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- Anmerkungen zum Text
Ich habe den Erotik-Part aus meiner KG 'Autotomiac' extrahiert und zu einer eigenen Geschichte umgeschrieben. Plan ist, das ganze bei einem Wettbewerb einzureichen (siehe link) und ich wäre froh, wenn ihr mir Feedback gebt und helft, die KG zu tunen.
https://www.autorenwelt.de/verzeichnis/foerderungen/menantespreis-fuer-erotische-dichtung-2019
Vorauseilender Dank, Peace, linktofink
Lynn
Eingänge bis Mitternacht werden berücksichtigt. Verdammte Hacke.
Es ist viel zu heiß zum Denken, wie sollte es früh abends im August auch anders sein? Klar habe ich zu spät angefangen, wie immer, aber die Einsicht verschafft mir keinen Aufschub.
Meine linke Hand tut, was sie will, scribbelt wirres Zeug auf den Block. Ich schaue gebannt auf den Bleistift, versuche, aus dem Gekritzel etwas Brauchbares herauszufiltern, eine Idee, eine zufällige Inspiration, ein Geschenk des Himmels, weiß der Geier.
Halbherzig trete ich gegen den Ventilator unterm Schreibtisch. Der Kopf kippt leicht ab, spuckt ein neues Rattern aus. In den Luftzug halte ich die Füße, der Blick wandert in die Leere der flirrenden Häuserschlucht hinter dem Glas. Über dem Fensterblech kocht die Luft, das Spinnennetz in der Ecke flackert. Von ganz unten dringt gedämpfter Straßenlärm.
Ich schließe die Augen, verschränke die Hände hinterm Kopf und versuche, den Brei in meinem Kopf zu teilen, um Platz zu schaffen für Gedanken. Es gelingt mir nicht. Noch knappe fünf Stunden – das wird sportlich.
In meiner Brusttasche knistert das Päckchen mit dem ausgedörrten Tabakrest. Dankbar für die Ablenkung tausche ich den zerkauten Bleistift gegen eine bröselige Selbstgedrehte. Nach einem Zug ist sie heiß geraucht.
Der Schlüssel geht im Schloss, ein »Hallo« weht durch den Flur, der Korb landet knirschend auf den Fliesen. Für ein paar Sekunden läuft der Hahn an der Spüle. Lynn kommt aus der Küche, in der Hand ein Schälchen mit sattroten Früchten. »Gibt wieder Erdbeeren«, flötet sie. Aus der Pappe tropft es rot aufs Parkett. Wässriges Beerenblut frisst sich ins Holz.
»Ich seh's«, sage ich, winke mit der Nase zu den Flecken.
Lynn ignoriert es. In den hellen Stirnlocken steckt noch die Sonnenbrille vom Einkauf. Wortlos schaut sie auf die Kippe zwischen meinen Lippen, rümpft die Nase, wedelt den Rauch beiseite. Sie stellt die Beeren weg und stolziert mit raschelndem Kleid zum Fenster, reißt es auf und lässt noch mehr von der Teufelsglut hinein. Ihr folgt der Duft von Fahrradfahren, eine Melange aus Sonnenmilch, Anstrengung und Wind.
Lynn gibt dem leeren Glasascher einen Schubs, der ihn zu meinem Handrücken schickt. Dort gerät er ins Kreiseln, bevor er sich klappernd beruhigt.
»He, geht's noch?«, sage ich – nicht zu laut, denn ich weiß, wohin es führen kann. Lynn taxiert mich, beobachtet. Ihr Blick unergründlich.
»Anscheinend ja nicht. Selbst schuld, hättest ja früher anfangen können!«, spöttelt sie und nimmt sich wieder das Schälchen.
»Ja, danke, du … Nanny.« Als wenn ich das nicht selbst wüsste!
»Meine ja nur«, lächelt sie und schnippst die Erdbeerblätter Richtung Ascher. Sie landen auf dem Block. Ungerührt schaut sie auf mich hinab, wartet, ob noch was kommt. Das Licht von draußen färbt ihre Augen zu grünem Eis. Eisköniginnenaugen.
Lynn dreht ab und nimmt die Erdbeeren mit, zutscht sie einzeln durch ihre Kirschlippen. Ich schaue ihr hinterher, sie spürt es, ihr Rücken strafft sich beim Gehen. Zusammen mit dem Schmatzen der Riemchensandalen ergibt sich ein eigentümlicher Dreiklang aus Zutschen, Schmatzen, Rattern. Nervöse Sommergeräusche, die leiser werden. Wenig später höre ich die Kühlschranktür, klackendes Glas, Tüten knistern, das Radio beginnt zu leiern. Ich halte mir die Hände auf die Ohren.
Thema der Ausschreibung ist 'Autotomie', Abstoßung von Körperteilen, die nachwachsen. Ich stecke fest, der Protagonist stoppelt vor sich hin, hölzern und blutleer. Zu mehr fehlt mir gerade alles. Wünschte, ich könnte meinen leeren Kopf abwerfen und einen neuen wachsen lassen.
Lynn steckt nochmal die Nase durch die Tür: »Hab da neulich 'ne Doku gesehen über so'n Tiefseefisch. Fällt mir gerade ein. Riemenfisch, heißt der, glaub ich. Da ging's auch um Autodingenskirchen. Wenn der Hunger schiebt, kann der Teile von seinem Schwanz abwerfen und selber fressen.«
Danke für die Info, Lynn, fügt sich nahtlos in meinen Text!, liegt mir auf der Zunge. Stattdessen sage ich lahm: »Wäre vielleicht 'ne Idee« – und ahne, noch bevor ich fertig bin, das aufkommende Unheil. Nicht doch! Lynn gluckst, lacht hell auf. Sie nimmt die Sonnenbrille von der Stirn und legt sie weg, schaut mich an, hält meinen Blick fest. Ich spüre die Hitze in meinen Wangen, sie müssen brennen. Lynn lässt sich nichts anmerken.
»Möcht ich sehen ...«, kontert sie, spielt mit einer Erdbeere zwischen ihren Lippen. Die feuchte Zungenspitze mischt fleißig mit, dann saugt sie mit festen Lippen die Beere ein, quälend langsam.
Kribbeln unter der Tischplatte. Flirrende Hitze überall. You really got me! Die Jeansknöpfe spannen, mein Hintern steht stramm, rutscht nach vorne auf die Kante. Vorfreude zittert durch meine Knie.
Lynn lässt sich Zeit, steigt aus den Sandalen und wischt sie achtlos mit dem Fuß zur Seite, streift die Träger über die Schultern, lässt das Kleid aus gewebtem Elfenbein über Taille und Hüften herab. Knisternd sinkt es zu Boden. Sie steigt aus der hellen Seidenhaut, lässt ihre Hände hinter den Rücken wandern, ohne mich aus den Augen zu lassen. Mit einem Klips löst sie die Spitzenkörbchen, lässt sie fallen und geht mit zwei Fingern in den Slip, streift ihn über die Beine, aber nicht ohne vorher so'n runter-und-wieder-hoch-Spielchen zu veranstalten.
Lynn greift die Lehnen von meinem Stuhl, streicht mit den Zehen seitlich an meiner Wade entlang, schaut auf mich herab. Das Lächeln ist ebenso verschwunden wie die Kälte in den Augen. Lynn atmet schneller. Ich kann sie riechen, ihr Duft betäubt. Die Wade prickelt, der Schritt pocht. Schmale Finger greifen in meinen Nacken. Meine Hose zwickt, dass es weh tut. Die rosigen Nippel sind direkt vor mir, ziehen mich vom Stuhl wie die kreiselnden Augen von Kaa. Hör auf mich, glaube mir … Sie muss nicht singen, damit ich ihr folge.
Noch dreieinhalb Stunden. Langsam kühlt der Ofen aus. Restwärme hoch, gepaart mit drückender Schwüle. Für abends sind Hitze-Gewitter vorhergesagt. Erste Wolken tanzen auf den Dächern gegenüber, versprechen Kühle. Der Text und ich brauchen ein Wunder.
Lynn hat nach dem Duschen ihr Kleid wieder angezogen, schwebt hinter mir her und legt sich mit einem Schmöker aufs Sofa. Als sie an mir vorbei ist, folgt ihr Duft, rasiert alle Gedanken auf drei Millimeter. Dann ist der Moment vorbei. Ausblenden. Durchschnaufen.
Ich sitze vor dem Bildschirm, starre auf meine linke Hand. Die hält wieder den Bleistift, zirkelt über den Block und skizziert einen Menschen, der sich selbst verspeist. Ich muss ihn vor mir sehen, sonst kann ich ihn nicht beschreiben. Langsam schält sich der Protagonist aus dem Dunst, erhält Konturen, Ecken, Kanten. Ich spüre, wie das Leben in ihn strömt, winke ihm zu.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, die schlanken Fesseln liegen jetzt über Kreuz. Ihr linker Fuß, der oben liegt, beginnt leicht zu wippen. Die Fußsohlen leuchten rosa und weiß. Weiche Haut. Makellos. Es ist mir unmöglich, wegzuschauen.
»He, glotz mich nicht so an.« Sie klappt geräuschvoll das Buch zusammen – ohne Finger dazwischen – tut beleidigt: »Nicht zu fassen.«
Empörtes Kopfschütteln, ihr Handtuch-Turban wackelt mit.
»Ich glotze nicht, ich zeichne und denke nach. Dabei ist mein Blick zufällig zu dir gewandert.« Ich schließe die Augen, kann die ersten Tropfen auf dem nassen Asphalt beinahe riechen. Kleine Trommelschläge auf heißes Blech. Cool bleiben! Noch gibt es Resthoffnung für den Text – wenn auch nur geringe. Dafür müsste er am duftenden Elfenbeinkleid vorbei. Der Bleistift knackt in meiner Hand. Ich schwitze.
»Na klar, rein zufällig …, erzähl das deiner Oma, selbst die ist nicht blöd genug, das zu glauben!« Lynn lacht spöttisch, hört nicht auf, mit der Fußspitze zu wippen. Ab und zu lässt sie mich ihre knallroten Zehennägel sehen. Ihre Worte rauschen an mir vorbei, ich höre kaum, was sie sagt. Keine spielt das Spiel wie sie. Ich versuche, ein letztes Mal zu entwischen:
»Lynn, ich habe noch drei Stunden, diese Story fertigzuschreiben und abzuschicken, und das würde ich verdammt gerne tun.«
Lynn überhört völlig, was ich sage. Es ist ihr egal. Wieder schickt sie mir diesen Blick, glasklar, hell und frostig.
Sie schlägt die glatten Beine andersrum, der rechte Fuß ist oben. Am zweiten Zeh trägt sie einen neuen Ring, der mir erst auffällt, als sie die Zehen spreizt. Nebenbei nästelt sie an den Spaghettiträgern, lässt die hellen Streifen darunter aufleuchten. Sie sieht meinen Blick, sieht das, was in ihm liegt, und schüttelt geziert den Kopf. Schmales Siegerinnenlächeln.
»Hätte ich vorher gewusst, dass du so einer bist …«
Lynn zieht die Fersen an, gibt unter dem Saum des Kleides einen kleinen Ausblick auf ihren Slip frei. Gerade so, als wäre es keine Absicht. In der Mitte ist eine dunklere Stelle. Zwischen ihren Knien hindurch hält mich ihr abschätzender Blick gefangen. »… so ein mieser kleiner Spanner.«
Ich kann den Haken im Nacken spüren, sein Glühen. Sehe das schwarze 'L' vor mir, es riecht nach verbrannter Haut. Die Hitze rutscht tiefer, zwischen meine Beine. Lynn kann jetzt alles sagen und sie weiß es.