Was ist neu

Luftballons und Zuckerwatte

Seniors
Beitritt
11.07.2008
Beiträge
709
Zuletzt bearbeitet:

Luftballons und Zuckerwatte

Amanda stand mit ihrem Teddy vor Bernds Tür. Sie zögerte, bevor sie schließlich zaghaft klopfte. An den Knopf der Klingel kam sie nicht heran, egal wie sehr sie sich streckte.
Bernd konnte sich wahrscheinlich schon denken, dass sie es war. Niemand sonst klopfte bei ihm an die Tür. Schon gar nicht so leise und vorsichtig wie sie.
Sie schluckte und drückte das Stofftier fest an ihre Brust. Bernd machte ihr immer ein wenig Angst, mit seinen rotgeränderten Augen, dem stoppeligen Kinn und den vielen Narben, die sein Gesicht wie ein zerknittertes Stück Papier aussehen ließen.
Nach ein paar Augenblicken hörte Amanda schlurfende Schritte und das Klicken der Schlösser und Riegel an Bernds Tür. Ein fahler, dünner Lichtstrahl fiel in den Flur und hüllte Amanda ein wie ein Suchscheinwerfer.
„Hallo, Bernd. Mama hat wieder einen Freund zu Besuch und sie fragt, ob ich vielleicht bis um acht bei dir bleiben kann. Ich soll artig sein und dich nicht stören. Mama holt mich ab, wenn ihr Freund weg ist.“
Der hagere, unrasierte Mann drückte wortlos die Tür weit genug auf, damit sie hindurchschlüpfen konnte. Dann schloss er die Tür und verriegelte sie wieder.
Amanda lief in die Küche und setzte sich auf den Stuhl, der am Fenster stand. Sie konnte von dort aus in den Hof sehen. Und trotz ihrer Furcht freute sie sich auf das Ritual, was immer kam, wenn sie bei ihm war. Bernd würde das Glas mit der Zeichentrickfigur, das früher einmal Senf enthalten hatte, aus dem Schrank holen und Milch hineintun. Dann würde er ihr auf einem Teller ein paar Kekse oder ein bisschen Zwieback vor die Nase stellen. Anschließend würde er sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank holen, sich ihr gegenüber an den Tisch setzen und gemeinsam mit ihr schweigend aus dem Fenster auf den Hof schauen. Bernd redete nicht viel. Amanda machte das nichts aus.
Bernd knibbelte gedankenverloren an dem Etikett seiner Flasche herum. Amanda sah die Pappschachtel mit den Tabletten auf dem Tisch. Er sah erschöpfter aus als sonst.
„Bist du traurig?“
Bernd nahm einen Schluck und schüttelte den Kopf. „Hab nur grad wieder an irgendeinen Scheiß gedacht. Ich schlafe in letzter Zeit schlecht.“
„Mama sagt, man soll keine schlimmen Wörter sagen.“
„Hör auf sie.“
Amanda sah auf ihren Stoffteddy und streichelte ihn am Ohr. „Dreckschlampe ist auch ein schlimmes Wort, oder?“ Bernd sah Amanda überrascht an.
„Ja, ist es. Woher hast du das?“
„Ein Mann hat gestern zu Mama gesagt Geile Dreckschlampe. Das habe ich in ihrem Zimmer gehört, als ich vom Spielen nach Hause gekommen bin. Ich hab schon öfter sowas gehört, und Mama redet dann auch so komisch. Wenn das Freunde sind, wieso sagen die schlimme Worte?“
„Weil’s nicht ihre Freunde sind. Keine richtigen jedenfalls. Eher wie Kunden aus dem Supermarkt.“
Amanda sah Bernd an. Dann kicherte sie kurz. „Was kaufen die denn bei uns? Wir sind doch kein Supermarkt.“
Bernd seufzte. „Deine Mutter spielt mit ihnen und dafür kriegt sie Geld.“
„Mama sagt, ich soll mit niemandem darüber reden, dass sie Besuch kriegt. Auch mit meinen Freunden nicht. Warum nicht, Bernd?“
„Weil diese scheinheiligen … Leute dann schlecht über deine Mutter und dich reden. Sie werden gemeine Sachen sagen und gemeine Sachen machen. Und wahrscheinlich dürfen viele deiner Freunde dann auch nicht mehr mit dir spielen.“
„Versteh ich nicht.“
„Leider wirst du‘s, wenn du älter bist.“
Bernd und Amanda sahen wieder aus dem Fenster.

Es klingelte. Amanda sprang auf und lief zur Tür. Sie gluckste leise vor Freude.
Bernd kam hinterher und schloss auf. Paulina stand vor der Tür. Ihre Tochter klammerte sich an ihr Bein und Paulina strich ihr über den Kopf.
„Hallo Bernd. Danke, dass du auf mein kleines Krümelchen aufgepasst hast.“
Paulinas Atem roch intensiv nach Mundwasser. Irgendwas mit Menthol.
„Klar, kein Ding. Macht’s gut, ihr beiden.“ Er wollte die Tür wieder zumachen.
„Echt total lieb, dass du immer auf Amanda aufpasst. Ich kann sie ja abends nicht rausschicken, bei den ganzen Perversen und Irren. Wenn du willst, koch ich mal was für dich. Oder ich kauf dir Pizza, oder so.“ Sie lachte ein bisschen zu laut, verlegen und gekünstelt.
Bernd sah sie an. Im Mundwinkel hatte sie noch Reste von knallrotem Lippenstift. Sie trug einen zu weiten, schäbigen Bademantel, der ein Loch im Kragen hatte und ihre Füße steckten in Flip Flops. An einer Zehe trug sie einen Zehenring und er konnte eine Tätowierung sehen, die sich von ihrem Fußrücken ihr Bein hochschlängelte.
Paulina folgte seinem Blick und für einen Augenblick verdüsterte sich ihr Gesichtsausdruck.
„Wenn du willst, kann ich dich auch mal … besuchen kommen, wenn Amanda in der Kita ist. Umsonst.“
Bernd sah auf seine Hände. Er schüttelte den Kopf.
„Ich passe gern auf sie auf. Liebes Mädchen.“
Paulina schaute ihre Tochter an. Ihre Lippe zitterte.
„Ja, das is‘ sie. Ich bin dir wirklich dankbar, ehrlich. Ich kann sonst auch mal bei dir putzen oder einkaufen.“ Ihre Augen flackerten unruhig und sie sah verzweifelt zwischen Amanda und Bernd hin und her.
Amanda hatte Paulinas Bein losgelassen und versteckte sich wieder hinter ihrem Teddy.
Bernd machte die Tür ein Stück weiter auf.
„Willst du reinkommen?“ Paulina sah ihn einen Moment unschlüssig an. Dann lächelte sie dankbar.
„Gerne, aber ich will dich nicht lange stören. Ich bin auch echt erledigt und das Krümelchen muss bald ins Bett.“
Sie gingen zurück in die Küche und setzten sich an den Tisch.
Paulina sah sich um und räusperte sich schließlich.
„Und, was machst du so in letzter Zeit?“
Bernd drehte die leere Bierflasche, die noch auf dem Tisch stand, in seiner Hand hin und her.
„Such grad wieder was. Kann nicht so gut mit Arbeit. Wird mir alles schnell zu viel.“
Paulina entdeckte ein Foto, dass mit einer Heftzwecke an der Wand befestigt war. Bernd trug eine sandfarbene Uniform und saß in einem Geländewagen. Neben ihm standen ein paar andere Männer. Sie alle grinsten in die Kamera.
„Du warst beim Bund? Äh … Cool, oder?“
Bernd wich ihrem interessierten Blick aus.
„Das war vierundzwanzig im Iran.“
Amanda sah neugierig auf das Bild.
„Safiye kommt auch aus dem Iran. Ihr Papa sagt immer zu Frau Reuter, Safi darf nicht mit uns spielen und in der Pause soll sie mit ihrer Schwester immer drinbleiben. Safi spielt aber trotzdem mit uns. Sie hat nur Angst, dass ihr Papa oder ihr blöder Bruder das mitkriegen.“
Paulina warf noch einen Blick auf das Foto und sah ihm dann ins Gesicht.
„Hast du da die ganzen Narben her?“
„Mine. Hab’s als einziger überlebt.“ Sein Blick verlor sich in der Ferne.
„Kriegst du dann nicht Entschädigung oder Rente? So wie die Soldaten, die dieses … wie hieß das … PS Dings haben?“
Bernd schnaubte höhnisch.
„Die haben mich als dienstunfähig entlassen. Eine Zuerkennung kriegen aber nur aktive Soldaten.“
„So eine Scheiße.“
„Stimmt.“
„Das sagt man nicht, Mama.“ Amanda saß mittlerweile auf dem Boden und spielte mit ihrem Teddy.
Bernd und Pauline lächelten beide unbewusst.
„Und bei dir so?“
Paulina seufzte und strich sich mit der Hand müde über ihr Gesicht.
„Die haben das Kindergeld wieder gesenkt und dafür die Krankenkassenbeiträge erhöht. Die Kita wird nächsten Monat auch teurer. Und wenn Amanda im Herbst eingeschult wird, braucht sie ein Tablet und für zuhause Ultraflat. Außerdem hat mir eine Freundin erzählt, dass die Schutzwesten, die von der Schule gestellt werden, nichts taugen. Mein Krümelchen kriegt ganz sicher nicht so’n Billigding, das sie nicht schützt. Gott, wie soll ich das alles nur bezahlen?“
„Ich dachte, man verdient gut in deinem Job.“
„Mit Einunddreißig? Gibt total viele Illegale, die sind nicht mal sechzehn.“
„Such dir doch was anderes.“
„Ich putz ja schon dreimal die Woche. Hilfsjobs gibt’s halt immer schwerer.“
„Was ist mit Sozialhilfe?“
„Bin auf der Warteliste. In fünf Jahren frühestens. Anschaffen ist als steuerpflichtiger Beruf anerkannt. Also ist es laut Amt zumutbar, dass ich in dem Job arbeite.“
„Den Vater der Kleinen kann man auch vergessen, richtig?“
Paulina schluckte und kniff ihre Augen fest zusammen. Sie musste zweimal ansetzen, bevor sie weitersprechen konnte.
„Ich gehe ständig mit dem Preis runter und muss immer krasseres Zeug machen, damit ich überhaupt noch Kunden kriege. Vor zwei Tagen erst wollte so ein widerliches Schwein, dass ich …“ Paulina drückte beide Hände vor ihr Gesicht.
Bernd hatte das Gefühl, als müsste er etwas sagen, doch ihm fiel nichts ein.
Schließlich beruhigte sich Paulina ein wenig.
„Ich muss das Krümelchen ins Bett bringen. Amanda, komm jetzt.“
Sie standen auf und gingen zur Tür. Draußen im Flur drehte sie sich nochmal um.
„War schön, mit dir zu reden. Sorry, dass ich dich mit meinen Problemen zugetextet habe. Vielleicht willst du ja mal auf nen Kaffee runterkommen.“
Bernd lächelte kurz und hob die Hand zum Abschied. Dann schloss er die Tür und sah durch den Türspion den beiden hinterher, bis sie auf der Treppe außer Sicht verschwunden waren.

 

Boah, ich sollte keine Text mehr von dir lesen, die ziehen mich immer so runter...


Hallo Eisenmann,

etwas überspitzt, aber es ist schon so. In deinen Texten steckt so viel Pessimismus. Und in diesem geht er mir besonders nahe, da ein solches Leben, obwohl die Geschichte in der (nahen) Zukunft spielt, doch für viele Menschen auch heute Realität ist. Und nicht wenigen auf dieser Welt geht es sicherlich noch schlechter.

Zwei kaputte Leben, das dritte wächst gerade heran. Vom Staat fallen gelassen. Wer sich nicht selbst helfen kann, hat auch keine Hilfe vom Staat verdient. Zum Kotzen.

Amanda hat auch keine rosige Zukunft vor sich. Schutzwesten für die Schule. Sicherlich weniger weit hergeholt, als man erst mal denkt. Und danach? Auch sich selbst verkaufen? Noch mehr zum Kotzen!

Lieber Eisenmann, du hast es hervorragend geschafft, hier eine Stimmung rüberzubringen, Gefühle zu vermitteln. Sozialkritisch ist die Kiste sowieso.

In der Hoffnung, deine Vision wird nicht noch wirklicher, als sie schon ist.
Holger

Niemand sonst klopfte bei ihm an die Tür. Schon gar nicht so leise und vorsichtig wie Amanda.
"Niemand" und "Schon gar nicht so leise" beißt sich für mich, soll aber verdeutlichen, dass echt keine Sau außer Amanda bei ihm Klopft?

Und trotz ihrer Furcht freute sie sich auf das Ritual, was immer kam, wenn sie bei ihm war.
Ihre Furcht müsste sich doch langsam legen, sie wird ja schon etliche Male bei ihm gewesen sein.

Dann würde er ihr auf einem Teller ein paar Kekse oder ein bisschen Zwieback vor die Nase stellen.
Es teilt das wenige, das er hat. Und will noch nicht mal Paulinchen vögeln. Ehrliche Haut. Scheiß Mine!

Paulina folgte seinem Blick und für einen Augenblick verdüsterte sich ihr Gesichtsausdruck.
„Wenn du willst, kann ich dich auch mal … besuchen kommen, wenn Amanda in der Kita ist. Umsonst.“
Bernd sah auf seine Hände. Er schüttelte den Kopf.
„Ich passe gern auf sie auf. Liebes Mädchen.“
Paulina schaute ihre Tochter an. Ihre Lippe zitterte.
„Ja, das is‘ sie. Ich bin dir wirklich dankbar, ehrlich. Ich kann sonst auch mal bei dir putzen oder einkaufen.“ Ihre Augen flackerten unruhig und sie sah verzweifelt zwischen Amanda und Bernd hin und her.
Die Szene finde ich sehr stark. "Verdüstern", "zitterte", "Augen flackerten". Man kann sich einfühlen.


Ach so, eins noch: Der Titel erschließt sich für mich nicht.

 

Hallo Eisenmann

Chapeau, in dieser Kurzengeschochte gelingt es dir, mir alle drei ans Herzwachsen zulassen.
Ich war lange nicht mer so gefesselt, mich hattest du von anfang an.

Ein Milieu, dass mann Naserüpfend von sich weisst bestenfalls ignoriert. Dir gelingtes, die keines falls vorzeige Mutter doch irgendwoe sympatisch zu machen, so alls wollte ich los ziehen und die beiden aus ihrem morast befreien.
Ich würde hoffen Bernd, bezwingt seine Dämonen und hilft ihnen aus dieser lage raus.

Kann bloss sagen schade ist die Geschichte bereits zu enden.


Gruss Thelos

 

Hallo, Eisenmann,

Immer, wenn ich deine Geschichten lese, habe ich den Spruch im Kopf, dass die Dummheit immer bestraft werden muss.

Diesmal bestückst Du eine marginale Figur, eine "Nutte", mit Familie, mit Gefühlen, mit einem Freundeskreis, mit all dem Drumherum, dass alle "normale" Menschen sonst auch haben. Das ist sehr nett, die "Verteufelten" von einer menschlichen Seite zu erleben. Dann kommt dieser Soldat. Auch kein einfaches Leben. Und immer wieder mit dem Motiv Geld im Vordergrund. Und dieses unschuldige Wesen ganz nah zum Anfassen. Ich möchte fast weinen... Und dann kommt der Spruch mit der Dummheit, die immer bestraft werden muss.

Also, ich sehe da keinen Konflikt in deiner Story. Das ist zwar ein netter Einblick hinter den Vorhang einer "Freiberuflerin", aber eine sterbenskranke Mutter, alleinerziehend, würde es genau so weit bringen.

Obwohl... ein Konflikt zwischen dem Text und dem Titel ist meines Erachtens überwältigend.

Viele Grüße
Herr Schuster

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Eisenmann,

die Geschichte gefällt mir. Du schaffst es hier sehr schnell, bei mir dem Leser Emotionen zu erzeugen. Ein Kind mit Stofftier im Arm, das kaum an die Türklingel heranreicht, geht zu einem auf den Hund gekommenen Nachbarn, weil die Mutter einen Freier bedient. Das packt schon, mich jedenfalls.

Wenn ich diese Startbedingungen für einen neues Leben sehe, schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Denkt man an Sozialwissenschaft, Statistiken und Wahrscheinlichkeiten, dann steht es nicht so gut um Amanda. Die Umstände, in denen sie aufwächst, sind nicht ideal für ein Kind. Ab wann führen nicht-ideale Umstände zur Deformation, zur Schädigung eines Lebens? Es gibt da eben auch die andere Sichtweise, dass Leben sich selten in idealen Umständen entwickelt. Ein schwieriger Start kann zu ganz verschiedenen Lebens(ver)läufen führen, obwohl man das natürlich niemandem wünscht.

Ich habe über den Hinweis zum mangelnden Konflikt nachgedacht. Stimmt schon, wir sehen keinen Konflikt, den der Protagonist annimmt und bewältigt. Jedenfalls nicht im dynamischen Sinne. Dieser Konflikt hier ist eher statisch. Am Ende der Geschichte steht es um keine der drei Figuren wirklich besser (oder schlechter).

In diesem Sinne ist die Entwicklung, die man sich von einer Figur ja wünscht, nicht gegeben. Aber auch wenn der Konflikt eher statisch beschrieben wird, ist da so etwas wie eine Bewegung, der Schimmer einer Hoffnung. Denn immerhin kommt es zum Gespräch. Die drei Figuren reden miteinander und bei Paulina und Bernd hat man das Gefühl, dass es das erste Mal ist, dass sie wirklich mit einander reden. Vielleicht bedeutet das was, vielleicht lässt das auf etwas mehr Nähe und Gemeinschaft hoffen, wer weiß.

Mir reicht es jedenfalls für den kurzen Text. Ich denke, das ist angemessen.

Sehr gern gelesen, Eisenmann.

Gruß Achillus

 

Hallo Eisenmann,

die eingefangene Stimmung, die Sprache, die Beschreibungen sind toll. Kennt man ja von dir.
Das Ganze allerdings in der Zukunft spielen zu lassen - dazu in einer pessimistisch gedachten - finde ich dann eigentlich 'too much', braucht es für mein Gefühl gar nicht. Ohne das wäre mir deine Geschichte noch näher gekommen, die Gegenwart ist herzzerreißend genug.
Aber: sehr gern gelesen!

Grüße,

Eva

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej Eisenmann,

es ist schon irritierend, dass du den tag Science Fiction nicht genutzt hast.

Bernd konnte sich wahrscheinlich schon denken, dass sie es war.

Warum denn wahrscheinlich? Alles läuft darauf hinaus, dass er es annimmt.

Ein fahler, dünner Lichtstrahl fiel in den Flur und hüllte Amanda ein wie ein Suchscheinwerfer.

Wie cool.

Hallo, Bernd. Mama hat wieder einen Freund zu Besuch und sie fragt, ob ich vielleicht bis um acht bei dir bleiben kann. Ich soll artig sein und dich nicht stören. Mama holt mich ab, wenn ihr Freund weg ist.“

Und hier fängt mein Dilemma an. Amanda ist sowohl sehr klein, als auch jung (später kommt der Hinweis auf den Kindergarten) Sie redet wie eine Achtjährige, mindestens. Falls sie hochbegabt ist, sollte das irgendwo zusätzlich sichtbar werden. (Aufgrund von Umweltbelastungen eventuell? :D)

Und trotz ihrer Furcht freute sie sich auf das Ritual, was immer kam, wenn sie bei ihm war.

Kommen Rituale? Werden sie nicht eher begangen?

Bernd würde das Glas mit der Zeichentrickfigur, das früher einmal Senf enthalten hatte, aus dem Schrank holen und Milch hineintun. Dann würde er ihr auf einem Teller ein paar Kekse oder ein bisschen Zwieback vor die Nase stellen. Anschließend würde er sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank holen, sich ihr gegenüber an den Tisch setzen und gemeinsam mit ihr schweigend aus dem Fenster auf den Hof schauen.

Siehst du? Ganz wunderbar!

Ein Mann hat gestern zu Mama gesagt Geile Dreckschlampe. Das habe ich in ihrem Zimmer gehört, als ich vom Spielen nach Hause gekommen bin. Ich hab schon öfter sowas gehört, und Mama redet dann auch so komisch. Wenn das Freunde sind, wieso sagen die schlimme Worte?“

Du schaffst eine dichte Atmosphäre, aber Amandas Sprache macht mich unruhig. Sie passt einfach nicht für mein Gefühl. Sie ist zu komplett. Kleine Kinder reden eher zusammenhangloser, reihen eher nicht folgerichtige Inhalte aneinander.

Versteh ich nicht.“

Ich glaube, Amanda würde nichts sagen und gleich aus dem Fenster sehen.

Sie gluckste leise vor Freude.

Hier ist die wieder klein.

Ihre Tochter klammerte sich an ihr Bein und Paulina strich ihr über den Kopf.

Sehr klein. :D Eher zwei Jahre als, höchstens drei ... oder Mami hat megalange Beine.

Bernd sah sie an. Im Mundwinkel hatte sie noch Reste von knallrotem Lippenstift. Sie trug einen zu weiten, schäbigen Bademantel, der ein Loch im Kragen hatte und ihre Füße steckten in Flip Flops. An einer Zehe trug sie einen Zehenring und er konnte eine Tätowierung sehen, die sich von ihrem Fußrücken ihr Bein hochschlängelte.

Sehr aufmerksam. Ich mag das sehr.

Paulina sah sich um und räusperte sich schließlich.
„Und, was machst du so in letzter Zeit?“

Ich höre sie genau, das arme Ding.

Safiye kommt auch aus dem Iran. Ihr Papa sagt immer zu Frau Reuter, Safi darf nicht mit uns spielen und in der Pause soll sie mit ihrer Schwester immer drinbleiben. Safi spielt aber trotzdem mit uns. Sie hat nur Angst, dass ihr Papa oder ihr blöder Bruder das mitkriegen.“

Ich will dich ja nicht nerven, aber ein müdes, kleines Kind mischt sich nicht in ein Erwachsenengespräch, schon gar nicht mit Informationen.

Mit Einunddreißig? Gibt total viele Illegale aus‘m Osten, die sind grad mal sechzehn.“
„Such dir doch was anderes.“

Ich fürchtete schon, die würden zukünftig noch jünger werden. :(

Richtig gut, wie du alles im Raum stehenläßt.

Du nimmst dich für mein Empfinden sehr zurück. Dafür hast du sicher einen Grund. Mir hätte es ziemlich gefallen, mehr zu sehen zu bekommen, hatte ich doch eine annähernde Kulisse vom "Das fünfte Element" vor meinem inneren Auge.

Deine bedrückende Skizze, das trauriges Zukunftsszenario leuchtet ein und wertet gleichzeitig nicht mit dem Zeigefinger. Sehr fein, wie du es einzuflechten verstehst, ohne dich aufzudrängen.
Den Titel empfinde ich nicht richtig gewählt und zwingt mich, unverhältnismäßig lange darüber nachzudenken.

Ein Leseeindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Eisenmann

Amanda stand mit ihrem Teddy vor seiner Tür. Sie zögerte etwas, bevor sie schließlich zaghaft klopfte. An den Knopf der Klingel kam sie nicht heran, egal wie sehr sie sich streckte. Bernd konnte sich wahrscheinlich schon denken, dass sie es war. Niemand sonst klopfte bei ihm an die Tür. Schon gar nicht so leise und vorsichtig wie Amanda.

Das ist für mich ein ziemliches Perspektivendurcheinander und ich musste den Absatz mehrmals lesen. Der erste Satz klingt so, als sei die Geschichte aus der Perspektive von Bernd erzählt. Dann wird aber deutlich, dass das nicht sein kann, denn Bernd ist ja noch in der Wohnung. Der letzte Satz klingt dann aber wieder wie die Perspektive von Bernd. Ich schlage vor, das „seine“ durch „Bernds“ zu ersetzen und „Amanda“ durch „sie“.

Sie zögerte etwas, bevor sie schließlich zaghaft klopfte.

Unnötig kompliziert. „Sie zögerte, bevor sie zaghaft klopfte.“

An den Knopf der Klingel kam sie nicht heran, egal wie sehr sie sich streckte. Bernd konnte sich wahrscheinlich schon denken, dass sie es war. Niemand sonst klopfte bei ihm an die Tür.

Der erste und der zweite Satz haben nichts miteinander zu tun. (Denn wenn sie klingeln würde, wäre die Wahrscheinlichkeit ja kleiner, dass Bernd wüsste, wer es ist). Das hat mich verwirrt, weil ich da einen Zusammenhang erwartet habe. Zusammen mit der Perspektivenproblematik habe ich den Einstieg als etwas unorganisch empfunden.

Sie schluckte und drückte ihr Stofftier fest an ihre Brust.

Entweder „das Stofftier“ oder „an die Brust“.

Ein fahler, dünner Lichtstrahl fiel in den Flur und hüllte Amanda ein wie ein Suchscheinwerfer.

Das fällt völlig aus der Lebenswelt Amandas heraus. Selbst wenn du hier auktorial erzählst / erzählen würdest, fände ich diesen Vergleich unpassend. Oder hast du hier auf einmal aus der Perspektive von Bernd geschrieben?

Hallo, Bernd. Mama hat wieder einen Freund zu Besuch und sie fragt, ob ich vielleicht bis um acht bei dir bleiben kann.

Das ist mir bezüglich Satzstruktur und Logik (vorgeschaltete Begründung, Darstellung aus der Perspektive einer anderen Person („und sie fragt, ob“) zu komplex für ein Kind. Ich hätte sowas wie: „Mama hat Besuch. Sie hat gesagt, ich soll zu dir gehen. Sie sagt, ich soll artig sein.“ erwartet oder so was.

Der hagere, unrasierte Mann drückte wortlos die Tür weit genug auf, damit sie hindurchschlüpfen konnte.

Kann weg, ist impliziert.

Amanda lief schnurstracks in die Küche und setzte sich an den Stuhl, der am Fenster stand.

Wer sagt das? Wer beurteilt das? Sicher nicht Amanda. Ich komme zum Ergebnis, dass du doch ein auktoriale Erzählperspektive hast, aber das ist alles ein wenig wackelig.

Bernd würde das Glas mit der Zeichentrickfigur, das früher einmal Senf enthalten hatte, aus dem Schrank holen und Milch hineintun.

Gibt es Senfgläser mit Zeichentrickfiguren drauf? Möglich, aber ich fände es überraschend.

Amanda sah unsicher auf ihren Stoffteddy und streichelte ihn am Ohr.

Ich würde das weglassen, zumal wieder nicht klar ist, aus welcher Perspektive das gesagt ist. Die Geste vermittelt doch schon Unsicherheit, muss man nicht sagen.

Amanda sah Bernd zweifelnd an. Dann kicherte sie kurz.

Wiederum unnötig. Durch das Ansehen gibst du dem Leser die Zeit, die er braucht, um zu erkennen, dass etwas in Amanda vorgeht. Und die anschliessende Frage gibt ja dem Zweifel Ausdruck.

Paulinas Atem roch intensiv nach Mundwasser. Irgendwas mit Menthol.

Ich finde, das Adverb leistet hier nichts.

Sie lachte ein bisschen zu laut, verlegen und gekünstelt.

Jetzt schreibst du aus Bernds Perspektive. Auch nachher, wenn der Mantel als „schäbig“ bezeichnet wird.

Mir ist der Text zu direkt, du steuerst die Dialoge so, dass sie immer gleich auf den Punkt kommen. Schimpfwort -> Drecksschlampe -> Prostitution / Die ausführliche Beschreibung von Paulina / Das eindeutige Angebot / Die direkte Frage nach den Narben (haben die früher nie darüber gesprochen?) / Die direkte Frage nach Sozialhilfe etc.
Ist eine Kurzgeschichte und du hast hier maximal verdichtet und das ist ja auch gut gemacht. Aber der Text lässt mir zu wenig Zwischenräume, zu wenig Spiel für die Figuren. Die Figuren sind bloss Funktionsträger dafür, was du zeigen möchtest. Der Text ist mir in seiner Botschaft dem Leser zu direkt auf die Nase gedrückt, das fängt schon beim Teddybären an und hört mit den Praktiken auf, zu denen Paulina gezwungen ist. Für mich ist der Preis, den du für die Verdichtung bezahlt hast, zu hoch, ich empfinde die Geschichte als plakativ. Andere haben das anders gesehen und das ist ja gut so.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Eisenmann,

deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Du hast die traurige Stimmung sehr gut rübergebracht. Trotz der gedrückten Stimmung hatte ich Lust zum weiterlesen.


Über eine Kleinigkeit bin ich aber ein bisschen gestolpert:

„Such dir doch was anderes.“
„Ich putz ja schon dreimal die Woche. Hilfsjobs gibt’s halt immer schwerer.“
„Was ist mit Sozialhilfe?“
„Bin auf der Warteliste. In fünf Jahren frühestens. Anschaffen ist als steuerpflichtiger Beruf anerkannt. Also ist es laut Amt zumutbar, dass ich in dem Job arbeite.“

Zum einen kann ich mir nicht vorstellen, dass es so schwer ist, zumindest einen Putzjob zu finden. Zum anderen, ist es wirklich möglich, dass Prostitution vom Solzialamt als zumutbarer Job angesehen wird und man deshalb auf einer Warteliste steht, bis man zu "alt" ist zum Anschaffen gehen? :confused: Oder habe ich da einfach was falsch verstanden in deiner Geschichte?
Vielleicht könnte man sich auch eher darauf beziehen, dass vielleicht das Geld nicht ausreichen würde, würde die Protagonistin putzen gehen oder wäre auf Sozialhilfe angewiesen. Ich kenne mich im Rotlichtmilieu jetzt nicht sonderlich gut aus, aber ich glaube nicht, dass Sozialhilfe oder ein Putzjob eine Alternative für eine Prostituierte wäre, die sie nur nicht ergreift, weil sie so schwer umzusetzen ist.

Meinen letzten Absatz kannst du streichen. Habe jetzt erst mitbekommen, dass deine Geschichte in der Zukunft spielt. Scheine blind zu sein. :shy: Dann hoffe ich einfach, dass eine solche Zukunft nicht Wirklichkeit wird.

Wirklich tolle Geschichte. Regt zum Nachdenken an.

Lieber Gruß
Lena

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Eisenmann,

mich beschäftigt vor allem die Frage, wie weit entfernt die von dir geschilderte Zukunft ist, so dass es doch sinnvoll wäre, mit Science Fiction zu taggen. Und eventuell durch kleine Veränderungen im Setting den dystopischen Charakter zu verstärken.

Beispiele:
Lass doch die kleine Amanda mit einem kaputten mechanischen Spielzeug vor der Tür stehen. Vielleicht hat Bernd ein futuristisches Erinnerungsstück an seine Vergangenheit als Soldat in seiner Wohnung. Paulina könnte am Fußgelenk ein Kettchen tragen, auf dem ihre Nummer als registrierte Prostituierte steht.
Allerdings wäre dann ein anderer Titel sinnvoll. Vielleicht durch eine Verneinung "Keine Luftballons und keine Zuckerwatte"?

Du weißt schon, was ich meine. Nur ein wenig verschieben, so dass ich als Leser denke: He, so könnt es kommen, wenn wir nicht aufpassen. Und schon hast du mich.

Ich muss dabei an deine Geschichte "Glück ist nicht kornblumenblau" denken. Da hast du im Rückblick auf eine düstere Zeit eine ähnlich verdichtete Stimmung geschaffen. Du siehst also, dein neuer Text hat Potential.

Liebe Grüße
wieselmaus

 

Hallo Eisenmann,

die Geschichte hat mir gut gefallen, Du schreibst sehr bildlich, die Dialoge sind natürlich und alle Figuren sympathisch. Am Ende hab ich erst gedacht, da müsste noch was kommen, aber das machte nichts, denn als Momentaufnahme hast Du mir die drei in dem kurzen Text recht nahe gebracht.

Dass die Geschichte in der Zukunft spielt, hab ich auch erst nicht begriffen. Hab nicht auf den tag geachtet und für mich hatte das alles nichts mit Science Fiction zu tun, sondern mit dem, was heute schon abläuft. Wie wieselmaus schon vorgeschlagen hat, denke ich auch, dass noch mehr zukunftsmäßige Details eingebaut werden sollten, die die Geschichte aus der heutigen Zeit herausholt. So habe ich auch erstmal gestutzt, warum Paulina erst in fünf Jahren Anspruch auf Sozialhilfe hat und Bernd keine Zuerkennung bekommt. Natürlich bin ich auch über "vierundzwanzig im Iran" gestolpert und hab es zunächst nicht verstanden. Aber da kannst Du ja nichts für, denn ich hab' ja nicht auf den tag geachtet.

Erst habe ich ja gedacht, es geht um Kindesmissbrauch. Bernd wurde so gruselig skizziert, dass ich dachte, da kommt noch was. Aber dann ist er genau so eine verlorene, aber liebenswerte Gestalt wie Amanda und Paulina. Das gibt der Geschichte ihre größte Kraft, finde ich, dass ich mit allen dreien mitfühlen kann und denke, ja, Scheiß-System, die Guten haben wieder mal keine Chance. Hat mir gefallen.

Über ein paar Sachen bin ich dennoch gestolpert:

1) ..." hüllte sie ein wie ein Suchscheinwerfer."
Hier passt für mich das Wort "einhüllen" nicht. Darunter stelle ich mir etwas Sanftes vor, ähnlich wie "einlullen."

2) ..." setzte sich an den Stuhl ..." Gut, Amanda ist ein Kind, ich kann mir schon vorstellen, dass sie es spannender findet, auf dem Boden zu sitzen. Aber "an" klingt für mich, als hättest Du Dich verschrieben, vielleicht eher: neben den Stuhl oder: Sie setzte sich auf den Boden und lehnte sich an den Stuhl.

3) "Bernd redete nicht viel. Amanda machte das nichts aus" und dann kommt: " Bernd knibbelte gedankenverloren ..."
Hier ist mir ein bisschen zu viel "Bernd". Ich fände es schöner, wenn der nächste Absatz nicht auch mit Bernd beginnt, also vielleicht: " Gedankenverloren knibbelte Bernd ..." Das klingt in meinen Ohren runder.

4) ..." Ihre Tochter klammerte sich an ihr Bein." Da finde ich "ihre Tochter" etwas unschön. Zuerst dachte ich, jetzt kommt ein weiteres Kind, denn der Name Paulina fällt zum ersten Mal, also wusste ich kurz nicht, wer hier wessen Tochter ist.

Gerne gelesen.

Viele Grüße,

Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Bas schrieb:
"Wenn du willst, koch ich mal was für dich. Oder ich kauf dir Pizza, oder so.“
Wenn man genau sein will, müsste es koch' und kauf' heißen.
Nein, Bas, müsste es nicht.

belleslettres.eu schrieb:
Imperative mit Apostroph

Der Imperativ endet im Deutschen niemals mit einem Apostroph.

Einige Imperative haben im Deutschen die Endung ∙e, andere nicht. Die Regeln dafür könnten heutzutage nicht einfacher sein: Alle Verben enden hochsprachlich im Imperativ der 2. Person Singular auf ∙e. Ob das Verb stark (schwimme, schwamm, geschwommen) oder schwach (sage, sagte, gesagt) gebeugt wird, ist dabei ohne Belang.
fahren → fahre!
hören → höre!
trinken → trinke!

Nur wenn die Wurzel eines starken Verbs im Imperativ einen anderen Vokal hat als der Infinitiv, wird kein ∙e angehängt:
geben → gib!
helfen → hilf!
brechen → brich!
dreschen → drisch!

Wenn in der Befehlsform aus ∙e∙ ein ∙i∙ wird, hat der Imperativ hinten kein ∙e. So einfach ist das.

Das gilt jedenfalls für sehr korrektes Deutsch. Im Alltag ist es noch einfacher: Wenn der Vordermann an der Ampel bei Grün nicht gleich losfährt, ruft niemand ›Fahre doch!‹. Man ruft ›Fahr doch!‹.

Das ist bei den Verben kommen, lassen, sehen sogar zwingend so. Man sagt und schreibt: Komm doch! Lass es bleiben! Sieh dir das an! An festen Wendungen sieht man, dass auch diese Verben einst eine Endung ∙e hatten:
Lasse ab von der Sünde!

Im Alltag wird die Endung ∙e grundsätzlich und nicht etwa außergewöhnlicherweise weggelassen. Deshalb wird nie ein Apostroph gesetzt. Der Apostroph gehört im Deutschen dorthin, wo man den Ausfall eines Lauts oder eines Zeichens nicht erwartet.

 
Zuletzt bearbeitet:

Bas schrieb:
"Wenn du willst, koch ich mal was für dich. Oder ich kauf dir Pizza, oder so.“
Wenn man genau sein will, müsste es koch' und kauf' heißen.
Nein, Bas, müsste es nicht.

belleslettres.eu schrieb:
Apostroph in Dialekt und Umgangssprache

Vorsicht ist geboten, wenn sich Apostrophe in einem Text häufen. Dazu verleiten vor allen Texte in Dialekt oder Umgangssprache.
Dialekt ist keine verkümmerte Hochsprache! Wo im Dialekt Laute fehlen, die es in der Hochsprache gibt, bedeutet das nicht, daß der Laut apostrophiert wurde. Es hat ihn im Dialekt nie gegeben.
Ein Beispiel: Bairisch redn ist keine Verkürzung aus standarddeutsch reden. Der Dialekt läßt hier kein e aus, deswegen wäre auch die Schreibung red’n falsch. Für Dialekt gibt es keine geregelte Orthografie, aber meist ein oder mehrere Schreibsysteme. Sie sollen darauf gründen, wie der Dialekt wirklich klingt und sich nicht an der Orthografie des Standarddeutschen orientieren. Deshalb gibt es bei guter Niederschrift von Dialekt eigentlich keine Apostrophe.
Dasselbe gilt auch für Figurensprache im Roman, aber eigentlich nur für Übersetzungen aus dem amerikanischen Englisch. Amerikanische Schriftsteller hegen eine sonderbare Liebe dafür, ihre Figuren sehr umgangssprachlich sprechen zu lassen und das auch so niederzuschreiben:

“Lookin’ good, Hoyt!” said Vance as he approached the urinals. “Lookin’ good!”
[…]
“Hey, Hoyt,” [sic!] said Vance, who now stood before a urinal, “I saw you upstairs there hittin’ on that little tigbiddy! Tell the truth! You really, honestly, think she’s hot?”
“Coo Uh gutta bigga boner?” said Hoyt, who was trying to say, “Could I get a bigger boner?” and vaguely realized how far off he was.

Tom Wolfe: I Am Charlotte Simmons

Oder:

Vie count wha’? Oh gimme a break.

Tom Wolfe: I Am Charlotte Simmons

In Europa ist es zum Glück unüblich, Leser seitenlang mit banalen Dialogen in pseudorealistischer Umgangssprache zu tyrannisieren, und wird als unbeholfenes Mittel angesehen, Authentizität zu schaffen. Die literarischen Mittel von Tom Wolfe erschöpfen sich also in Apokopen, und Kursivierungen,
denn für Tom Wolfe ist es ganz wichtig, daß der Leser nicht übersieht, wo die interessanten Figuren ihre wichtigen Sätze genau betonen. Apokopen sind Verkürzungen, die durch Apostroph dargestellt werden.

In Europa dürfen Figuren nicht so (scheinbar) ungefiltert sprechen. Sie sprechen phonetisch und lexikalisch standardsprachlich, denn zwischen Dich*tern und Lesern herrscht Einvernehmen darüber, dass literarische Dialoge zwar erzählerisch für Gespräche in der wirklichen Welt stehen, diese aber in Struktur (dramatisch-verdichtet versus banal-redundant), Sprache (standard*sprachlich versus umgangssprachlich) und Ziel (Konflikt versus Verständigung) nicht nachahmen.

Deshalb kommen Apokopierungen und Apostrophierungen eigentlich nur in Übersetzungen aus dem amerikanischen Englisch vor. Dem Übersetzer bleibt leider nichts anderes übrig, als zu übersetzen, was im Original steht. Nur bei Übersetzungen schwedischer Krimis wird die anspruchslose Alltagstagsprosa des schwedischen Originals nicht selten systematisch aber unterderhand auf das Niveau gehoben, das deutschsprachige Leser bei einem Roman erwarten.

Imperative mit Apostroph

Der Imperativ endet im Deutschen niemals mit einem Apostroph.

Einige Imperative haben im Deutschen die Endung ∙e, andere nicht. Die Regeln dafür könnten heutzutage nicht einfacher sein: Alle Verben enden hochsprach*lich im Imperativ der 2. Person Singular auf ∙e. Ob das Verb stark (schwimme, schwamm, geschwommen) oder schwach (sage, sagte, gesagt) gebeugt wird, ist dabei ohne Belang.
fahren → fahre!
hören → höre!
trinken → trinke!

Nur wenn die Wurzel eines starken Verbs im Imperativ einen anderen Vokal hat als der Infinitiv, wird kein ∙e angehängt:
geben → gib!
helfen → hilf!
brechen → brich!
dreschen → drisch!

Wenn in der Befehlsform aus ∙e∙ ein ∙i∙ wird, hat der Imperativ hinten kein ∙e. So einfach ist das.

Das gilt jedenfalls für sehr korrektes Deutsch. Im Alltag ist es noch einfacher: Wenn der Vordermann an der Ampel bei Grün nicht gleich losfährt, ruft niemand ›Fahre doch!‹. Man ruft ›Fahr doch!‹.

Das ist bei den Verben kommen, lassen, sehen sogar zwingend so. Man sagt und schreibt: Komm doch! Lass es bleiben! Sieh dir das an! An festen Wendungen sieht man, dass auch diese Verben einst eine Endung ∙e hatten:
Lasse ab von der Sünde!

Im Alltag wird die Endung ∙e grundsätzlich und nicht etwa außergewöhnlicherweise weggelassen. Deshalb wird nie ein Apostroph gesetzt. Der Apostroph gehört im Deutschen dorthin, wo man den Ausfall eines Lauts oder eines Zeichens nicht erwartet.


usw., usw. :D

Gern geschehen,
offshore

 

Hallo ihr Lieben! Erst mal vielen herzlichen Dank an euch alle für euer Feedback und eure Kommentare!
HoWoA

Boah, ich sollte keine Text mehr von dir lesen, die ziehen mich immer so runter...
Sorry!!;) Und gleichzeitig Danke schön, wenn dich der Text runterzieht - dann hat er die Wirkung erzielt, die ich mit der Geschichte erreichen wollte! Ganz ehrlich, ich war beim Schreiben der Story tatsächlich selber nicht ganz so fröhlich wie das sonst so meine Art ist!!:D:Pfeif:

Lieber Eisenmann, du hast es hervorragend geschafft, hier eine Stimmung rüberzubringen, Gefühle zu vermitteln.
Und damit habe ich mein Schreibziel bei dieser Geschichte erreichen können - das freut mich extrem!

soll aber verdeutlichen, dass echt keine Sau außer Amanda bei ihm Klopft?
Yep, das sollte Bernds Einsamkeit ein wenig andeuten.

Der Titel erschließt sich für mich nicht.
Ich habe mich sehr schwer mit dem Titel getan! Kein einziger passte so richtig - "Die Treppe", "Scheißspiel", "Die Hure und der Nachbar" - das klang alles so unpassend. Und dann hatte ich die Idee, doch einfach mal was richtig Gegensätzliches zu nehmen, denn Zuckerwatte und Luftballons gibts ja nun leider nicht so viel in Amandas Leben!

Vielen Dank für dein Lob, deine Kommentare und Anmerkungen - auch wenn dich die Story runtergezogen hat!

Optimistische Grüße vom EISENMANN:)
-----------------------------------------
Thelos

Halli Hallo Thelos!

Auch dir vielen Dank für dein Lob und deine Kritik! Es freut mich jedesmal sehr, wenn ich meine Leser unterhalten kann. Es stimmt schon - das ist dieses Mal ja nicht ganz so beschwingte und vergnügliche Lesekost gewesen. Ich hatte da wieder ein Bild und eine Emotion vor Augen, und die wollte ich mit euch teilen. Super, wenn mir das gelungen ist.

Und vielen Dank im Namen von Paulina, Amanda und Bernd, dass du sie ins Herz geschlossen hast und ihnen gerne geholfen hättest! Die drei wissen das sehr zu schätzen!!:)

Viele Grüße vom EISENMANN
-------------------------------------
Herr Schuster

Hallo Herr Schuster!

Vielen Dank für deinen Kommentar und deine kritischen Anmerkungen.

Wow - das ist natürlich ein sehr hartes Urteil, dass "Dummheit" bestraft werden muss. Ich hatte absichtlich nichts dazu geschrieben, wie Paulina in ihr Milieu gekommen ist. Dummheit? Pech? Selber Missbrauchserfahrungen? Meiner Ansicht nach ist das aber auch egal, denn das macht sie in meinen Augen nicht weniger bedauernswert. Und es ist so, wie du es beschrieben hast - eine menschliche Seite, die auch die "Nutte" haben darf. Es freut mich sehr, dass ich diese Gefühle bei dir wecken konnte!:)

aber eine sterbenskranke Mutter, alleinerziehend, würde es genau so weit bringen.
In diesem Fall wäre es tragischer weise bestimmt "leichter" für Amanda, weil sie dann nicht das Opfer sozialer Ausgrenzung und Verachtung von scheinheiligen Moralapsoteln werden würde. So jedoch ist Amanda das typische Beispiel einer gemeinen, stumpfsinnigen und intoleranten Gesellschaft - genau das, was wir also tagtäglich erleben "dürfen".

Viele Grüße und einen schönen Abend wünscht der EISENMANN
---------------------------

Auf die anderen Kommentare gehe ich natürlich auch ein, aber nicht mehr heute!;)

Euer EISENMANN

 

Hallo Eisenmann,

gerne gelesen! :thumbsup:

Vierundzwanzig im Iran, es wurde schon angesprochen, ich schließe mich an.
Mich persönlich lenkt es ab. Es könnte auch 2010 in Afghanistan gewesen sein.
Aber egal.

Der Anfang, die Begegnung zwischen dem Mädchen und dem Soldaten, das finde ich besonders stark. Hach, so etwas gefällt mir.

Gegen Ende lässt es etwas nach. In dem Sinne, dass Mutter und Soldat sich jetzt ihre gesammelten Probleme auflisten. Fehlt nur noch, dass das Briefporto um 10 Cent erhöht wurde und diese Woche nirgends Kaffee im Angebot ist. Ja. Kapiert. Die beiden sind knapp bei Kasse.
Evtl. wäre hier weniger mehr. Sich eine Weile anschweigen ...
Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

LG, Anne

 

Hallo Eisenmann,

„Luftballons und Zuckerwatte“, ein wahrhaft toller Titel für eine Horrorstory.
Wie? Doch kein Horror? :D

Ich habe die Kommentare nicht gelesen, könnte also was Doppeltes dabei sein.

Amanda stand mit ihrem Teddy vor seiner Tür. Sie zögerte etwas, bevor sie schließlich zaghaft klopfte. An den Knopf der Klingel kam sie nicht heran, egal wie sehr sie sich streckte.
Das fett Markierte will mir nicht gefallen. Ist so wie mit dem Zeigefinger auf etwas zu zeigen. Könnte man viel subtiler rüberbringen.
„Amanda stand mit ihrem Teddy vor seiner Tür, streckte sich nach der unerreichbaren Klingel, zögerte etwas, bevor sie schließlich zaghaft klopfte.“

Bernd konnte sich wahrscheinlich schon denken, dass sie es war. Niemand sonst klopfte bei ihm an die Tür. Schon gar nicht so leise und vorsichtig wie Amanda.
Hiervor würde ich einen Absatz machen, da sich die Perspektive auf Bernd ändert. So klingt es für mich, als wenn Amanda denkt, er wisse Bescheid.

Sie schluckte und drückte ihr Stofftier fest an ihre Brust.
Vermeidung wiederholender/überflüssiger Personalpronomen. Vorschlag:
Sie schluckte und drückte ihr Stofftier fest an die Brust.

„Bist du traurig?“
Bernd nahm einen Schluck und schüttelte den Kopf. (KEIN ZEILENWECHSEL, da kein Sprecher-/Perspektiwechsel).
„Hab nur grad wieder an irgendeinen Scheiß gedacht. Ich schlafe in letzter Zeit schlecht.“
Amanda sah unsicher auf ihren Stoffteddy und streichelte ihn am Ohr. (KEIN ZEILENWECJHSEL)
„Dreckschlampe ist auch ein schlimmes Wort, oder?“ (ZEILENWECHSEL) Bernd sah Amanda überrascht an.
Auch hier vermutet man wegen des Zeilenwechsels einen anderen Sprecher.
Das hast du öfter.

Paulinas Atem roch intensiv nach Mundwasser. Irgendwas mit Menthol.
Noch direkter hättest du es nicht schreiben können. Ist für ein wenig zu sehr Klischee.

„Du warst beim Bund? Äh … Cool, oder?“
Bernd wich ihrem interessierten Blick aus.
„Das war vierundzwanzig im Iran.“
24? Gab es da schon den Bund? :lol:

dass die Schutzwesten, die von der Schule gestellt werden, nichts taugen. Mein Krümelchen kriegt ganz sicher nicht so’n Billigding, das sie nicht schützt.
Reden die hier über die Warnwesten, die die Kinder auf dem Schulweg tragen? Aber wieso sollen die schützen?
Ist es hier doch eine Dystrophie, die nach dem Jahr 2024 spielt? Wenn ja: Wozu? Das hätte es m.E. nicht gebraucht.

Ein Autor hat beim letzten Autorentreffen den passenden Satz gesagt, dass der Prota (oder hier die Protas) immer anders aus der Geschichte herauskommen sollte, als er hineingekommen ist. Das ist hier nicht der Fall, denke ich.

Auch die Sprache des kleinen Mädchens finde ich nicht ganz altersgerecht. Sie muss max. zwei, drei Jahre alt sein, wenn sie sich an den Beinen ihrer Mutter hält und nicht an den Knopf kommt. Oder die Schelle hängt sehr hoch.

Dann ist da noch der manchmal irritierende Perspektivwechsel und dass du zu sehr mit dem Finger auf die Dinge zeigst.

Trotzdem hat mir das kleine Stück gefallen; es ist aber noch ausbaufähig.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Achillus

Hi Achillus!

Vielen Dank für deine Anmerkungen und natürlich für dein Lob! Es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Stimmt, ich hatte mir beim Schreiben auch überlegt, wie wohl die Zukunft der kleinen Amanda aussehen wird - aber wenn ich ganz ehrlich bin, sollte man sich das ruhig schon heute fragen, was unseren Nachwuchs wohl so alles erwarten wird. Ich hoffe jedenfalls, dass solche Szenarien wie in meiner Geschichte nicht den Alltag darstellen werden!!

Was den mangelnden Konflikt und die statische Erzählung angeht, hast du natürlich recht. Es gibt in dem Sinne keine Entwicklung (schon gar nicht zum Positiven!) - aber das war gewollt. Ich wollte eben kein Happy-End einbauen, oder allenfalls ein zaghaft angedeutetes. Ich weiß deshalb auch nicht, ob Bernd tatsächlich die Einladung zum Kaffee annehmen wird. Das kann wohl nur er selbst beantworten!

Es freut mich, dass du meine Geschichte gern gelesen hast.

Viele Grüße vom EISENMANN
---------------------------------------------
Eva Luise Groh

Huhu Eva!

die eingefangene Stimmung, die Sprache, die Beschreibungen sind toll. Kennt man ja von dir.
Wow - vielen lieben Dank für dieses wirklich tolle Kompliment!:)

Klar, die Story ist schon sehr pessimistisch - es "freut" mich, dass ich die Stimmung einfangen konnte, die mich zum Schreiben dieser Geschichte bewogen und auch beim Schreiben begleitet hat!

Was das "too much" angeht - Hm ... das ist natürlich immer so eine Gradwanderung und es haben ja auch schon mehrere Leser angemerkt, dass es stellenweise etwas dick aufgetragen war. Ich weiß nicht - mir hat das "Niveau des Leids" dieses mal ehrlich gesagt ganz gut gefallen.;) Aber davon abgesehen - klar, mit weniger hätte es sicher auch geklappt.

Vielen Dank für deine Zeit und deine Anmerkungen und einen schönen Abend vom
EISENMANN

 

Hallihallo Kanji!

Vielen Dank für deine Anmerkungen und Kommentare - ich freue mich sehr, dass du dir die Zeit zum Lesen und Kommentieren genommen hast, obwohl's kein Jack O'Grady war:D!

es ist schon irritierend, dass du den tag Science Fiction nicht genutzt hast.

SF hätte ich wiederum irritierend gefunden, obwohl die Geschichte zehn bis fünfzehn Jahre in der Zukunft verortet werden kann. Allerdings befürchte ich, dass dann die Erwartung in Richtung Raumschiffe, High-Tech oder Aliens hätte gezerrt werden können. Ich wollte "nur" eine ziemlich kaputte Gesellschaft skizzieren, die ich (leider) meiner Meinung nach in vielen Ausprägungen schon für durchaus realistisch halte.

Amanda ist sowohl sehr klein, als auch jung (später kommt der Hinweis auf den Kindergarten) Sie redet wie eine Achtjährige, mindestens.

Yeah, stimmt! Ohne wenn und aber! Du bist nicht die einzige, die das anmerkt, dass Amanda zu "alt" ist. Daraus kann der geneigte Leser erkennen, dass es auf meiner Ranch keine Ponys gibt!:D (Boah, ist das eine coole Umschreibung von -selbstgewählter- Kinderlosigkeit!!;)) Ich schätze, deshalb habe ich keine richtig passenden Referenzen, wie die Stöpsel in dem Alter reden und deshalb lasse ich auch tunlichst die Eisenpfoten von Kindergeschichten!

aber Amandas Sprache macht mich unruhig.
Schuldig
Amanda würde nichts sagen und gleich aus dem Fenster sehen.
im
Hier ist die wieder klein.
Sinne
Eher zwei Jahre als, höchstens drei
der
ein müdes, kleines Kind mischt sich nicht in ein Erwachsenengespräch,
Anklage!

Deine bedrückende Skizze, das trauriges Zukunftsszenario leuchtet ein und wertet gleichzeitig nicht mit dem Zeigefinger. Sehr fein, wie du es einzuflechten verstehst, ohne dich aufzudrängen.
Das freut mich sehr, dass mir das gelungen ist - jedenfalls in deinen Augen. Ich hab auch schon Anmerkungen gehört, das ganze sei zu plakativ.

Den Titel empfinde ich nicht richtig gewählt und zwingt mich, unverhältnismäßig lange darüber nachzudenken.
Wie gesagt - ich wollte einen (krassen) Gegensatz. In etwa sowas wie "Kuchen am Nachmittag", wenn ich ne Kettensägen-Splatter-Gore-Story schreibe!

Viele sonnige Grüße vom EISENMANN
----------------------------------------------
Peeperkorn

Hi Peeperkorn!

Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und deine Anmerkungen. Schade, dass dir die Geschichte von der Machart, Erzählweise und Aussage nicht gefallen hat. Nun ja - man kann ja nicht bei jedem Leser einen Treffer landen, nicht wahr?;)

Ich schlage vor, das „seine“ durch „Bernds“ zu ersetzen und „Amanda“ durch „sie“.
Danke für den Hinweis. Ich hatte gedacht, die Perspektive sei klar gewesen - wird geändert!

Unnötig kompliziert. „Sie zögerte, bevor sie zaghaft klopfte.“
Okidoki!

Der erste und der zweite Satz haben nichts miteinander zu tun.
Nun ja, Amanda klopft ja gerade deshalb, weil sie an die Klingel nicht rankommt. Und Bernd weiß, dass sie es ist, weil außer ihr halt niemand klopft (oder überhaupt bei ihm vorbeikommt) Ist das echt so verwirrend?

Entweder „das Stofftier“ oder „an die Brust“.
Check!

Selbst wenn du hier auktorial erzählst / erzählen würdest, fände ich diesen Vergleich unpassend.
Du hast recht damit, dass es sich um eine auktoriale Erzählweise gehandelt hat - mir allerdings gefällt der Vergleich, weil ich da ein sehr klares Bild vor Augen habe. Einen nahezu dunkeln Flur, die Sihoulette eines kleinen Mädchens, scharfe Schattenlinien und dann einen fahlen Lichtschein, der in den Flur fällt. Also mir gefällt das!

Das ist mir bezüglich Satzstruktur und Logik (vorgeschaltete Begründung, Darstellung aus der Perspektive einer anderen Person („und sie fragt, ob“) zu komplex für ein Kind.
Stimmt! Ist dem Umstand geschuldet, dass ich keine Ahnung habe, wie Kinder heutzutage überhaupt noch reden - schon gar nicht Kinder im Vorschulalter. Amanda musste allerdings so jung sein, weil sonst die Tragik meiner Story stellenweise nicht so "plakativ" rübergekommen wäre!;)

Kann weg, ist impliziert.
Nö! Soll andeuten, dass Bernd die Tür gerade nur soweit aufmacht, dass sie hindurchkommen kann. ISt ein weiteres Symbol seines psychischen Zustands.

Wer beurteilt das? Sicher nicht Amanda. Ich komme zum Ergebnis, dass du doch ein auktoriale Erzählperspektive hast, aber das ist alles ein wenig wackelig.
Stimmt - ist auktorial. Finde ich in diesem Zusammenhang auch weder schlimm noch störend. Ich denke, man kann durchaus die Szene sehen. Aber mittlerweile gefällt mir das Wort nicht mehr und fliegt raus - wenn auch aus anderen Gründen als den von dir angeführten!;)

Gibt es Senfgläser mit Zeichentrickfiguren drauf? Möglich, aber ich fände es überraschend.
Na aber klar! Extra milder Kindersenf! Jedenfalls gabs das mal - früher, als alles besser war und Kinder mit zehn Jahren noch gespielt und nicht mit ihren Eltern über den Konsum von Alkopops gestritten haben!

Ich würde das weglassen, zumal wieder nicht klar ist, aus welcher Perspektive das gesagt ist. Die Geste vermittelt doch schon Unsicherheit, muss man nicht sagen.
Perspektive: seh ich (immer noch nicht) so wie du!
Unsicherheit: seh ich auch so wie du - kommt also weg!

Wiederum unnötig. Durch das Ansehen gibst du dem Leser die Zeit, die er braucht, um zu erkennen, dass etwas in Amanda vorgeht. Und die anschliessende Frage gibt ja dem Zweifel Ausdruck.
Hm ... mal sehen, bin ich noch nicht so überzeugt von!

Ich finde, das Adverb leistet hier nichts.
Na aber Hallo!! Das Adverb leistet hier eine ganze Menge, um den Leser mit der Nase (buchstäblich) darauf zu stoßen, dass die Mundspülung sicher nicht nur daher rührt, dass Paulina sich einfach bloß mal die Zähne geputzt hat!

Jetzt schreibst du aus Bernds Perspektive. Auch nachher, wenn der Mantel als „schäbig“ bezeichnet wird.
So langsam beschleicht mich das Gefühl, dir gefällt meine Erzählweise nicht - kann das mal sein?!:D

Mir ist der Text zu direkt, du steuerst die Dialoge so, dass sie immer gleich auf den Punkt kommen.
Das stimmt, Peeperkorn. Ich wollte hier in der Tat nicht lange um den heißen Brei drumrumreden, um die -meiner Ansicht nach dichte- Stimmung und Emotionalität nicht zu trüben. Daher ist es auch sehr verdichtet worden, wie du es ja auch schon angemerkt hast.

Schade, dass dur das nicht so zugesagt hat. Nichtsdetsotrotz danke ich dir sehr für deine sprachlichen und thematischen Anmerkungen!

Viele Grüße vom verdichtenden und vernichtenden EISENMANN:D

 

LenaZi

Hi Lena!

Vielen Dank für die Zeit, die du dir mit meiner Geschichte genommen hast und deine Anmerkungen!
Das freut mich sehr, dass du die Geschichte gemocht hast und sie auch nachdenklich machen konnte. Ich war beim Schreiben oft traurig über das Schicksal aller drei Figuren - Mann, ich schreib das Ende um und sie kriegen alle ein dickes, fettes Happy-End!!:)

Meinen letzten Absatz kannst du streichen. Habe jetzt erst mitbekommen, dass deine Geschichte in der Zukunft spielt. Scheine blind zu sein. Dann hoffe ich einfach, dass eine solche Zukunft nicht Wirklichkeit wird.
Keine Sorge - du bist sicher nicht blind, sondern ich hab "Zukunft" einfach nicht getaggt, obwohl die Geschichte in der (näheren) Zukunft spielt. Und die Sache mit der Zumutbarkeit der Prostitution soll eigentlich nur den kaltherzigen Zynismus unserer Arbeits- und Behördenwelt wiederspiegeln, die in MENSCHEN nichts anderes als Aktenzeichen und Geschäftsvorgänge sieht. Ich hätte eigentlich schreiben sollen, dass Amanda bei ihrer Geburt keine Geburtsurkunde gekriegt hat, sondern direkt schon nen Leitz-Ordner mit ihrem Aktenzeichen auf dem Einband!

Vielen Dank für Dein Lob und deine Mühe!
Der EISENMANN
-------------------------------------
wieselmaus

Huhu Wieselmaus!

Ja Mensch - vielen Dank, dass du dich mal wieder in des EISENMANNES literarisches Minenfeld gewagt hast!!

Es stimmt schon, dass man die Geschichte auch als SF-Geschichte ansehen kann. Ich hatte mich hier ganz bewusst gegen diese Etikettierung entschieden und statt dessen "Alltag" und "Gesellschaft" gewählt, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Mir war wichtig, genau das zu erreichen, was du geschrieben hast:

He, so könnt es kommen, wenn wir nicht aufpassen.

Und in diesem Zusammenhang hatte ich Bedenken, dass dann allerdings der Tag SF irreführend bzw. den Leser mit einer verfälschten Erwartungshaltung an meine Geschichte heranführen würde.

Du siehst also, dein neuer Text hat Potential.

Vielen Dank für das Kompliment - auch wenn dieser Text wirklich wieder genauso pessimistisch und miesgelaunt daherkommt wie meine Kornblumenblau-Geschichte.

Wenn ihr wollt, schreibe ich nur noch Splatter und Jack O'Grady-Geschichten!!!!;)

Liebe Grüße zurück vom EISENMANN
----------------------------------------
Bas

Heyho Bas!!

als ich den Titel gelesen habe, dachte ich, die Feministenabteilung hat unser starkes, stolzes Männergeschlecht hier im Forum jetzt komplett an den Rand gedrängt. Und dann steht da dieser Name, den ich mit Blut und Gemetzel und durchgepeitschten Nonnen in Verbindung bringe. Muss ich lesen.

Jetzt, wo du's erwähnst - Paulina hätte ja in nem Nonnenkostüm an Bernds Tür klopfen können. Quasi der "Blaumann" des horizontalen Gewerbes!!:D

So, getan, und es hat mir sehr gut gefallen. Sehr unaufgeregt, wie du diese traurig anmutende Geschichte über mehr oder weniger gescheiterte Existenzen erzählst. Inhaltlich habe ich rein gar nichts auszusetzen, das ist wunderbar, wie es ist. Kein Pathos. Keine übercoole Gelassenheit. Einfach nur das Leben und eine ganze Menge, worüber man ins Nachdenken geraten kann, wenn man möchte.

Wow - vielen Dank für das mehr als dicke Lob von dir!! Das geht natürlich runter wie Schmieröl - da kann ein EISENMANN nie genug von kriegen!!
Es freut mich besonders, dass die Geschichte unpathetisch rübergekommen ist, denn ich wollte auf Tränendrüsen und Kitsch verzichten. Und dass sie dich zum Nachdenken anregen konnte, ist natürlich ganz besonders schön zu hören. Es sollte sich zugegebener maßen ja aber auch nicht um eine der seichten, kurzweiligen Popcorn-Storys ohne jeden Anspruch auf irgendwas handelt, die ich ja auch oft verzapfe!!

Insofern - vielen Dank und viele herzliche Grüße vom EISENMANN

(Ach so - und in diesem Zusammenhang kurz zu ernst offshore:

Nun ja, Ernst - da sich dein (gleich zweifacher) Kommentar ja lediglich darauf beschränkt hat, Bas eine copy-paste-Deutschstunde angedeihen zu lassen und mit keiner Silbe auf meinen Text eingegangen ist, hoffe ich, dass du es mir nachsiehst, wenn ich dich hier jetzt mit nicht ganz so überschwenglichem Dank bedenke und bedanke!)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Eisenmann

Na aber Hallo!! Das Adverb leistet hier eine ganze Menge, um den Leser mit der Nase (buchstäblich) darauf zu stoßen, dass die Mundspülung sicher nicht nur daher rührt, dass Paulina sich einfach bloß mal die Zähne geputzt hat!

Ich dachte, das sei ironisch gemeint. Dann habe ich gesehen, dass das Adverb weiterhin im Text drin ist. Ist es tatsächlich deine Absicht, deine Leser mit der Nase auf die Dinge zu stossen, die du erzählen willst?
Ich denke, dieses Details verdeutlicht sehr gut unsere unterschiedlichen Sichtweisen bezüglich Emotionalität vs. Plakativität.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom