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- 18.11.2011
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Letzte Nacht, verweile doch
Ich erwache in verschmierter Erinnerung an letzte Nacht. Großartig war es, exzessiv nennt ihr es, „über die Stränge“ sagt ihr? „Vielleicht“, gebe ich zu Protokoll.
Die Sonne zwitschert voll Lieblichkeit durch die vernebelte Scheibe, wie durch das Fenster eines alten Ofens und so ziehe ich mich vorwärts, die spielenden Strahlen sprengen den Schmutz der letzten Nacht von meiner Seele.
Ich öffne mit neuer Kraft das Fenster. Schwing auf, elende Ofentür!
Ich lechze nach frischer Luft, aber noch mehr nach Nikotin und so greifen meine noch zitternden Händchen, das Päckchen auf dem Tischchen.
Bitte noch Eine, oh erbarmungslose Existenz!
Und ja! Der Geruch nach Liebe und Glück umweht mich, der letzte Lebensdieb von gestern Abend gibt sich mir lustvoll hin und so vergeht er in lodernden Flammen und ich blase Rauch aus dem Ofenfenster - der glühenden Sonne entgegen.
Das Blut in meinem Kopf ist so langsam, so schwer. Mein Körper ächzt und schreit mich an, welch grausamer Meister ich wäre und mit einer gestammelten Entschuldigung auf den brüchigen Lippen wandert mein geschundener Leib in die Küche. Der Sinn des Lebens muss wohl ein ewiges Geheimnis bleiben, aber wir alle wissen, dass Koffein irgendwie eine wichtige Rolle dabei spielen wird.
Belebend heiß umfließt die brühende Kostbarkeit den Boden der Tasse wie das letzte Auge des Sturms, bis auch dieser weiße Fleck von schwarzer Finsternis verschluckt wird.
Du duftende Erkenntnis herrlicher Reanimation!
Du herzbeschleunigender Lebensretter!
„Zum Fenster schnell!“ befehle ich und der ganze Tross aus Rauch und Duft und Schwarz und Haut und Fleisch zieht los.
Wieder in der Sonne räkelt sich mein Kopf bratapfelgleich umher, schwarze Liebe strömt heiß in meinem Magen, und mein Blick wandert zum Bett, auf dem ein weißes Wesen die letzten Fetzen ihres Traumes umklammert.
Weißes Wesen auf roter Wäsche.
Oh, weißes Wesen! Wenn du nur sehen könntest, wie voller Sanftmut deine Glieder im Ofen glänzen, wie dein Tanz der letzten Nacht noch über dir schwebt und in mädchenhafter Schreibschrift meine Wände mit Sprüchen der Liebe beschmiert.
Oh, herzblutiges Wesen, danke für deine Existenz. Für deine Entscheidung, diesen Tanz mit mir gemeinsam zu tanzen, umschlungene Leiber mit blutigen Füßen. Lustvolle Küsse, warmer Nektar, zerwühltes rot und weiß und schwarz.
Wie schön, das alles mit dir teilen zu können.
Wie war noch gleich dein Name?