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Lose-Lose-Situation

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10.10.2006
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Lose-Lose-Situation

Mit dem Verrücktwerden ist es wie mit dem Altern: Es ist zu abstrakt. Man braucht Bezugspunkte. In meiner Jugend war The Summer of ’69 auch schon alt, erschien als eine dezent angestaubte Vergangenheit, die man sich noch irgendwie vorstellen konnte. ’69, das war zehn Jahre vor meiner Geburt. Jetzt ist es fast vierzig Jahre her und alt, furchtbar alt. Kein Mensch kennt mehr Bryan Adams, und Robin Hood mit Kevin Costner wird auch nicht mehr an Weihnachten wiederholt.
Als sie Kim in die Burg eingeliefert haben, kam die Vergangenheit und trat mir mit Anlauf in den Arsch. Wenn ich an Kim denke, höre ich keine Vögel singen, da sind keine Bergbäche, keine Feuerwerke, keine Mondscheinspaziergänge. Kim war Arbeit. Echt harte Arbeit. Ich hab mich die ganze Schulzeit an ihr abgearbeitet.
Es ist ja jetzt schick, so etwas ganz Persönliches, was nur einem selbst gehören sollte, mit irgendeinem modischen Wort zu etikettieren, das man in Zeitschriften liest, in kleinen Nebensätzen dahingeschmiert finden kann. Kim und ich hatten eine On-Off-Beziehung, würde man sagen.

Die Burg ist ein Irrenhaus, wie das bei Batman. Für gewöhnlich behandelt man seine Existenz wie das Ozonloch: Man nimmt es dumpf zur Kenntnis, zieht es aber vor, nicht daran zu denken. Und dann plötzlich, in einem heißen Sommer, ist es da: Taucht in einer Straße auf, die man nicht kannte. Eine Buslinie hält an einer Station, bei der man früher nie wen hat aussteigen sehen, und es ist Realität.
Eine alte Burg, schon lang und oft renoviert, wahrscheinlich von Briten zerbombt und wieder aufgebaut und Trutzfeste gewesen und Blut vergossen und Realität. Wie ein Kainsmal in unserer Stadt. Da. Irrenhaus. Nicht zu leugnen. Das passiert. Kim ist drin.

Es ist ein später Triumph. Manchmal hab ich mir vorgestellt, zu gewinnen, aber nicht so. Und es war Krieg, da gibt es nichts zu beschönigen. Als die Wunden auf beiden Seiten dann zu tief wurden, jedenfalls rede ich mir das ein, ein permanenter Nichtangriffspakt.
Sie hat mir mal einen leeren Kuchenteller gegen das Gesicht geworfen. Voll auf die linke Wange. Mit der Kante gegen das Auge, und es waren noch Schlagsahnereste drauf.
Sie hat mit meinem Vater geflirtet. Kam zum Frühstückstisch in Söckchen und Hemd.
Sie hat eine Kurzzeit-Freundin angerufen und sie gefragt, wie sie das nur mit mir aushalte. Wo ich sie doch mit ihr betrüge, mit ihr, mit ihr allein. Ich wurde halbnackt aus einer Wohnung geworfen. Ohne Schuhe. Musste dann meinen Vater anrufen, er möge mich doch – Es war Krieg. Da gibt es nichts zu beschönigen.

Ich dachte, wenn ich gewinne, dann triumphal. Mit purer Männlichkeit. Hatte mir vorgestellt, nachts durch einen Park zu laufen mit geballter Faust und dann sie zu sehen, wie zwei Männer sie umkreisen. Abwarten wollte ich. Bis sie schon auf ihr liegen und dann die Faust ins Genick des einen, den anderen von ihr herunterzerren. Mit Fußtritten würde ich sie vertreiben. Und ich würde ihr die Hand reichen, ganz freundlich, sie an meine Schulter drücken und dann: Ach, du bist das. Grüß dich, Kim. Lange nicht mehr gesehen. Hast ja noch mal Glück gehabt. Ich muss dann weiter. Halt die Ohren steif.
Ich wollte mit einer Frau bei ihr auftauchen, nicht auftauchen direkt, sondern auf sie treffen. Vielleicht in ihrer Bank. So eine Frau an meiner Seite, die man nur in Katalogen sieht, die nur Schokoladenseiten hat, die Sex atmet. Wollte mich kaum an sie erinnern.
Das ist auch so was. Ich hatte ja schon gewonnen. Sie arbeitet in einer Bank. Wie kann man in einer Bank arbeiten? Jeder hätte mich zum Sieger erklärt.
Und jetzt gewinne ich nicht, sondern sie verliert. Ich hab damit nichts zu tun, das muss man mir glauben.

Was ist das denn für ein Sieg, wenn die Beute im Meer versinkt? Wenn man Salz unter die Erde pflügt, damit nie wieder etwas wächst? Wenn man brandrodet, um einen Bären auszutreiben? Ein Scheiß Sieg ist das.

Es fehlen einfach die Bezugspunkte. Ich weiß nicht, wie verrückt sie ist. Zieht sie sich das Anstaltshemd über den Kopf und pinkelt, wo sie gerade ist, einfach so drauf los? Schmiert sie mit Kot irgendwas an die Wände? Hat sie am Unterarm diese parallel verlaufenden Schnitte in der Farbe von Hundezahnfleisch? Ist sie so eine Zombie-Verrückte, die man im Rollstuhl durch die Gegend karrt und die sich auf die linke Schulter sabbert?
Kim kann mir gestohlen bleiben. Vielleicht in einem anderen Leben. Wenn man es realistisch betrachtet, ohne den ganzen Mumpitz, ist sie eine Verrückte, die mit mir nichts zu tun hat. Sie hat mich um den Sieg in einem Spiel betrogen, das wir nicht mehr spielen. Das tiefer in die Vergangenheit rutscht, Tag um Tag. Kim entfernt sich von mir, ich habe gewonnen.

 

Hallo Quinn,

eine kurzweilige Geschichte, die du da über einen Mann erzählt, der glaubt gegen seine Freundin gewonnen zu haben, obwohl er längst der Verlierer ist.
Jedenfalls seh ich das so.
Die Sprache ist gut, auch wenn mir dieser saloppe Erzähler nicht gefallen will - ich bin eher ein Freund von distanzierten Erzählern oder solchen, die ernster, manche würden sagen verstaubt, erzählen.
Der Beziehungskrieg kommt bei mir an, ich weiß, worum es geht, sehe die Spuren, die am Erzähler zurück geblieben sind. In der Hinsicht also ein Erfolg.

Nun, warum also nur kurzweilig? Vor allem, weil mir das alles zu weit weg ist. Du erzählst mir von einer Beziehung und sie lässt mich mehr oder weniger kalt. Dabei frage ich mich gerade, weshalb ich Kleist Marquise von O. (vielleicht kennst du sie ja) die Distanz in der sie erzählt wird mehr abkaufe?
Vielleicht liegt es daran, dass du hier nicht nur von einer Beziehung erzählst, sie also mir viel Distanz rüberbringst, sondern mir außerdem nur Ausschnitte zeigst. In der Marquise wird die gesamte Beziehung erzählt. Du erzählst mir einzelne Details. Und das ist mir zu wenig. Mir fehlt entweder die emotionale Nähe oder etwas Spannendes - du nennst am Anfang deiner Geschichte bereits alles wesentliche.

Ich hoffe dir ist nun klar, was ich meine.

Gruß,
Kew

 
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Hossa Quinn!

Das liest sich wie von-der-Seele-geschrieben, aber sollte es das? Ich meine - hm. Das Thema gäbe ja viel her, so ist es nicht. Das gäbe wirklich ordentlich was her. Aber dann müsste man Kim kennenlernen. Sagen, was ne On-Off-Beziehung ist. Bisschen mehr auf die Beziehung eingehen. Nicht nur mal so fix drüberreiten und gucken, was man vom Pferd aus mitzerren kann. Da wird mal schnell in einem Nebensatz fremdgegangen, so irgendwie, ja huch, war das denn wichtig?

Das ist ja nur ne Rückblende. Nur ein Sich-Erinnern. Wenns wenistens spannend wäre, aber du sagst ja zu Beginn schon, dass sie in der Anstalt ist. Dass er es als "gewonnen haben" wahrnimmt, das kommt in der Mitte schon und wiederholt sich am Ende nur noch.

Mit dem Verrückt werden ist es wie mit dem Altern

Ist das so etwas wie Mensch werden? Ich sags ja, das geht nicht gut mit dem getrennt schreiben, äh, getrenntschreiben, das bringt nur durcheinander.

Ich hab mich die ganze Schulzeit an ihr abgearbeitet.

Das fand ich toll.

Mit der Kante gegen das Auge und es waren noch Schlagsahnereste drauf.

Das auch.

Schönen Sonntag und äh ... ja, entschuldige, dass ichs nicht toll fand.

yours

 

Hallo Kew,

eine kurzweilige Geschichte, die du da über einen Mann erzählt, der glaubt gegen seine Freundin gewonnen zu haben, obwohl er längst der Verlierer ist.
Jedenfalls seh ich das so.
Ja, das kann man auf jeden Fall so sehen.

Der Beziehungskrieg kommt bei mir an, ich weiß, worum es geht, sehe die Spuren, die am Erzähler zurück geblieben sind. In der Hinsicht also ein Erfolg.
Das ist doch schon mal was.

Nun, warum also nur kurzweilig? Vor allem, weil mir das alles zu weit weg ist. Du erzählst mir von einer Beziehung und sie lässt mich mehr oder weniger kalt. Dabei frage ich mich gerade, weshalb ich Kleist Marquise von O. (vielleicht kennst du sie ja) die Distanz in der sie erzählt wird mehr abkaufe?
DIe Marquise von O. hat wahrscheinlich die dreißigfache Textmenge zur Verfügung; ich seh aber den Punkt. Es gelingt wohl nicht, Interesse zu wecken, sondern es gleitet so weg. Die Distanz, in der hier erzählt wird, finde ich schon groß. Es ist halt Rollenprosa und die Gestaltung des Textes soll dann ebenso viel über den Erzähler mitteilen wie der Inhalt des Textes.

Vielleicht liegt es daran, dass du hier nicht nur von einer Beziehung erzählst, sie also mir viel Distanz rüberbringst, sondern mir außerdem nur Ausschnitte zeigst. In der Marquise wird die gesamte Beziehung erzählt. Du erzählst mir einzelne Details. Und das ist mir zu wenig. Mir fehlt entweder die emotionale Nähe oder etwas Spannendes - du nennst am Anfang deiner Geschichte bereits alles wesentliche.
Ja, das mit dem "Alles Wesentliche" seh ich anders, ist klar, sonst wär ich ja ein Idiot sie so reinzustellen. :)
Ich versteh deine Kritikpunkte sehr gut, das kann man der Geschichte sicher vorhalten, dass sie die Beziehung, die sie vorgibt zu behandeln, nicht behandelt, sondern nur in Ausschnitten beleuchtet.
Schade, dass sie nur kurzweilig bei dir ankam und nicht mehr auslösen konnte
Gruß
Quinn

Hallo yours,

Also ne also Quinn also wirklich! Was ist das denn? Das liest sich wie von-der-Seele-geschrieben, aber sollte es das?
Ja, natürlich sollte es das. :) Das ist ja eigentlich ein riesen Kompliment.

Ich meine - hm. Das Thema gäbe ja viel her, so ist es nicht. Das gäbe wirklich ordentlich was her. Aber dann müsste man Kim kennenlernen.
Es ist nicht die Absicht der Geschichte eine Liebesbeziehung zu schildern, sondern die Figur des Erzählers zu beleuchten. Ich verstehe schon, dass man der Geschichte das vorwerfen kann.

Sagen, was ne On-Off-Beziehung ist.
Ja, darum geht es ja zum Beispiel.

Bisschen mehr auf die Beziehung eingehen. Nicht nur mal so fix drüberreiten und gucken, was man vom Pferd aus mitzerren kann. Da wird mal schnell in einem Nebensatz fremdgegangen, so irgendwie, ja huch, war das denn wichtig?
Ja, du wirfst der Geschichte halt vor, und das ist ja so, die Beziehung nicht ausreichend zu beleuchten, während es um etwas anderes gehen sollte.

Das ist ja nur ne Rückblende. Nur ein Sich-Erinnern. Wenns wenistens spannend wäre, aber du sagst ja zu Beginn schon, dass sie in der Anstalt ist. Dass er es als "gewonnen haben" wahrnimmt, das kommt in der Mitte schon und wiederholt sich am Ende nur noch.
Ja, gut. Wenn man das so sieht, ist die Geschichte Mist. Die Spannung sollte hier in etwas anderem liegen, dann klappt das halt nicht oder offensichtlich nicht. Es ist definitiv keine Beziehungsgeschichte, es ist auch kein Duett.
Und wenn es dann nicht reicht, dann reicht es halt nicht.

Danke dir für die Kritik
Quinn

 

Es ist nicht die Absicht der Geschichte eine Liebesbeziehung zu schildern, sondern die Figur des Erzählers zu beleuchten.

Ja, so als Figurenskizze ist das sicher schön. Wobei ich mich dann frage:

Warum zum Henker hat der Erzähler sich so an ihr abgearbeitet? Ich finde, das ist etwas, das fehlt einfach. Der Grund für das. Es passiert ja doch nicht einfach so, oder? Etwas musste er ja an ihr gemocht haben. Nur was?

Man langt ja nicht einfach so ins Feuer, man erwartet sich ja was fürs Brennen. Denk ich.

Oder ne Entwicklung: Am Anfang, da war sie so und so und ich mochte das und das und dann kam aber dies und jenes und am Ende ... ach, zum Teufel mit dem Weib!

Weiß nicht. Zu statisch, irgendwie. Hm. Weiß nicht, ob du damit was anfangen kannst.

yours

 

Hey nochmal,

Warum zum Henker hat der Erzähler sich so an ihr abgearbeitet? Ich finde, das ist etwas, das fehlt einfach. Der Grund für das. Es passiert ja doch nicht einfach so, oder? Etwas musste er ja an ihr gemocht haben. Nur was?
Ja, das fehlt. :) Ich versteh das auch, es ist hier eben etwas, das aus dem Ruder gelaufen ist. Und in der Geschichte geht es dann nicht darum, sondern um das danach. Von daher ist da außerhalb der Figur keine Entwicklung. Sondern eine Abwicklung. Ich fand das interessant, aber es ist natürlich etwas anderes als das was du dann haben willst. Ganz klar. Ich würde es auch nicht "Figurenskizze" nennen.

Es ist natürlich statisch, ich hab versucht, das über die Sprache etwas aufzufangen, aber die Grundsituation, ein erstarrter Kampf, ist statisch. Ich find's schade, dass du dem so wenig abgewinnen kannst. An dem Text ist halt nur was dran, wenn man den Ich-Erzähler hinterfragt und versucht, ihm zu folgen.

Gruß
Quinn

 

An dem Text ist halt nur was dran, wenn man den Ich-Erzähler hinterfragt und versucht, ihm zu folgen.

Hm.

Er könnte Kim verfallen gewesen sein. Versessen darauf, von ihr gemocht zu werden. Das On-Off ging von ihr aus, nicht von ihm. Weil sie ihn wollte und dann wegstieß. Weil sie immer an seiner Liebe zweifelte und es ihm unmöglich machte, sie ihr zu beweisen.

Die Beziehung tat ihm schrecklich weh. Er hatte das dringende Bedürfnis, sich selbst zu opfern, sich in Gefahr zu begeben, um sie zu retten. Damit sie sieht, wie sehr er sie liebt.

Vielleicht hat auch er Dinge unternommen, um ihr weh zu tun. Denke mal, das hat er. Aber sie war härter.

Irgendwann ging es auseinander. Aber es nagte an ihm, ganz tief. Er kam nie weg von ihr.

Und dann, am Ende, ist sie einfach eingeliefert worden. Hat ihm den Sieg - wieder einmal, vermute ich - versaut. Hat sich ihm, wie immer, entzogen.

Er ertrinkt in seiner Machtlosigkeit. Ein bitterer Mensch. Und er liebt sie noch immer, sogar jetzt noch tut er es - verklärt.

So lese ich das. Hab ichs getroffen?

 

Hi Quinn,

zuerst: Ich habe den Text gern gelesen, auch wenn die nachfolgenden Worte vielleicht etwas anderes vermuten lassen.
Denn es bleiben bei mir einige handwerkliche Fragen.
Zum einen überlege ich, ob dein Steckenpferd - die Popkulturbezüge - dieser Geschichte dienen oder ob sie nur verwirren. Schon Bryan Adams Lied ist ja eine (sentimentale) Erinnerung an eine vergangene Zeit, verwirrend, dass er undeutlich selbst dieser Zeit zugeordnet wird.
Schön wiederum finde ich, wie du nur durch das Wort "eingeliefert" klar machst, worum es sich bei der Burg handelt. Hättest du später gar nicht mehr erklären müssen.

Wenn ich an Kim denke, habe ich nie Vögel singen gehört
Das funktioniert im Tempus leider gar nicht.
Die Burg ist ein Irrenhaus, wie das bei Batman.
Dieser Popartvergleich hat mich besonders gestört, nicht nur, weil ich eh schon wusste, was die Burg ist.
Mich stören diese Verweise in der Empathie für deinen Erzähler, sie erschienen mir dienlich, wenn ich ihn darüber zu fassen bekäme, nachvollziehen und/oder hinterfragen könnte.
Er stand in einer (trotz der Bezeichnung "Krieg") für mich undefinierten Beziehung zu Kim. Vielleicht so ein Klischee, nachdem sie ihn andauernd verschmäht, aber mit ihm gespielt hat. Ein paar Konfliktäußerungen werden aufgeworfen, etwas unstrukturiert, wie Erinnerungen nun mal sind, etwas ungenau in der Grammatik.
Sie hat eine Kurzzeit-Freundin angerufen und sie gefragt, wie sie das nur mit mir aushalte
"und die gefragt" wäre deutlicher. Undeutlich in den Erinnerungen, weil zunächst der Eindruck vermittelt wird, sie ist am heimischen Frühstückstisch mit dem erz. Ich und dessen Papa, das erz Ich wird dann aber aus eine fremden Wohnung geworfen?
Ich kann dieses Ich kaum nachvollziehen, leider auch nicht, wie es überhaupt auf "Gewinn" kommt, oder aus welcher Motivation dieser Gewinn durch es infrage gestellt wird.
Am Wahrscheinlichsten erscheint mir eine tief empfundene Demütigung, die zu viel Hass in die Lage versetzt. Dafür spricht auch die Rede vom Krieg. Dann wird plausibel, warum sich jemand die Machtfantasie einer beobachteten Vergewaltigung vorstellt, aus der er als cooler Retter und gleichzeitig weiterer Demütiger hervorgeht.
Insofern ist er um seinen Triumpf tatsächlich betrogen, vor allem aber scheint es ihn in seiner Befangenheit nicht zu gelingen, wirklich zu reflektieren, Verantwortung für sich zu übernehmen. Ist er lieber für ihren Niedergang verantwortlich?
Eine weitere Frage stellt sich natürlich nach seinem merkwürdigen Bild von psychischen Erkrankungen. Das verhindert natürlich eindeutig, dass er sich selbst jemals psychologische Hilfe holen würde.

Sicher nur ein Sammelsurium an Gedanken zu deinem Text, vielleicht ja aber trotzdem hilfreich.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo Quinn,

Das liest sich wirklich wie von der Seele geschrieben. Der Erzählstil gefällt mir. Ich konnte mit dem Prot was anfangen. Er hat ihretwegen gelitten, er war der Loser, und nun lebt er vor sich hin und fantasiert immer wieder davon, es ihr "zu zeigen". Aber wenn sie verrückt ist kann er das natürlich nicht. All die Fantasien, all die Jahre lang... alles um sonst, sie wird ihn nie wieder so ansehen wie damals, nie wieder so anlächeln, sie kann es ja gar nicht mehr. Die Zeit ist vorbei, und mehr als alles andere ist das einfach nur traurig. Eigntlich absurd, dass er sich überhaupt noch deswegen Gedanken macht, aber er vermisst sie einfach noch, obwohl er das sich nie eingestehen wird. Vielleicht vermisst er auch sein altes Ich. Und jetzt ist sie im Irrenhaus und das ist alles nur furchtbar beschissen, er fühlt sich überhaupt nicht als "Sieger". Wie könnts auch anders sein? Er kann unmöglich das haben, was er eigentlich gewinnen wollte.
Das hab ich jedenfalls herausgelesen.

mfg,

JuJu

 
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Moi Quinn,

ich mag so einen stream-of-consciousness Stil sehr gerne (das Wort Rollenprosa hatte ich offen gestanden nie gehört, scheint aber doch nicht ganz das gleiche zu sein, sagt mir Wiki), und mir gefällt es gerade, daß nicht bis ins allerletzte Detail alles erklärt, ausgebreitet wird.

Deiner Figur bin ich gerne gefolgt, weil sie angenehm widersprüchlich ist, und sich aus ihren Gedanken eine andere Ebene, Verdrängtes, Verleugnetes rauslesen läßt. Die ganze Situation - nur nicht so zugespitzt - ist mir durchaus bekannt, wenn auch lange Vergangenheit, daher brauchte es für mich keine Erklärungen, was an ihr so toll ist/war. Es ist auch nicht wichtig, denn der Erzähler sagt ja bereits etwas über seine Gefühle zu ihr - aus der haßerfüllten Enttäuschungssituation wird ganz offenbar, wie stark die (eventuell sogar einseitige) Liebe gewesen sein muß. Also wäre das Aufrollen der Beziehungsgeschichte redundant.

Der erste Satz ist einfach nur klasse, breitestes Grinsen, wobei mir das "Verrückt werden" in einem Wort auf jeden Fall auch besser gefallen hätte.

Bei ein paar Sachen bin ich gestolpert:
* das doppelte '69 liest sich nicht so schön, gäbe es Ersatz? Ist das Woodstock? Irgendwas mit Hippie...?

* Obwohl ich diesen Absatz mochte, klingt dies schräg:

Wenn ich an Kim denke, habe ich nie Vögel singen gehört, da waren keine Bergbäche, keine Feuerwerke, keine Mondscheinspaziergänge
Es hört sich an, als wenn der Vogelgesang, Feuerwerk ... beim Denken an sie hätte entstehen sollen, dabei würde ich erwarten: Er erinnert sich, daß er keinen Vogelgesang etc. erlebte, als er mit ihr zusammen war.

* Wenn dies kein ironischer Verweis auf einen bekannten Werbespruch sein soll, müßte das anders. In jedem Fall eine unpassende Assoziation, die sich aufdrängt:

Kim ist drin.

* Dieser Part hat mir gut gefallen, weil die Sprache einen schönen Rhythmus hat, passend desolate Bilder zeichnet, aber die dritte Analogie war mir zu viel, und der letzte Satz schwächt mE die Wirkung, weil er das gerade gesagte nur nochmals explizit wiederholt. Und es müßte hier ein Kleinscheiß sein.
Was ist das denn für ein Sieg, wenn die Beute im Meer versinkt? Wenn man Salz unter die Erde pflügt, damit nie wieder etwas wächst? Wenn man Brand rodet, um einen Bären auszutreiben? Ein Scheiß Sieg ist das.

* "An" Weihnachten - besser zu Weihnachten .


Diesen gesamten vorletzten Absatz habe ich - zusammen mit dem Einstieg - als den stärksten empfunden:

Es fehlen einfach die Bezugspunkte. Ich weiß nicht, wie verrückt sie ist. (...) Ist sie so eine Zombie-Verrückte, die man im Rollstuhl durch die Gegend karrt und die sich auf die linke Schulter sabbert?
Der erste Satz wirkt erst nüchtern, dann erschreckend brutal, dann kommt die Einsicht, daß es schlichtweg wahr ist. Die Beispiele sind eine perfekte Mischung aus Ironie, Distanziertheit, Brutalität und Mitgefühl.

Der Abschluß ist für mein Empfinden nicht ganz so komprimiert und folgerichtig aufgebaut.

Kim kann mir gestohlen bleiben. Vielleicht in einem anderen Leben. Wenn man es realistisch betrachtet, ohne den ganzen Mumpitz, ist sie eine Verrückte, die mit mir nichts zu tun hat. Sie hat mich um den Sieg in einem Spiel betrogen, das wir nicht mehr spielen. Das tiefer in die Vergangenheit rutscht, Tag um Tag. Kim entfernt sich von mir, ich habe gewonnen.
Das 'andere Leben' impliziert für mich immer etwas wie "hätte sein können, hätte passieren können". Hier wäre es aber so aufeinanderfolgend: Sie bleibt mir gestohlen - in einem anderen Leben vielleicht ... hätte ich sie nie geliebt? Klingt um die Ecke gedacht. Oder zu hart angeschlossen.
Die schon verzweifelten Gedanken der Figur, die sich lösen möchte, und es doch nicht kann: Härter wäre mE gekommen, wenn "Sie hat mich um den Sieg ... nicht mehr spielen." der Abschluß gewesen wäre. Es drückt das Verlieren zusammen mit dem herbeigeredeten Siegesgefühl aus dem Anfang des Absatzes bereits genügend deutlich aus.

Interessant fand ich die Beobachtung, daß für die "Klapse" tatsächlich nie der korrekte Namen verwendet wird. In meinem Heimatort hieß es "Du kommst auf den Eichberg", ich weiß nichtmal, wie die Anstalt wirklich hieß. Das ist auch eine hübsche Art der Verdrängung.

Sehr schön fand ich kurze Eindrücke, die viel mitgeben:
Die Sache mit dem Bus, der Haltestelle, die stets wie ungenutzt schien.
Daß sie in Socken und Hemd an den Tisch kommt und den Vater angräbt - das alleine ist ein phantatische Personenbeschreibung, ich sehe die ganze Frau, wie sie sich bewegt, höre ihre Stimme, weiß wie sie riecht. Nur durch diesen Satz.

wahrscheinlich von Briten zerbombt und wieder aufgebaut und Trutzfeste gewesen und Blut vergossen und Realität.
auch schöner Rhythmus, erinnert mich an was, worauf ich jetzt leider partout nicht komme. Villon vielleicht.

Bis auf die genannten Punkte gern gelesen.
Moi moi, Katla

 
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Hallo Nachtschatten,


ich frag mich, wo die geschichte ist, also die erzählte geschichte sehe ich, habe viel und viel egozentrisches vom icherzähler gehört, aber passiert ist quasi nicht viel. wär das mein text, hätteste mich dafür geboxt
Nein, hätte ich nicht. Ich hätte gesagt: Meine Fresse, Nachtschatten, du kannst ja richtig schreiben!

da der autor immer auch der icherzähler ist, wissen wir jetzt, wie alt du bist
Das ist korrekt.

den 1. absatz finde ich gelungen. da würde ich nichts dran ändern, das on-off ding ist zwar peinlich, aber passt zum icherzähler. (das mein ich ernst, lass es drin!)
Ja, das on-off-Ding hat zusammen mit dem Titel schon eine Bewandnis. Es ist auch das Kategorisieren der Sache, die ihn von anderen abgehoben hat.

der erste teil ist schlecht, batman, ozonloch, was soll das? total an den haaren herbeigezogene bilder, albern fast. das, was danach kommt, ist interessant, gut, dynamisch erzählt, da gewinnst du kurz an fahrt. sowas ist gut, sehr gut
Ja, die Irrenanstalt aus Batman ist das passende Ende, der Versuch eines passenden Endes. Die Dramatik in der Beziehung, das Irreale.
Ozonloch fand ich einfach so nen guten Vergleich ehrlich gesagt.

dieser absatz ist merkwürdig. hier wäre der zeitpunkt für handlung, hier müsstest du auf den tisch hauen, warum kim? was war denn? wieso haben beide die streitigkeiten auf sich genommen? dafür muss es ja gründe geben. und wenn du kim schon einen namen gibst, dann gib ihr auch eine persönlichkeit. die kurzzeitfreundin ist da ein erster ansatz, ja. aber ich finde den absatz komisch, die imaginäre szene im park albern, das danach auch. schade, hier hätte die geschichte ein guter text werden können, finde ich. weil davor einfach schon genug geredet wurde
Das ist halt der Knackpunkt. Die Informationen hier sollen das Bild einer stürmischen Beziehung zeichnen, dessen Abgesang die Geschichte ein Stück weit ist. Und wenn man hier lesen will, warum das so ist, dann wird man enttäuscht. Das leistet die Geschichte nicht.

denn was danach kommt, beute ins meer, bla, das ist wie mit batman und dem ozonloch, so gibst du einem text keine farbe, auch wenn es bilder sind. so läuft es nicht, farbe gewinnst du z.b. durch die burg, da könntest du mehr draus machen eigentlihc, anstatt dann sowas platikmäßiges zu schreiben
Es sind halt Bilder, die den Ich-Erzähler spiegeln sollen. Plastikmäßig find ich es nicht. Aber ist ja klar.

der letzte absatz ist ein guter absatz, auch ein netter schluss. das mit dem spiel, das wir nicht mehr spielen, ist ein bisschen unter deinem niveau, das könnte man auch streichen, das ist so eine nichtssagende floskel "wir spielten das spiel liebe, und keiner gewann, oh nein oh nein!"
Ich halte fest, die Hälfte gefällt dir? Also die Floskel ist ja nur ein Satz, der schon treffend ist, finde ich. Was du daraus machst, ist furchtbar, ja. Aber natürlich empfindet der Erzähler hier Pathos.

ja, wie gesagt, ich find ein wenig action hätte das hier vertragen können. die deutest du ja auch an, der icherzähler will leute verprügeln für kim, um dann nachtschatten-lässig einen auf "jo was geht" zu machen. da das dein icherzähler aber nur imaginiert, bleibt es natürlich trocken, verschenkt.
Jo, ist eine Geschichte, die sich im Kopf abspielt. Nachtschatten-lässig ist sie nicht. Nein. Ich hab tatsächlich neulich versucht, eine nachtschatten-lässig Figur zum Erzähler einer Geschichte zu machen, bin daran aber gescheitert.

ich kenn keinen anderen text von dir, kann also auch nicht vergleichen. aber handlung is auch was anderes, ne? haste dir das etwa abgeguckt, so handlungsarm zu schreiben?
Ich versuch schon öfter mal was anderes zu machen. Handlungs“reiche“ Geschichten finden sich bestimmt auch irgendwo mit meinem Namen drunter.

Danke dir für die Kritik
Quinn

Hallo yours,

ja, ob du’s so getroffen hast, da gibt’s ja kein richtig oder falsch. Ich denke es war von beiden schon eine gewisse Anziehung da; er spricht ja häufig von beiden. Und man weiß ja nicht, ob die Frau nicht auch seinetwegen in der Anstalt sitzt. Die Frage wird ja umgangen. Das wär noch etwas gewesen, was man da schauen könnte. Das halt gerade diese Frage nicht auftaucht. Denn auch das wäre eine lose-lose-Situation. Das ist halt bei disen Erzählern immer schwer, weil auch das, was nicht da ist, da ist sozusagen. :)
Ja, ich mag diese Art zu erzählen ab und an sehr gerne. Aber es ist dann auch schwer auf Kritik zu antworten, weil es immer so klingt wie eine Ausrede. Rollenprosa hat schon was Schizophrenes. Denn natürlich ist es nicht meine „Seele“, die da runtergeschrieben wird.

Danke dir noch mal Quinn

Hallo sim

zuerst: Ich habe den Text gern gelesen, auch wenn die nachfolgenden Worte vielleicht etwas anderes vermuten lassen.
Das Lob nehm ich doch erstmal mit. :)

Zum einen überlege ich, ob dein Steckenpferd - die Popkulturbezüge - dieser Geschichte dienen oder ob sie nur verwirren. Schon Bryan Adams Lied ist ja eine (sentimentale) Erinnerung an eine vergangene Zeit, verwirrend, dass er undeutlich selbst dieser Zeit zugeordnet wird.
Hm, das ist nun nicht so mein Steckenpferd wie man meinen könnte, glaub ich. Jedenfalls nicht so geballt wie früher (wobei ich mich dafür auch keine Sekunde schäme).
Ich fand das Lied passend, weil es auch eine Dimension andeutet, die diese Geschichte im Subtext haben sollte. Das Sehnen nach einer aufregenden Zeit. Alternativ hätte man da Glory Days nehmen können von Springsteen, glaube ich.

Das funktioniert im Tempus leider gar nicht.
Ja, hast Recht. Änder ich gleich.

Mich stören diese Verweise in der Empathie für deinen Erzähler, sie erschienen mir dienlich, wenn ich ihn darüber zu fassen bekäme, nachvollziehen und/oder hinterfragen könnte.
Er stand in einer (trotz der Bezeichnung "Krieg") für mich undefinierten Beziehung zu Kim. Vielleicht so ein Klischee, nachdem sie ihn andauernd verschmäht, aber mit ihm gespielt hat. Ein paar Konfliktäußerungen werden aufgeworfen, etwas unstrukturiert, wie Erinnerungen nun mal sind, etwas ungenau in der Grammatik.
Ja, er ist schon schwierig zu fassen, die Beziehung war nicht so einseitig, wie man meinen könnte, glaube ich. Da sind auch die Indizien so im Text. Dass sie ihm da nachtelefoniert, wenn er bei einer anderen ist; und wenn er sagt, die Wunden waren für beide tief.

Undeutlich in den Erinnerungen, weil zunächst der Eindruck vermittelt wird, sie ist am heimischen Frühstückstisch mit dem erz. Ich und dessen Papa, das erz Ich wird dann aber aus eine fremden Wohnung geworfen?
Ich hätte da Satzumbrüche machen sollen. Es sind 3 Mini-Szenen: Teller, Frühstückstisch, Bett. Da liegt immer eine zeitliche Distanz dazwischen. Ich mach dann Zeilenumbrüche, das ist bestimmt besser.

Ich kann dieses Ich kaum nachvollziehen, leider auch nicht, wie es überhaupt auf "Gewinn" kommt, oder aus welcher Motivation dieser Gewinn durch es infrage gestellt wird.
Das ist schade. Es sollte hier die „aftermath“ (da gibt’s kein ordentliches deutsches Äquivalent dafür, glaub ich; Nachwehen, wenn man so will) einer Beziehung dargestellt werden, die zu einem Krieg geworden ist. Wer vermisst wen mehr? Wer ist dem anderen von größerer Bedeutung? Das sind so die Themen, da wird ja eine Liebe durchaus zu einem Wettkampf.

Am Wahrscheinlichsten erscheint mir eine tief empfundene Demütigung, die zu viel Hass in die Lage versetzt. Dafür spricht auch die Rede vom Krieg. Dann wird plausibel, warum sich jemand die Machtfantasie einer beobachteten Vergewaltigung vorstellt, aus der er als cooler Retter und gleichzeitig weiterer Demütiger hervorgeht.
Ja. Das ist genau die Funktion der Vergewaltigungsszene. Demütigung; es ist schade, dass die Psychologie der Figur so schwer zu greifen scheint, ich dachte da wären mehr Möglichkeiten, die Situation wäre schneller zu erfassen.

Insofern ist er um seinen Triumpf tatsächlich betrogen, vor allem aber scheint es ihn in seiner Befangenheit nicht zu gelingen, wirklich zu reflektieren, Verantwortung für sich zu übernehmen. Ist er lieber für ihren Niedergang verantwortlich?
Genau, das ist die Frage, die mir wichtig war. Und wenn der Leser auf diesen Gedanken kommt, ist das für mich ein gelungener Text. Das ist ja die Frage, die umschifft wird: Ist sie wegen ihm in der Klapse. Das freut mich echt, dass die Frage aufkommt.

Eine weitere Frage stellt sich natürlich nach seinem merkwürdigen Bild von psychischen Erkrankungen. Das verhindert natürlich eindeutig, dass er sich selbst jemals psychologische Hilfe holen würde.
Das ging doch eh nicht, weil er dann verloren hätte. :)

Also vielen Dank für die Gedanken zum Text; die wohlwollenderen Kommentare gönne ich mir dann morgen
Gruß
Quinn

 
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Hallo Juju,

jo, so sollte die Geschichte ungefähr wirken. :)
Hab mich über den Kommentar gefreut; danke dir
Quinn

Hallo Katla,

ich mag so einen stream-of-consciousness Stil sehr gerne (das Wort Rollenprosa hatte ich offen gestanden nie gehört, scheint aber doch nicht ganz das gleiche zu sein, sagt mir Wiki), und mir gefällt es gerade, daß nicht bis ins allerletzte Detail alles erklärt, ausgebreitet wird.
Jo, ein Bewußtseins-Strom ist halt eine Erzähltechnik, Rollenprosa eher eine Herangehensweise an einen Stoff.

Es ist auch nicht wichtig, denn der Erzähler sagt ja bereits etwas über seine Gefühle zu ihr - aus der haßerfüllten Enttäuschungssituation wird ganz offenbar, wie stark die (eventuell sogar einseitige) Liebe gewesen sein muß. Also wäre das Aufrollen der Beziehungsgeschichte redundant.
Das seh ich auch so.

* das doppelte '69 liest sich nicht so schön, gäbe es Ersatz? Ist das Woodstock? Irgendwas mit Hippie...?
Ich fürchte nicht.

Der Abschluß ist für mein Empfinden nicht ganz so komprimiert und folgerichtig aufgebaut.
Ja, das stimmt. Er ist auch wehleidiger.

Das 'andere Leben' impliziert für mich immer etwas wie "hätte sein können, hätte passieren können". Hier wäre es aber so aufeinanderfolgend: Sie bleibt mir gestohlen - in einem anderen Leben vielleicht ... hätte ich sie nie geliebt? Klingt um die Ecke gedacht. Oder zu hart angeschlossen.
Das "In einem anderen Leben" ist ein Störkörper in der Argumentation, weil es schon eine Sehnsucht ausspricht.

Die schon verzweifelten Gedanken der Figur, die sich lösen möchte, und es doch nicht kann: Härter wäre mE gekommen, wenn "Sie hat mich um den Sieg ... nicht mehr spielen." der Abschluß gewesen wäre. Es drückt das Verlieren zusammen mit dem herbeigeredeten Siegesgefühl aus dem Anfang des Absatzes bereits genügend deutlich aus.
Ja, das stimmt. Ich wollte keinen so krassen Abschluß, wobei ich verstehe, dass man den sich wünschen kann. Das "Sie entfernt sich von mir", finde ich schon wichtig, weil es die Hoffnung deutlich macht, dass wenn der Bezugspunkt "Kim" weiter in die Vergangenheit rutscht, er an Relevanz verliert.

Interessant fand ich die Beobachtung, daß für die "Klapse" tatsächlich nie der korrekte Namen verwendet wird. In meinem Heimatort hieß es "Du kommst auf den Eichberg", ich weiß nichtmal, wie die Anstalt wirklich hieß. Das ist auch eine hübsche Art der Verdrängung.
Ja, das stimmt. Das ist wirklich interessant.

auch schöner Rhythmus, erinnert mich an was, worauf ich jetzt leider partout nicht komme. Villon vielleicht.
Ich weiß es auch nicht.

Danke dir für die Kritik, über die einzelnen Stilanmerkungen geh ich noch mal drüber. Freut mich, dass dir der Text im Ganzen gefallen hat
Quinn

 

Hey Quinn,

ich für meinen Teil hatte ein ganz klares Bild der Beziehung der beiden vor Augen.

Mit dem Verrückt werden ist es wie mit dem Altern: Es ist zu abstrakt. Man braucht Bezugspunkte.

Woran merkt man, dass man alt wird? Die kleinen Wehwehchen? Die durchzechten Nächte, die man nicht mehr einfach wegsteckt? Das man Nachts in einem richtigen Bett schlafen will ...
Woran merkt man, das man verrückt wird? Ist es auch ein schleichender Prozess - dessen Folgen einen häppchenweise in den Alltag pfuschen?
Eine Frage, die er sich ganz klar gegen Ende stellt. Hätte er es bemerken können/sollen?

Wenn ich an Kim denke, höre ich keine Vögel singen, da sind keine Bergbäche, keine Feuerwerke, keine Mondscheinspaziergänge. Kim war Arbeit. Echt harte Arbeit.

Hier zum ersten Mal. Kim ist keine pure romantische Erinnerung an die erste große Liebe. Kim ist alles andere als Romantik. Sie ist Arbeit.
Das bringt mich auf den Gedanken, an eine Beziehung, in der man nie ankommt. Um die man ständig kämpfen muss - in der man nicht selbstverständlich "zueinander gehört".

Kim und ich hatten eine On-Off-Beziehung, würde man sagen.

On-Off. An-Aus. Zusammen - auseinander - zusammen - ...
Nicht mit und nicht ohne. So verstehe ich es. Eine Art Abhängigkeit.
Man will den anderen in eine Rolle stecken, die er nicht zu spielen vermag. In der man sich gegenseitig lieber verletzt, als Eingeständnisse zu machen.

Und es war Krieg, da gibt es nichts zu beschönigen. Als die Wunden auf beiden Seiten dann zu tief wurden, jedenfalls rede ich mir das ein, ein permanenter Nichtangriffspakt.

Für mich passen deshalb die Worte "Krieg" und "Kampf" ganz hervorragend auf die beiden. Der geschlossene "Nichtangriffspakt" nicht ausgesprochen, aber vorhanden. Man wird müde, es zermürbt, man weiß - es wird nie ein Happy End geben. Aber es ist nicht wirklich vorbei, weil der "Kampf" lediglich unterbrochen wurde. So richtig abgeschlossen, wurde da nix. So innerlich.

Sie hat mit meinem Vater geflirtet. Kam zum Frühstückstisch in Söckchen und Hemd.

Hier wird für mich der "Gegner" Kim ganz deutlich. Er wird sie nie für sich allein haben können. Sie wird ihm niemals "gehören".

Sie hat eine Kurzzeit-Freundin angerufen und sie gefragt, wie sie das nur mit mir aushalte. Wo ich sie doch mit ihr betrüge, mit ihr, mit ihr allein.

Geil! Sie ruft seine Kurzzeitfreundin an, "Wie hältst Du es mit ihm aus?" Aber gleichzeitig stellt sie Besitzansprüche - indem sie sagt: "mit ihr, mit ihr allein".

Bis sie schon auf ihr liegen und dann die Faust ins Genick des einen, den anderen von ihr heruntergezerrt. Mit Fußtritten würde ich sie vertreiben. Und ich würde ihr die Hand reichen, ganz freundlich, sie an meine Schulter drücken und dann: Ach, du bist das. Grüß dich, Kim. Lange nicht mehr gesehen. Hast ja noch mal Glück gehabt. Ich muss dann weiter. Halt die Ohren steif.

Und nun er. Auch er kämpft um sie, aber nur keine Gefühle zeigen! Gefühle bedeuten Schwäche in ihrer Beziehung.
Die Schokoladenfrau dann die Demonstration - schau her, ich kann ohne Dich. (Sein Pendant zu ihrem Flirt mit seinem Vater, oder allen anderen.)

Die nehmen sich beide nichts. Sie brauchen einander und können doch nicht!

Das ist auch so was. Ich hatte ja schon gewonnen. Sie arbeitet in einer Bank. Wie kann man in einer Bank arbeiten? Jeder hätte mich zum Sieger erklärt.

Nur nicht normal sein. Auf keinen Fall so prüde und bieder wie die anderen. Nicht in der Beziehung, nicht im Job oder sonst irgendwie. Von daher eigentlich schön mit der Erwähnung des Sommers of 69.

Und jetzt gewinne ich nicht, sondern sie verliert. Ich hab damit nichts zu tun, das muss man mir glauben.

Niemand hat es geschafft, den anderen so zu verletzen, dass er das Feld räumt, die Abhängigkeit aufgibt. Die letztliche Trennung - von außen herbeigeführt. Kim ist krank. Damit ist der Kampf beendet. Es wäre ein unlauterer Kampf - ihn weiterzuführen.

Es fehlen einfach die Bezugspunkte. Ich weiß nicht, wie verrückt sie ist.

Ich glaube, das ist der Punkt. Er weiß nichts mehr von ihr. Sie ist fort, er hat sie verloren und er selbst konnte nix dafür oder dagegen. Das beschäftigt ihn weiter.

Sie hat mich um den Sieg in einem Spiel betrogen, das wir nicht mehr spielen.

Mit ihrer Einweisung wurde aus dem Waffenstillstand ein Schlussstrich gezogen. Es ist vorbei. Was ihn dann auf eine Art doch zum Sieger macht:

Kim entfernt sich von mir, ich habe gewonnen.

Aber nicht in ihrem "Krieg". Er hat für sich gewonnen. Er beginnt sich von ihr zu lösen und ein Leben "ohne Kim" (auch in Gedanken) zu leben.

Vielleicht ist das jetzt alles völlig "über", aber ich hab die beiden in dieser Lesart so klar vor mir gesehen. Es ist auch völlig egal, was sie nun hat. Es tut nix zur Sache in ihrer Beziehung, deren Geschichte Du hier erzählst.

Was ich weniger elegant gelöst empfand - als Du die Möglichkeiten ihres "Wahnsinns" aufzählst ... pinkeln und Kot an die Wände schmieren ist für mich so ziemlich der selbe Schuh. So 'ne Art Wiederholung ;).

Sehr gern gelesen!
:thumbsup: Fliege

 

Hallo Maria,

du kannst mich ruhig für schräg halten, aber mir gefällt Kim außerordentlich. Mir gefällt ihre brutale Art, dass sie eher die Hosen anhat und auch, dass sie in der Klapse landet. Sie ist mir sympathisch, sie gefällt mir :D
Hm, na ja. :)

Diese Sätze sind einfach der Hammer.
Das freut mich.

Natürlich verstehe ich so ganz ihr Handeln nicht, auch nicht den Krieg, der scheinbar grundlos zwischen ihnen ausgebrochen ist. Da hast du an Details gesparrt, damit ich im Dunklen tappe. Oder hast du es erwähnt und mir ist es nicht aufgefallen?
Nein, das bleibt im Dunkeln. Fliege direkt unter deinem Kommentar erklärt das sehr gut. Also die Indizien dafür sind im Text, aber es wird nicht ausgeführt.

Die meisten meinen, dass er der eigentliche verlierer ist, aber für mich sieht das nach einem nicht so klaren Unentschieden aus. Irgendwie gewinnt sie nicht, weil sie in die Klapse landet und er gewinnt nicht, weil er sie nicht mehr besiegen kann :D
Das ist ja grade das Problem: Also wenn so eine Beziehung zu einem "Krieg" wird, dann kann es unmöglich Sieger geben. Das ist ja auch ein bekanntes Thema: Man macht mit einer Frau Schluß, sie nimmt zwanzig Kilo ab, kauft sich ein atemberaubendes Kleid und steht vor der Tür und sagt: HA! Das kriegst du alles nicht mehr.

Die Geschichte ist zwar darauf aufgebaut, dass die Handlung ausbleibt und ihren Kampf erzählt und wahrscheinlich hätte es die Geschichte gestört, wenn du Action hineingetan hättest, doch ich liebe Action =D
Alles in allem, habe ich es gern gelesen.
Ja, da ist keine Action drin; ich hab in letzter Zeit soooooo viel Action geschrieben :), dass ich was kleines machen wollte, das sich nur in der Psychologie abspielt.

Schön, dass es dir gefallen hat, danke für den Kommentar
Quinn

Hallo Fliege,

ja, was soll ich sagen: Vielen Dank. Du hast eigentlich zu jedem Satz das geschrieben, was ich mir dabei gedacht habe.

Bis auf vielleicht den letzten Abschnitt, denn mit diesem "Sie entfernt sich von mir", entfernt sich auch ein Stück weit von sich selbst. Sie war ja wohl durchaus auch sein Lebensinhalt. Deshalb war das ja auch mit der Bank und mit diesem Summer of 69 und diese aufregenden Erlebnisse, die er da hatte. Das ist natürlich schon ein Stück weit Drama, das er nun, höchstwahrscheinlich, so nicht mehr haben wird. Aber das sind Kleinigkeiten, die auch gar nicht so im Text im Vordergrund stehen.

Danke für den tollen Kommentar, der hat mich echt gefreut :)
Quinn

 

Hallo Quinn,

ich fand die fast "feulletonistische" Erzählweise deines Protagonisten natürlich sehr amüsant zu lesen und auch die "Popkultur-Elemente" fügen sich da stimmig ins Bild. Dir ist es tatsächlich gelungen die Geschichte "auch ohne Handlung" interessant zu machen ;)
Aber die Verbinung dieser Charakterzüge des Prot. (Bryan Adams, Batman und so) zu der Tatsache der On/Off Beziehung bleibt irgendwie unklar. Eigentlich ist es ja nur so: er erinnert sich halt und deshalb erzählt er von Bryan Adams . Ich denke es würde sehr viel bewirken, die ganze Geschichte zumindest in eine Mini-Handlung einzubetten. Wenn man einfach nur erfahren würde, wie er erfährt, dass Kim jetzt eingeliefert wurde, würde das schon viel klären: z.B. wie er jetzt zu ihr steht, wie lange er sie nicht mehr gesehen hat und weshalb er sich eben jetzt an diesen Kampf erinnert und diese Geschichte erzählt. Von mir aus kann er es erfahren und sich auf den Weg dorthin machen und dabei die Sationen in seinem Leben mit ihr im Geiste nochmal durchgehen (also alles, was dann oben kommt), und wenn er dann vor dem Tor steht - geht er halt doch nicht rein...oder so. Wir Leser brauchen halt auch Bezugspunkte...

Weitere Anmerkungen:

Am Anfang schreibst Du, dass die Beziehung harte Arbeit war. Das passt irgendwie nicht zu "Krieg" und auch nicht zu "Spiel, finde ich. Das Abarbeiten lässt eher an Hinbaggern denken.

Als sie Kim in die Burg eingeliefert haben, kam die Vergangenheit und trat mir mit Anlauf in den Arsch. Wenn ich an Kim denke, höre ich keine Vögel singen, da sind keine Bergbäche, keine Feuerwerke

Wie hat er es erfahren? Hat er noch Kontakt gehabt, oder nicht? Hier bräuchte man irgendeinen Anhaltspunkt finde ich und die ganze Geschichte wäre viel eingänglicher.

Die Burg ist ein Irrenhaus, wie das bei Batman. Für gewöhnlich behandelt man seine Existenz wie das Ozonloch

Ich finde das mit dem Ozonloch auch einen sehr guten Vergleich. Echt gut geschrieben, es passt zu dem Erzähler (- auch wenn das wie gesagt an sich noch nichts zur Sache mit der On/Off Beziehung tut...).

Männlichkeit. Hatte mir vorgestellt, nachts durch einen Park zu laufen mit geballter Faust und dann sie zu sehen, wie zwei Männer sie umkreisen
Das ist eigentlich sehr authentisch, so fantasiert man als Teenie - zumindest als sehr junger Teenie.

Der Schluss kam mir dann auch nicht ganz logisch vor. Eigentlich müsste er doch jetzt klüger sein und nicht immer noch gewinnen wollen, oder? Kann er nicht zugeben, dass sie nun doch gewonnen hat - auf ihre Art, wie sie eigentlich immer schon gemacht hat? Der ganze letzte Absatz scheint mir nicht sonderlich überlegt, erhlich gesagt.

Ich finde es würde sich lohnen den Text noch etwas zu bearbeiten, weil er ja auch echt schön zu lesen ist :)

Viele Grüße

MLasar

 

Hallo MLasar,

ich fand die fast "feulletonistische" Erzählweise deines Protagonisten natürlich sehr amüsant zu lesen und auch die "Popkultur-Elemente" fügen sich da stimmig ins Bild. Dir ist es tatsächlich gelungen die Geschichte "auch ohne Handlung" interessant zu machen ;)
Backhanded-Compliment am Anfang. Sehr cool. Danke. :)

Aber die Verbinung dieser Charakterzüge des Prot. (Bryan Adams, Batman und so) zu der Tatsache der On/Off Beziehung bleibt irgendwie unklar. Eigentlich ist es ja nur so: er erinnert sich halt und deshalb erzählt er von Bryan Adams .
Ja, das stimmt schon. Das Problem ist, dass der Ich-Erzähler nicht sagt, was in ihm vorgeht, sondern nur durch diese indirekten Anspielungen. The Summer of 69 ist ja, wie sim auch schon gesagt, natürlich auch ein Lied, das eine "dramatische" Zeit beschreibt, eine Zeit, in der sehr viel passiert ist. Und die gehört beim Erzähler natürlich unbedingt zu Kim.

Ich denke es würde sehr viel bewirken, die ganze Geschichte zumindest in eine Mini-Handlung einzubetten. Wenn man einfach nur erfahren würde, wie er erfährt, dass Kim jetzt eingeliefert wurde, würde das schon viel klären: z.B. wie er jetzt zu ihr steht, wie lange er sie nicht mehr gesehen hat und weshalb er sich eben jetzt an diesen Kampf erinnert und diese Geschichte erzählt. Von mir aus kann er es erfahren und sich auf den Weg dorthin machen und dabei die Sationen in seinem Leben mit ihr im Geiste nochmal durchgehen (also alles, was dann oben kommt), und wenn er dann vor dem Tor steht - geht er halt doch nicht rein...oder so. Wir Leser brauchen halt auch Bezugspunkte...
Ja, genau sowas, hab ich vor ein paar Jahren schon mal geschrieben. So mit einer Alibi-Handlung. Die wollte ich hier halt weglassen. Ich gestehe aber, dass es hier wohl zu wenig dann ist, man hat hier eben nur den Erzähler in den Reflexionen.


Am Anfang schreibst Du, dass die Beziehung harte Arbeit war. Das passt irgendwie nicht zu "Krieg" und auch nicht zu "Spiel, finde ich. Das Abarbeiten lässt eher an Hinbaggern denken.
Findest du? Dann wäre nicht die Beziehung "harte Arbeit", sondern das davor, das "Hinarbeiten".

Wie hat er es erfahren? Hat er noch Kontakt gehabt, oder nicht? Hier bräuchte man irgendeinen Anhaltspunkt finde ich und die ganze Geschichte wäre viel eingänglicher.
Ja, da hast du wohl recht. Ich bin ein wenig davor zurückgeschreckt, das hier einzuführen, es würde die Geschichte schon normalisieren und täte ihr wohl auch gut. So ist sie natürlich gegen jede "Das ist zu wenig"-Breitseite wenig gefeit.

Ich finde das mit dem Ozonloch auch einen sehr guten Vergleich. Echt gut geschrieben, es passt zu dem Erzähler (- auch wenn das wie gesagt an sich noch nichts zur Sache mit der On/Off Beziehung tut...).
Das freut mich, dass der gescholtene Ozonloch-Vergleich einen Fan findet.

Das ist eigentlich sehr authentisch, so fantasiert man als Teenie - zumindest als sehr junger Teenie.
Als Teenie legt man sie flach, nachdem man sie gerettet hat. Hier geht er ja weg, das ist schon nochmal ein Unterschied, aber klar diese Vergewaltigungs-Retter-Phantasie ist fast schon Allgemeingut.

Der Schluss kam mir dann auch nicht ganz logisch vor. Eigentlich müsste er doch jetzt klüger sein und nicht immer noch gewinnen wollen, oder? Kann er nicht zugeben, dass sie nun doch gewonnen hat - auf ihre Art, wie sie eigentlich immer schon gemacht hat? Der ganze letzte Absatz scheint mir nicht sonderlich überlegt, erhlich gesagt.
Nein, er kann's eben nicht zu geben. Das ist ja der "Gag". Natürlich kann er das nicht zu geben. Es ist kein objektiver Erzähler, sondern er konstruiert die Realität so, dass er damit umgehen kann. Dass er dabei gut weg kommt. So gestalten wir für gewöhnlich unsere Erinnerung, dass wir Niederlagen runterspielen oder sie umdeuten. Und darum geht's natürlich auch in diesem Text. Deshalb ist das natürlich wichtig, den Erzähler zu hinterfragen und dazu führt der Text ja auch.
Es ist da aber als Autor schwierig, weil ich finde, das man in so einer Geschichte sehr viel Verantwortung für den Erzähler übernehmen sollte, damit man ihn nicht in an einer Kordel über den Marktplatz führt.
Nur leider gehen dann eben die negativen Bemerkungen über den Erzähler an den Autor. :)
Also was mir wichtig war, jetzt nachdem die Geschichte schon bisschen hier zu lesen war: Der Leser hinterfragt die Figur. Der Leser erkennt, dass die Figur nicht ehrlich zu sich selbst ist. Und im Idealfall noch: Der Leser erkennt, dass dem Erzähler diese "Dramatik" auch ein Stück weit fehlt aus dieser Kim-Zeit.

Es ist natürlich dann schon, wenn man sowas schreibt, etwas, bei dem man vielen, sonst richtigen und soliden Einwänden der Kritiker ein wenig mit verbundenen Händen gegenübersteht. Also gegen "das ist zu wenig" kann man da nicht viel machen. Es ist halt was anderes. Es ist nicht die Geschichte einer Beziehung, sondern es ist die Beschreibung einer Figur, wie sie einen vergangenen Abschnitt ihres Lebens einordnet.
Und das ist immer ganz furchtbar, wenn man als Autor sowas sagen muss. :)

Ich hab mich über deine Kritik gefreut, du hast da schon mit vielem Recht, denke ich; es ist sehr wenig und keine, oder fast keine, äußere Handlung in der Geschichte
Quinn

 

Hallo Quinn!

Mit dem Verrückt werden ist es wie mit dem Altern: Es ist zu abstrakt. Man braucht Bezugspunkte. In meiner Jugend war The Summer of ’69 auch schon alt, erschien als eine dezent angestaubte Vergangenheit, die man sich noch irgendwie vorstellen konnte. ’69, das war zehn Jahre vor meiner Geburt. Jetzt ist es fast vierzig Jahre her und alt, furchtbar alt. Kein Mensch kennt mehr Bryan Adams, und Robin Hood mit Kevin Costner wird auch nicht mehr an Weihnachten wiederholt.

Mir scheint, du hast das öfter: Einen starken Akkord am Beginn, der aber wenig in den Text führt, denn der Schwerpunkt wird hier zu stark auf das Altern gelegt, als Vergleich zur Abstraktheit des Verrücktwerdens (jo, wird zusammengeschrieben) zu stark betont. Ich würde den ersten Absatz einfach weglassen.

Es ist ja jetzt schick, so etwas ganz Persönliches, was nur einem selbst gehören sollte, mit irgendeinem modischen Wort zu etikettieren, das man in Zeitschriften liest, in kleinen Nebensätzen dahingeschmiert finden kann. Kim und ich hatten eine On-Off-Beziehung, würde man sagen.

Die Burg ist ein Irrenhaus, wie das bei Batman. Für gewöhnlich behandelt man seine Existenz wie das Ozonloch: Man nimmt es dumpf zur Kenntnis, zieht es aber vor, nicht daran zu denken. Und dann plötzlich, in einem heißen Sommer, ist es da: Taucht in einer Straße auf, die man nicht kannte. Eine Buslinie hält an einer Station, bei der man früher nie wen hat aussteigen sehen, und es ist Realität.
Eine alte Burg, schon lang und oft renoviert, wahrscheinlich von Briten zerbombt und wieder aufgebaut und Trutzfeste gewesen und Blut vergossen und Realität. Wie ein Kainsmal in unserer Stadt. Da. Irrenhaus. Nicht zu leugnen. Das passiert. Kim ist drin.

Also das ist schon sehr toll gemacht, zuerst "breite" Sätze, die dann immer "enger" werden, und parallel dazu: Du gehst hier vom Allgemeinen ins Besondere, wobei es so hin- und herpendelt, aber am Ende immer stärker in Richtung des Besonderen: die Beziehung zu Kim. Es ist so eine Art Dreiklang, zuerst auch noch auf dem Niveau von Zeitungen, dann Filme, dann was Geschichtliches und endlich wirklich die Realität, mit dem "Da." eingeleitet, und der Leser spürt, jetzt geht´s um was, und dann die vier kurzen hinterhergeschossenen Sätze. Und die Aufmerksamkeit ist voll da. Wirklich gut gemacht!
Mit der Kante gegen das Auge und es waren noch Schlagsahnereste drauf
es muss nicht sein, streng nach der Regel, aber BITTE, das schreit doch nach einem Komma: Auge, und es waren ...
Bis sie schon auf ihr liegen und dann die Faust ins Genick des einen, den anderen von ihr heruntergezerrt
wenn du vorher "liegen" hast, dann auch "herunterzerren"
Mit Fußtritten würde ich sie vertreiben. Und ich würde ihr die Hand reichen
mit dem richtigen Konjunktiv würde es noch stärker klingen, finde ich: würde ich sie vertrieben haben ... würde ich ihr die Hand gereicht haben.
Wenn man Brand rodet, um einen Bären auszutreiben
zusammen: brandrodet, denn du rodest ja nicht den Brand ;)

Mit Mitleid ist bei diesem Mann nicht zu rechnen: Zu tief sind die Verletzungen im Kampf der Geschlechter, den er am Ende als "Spiel" bezeichnet. Und genau das ist es auch, das er ihr wahrscheinlich am wenigsten verzeiht, dass sie es derart wenig locker sehen konnte, dass sie es so ernst genommen hat, dass sie verrückt geworden ist. Oder man weiß ja nicht, was zuerst da war: das Verrücktsein oder die Verletzungen im Kampf mit ihm. Er will fertig sein mit ihr, nur einmal klingt ein Bedauern an:

Und jetzt gewinne ich nicht, sondern sie verliert. Ich hab damit nichts zu tun, das muss man mir glauben.
Was ist das denn für ein Sieg, wenn die Beute im Meer versinkt? Wenn man Salz unter die Erde pflügt, damit nie wieder etwas wächst? Wenn man Brand rodet, um einen Bären auszutreiben? Ein Scheiß Sieg ist das.

Mit ihrem Verrücktwerden hat sie das Spiel, das er sicher auch reizvoll fand, nach der Logik der Geschichte zu sehr auf den Boden der Realität geholt, so widersprüchlich das auch klingt, das ist das Unverzeihlichste, das sie tun hat können. Damit hat sie die Spielregeln nicht mehr eingehalten. Und er enschuldigt sich selbst ja auch damit. Von seinen Fehlern spricht er ja gar nicht, nur von ihren.

Interessanter Text.

Gruß
Andrea

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Quinn!

Wenn ich an Kim denke, höre ich keine Vögel singen, da sind keine Bergbäche, keine Feuerwerke, keine Mondscheinspaziergänge.
Gut, die Beziehung war harte Arbeit, aber welcher Typ denkt bitte an die Dinge, die du hier erwähnst, wenn er an seine Ex denkt?
Zweitens macht doch heutzutage wirklich keiner Mondscheinspaziergänge, sei doch nicht albern. Kinobesuche, ja. Kirmesbesuche, ja. Sylvester, ja.
Picknick, ja. Bergbäche, nein.
Es ist ja jetzt schick, so etwas ganz Persönliches, was nur einem selbst gehören sollte, mit irgendeinem modischen Wort zu etikettieren, das man in Zeitschriften liest, in kleinen Nebensätzen dahingeschmiert finden kann.
Ich weiß, du wärst gerne eine Frau usw. und wärst du wirklich eine, würde man dich dafür mit Worten wie "Kolumnenstil" verkloppen.
Überhaupt gefällt mir der ganze Stil in deiner Geschichte nicht, passt nicht zum Inhalt. Die Figur ist auch ein Trottel, es passt zu ihm, aber nicht zu dem, was da wirklicih passiert und was passiert da eigentlich?
Ich weiß echt nicht, was ich von dieser Geschichte halten soll.
Ich glaube, wenn sie eine Mini-Handlung hätte und das mit einem eher düsteren-schrägen Stil, das würde mir gefallen. Ich finde Kim interessant und die Burg als Anstalt - das ist cool.
Aber so erinnert mich das an diesen britischen Autor, den man im Zug (rückwärtsfahrend!) lesen kann.
Man nimmt es dumpf zur Kenntnis, zieht es aber vor, nicht daran zu denken. Und dann plötzlich, in einem heißen Sommer, ist es da: Taucht in einer Straße auf, die man nicht kannte. Eine Buslinie hält an einer Station, bei der man früher nie wen hat aussteigen sehen, und es ist Realität.
Und dann gibt es da diese Sätze. :)
Wie ein Kainsmal in unserer Stadt. Da. Irrenhaus. Nicht zu leugnen. Das passiert. Kim ist drin.
Ernsthaft, Andy mag das ja interessant finden und da was rauslesen, aber für mich klingt das behindert. edit: Ui, es war ja gar nicht Andy, hat das hier nicht jemand gesagt, ich durchsuche jetzt nicht die Kommentare, nur: Sorry, Andy. :) ;) Hdl und so.edit2: War doch Andy, ich nehme die Entschuldigung zurück. :D Mann, ist das n Durcheinander hier. Verzeihen Sie, Pater.
Sie hat mit meinem Vater geflirtet.
Uh, mit dem Vater geflirtet, jetzt ist die Lusche natürlich traumatisiert. Sie hat doch nicht mit der Omaleiche im Sarg geflirtet.
Hat sie am Unterarm diese parallel verlaufenden Schnitte in der Farbe von Hundezahnfleisch?
Autsch. Das trifft wieder einen.

Das Ende ist relativ gut, Anfang ist solala, es hat keine Mitte, aber es hat ja auch keine Handlung. Die Figuren sind klar gezeichnet, man kann sie sich vorstellen, aber Stil passt eben nicht zur Handlung, ups, da ist ja keine.
Du weißt, was gemeint ist.

JoBlack

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Andrea,

Mir scheint, du hast das öfter: Einen starken Akkord am Beginn, der aber wenig in den Text führt, denn der Schwerpunkt wird hier zu stark auf das Altern gelegt, als Vergleich zur Abstraktheit des Verrücktwerdens (jo, wird zusammengeschrieben) zu stark betont. Ich würde den ersten Absatz einfach weglassen.
Naja, er ist sicher nicht ideal, aber ich finde schon, dass dort auch wichtige Ideen für den Text gelegt werden.

Mit Mitleid ist bei diesem Mann nicht zu rechnen: Zu tief sind die Verletzungen im Kampf der Geschlechter, den er am Ende als "Spiel" bezeichnet. Und genau das ist es auch, das er ihr wahrscheinlich am wenigsten verzeiht, dass sie es derart wenig locker sehen konnte, dass sie es so ernst genommen hat, dass sie verrückt geworden ist.
Hm, ich weiß nicht, ob es das ist. Er nimmt es auch überhaupt nicht "locker".

Mit ihrem Verrücktwerden hat sie das Spiel, das er sicher auch reizvoll fand, nach der Logik der Geschichte zu sehr auf den Boden der Realität geholt, so widersprüchlich das auch klingt, das ist das Unverzeihlichste, das sie tun hat können. Damit hat sie die Spielregeln nicht mehr eingehalten. Und er enschuldigt sich selbst ja auch damit. Von seinen Fehlern spricht er ja gar nicht, nur von ihren.
Das seh ich auch so.

Interessanter Text.
Das freut mich, danke für die Kritik, die Anmerkungen arbeite ich ein. Zum Futur II kann ich mich allerdings nicht durchringen, das passt nicht zum Erzähler.
Quinn

Hallo Jo,

Zweitens macht doch heutzutage wirklich keiner Mondscheinspaziergänge, sei doch nicht albern.
Jo, es ist ja auch eine Negation, all das eben nicht. Sind die Beispiele dann schon übertrieben, was es eben alles nicht war.
Du liest das als: Das haben wir auch alles gemacht, aber daran denke ich nicht. So war das gar nicht unbedingt gemeint, wenn man's auch so lesen kann.

Ich weiß, du wärst gerne eine Frau usw.
Das ist nicht korrekt.

und wärst du wirklich eine, würde man dich dafür mit Worten wie "Kolumnenstil" verkloppen.
Das ist nur scheinbar so, glaub ich, der Satz hat einen stark persönlichen Bezug, also das was du grade kritisiert, ist ja Thema.

Aber so erinnert mich das an diesen britischen Autor, den man im Zug (rückwärtsfahrend!) lesen kann.
Ich weiß gar nicht, was du als mit Hornby hast. :) Du bist besessen von Hornby!

Uh, mit dem Vater geflirtet, jetzt ist die Lusche natürlich traumatisiert. Sie hat doch nicht mit der Omaleiche im Sarg geflirtet.
Naja. Das würd einem schon nachhängen, glaub ich. Mehr als die "Omaleiche im Sarg", wie bist du denn drauf? :)

Das Ende ist relativ gut, Anfang ist solala, es hat keine Mitte, aber es hat ja auch keine Handlung. Die Figuren sind klar gezeichnet, man kann sie sich vorstellen, aber Stil passt eben nicht zur Handlung, ups, da ist ja keine.
Ja, gut, das ist halt die Kritik an der Geschichte, dass sie keine äußere Handlung hat. Ich finde schon, dass es eine Handlung ist, wenn wie hier beschreiben, die Nachwehen einer Beziehung abgehandelt werden, das was sie beim Protagonisten eben auslösen. Das sehen andere nicht so, die wollen ihn dann Zug fahren sehen, ja; ich finde die Reflexionen genug.
Ich weiß nicht, in was für einem anderen Stil das dann erzählt werden sollte als in dem der Figur, den du halt als Lusche siehst. Also bei dem Kommentar bin ich nun auch ratlos.

Danke dir trotzdem
Quinn

 

Okay, ein zweiter Anlauf, aber nur, weil dus bist, Alter.

Jo, es ist ja auch eine Negation, all das eben nicht. Sind die Beispiele dann schon übertrieben, was es eben alles nicht war.
Du liest das als: Das haben wir auch alles gemacht, aber daran denke ich nicht. So war das gar nicht unbedingt gemeint, wenn man's auch so lesen kann.
Das habe ich schon so verstanden, klar, haben die das nicht gemacht, so eine Kim würde das auch nie machen - verständlicherweise. Aber warum er es dann eben erwähnt, warum dann nicht einfach so Sachen, die man heute so machen könnte. Würd doch viel authentischer klingen, und man könnte sich glatt mit ihm identifizieren.
Ich weiß gar nicht, was du als mit Hornby hast. Du bist besessen von Hornby!
Hornby findet immer einen passenden Stil zu seinen Geschichten. Also den Stil!
Ich kritisiere doch hier nur den Stil - Handlung könnte man auch glatt weglassen udn sie kann meinetwegen aus Anekdoten bestehen, war doch bei deiner "Mein Vater" Geschichte auch so, da hat der Stil aber zu der Geschichte gepasst.
Ich weiß nicht, in was für einem anderen Stil das dann erzählt werden sollte als in dem der Figur, den du halt als Lusche siehst. Also bei dem Kommentar bin ich nun auch ratlos.
Der Stil ist für mich so ein locker-flockiger, Sachen werden hier salopp in einem Nebensatz abgehandelt. Wenn hier die "Nachwehen der Beziehung" (einer harten (!!!) Beziehung) dargestellt werden, dann ist für mich aber nicht wirklich viel zu spüren. Und ich glaube, das liegt halt am Stil, ich nehme den einfach nicht so ernst. :)
Nur ein Beispiel:
Ich dachte, wenn ich gewinne, dann triumphal. Mit purer Männlichkeit. Hatte mir vorgestellt, nachts durch einen Park zu laufen mit geballter Faust und dann sie zu sehen ...
Ich lache da. :) Keine Ahnung, also soll man jetzt deine Figur ernstnehmen oder seinen Schmerz da nachempfinden.
So, mein ich das. Jetzt bisschen verständlich? Ich dachte nur, wir zwei verstehen uns auch ohne Worte. :(

JoBlack

 

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