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Männer am Herd

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01.02.2003
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Männer am Herd

Mittwoch, 10 : 09 Uhr

Mittlerweile ist die Mitbring-Liste für das Kurstreffen morgen bei Claudia auch bei mir eingetroffen. Bevor ich mich aber dazu aufraffe, selbst etwas auf das Papier, das früher mal ein Mathe-Spickzettel war, zu schreiben, schaue ich erst einmal, was sich die übrigen beiden männlichen Kursteilnehmer unseres Pädagogik-Grundkurses so haben einfallen lassen. Nico hat Chips, Jörg Salzstangen aufgeschrieben. Da ich nicht mehr so ganz genau weiß, was für Reste sich von unserer letzten Familienfeier noch im Keller befinden, schreibe ich das, was ich immer schreibe, nämlich Knabberkram. Das stimmt sogar, denn die meisten Sachen, die bei uns im Keller liegen, sind so alt, dass man zwangsläufig daran knabbern muss. Ich schiebe den Zettel zu meiner Nachbarin Juliane weiter, die nun die Malarbeiten an ihrem Endlosbild, das aus lauter roten und schwarzen Quadraten besteht, erst einmal einstellen muss. Sie wirft einen Blick auf die Liste und fragt dann in die Runde: „Warum machen sich eigentlich alle hier die Mühe etwas zu kochen oder zu backen, nur die drei Männer nicht?“ „Das ist doch klar, sie können's nicht!“, tönt es aus der rechten Ecke. „Jetzt geht das schon wieder los!“, murmelt mir Jörg zu und lässt seinen Kopf mit lautem Stöhnen auf die Tischplatte sinken. Das ist nämlich das Problem dieses Kurses - wir drei konnten zwar in sehr langwieriger Überzeugungsarbeit das in den Päda-Büchern und Blättern präsentierte Horrorbild des Mannes entschärfen, sein schlechtes Image hier jedoch nie ganz beseitigen. Das ist auch der Grund., warum der folgende Spruch von Sarah: „Wasser kochen werden die drei wahrscheinlich noch hinkriegen, dann können wir uns ja einen Tee machen.“ gerade in diesem Kurs so furchtbar gut ankommt. Um uns dreien eine weitere Diskussion zu ersparen, meine ich „Dann bringen wir eben was anderes mit, ist doch überhaupt kein Problem.“ Und so wird den Rest der Stunde überlegt, was wir denn mitbringen könnten. Nico bringt ein Dessert, Jörg Käsehäppchen und ich einen gemischten Salat mit, alle haben uns wieder lieb und wir haben unsere Ruhe. Nico, Jörg und ich verabreden uns für morgen um sechs bei mir, um gemeinsam das Essen zuzubereiten. Ich habe kein schlechtes Gefühl dabei, gut, ich habe zwar bisher nie mehr als Rührei und Tiefkühlgerichte zu Stande gebracht, aber so ein billiger gemischter Salat sollte ja eigentlich kein Problem sein, oder?!


Donnerstag, 18 : 03 Uhr

Ich schicke meine Eltern ins Kino, und beginne die Küche, die ich gewöhnlich eher selten betrete, zu begutachten. Während ich noch nach einer passenden Schüssel für meinen Salat suche, kommt Nico und präsentiert stolz den Vanille-Pudding, den er zuhause irgendwo ausgegraben hat. Ich begutachte seinen Fund und weise Nico auf das bereits abgelaufene Haltbarkeitsdatum (12/98) hin. Daraufhin schicke ich ihn in unsere Vorratskammer und lasse ihn einen etwas neueren Kochpudding suchen. Während Nico den Keller unsicher macht, kommt dann auch schon Jörg mit einigen Konserven und fünf Kilogramm Gouda herein. Ich persönlich halte fünf Kilo für ein paar Käsehäppchen für ein bißchen übertrieben, aber nachdem ich sehe, wie Jörg versucht den Käse von der Rinde zu trennen, denke ich, dass fünf Kilo angemessen sind. Und so stehe ich nun vor dem Salatkopf und habe mal wieder überhaupt keine Ahnung, was ich damit machen soll. Muss man den Abkochen, oder nur Waschen oder Schleudern? Ich habe gar keine Ahnung, was das sein soll, aber ich glaube mich dunkel daran erinnern zu können, dass meine Mutter einmal von einer Salatschleuder gesprochen hat. Nach einem kleinen Testversuch, verwerfe ich die Schleuder-Idee recht schnell und schmeiße den Salat erst einmal in heißes Wasser. Vielleicht wissen die anderen ja, wie man das macht? Aber Jörg und Nico haben auch keine Ahnung, die haben andere Probleme. Jörg zum Beispiel bekommt anstatt Käsewürfeln nur moderne kubistische Käseskulpturen hin. Noch in der Tür höre ich sein durchdringendes „Scheiße!“ und ich sehe, dass er sich mal wieder mit dem Messer verletzt hat. Noch während ich seinen rechten Daumen verarzte fragt Nico von der anderen Seite der Küche: „Sind Esslöffel die großen oder die kleinen Löffel, ich mein, essen kann man ja mit beiden, oder?“ Ich deute auf die Großen und komme mir vor wie ein kleiner Biolek. Ich nehme den Salat aus dem Wasser, zerhacke ihn etwas planlos und schmeiße ihn in die Schüssel. Bis jetzt sieht er so ziemlich nach gar nichts aus. Kommt da nicht immer irgend so ein weißes Zeug drauf?


Donnerstag, 18 : 37 Uhr

Nicos Milch ist angebrannt und ein neuer Topf muss her. Bis er diesen gefunden hat, ist seine klebrige Pudding-Ursubstanz wieder fest geworden und will sich nun nicht mehr vom Löffel und der Schüssel trennen. Während er im Keller einen neuen Pudding holt, erfahre ich auch endlich, warum Jörg den ganzen Abend so aufgedreht ist. Er ist nämlich seit neuestem in Corinna, auch ein Mitglied unseres Päda-Kurses, verknallt und hat sich nun die fixe Idee in den Kopf gesetzt, sie mit Hilfe seines Charmes und seiner Käsehäppchen heute Abend gewinnen zu können. Da es mit seinem Charme nicht so furchtbar weit her ist, versucht er nun all seine Liebe in diese „Käsekunstwerke“, wie er sie nennt, zu stecken. Von seiner ersten Kreation, einem Mix aus Käse, Apfel und Peperoni kann ich ihn allerdings noch früh genug wieder abbringen. Nico ist mittlerweile wieder zurück und hat prompt den halben Zucker auf dem Küchenboden verteilt. Leider vergisst er beim Aufkehren, dass er noch die Milch auf dem Herd stehen hat - aber wir haben ja noch ein paar Töpfe. Da ich mit meinem Salat, mittlerweile eine grüne, schwimmende Masse, auch nicht so recht weiter weiß, beschließe ich meine Schwester anzurufen. Nach minutenlanger Warteschleife auf dem Handy teilt mir diese dann mit, dass sie in ihrem ganzen Leben noch keinen Salat gemacht habe. Na toll! Aber das weiße Zeug hieße Dressing, meint sie, was da drin sei, wisse sie auch nicht und wünscht mir noch viel Erfolg bevor sie auflegt. Na toll! „Meint ihr ob Corinna auf Weintrauben steht?“, holt mich Jörg aus meinen Überlegungen zurück. „Klar“, meine ich „alle Mädels stehen auf Weintrauben, aber weiß jemand von euch, was in so ein Dressing rein muss?“ „Ich glaube Mayonase, und ich meine bei den Italienern stand immer Öl und Pfeffer auf dem Tisch. Ich glaub, das muss da auch rein.“ äußert sich Nico zu meinem Problem, während er nach einem sauberen Löffel sucht. Von Jörg bekomme ich keine Antwort, denn er ist nach dem mißglückten Öffnungsversuch einer Ananasdose mal wieder an unserem Verbandskasten.


Donnerstag, 19 : 12 Uhr

Nach Jörgs etwas unüberlegten Idee jeweils drei Weintrauben gleichzeitig auf dem Käseklotz aufzuspießen, holen wir den Verbandskasten in die Küche, damit er nicht mehr so weit laufen muss, Pflaster sind allerdings keine mehr da, da sie sich alle auf seiner rechter Hand befinden. Doch davon unbeeindruckt beginnt er völlig liebestrunken Käsestücke in Herzform zu basteln, in die er danach Corinna ritzen will. Dass er noch nicht einmal weiß, ob man sie mit einem oder zwei „r“ schreibt, stört ihn nicht weiter. Nico bekommt einen Niesanfall und spritzt alle seine Nasenschleimhautbakterien in die gerade erhitzte Pudding-Milch-Masse. Diese landet daraufhin im Klo und Nico beginnt etwas entnervt und verschnupft von vorne. Ich habe inzwischen Nicos Idee mit Mayonase, Öl und Pfeffer probiert, wobei ich das Resultat für nicht gerade gelungen halte. Der bestialische Gestank gibt mir recht. Ich stelle den immer noch dampfenden Salat nach draußen und schlage im Lexikon unter D wie Dressing nach. Dort steht gar nichts, aber eine Stimme aus der Vergangenheit sagt mir, dass Creme fraiche sicher nicht verkehrt wäre. Also schmeiße ich alle drei Becher Creme fraiche, die ich im Kühlschrank finde in eine Schüssel und verrühre das Ganze. Mit Entsetzen stelle ich allerdings fest, dass nur der erste Becher Creme fraiche enthielt, das andere waren Dickmilch und Kefir. Das alles sieht zwar besser aus als das erste Versuch, ist aber wieder falsch wie mir scheint. So langsam überkommen mich erste Zweifel, ob wir das alles bis acht Uhr noch schaffen. Ich will gerade mein zweites Dressing-Experiment zum Abfluss bringen, als ich mit Jörg und seinem Tablett voller Käse-Bananen-Gurken-Kokosnuss-(„Corinna muss Kokosnüsse lieben. Alle Frauen lieben Kokosnüsse.“)-Zahnstocher-Kreation kollidiere. Wir beide stolpern und mein Dressing und Jörgs Käsehäppchen landen beide in einem Kochtopf. Leider in dem Kochtopf, in dem sich auch Nicos Pudding befand bzw. immer noch befindet. Der Inhalt des Kochtopfes landet im Klo, und wir beginnen noch einmal von vorn. Nico, mittlerweile dem Wahnsinn nahe entdeckt, dass wir keine Milch mehr haben und eilt zur nächsten Tankstelle. Jörg eilt nicht zur Tankstelle, sondern zum Waschbecken, um sich den Zahnstocher wieder herauszuziehen, den er sich bei der Kollision in die Handfläche gebohrt hat. Ich hole den Salat wieder herein und gieße das Wasser wieder ab. Danach will ich ihn eigentlich noch kleiner schneiden, aber als ich bemerke, dass wir kein Küchenmesser mehr haben, das nicht blutverschmiert ist, lasse ich ihn so, wie er ist.


Donnerstag, 19 : 44 Uhr

Nach einer weiteren Schnittverletzung beim Paprikaschneiden schlage ich Jörg vor, sich seine rechte Hand komplett eingipsen zu lassen. Darauf meint er, dass ihm Corinna dies wert sei. „Corinna vielleicht, aber mit Sicherheit nicht diese 23 Käse-Zahnstocher-Kreaturen“, entgegne ich ihm während ich das Internet nach einem Dressing-Rezept durchforste. Die einzige Information, die ich so bekomme ist allerdings nur die Telefonnummer eines Dressing, Karl-Heinz aus Bremerhaven. Warum bekommen tausende von Menschen täglich einen gemischten Salat hin, nur ich nicht? Um den Salat dann nicht ganz so karg aussehen zu lassen, versuche ich Eierscheiben hineinzuschneiden, was allerdings daran scheitert, das alle Eier unseres Kühlschranks sich nach dem Öffnen als noch roh erwiesen haben. Ich schmeiße die zwölf Eier ins Klo, da sie auf dem Küchenboden etwas stören und lege stattdessen drei ganze Möhren in den Salat. Sieht sogar richtig gut aus, rot-grün, fast ein politischer Salat. Dies alles ist Nico im Moment ziemlich egal. Er hat die letzte Packung Vanille-Pudding geöffnet vor sich liegen und rührt fast wie in Trance, die Augen glasig, eine Hand krampfhaft an die Dunstabzugshaube geklammert. Erst als Jörg auf dem Weg zum Mülleimer sich die noch unverletzte Hand an einer der vier glühendheißen Herdplatten verbrennt, kehrt er wieder in die Wirklichkeit zurück und beginnt sich wieder mit Jörg (die linke Hand in der Tiefkühltruhe) zu unterhalten. Sein Pudding ist fertig, und einem Triumphzug gleich, trägt er ihn hinüber, gießt ihn in die einzige noch saubere Glasschüssel und stellt das ganze zum Abkühlen in den Kühlschrank.

Donnerstag, 20 : 19 Uhr

Bei dem Versuch meinen Salat mit Öl und Essig abzuschmecken, löst sich der Verschluss der Ölflasche und mein Salat sieht auf einmal aus wie eine große grüne Sardine. Angesichts der Tatsache, dass ich jetzt nun seit über zwei Stunden an diesem Salat herumhantiere, beschließe ich es aufzugeben und eile hinunter in unsere Eckkneipe, wo ich für 21 Euro sechsmal gemischten Salat erstehe und alles in meine Schüssel schmeiße. Als ich wieder zu Hause ankomme gleicht die Küche einem Handgranaten-Weitwurf-Übungsplatz. Unter Tränen erzählt mir Nico, dass die Glasschüssel wegen dem heißen Pudding im Kühlschrank mehr oder weniger explodiert sei. Jörg, der noch im Badezimmer sitzt und sich die Splitter der Glasschüssel aus dem Fuß zieht, in die er unglücklicherweise getreten ist, hat dann die glorreiche Idee, einfach die Cremefüllung der Torte, die er im Tiefkühlschrank gesehen hat, als Dessert zu nehmen. Während also Nico die Cremefüllung unserer Sonntagstorte unter zwei Tonnen Sprühsahne versteckt sucht Jörg seine letzten noch verbliebenen Zahnstocher zusammen. Die Anzahl seiner Käse-Ananas- Gurken-(„Was meinst Du, ist Corinna ein Gurkentyp? Gurken symbolisieren ihr meine sensible Seite fast noch besser als Ananas.“)-Häppchen ist auf sieben zusammengeschrumpft, dafür hat er in alle eine persönliche Widmung geschnitzt. Ich versiegle die Küchentür, stelle die fünf durchgeschmorten Töpfe für den Schrotthändler an die Straße, , schreibe einen warnenden Brief an meine Eltern (PS: Mama, wie macht man Dressing?!?), und mache mich mit Jörg, Nico, Salat für 21 Euro, den Überresten einer Cremetorte und sieben Käseskulpturen auf den Weg zu unserem Päda-Kurstreffen.


Freitag, 0 : 36 Uhr

Leicht bis stark angeheitert machen wir drei uns auf den Weg nach Hause. Meinen Salat fanden alle klasse, Nicos Pudding war eine Sensation. Von Jörgs Käsehäppchen sind allerdings noch fünf übrig (auf dem Hinweg sind ihm im Treppenhaus zwei runtergefallen). Ach übrigens, Corinna ist gar nicht gekommen.

 

witzig witzig. harhar

okay war schon ganz nett. männer haben auch einfach nichts in der küche verloren und frauen sollten lieber kein auto fahren.

gruß
le Bolderson

 

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