sie wohnt mit ihrem kranken Mann über mir. Dieser Geruch weckte zusätzlich die Erinnerung an meine Großmutter, die sehr alt wurde.
Ich war erst fünfundvierzig Jahre alt als mein Mann starb. Noch relativ jung.
Und als ich mich heute kurz vor unserem Treffen im Spiegel betrachtete, bin ich mir zum ersten Mal bewusst geworden, dass ich alt geworden bin in der ganzen Zeit allein in meiner Wohnung.
Ich wünsche Ihnen eine Zukunft voller Liebe und Zuversicht.
Bitte schicken Sie mir keine Mahlzeiten mehr.
Herzlichst, Mai '
Es sind seither einige Tage vergangen und jeden Abend, wenn ich von der Arbeit zurückkomme und vor meiner Wohnungstür stehe, fühle ich mich schwer. Natürlich erwarte ich nicht, dass die Kunststoffbox mit dem Abendessen dort wieder stehen wird, aber da sie nun tatsächlich nicht mehr dort steht, versetzt es meinem Inneren jedes Mal einen kleinen Stich. Es kommt keine Nachricht mehr von Kai.
Die Luft im Raum ist abgestanden und ich öffne die Tür zum Balkon. Mit einer frischen Brise vom Meer weht auch der Duft vom nahenden Sommer herein. Ich bleibe stehen und nehme einen tiefen Atemzug. Ich habe keinen Appetit, auch nicht das Bedürfnis, Mimi zu sprechen. Ich empfinde eine neue Leere, eine, die nicht zu füllen ist und alles, was mich bisher zufrieden stimmte in meinem Leben, hat keine Bedeutung mehr.
Ich schalte den Fernsehapparat ein und blicke daran vorbei, als es an der Tür klingelt. Mechanisch, ohne zu denken, gehe ich und öffne sie.
Es ist Mimi. Beinahe hätte ich sie nicht erkannt. Es ist einige Zeit her, seit wir uns gesehen haben.
Ich hatte sie nicht so groß und kräftig in Erinnerung.
"Was guckst du so verdattert? Ich bin's doch. Meine Güte, erkennst du mich etwa nicht?" Ich greife nach Mimis Händen. Sie fühlen sich knochig und zart an.
"Sie haben ihn heute früh abgeholt. Du warst gerade aus dem Haus. Er ist kurz darauf im Krankenhaus gestorben."
Wir gehen in die Wohnung und setzen uns gemeinsam auf den Balkon, nachdem ich noch einen Hocker dazugestellt habe.
Wir schweigen und rauchen gemeinsam jede eine Zigarette.
"Mai!" Jemand ruft vom Hof aus.
Mimi und ich sehen einander an.
"Mai. Bitte. Ich stehe hier unten!"
"Na, nun schau' schon nach oder soll der arme Kerl sich komplett lächerlich machen", schimpft Mimi, steht selbst auf und sieht hinunter in den Hof.
"Was schreist du hier herum? Hast du keine Manieren? Was willst du?"
"Sind Sie Mai?", fragt der arme Tropf kleinlaut und erschrocken.
"Iwo. Die sitzt hier. Neben mir", antwortet Mimi und sieht mich an, "nun steh' schon auf!", mault Mimi und zieht mich am Arm.
Ich erhebe mich nur langsam und blicke über das Balkongeländer. Dort steht Kai.
Er lächelt verhalten und hebt den Arm, in der Hand eine Tüte.
"Ich habe gekocht. Wollen wir gemeinsam essen?"
"Falls was übrig bleibt, leg' s in meinen Korb", sagt Mimi und geht mit mir zur Wohnungstür.
Als ich sie öffne, steht Kai schon schüchtern lächelnd davor.
Ich habe mich geirrt. Er ist viel älter, als ich annahm.