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Lara

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Monster-WG
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10.07.2019
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Lara

Auf der Abendtour zeigst du mir Videos. Deine Freunde zünden Dum-Bum-Feuerwerkskörper an. Es gebe südlich der Stadt einen Mann, der einen Bunker betreibe. Von ihm kaufe jeder sein Feuerwerk.
„Auf dem Sportplatz ist jetzt ein Krater“, lachst du und legst das Handy in die Seitenablage des Corsas. Du fährst zu schnell, aber kontrolliert. „Fahrt ihr alle so im ländlichen Raum?“ Du grinst. Wir erreichen das Haus der Patientin.
Manchmal riecht dein Atem nach Thunfisch. In letzter Zeit sehr viel seltener.

Vor dem Haus steht eine Schnecke aus Ton, unter der, wie abgesprochen, der Schlüssel liegt.
Von der Patientin kenne ich den Namen, die Anschrift und einen Eintrag des Hausarztes, den ich schwer lesen kann. Du weißt, wo sie lebt, wenn du ihr Haus betrittst: Ob oben oder unten, wo sie sich wäscht, ob sie sich bewegt, welche Zimmer archivieren und in welchen eine Tageszeitung weggeräumt wird. Du hast das Fährtenlesen erlernt. Ich wundere mich, wie hell du scheinst.
Die Patientin lebt in der Stube.
Ich lasse dich zwei Eimer Wasser und Flüssigseife holen, Handtücher und ein Nachthemd. Über der Lippe stellen sich Härchen auf und ab. Ihr Atem beruhigt mich.
Du stellst die Eimer an die Bettseite, schaust mich an, ich nicke. Du ziehst die Decke zurück. Die Patientin schläft nackt. Ihr Körper spannt sich, dass die Haut Mulden und schmale Falten wirft.
Deine Hände tupfen die Haut sauber, mit einem Lappen, der weiß leuchtet. Unter der Lippe klebt ein trockener, brauner Schaum und im Intimbereich winden sich die Schamhaare zu grauen Kreisen. Du sprichst kein Wort, weichst die Stellen ein, auf denen der Staub zu Krusten härtet, die sich über Jahrzehnte auf kranke Körper legen.
„Sei vorsichtig, wenn du sie wendest.“
Die Wunde am Steiß hat die Größe deiner Hand und die Tiefe deiner Faust, wenn du deine Finger drückst, passen deine Fingerknöchel auf die Fortsätze ihrer Wirbelsäule. Ein Rinnsal einer transparenten Flüssigkeit fließt aus einer Vertiefung. Du sagst nichts. Ich achte auf die Regungen deines Gesichts, aber deine Regungen spielen sich nirgendwo ab. Du bittest mich, die Patientin an Schulter und Schenkel zu halten, suchst nach einer Decke im Raum, findest sie, formst aus ihr einen Halbmond und legst ihn zu den Füßen der Patientin. Dann öffnest du das Wundreinigungstuch, desinfizierst den viel zu schmalen Wundrand, öffnest das Wundmaterial zwischen Zeige- und Mittelfinger, klebst einen sterilen Schaumstoff über den Steiß und verschließt den Körper. Uns wird warm. Den Halbmond ziehst du an das Gesäß, prüfst mit deiner flachen Hand den schmalen Spalt zwischen Steiß und Decke.
Ich lasse dich aufräumen, einpacken, die Tücher auswringen und an einer Plastikleine über der Badewanne aufhängen.
„Das war sehr gut, Lara“, sage ich zu dir, als wir das Haus verlassen und unsere Hände desinfizieren.

Deine Klassenlehrerin meint, es gäbe nur zwei Gründe, warum du eine achte, neunte, zehnte Chance verdientest: Berichte über deine praktische Arbeit und deinen Wohnort. Dein Beruf werde dort gebraucht. Ich denke an die Waldhäuser in der Umgebung, an den Himmel über der Stadt, an den Rauch, der von den Kleingärten und Hinterhöfen aufsteigt, auf denen Holz, Plaste und Kohle verbrannt werden. An Tilidin und die Wut. Dein Halbjahreszeugnis hast du zu einer Kugel geformt, sie mit Feuerzeugbenzin übergossen und in den Fluss geworfen.

Du tankst.
An den Brötchen der ARAL magst du den weißen Käse nicht, er verursache Magenkrämpfe, anders als die Donuts und Croissants. Unsere Masken hängen von den Ohren. Jemand grüßt dich aus einem Kleintransporter, aber du grüßt nicht zurück. Im überblauen Licht wirken deine Haare violett und deine Hände werfen beim Erzählen hellere Schatten. Ich folge deinen Worten oder deiner Mimik, beides scheint sich auszuschließen. Mich befremdet dein Anblick, ich sehe nicht das Vertraute der letzten zwei Monate. Du erzählst von deiner Mutter.

Einmal zog sie für zehn Tage nach Usedom. In den Schränken standen die Thunfischdosen, das Toastbrot, runde Becher mit Margarine, in die deine kleinsten Brüder mit drei Fingern griffen und sie an Wände und Haut schmierten. Die Luft war zu klar, deine Angst zu verbergen. Du warst die größte Schwester. Da waren die drei Brüder, die in vier Zimmern lebten und du. Ihr ernährtet euch. Die Brüder rannten vor zwölf Uhr mittags auf die Straße. Da bemerkten dich die Nachbarn, wo denn die Frau Soundso sei, fragten sie dich. Im Urlaub. Und ihr? Allein. Sofort großes Programm. Einteilung, Schichtteilung, vier Etagen, sieben kochfähige Bewohnerinnen, Einkaufsplan, Reinigungsplan, Kontrollbesuche. Die neuen Gerichte schmeckten nach den Gerüchen der fremden Wohnungen, sie rochen nach den Blusen, T-Shirts und Jacken der Nachbarn, die jetzt Nudeln, Bolognese und Eisbergsalat in Plasteware mitbrachten und sich an eurem Essen sattsahen.
Als deine Mutter zurückkehrte, bat sie euch in die Zimmer. Du hast die Tür geschlossen, die Nachbarn schimpften, deine Mutter sagte später, ihr habt das gut gemacht und du warst stolz, wie erwachsen du geworden bist. Du wusstest, du wirst Chef.
„Tja“, sagst du und schaust durch die Scheibe auf die leeren Plätze vor den Zapfsäulen.

Wenn ich meinen Freunden von dir erzähle, hören sie nicht zu. Sie glauben mir nicht. Ich sehe das an der Drehung des Kinns, an dem plötzlichen Vor- und Wegdrehen der Wange, an das „Jaja, echt“ und dem sehr kurzen Blick in meine Augen. Die Wände im Café Carla sind mit einem großen, abstrakten Paar bemalt, das kurz vor dem Beischlaf steht, aber es könnte auch die innige Umarmung zweier Menschen nach einem Unglück sein.
„Sie wird Pflegekraft?“
Meine Freunde bestellen gerne ein zweites Bier oder einen Kaffee oder den schokoladigen Walnusskuchen, sie mögen „chok-o-lade“. Meine Freunde bedauern, dass das Carla den Fußball abbestellt habe, denn die Konferenz verfolgten sie gern. Meine Freunde sprechen über Nachtzugstrecken in Schweden oder einen Strand, auf dem die Sonne sehr stark scheine, dass ein hoher Lichtschutzfaktor die Haut vor UV-Licht schütze. Meine Freunde vergleichen Berlin mit Hamburg und meine Freunde verstehen nicht, warum manche Menschen in den Himmel schauen und sich nicht sorgen, über all die warmen, trüben Sommer der letzten und kommenden Jahre.

Am nächsten Tag erscheinst du nicht zum Dienst.

Auf deinem Platz wartet ein Plüschpinguin; die Chefin meinte, er vertrete dich sehr gut. Ich suche Unterstützung in den Gesichtern der anderen und finde sie nicht. Du hast dich im Sekretariat der Berufsschule nicht gemeldet und auch nicht bei der Klassenlehrerin.
„Die Lara, ja“, sagt der Verkäufer an der ARAL, „ist schwanger.“ Er erwartet keine Reaktion. „Von dem Typen beim Gartenbau, glaube ich.“ Er schiebt den Kassenbon durch den schmalen Schlitz der Hartplastescheibe, die seinen vor meinem Atem schützen soll.
Man wird schwanger. Man trifft sich, trinkt und wird schwanger; man erzählt sich Geschichten und wird schwanger; man läuft Runden über den Sportplatz, wo Kinder Elfmeterschießen üben und deine Freunde auf der Lehne der Mannschaftsbank sitzen, die Füße auf der Bankfläche, das Smartphone zwischen den Knien geklemmt und wird schwanger.
Ich schaue kurz nach rechts, auf die leeren, hellen Plätze vor den Zapfsäulen. Es ist ein sehr warmer Tag für den Oktober, das Pflaster trocken gewärmt. Laub liegt an der Bordsteinkante, die die Tankstelle vom Feld trennt. Das Feld reicht bis zum Wald, über dem mir die Luft seltsam unruhig vorkommt. Als brennte er ohne Feuer und Rauch.

 

Hallo @kiroly

hat mir gefallen deine Geschichte. Ich muss aber zugeben, dass ich eine Weile gebraucht habe, um reinzukommen. Kann dir nicht sagen, woran das liegt. Vielleicht am in meinen Augen etwas sperrigen Einstieg? Der aber nicht schlecht ist, sondern zunächst einfach ein wenig hinter dem Berg hält, worum es geht. Als ich dann verstanden habe, wovon du da schreibst, fand ich das schon ziemlich gelungen. Außerdem bin ich ja dran geblieben, was daran lag, dass mich der Anfang eben nicht abgeschreckt, sondern mich hat fragen lassen, worum es wohl geht.
Im späteren Verlauf deutest du die Lebensumstände der jungen Frau oft an, das gefällt mir gut. An manchen Stellen gehst du aber für meinen Geschmack fast ein wenig zu sehr ins Detail. Ein Beispiel:

Einmal zog deine Mutter für zehn Tage nach Usedom. In den Schränken standen die Thunfischdosen, das Toastbrot, runde Becher mit Margarine, in die deine kleinsten Brüder mit drei Finger griffen und sie an Wände und Haut schmierten.
Das brächtest du für mich an dieser Stelle gar nicht. Ich glaube, dass es stärker wirken würde, wenn du so was vielleicht mehr andeutest. Anstatt im Detail zu beschreiben, dass die Mutter weg war, die Tochter sich alleine um die Brüder kümmern musste, die Nachbarn Wind davon bekamen, sich dann mit gekümmert haben, es Streit gab, als die Mutter wieder kam und ja vlt. auch Scham der Tochter eine Rolle spielt. Ich denke, hier wäre weniger vielleicht mehr. Kann mich aber auch täuschen. Gut fände ich, wenn du solche Stellen zugunsten einer tieferen Beschreibung der Gefühlswelt der Protagonistin zurücknimmst. Das ist allerdings Meckern auf hohem Niveau.
Insgesamt finde ich die Art, wie du die Lebensumstände der jungen Frau beleuchtest, gelungen! Ich kenne beruflich ähnlich Situationen und finde, du bist hier schon recht nah dran an der Realität. Auch wie die Lehrerin und die Chefin über sie reden. Eben auch, weil sie vermutlich schon Dutzende solcher Personen kennengelernt haben und daher ihrer Lebensrealität gegenüber ein wenig abgestumpft sind. Hat mir gefallen!

Manchmal bin ich ein wenig über Formulierungen von dir gestolpert. Nicht falsch verstehen, du hast eine schöne Sprache, dein Text liest sich wirklich gut und deine Formulierungen sitzen in der Regel. Nur an manchen Stellen hat es für mich nicht ganz gepasst. Vielleicht würde es lohnen, noch mal über den Text zu gehen, einige Stellen zu verändern und insgesamt ein wenig zu streichen.
Ein paar Stellen, die mich zum Stolpern gebracht haben, habe ich unten markiert. Sind aber nur meine Wahrnehmungen. Vielleicht hilft es ja.

Insgesamt trotz der Kritikpunkte, ein sehr guter Text! Danke dafür
Viele Grüße
Habentus

Manchmal riecht dein Atem nach Thunfisch. In letzter Zeit sehr viel seltener.
Das hat mich am Anfang zum Stutzen gebracht. Hast du vermutlich beabsichtigt und später klärt es sich ja auch. Auf der anderen Seite habe ich mich gefragt, ob ein Atem so dezidiert nach Thunfisch riechen kann? Wenn ich mir zum Beispiel vorstelle, dass die junge Frau dazu noch einen Kaffee trinkt und vielleicht noch 1-2 Zigaretten raucht? Vielleicht bin ich aber auch zu penibel?

Ich wundere mich, wie hell du scheinst.
Die Formulierung fand ich etwas seltsam und habe nicht verstanden, was das soll.
Die Wände sind Schränke.
Bräuchte es für mich nicht. Bzw. sollte die Beschreibung des Raumes vielleicht anders eingewoben werden.
dass die Haut Mulden und schmale Kämme wirft.
Die Beschreibung mag durchaus gängig sein. Ich kenne sie nicht und frage mich deshalb, was schmale Kämme wirft, bedeutet. Wie ein Bergkamm?
mit einem Lappen, der vor weißer Farbe leuchtet.
Das fand ich nicht gut. Habe mich erst gefragt, ob an dem Lappen tatsächlich Farbe dran ist. Das ist aber vermutlich nicht der Fall, oder? Würde ich deshalb wohl anders schreiben.
Den Halbmond ziehst du an das Gesäß, prüfst mit deiner flachen Hand den schmalen Spalt zwischen Steiß und Decke.
Was ist mit dem Halbmond gemeint?
Ich folge deinen Worten oder deiner Mimik, beides scheint sich auszuschließen.
Bin ich zunächst gestolpert. Je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir diese Beschreibung aber.
Die Luft war zu klar, als dass du Angst zeigen konntest.
Das habe ich dann wieder nicht verstanden. Was meint dieser Satz?
Meine Freunde sprechen über Nachtzugstrecken in Schweden oder einen Strand, auf dem die Sonne sehr stark scheine, dass ein hoher Lichtschutzfaktor die Haut vor UV-Licht schütze. Meine Freunde vergleichen Berlin mit Hamburg und meine Freunde verstehen nicht, warum manche Menschen in den Himmel schauen und sich nicht sorgen, über all die warmen, trüben Sommer der letzten und kommenden Jahre.
Tja, so wie ich das lese, möchtest du hier ein bestimmtes Bild ihrer Bekanntschaft erschaffen. So woke-Leute, die sich eben wundern, warum Leute sich nicht um den Klimawandel sorgen, gleichzeitig aber nur Belangloses von sich geben und sich um Probleme von Menschen, die sozial am Rande stehen, im Grunde nicht wirklich interessieren. Gibt es sicherlich. Aber finde, du greifst hier wein wenig zu sehr ins Klischee. Oder hab ich das komplett missinterpretiert?
Am nächsten Tag erscheinst du nicht zum Dienst.
I know the struggle.
Ich suche Unterstützung in den Gesichtern der anderen und finde sie nicht. Du hast dich im Sekretariat der Berufsschule nicht gemeldet und auch nicht bei der Klassenlehrerin.
Starke Stelle!
„Der Lara, ja“, sagt der Verkäufer an der ARAL, „haben sie einen Braten in die Röhre geschoben.“
Diesen Satz finde ich unpassend. Kann mir schwer vorstellen, dass ein Kassierer diesen Satz so an der Kasse sagen würde. Braten in der Röhre klingt schon sehr überholt.
Er schiebt den Kassenbon durch den schmalen Schlitz der Hartplastescheibe, die seinen vor meinem Atem schützen soll.
Diesen Satz könntest du meiner Meinung nach gut und gern streichen.

 
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Hallo @Habentus =)

Vielen, vielen Dank für Deinen Kommentar! Freut mich, dass dir die Geschichte soweit gefallen hat. Besonders jedoch ob der Realitätsnähe. Soll ja eine Geschichte in Richtung "Sozialrealismus" sein. Schreibe hin und wieder gerne so etwas, fürchte jedoch um eine zu starke, weinerliche Message. Typisch für moralinsaure Texte, die unbedingt zeigen wollen, wie geteilt und schrecklich diese Gesellschaft ist. Dementsprechend verstehe ich deine Kritik an dem Abschnitt über die Freunde des Ich-Erzählers sehr gut; ich habe versucht, recht locker zu schreiben, ohne zu "zeigend" zu sein (drei aufeinander folgende Wörter mit "z" gibt es, glaube ich, auch sehr selten :-D) Das war in der Tat die dünnste, schwierigste Stelle des Texts, bei der ich viel zu dick aufgetragen habe. Mal sehen, wie ich das verbessern kann.

Deine Kritikpunkte habe ich größtenteils übernommen und Formulierungen angepasst.

Kann dir nicht sagen, woran das liegt. Vielleicht am in meinen Augen etwas sperrigen Einstieg? Der aber nicht schlecht ist, sondern zunächst einfach ein wenig hinter dem Berg hält, worum es geht.
Ich habe den Einstieg dennoch um einen Satz ergänzt. Vielleicht entsteht so mehr Struktur.
Manchmal riecht dein Atem nach Thunfisch. In letzter Zeit sehr viel seltener.
Das hat mich am Anfang zum Stutzen gebracht. Hast du vermutlich beabsichtigt und später klärt es sich ja auch. Auf der anderen Seite habe ich mich gefragt, ob ein Atem so dezidiert nach Thunfisch riechen kann? Wenn ich mir zum Beispiel vorstelle, dass die junge Frau dazu noch einen Kaffee trinkt und vielleicht noch 1-2 Zigaretten raucht? Vielleicht bin ich aber auch zu penibel?
Dein, überhaupt nicht, da hast du schon recht. Der Text geht ja sehr in die Details, das war mir ein wichtiger Punkt. Ich habe das angepasst, dort steht jetzt "Fisch oder etwas Säuerlichem".
Ich wundere mich, wie hell du scheinst.
Die Formulierung fand ich etwas seltsam und habe nicht verstanden, was das soll.
Hier war die Idee, "hell" im Sinne von "intelligent", aber auch als diejenige, die in der dunklen Stimmung des Haus aktiv, kräftig handelt ... sicher hat das irgendeinen rhetorischen Namen, ich weiß aber nicht was. Vielleicht lesen noch andere die Stelle, ich ich lasse es erst einmal drin.
dass die Haut Mulden und schmale Kämme wirft.
Die Beschreibung mag durchaus gängig sein. Ich kenne sie nicht und frage mich deshalb, was schmale Kämme wirft, bedeutet. Wie ein Bergkamm?
Ist geändert in "Falten".
mit einem Lappen, der vor weißer Farbe leuchtet.
Das fand ich nicht gut. Habe mich erst gefragt, ob an dem Lappen tatsächlich Farbe dran ist. Das ist aber vermutlich nicht der Fall, oder? Würde ich deshalb wohl anders schreiben.
Farbe habe ich gestrichen, danke dafür.
Den Halbmond ziehst du an das Gesäß, prüfst mit deiner flachen Hand den schmalen Spalt zwischen Steiß und Decke.
Was ist mit dem Halbmond gemeint?
Bezog sich auf die Decke, die zu einem Halbmond geformt wird.
Die Luft war zu klar, als dass du Angst zeigen konntest.
Das habe ich dann wieder nicht verstanden. Was meint dieser Satz?
Upps, Logikfehler, "verbergen" statt "zeigen" :-D
Meine Freunde sprechen über Nachtzugstrecken in Schweden oder einen Strand, auf dem die Sonne sehr stark scheine, dass ein hoher Lichtschutzfaktor die Haut vor UV-Licht schütze. Meine Freunde vergleichen Berlin mit Hamburg und meine Freunde verstehen nicht, warum manche Menschen in den Himmel schauen und sich nicht sorgen, über all die warmen, trüben Sommer der letzten und kommenden Jahre.
Tja, so wie ich das lese, möchtest du hier ein bestimmtes Bild ihrer Bekanntschaft erschaffen. So woke-Leute, die sich eben wundern, warum Leute sich nicht um den Klimawandel sorgen, gleichzeitig aber nur Belangloses von sich geben und sich um Probleme von Menschen, die sozial am Rande stehen, im Grunde nicht wirklich interessieren. Gibt es sicherlich. Aber finde, du greifst hier wein wenig zu sehr ins Klischee. Oder hab ich das komplett missinterpretiert?
Ja ... eine kritische Stelle. Dachte ich mir schon beim Hereinstellen der Story, ob sie nicht zu sehr ins Klischee will. Ich war mir unsicher. Eigentlich ging es mir weniger um Desinteresse als viel mehr um Getrenntsein. Jeder in seiner Bubble. Ich denke, das muss ich nochmal ein wenig umschreiben.
„Der Lara, ja“, sagt der Verkäufer an der ARAL, „haben sie einen Braten in die Röhre geschoben.“
Diesen Satz finde ich unpassend. Kann mir schwer vorstellen, dass ein Kassierer diesen Satz so an der Kasse sagen würde. Braten in der Röhre klingt schon sehr überholt.
Oh ja, stimmt. Seltsam, wie absurd das plötzlich wirkt. Ist geändert.

Lieber @Habentus =) - vielen Dank für Deinen Kommentar.

Lg
kiroly

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @kiroly

Ein zerbrechlicher Text, zärtlich beinahe. Ich werde daher auch nur ein paar behutsame Vorschläge ins Spiel bringen. Am stärksten fand ich die schweigende Zusammenarbeit und auch Intimität, die zwischen den beiden herrscht, während sie die Patientin pflegen. Für mich funktioniert die Du-Form. Ein seltener Fall. Ebenfalls funktioniert für mich der Erzähler, der selbst kaum agiert, aber wahrnimmt, erkennt, dass Lara scheint - und der damit alleine dasteht. Ich würde an der einen oder anderen Stelle sogar noch weiter gehen und den Erzähler als Figur noch mehr aus der Geschichte rausnehmen. Ich merke gerade, dass das Geschlecht des / der Erzähler(in) nicht deutlich wird, und das finde ich gut.

Die Schwangerschaft. Ist kein Wunschkonzert hier, aber in meinen Augen wäre es konsequenter, wenn Lara eines Tages nicht mehr erschiene, der Grund aber weniger krass wäre und stärker auch als Versagen / Schwäche Laras gedeutet werden könnte. Oder sie verspätet sich und kriegt jetzt keine elfte Chance mehr. Die Chefin endlich zufrieden, hab's doch schon immer gewusst! Weil, Schwangerschaft, auch wenn überraschend und wohl ungewollt, da sage ich mir, okay, das eröffnet halt einfach eine neue / andere Lebensperspektive und das ist nicht notwendig schlimm. Anders formuliert: Wenn der Grund für Laras Weggang weniger gewichtig wäre, weniger bedeutsam, dann wäre die Bitterkeit des Weggang für den Erzähler und auch für die Leser, die Fallhöhe des Textes insgesamt grösser Aber das ist nur eine These, die auf meiner Empfindung basiert. Ich hoffe, du kannst meinen Punkt nachvollziehen.

Auf der Abendtour zeigst du mir Videos. Deine Freunde zünden Dum-Bum-Feuerwerkskörper an. Gips umhüllt das Schwarzpulver. Es gebe südlich der Stadt einen Mann, der einen Bunker betreibe und ich frage mich, ob man einen Bunker wie einen Friseursalon „betreiben“ kann. Von ihm kaufe jeder sein Feuerwerk.
Ich finde den Einstieg den schwächsten Abschnitt des Textes. Oder besser: den am wenigsten starken. Störend ist in meinen Augen dieser Einschub, das lenkt die Aufmerksamkeit auf den Erzähler, auf seine Sichtweise und da ist ja auch ein Stück Besserwisserei drin, ein wenig Sprachsensibilität, da habe ich mich gefragt, was ist das für eine(r), die/der hier erzählt, aber das wird dann ja gar nicht weiterverfolgt.
„Auf dem Sportplatz ist jetzt ein Krater“, lachst du und legst das Handy in die Seitenablage des Corsas. Du fährst zu schnell, aber kontrolliert. „Der Fahrstil des ländlichen Raums?“ Du grinst. Wir erreichen das Haus der Patientin.
Manchmal riecht dein Atem nach Fisch oder etwas Säuerlichem. In letzter Zeit sehr viel seltener.
Weiss nicht, ob man einen Satz lachen kann.
Du denkst, das ist ein Haus, in dem ein Mensch lebt, aber ich führe dich an seinen Rand.
Das hab ich letztlich nicht kapiert. Dieses "aber" scheint mir zu stark zu sein, denn in diesem Haus lebt ja tatsächlich ein Mensch.
Von der Patientin wusste ich den Namen, die Anschrift und einen Eintrag des Hausarztes, den ich schwer lesen konnte.
Ich würde da im Präsens bleiben. "Einen Eintrag wissen"? Ich würde wohl schreiben: "Von der Patientin kenne ich den Namen, die Anschrift und einen Eintrag des Hausarztes, der sich kaum entziffern lässt." Oder so.
Du weißt, wo der Mensch lebt, wenn du ein Haus betrittst: Ob oben oder unten, wo er sich wäscht, ob er sich bewegt, welche Zimmer archivieren und in welchen eine Tageszeitung weggeräumt wird. Du hast das Fährtenlesen erlernt.
Das fand ich verwirrend, weil das "du" hier osziliert. Ich weiss nicht, ob ich das als "man" lesen sollte, oder ob hier immer noch Lara gemeint ist. Ich habe automatisch die erste Lesart gewählt, weil der Erzähler ja nicht so sehr in Laras Kopf sehen kann, wie das bei der zweiten Lesart der Fall wäre. Aber das letzte "du" ist wieder eindeutig auf Lara bezogen.
Ich wundere mich, wie hell du scheinst.
Hm. Das erschliesst sich nicht so leicht. Ist ja irgendwie auch sehr tellig. Vielleicht mit realem Licht arbeiten und das metaphorisch einsetzen? Statt so direkt.
Deine Klasselehrerin meinte, es gebe nur zwei Gründe, warum du eine achte, neunte, zehnte Chance verdient hättest: Deine praktische Arbeit und dein Wohnort.
Auch hier würde ich im Präsens bleiben.
Deine Klasselehrerin meinte, es gebe nur zwei Gründe, warum du eine achte, neunte, zehnte Chance verdient hättest: Deine praktische Arbeit und dein Wohnort.
Vergibst du hier nicht ein bisschen Potential? Lass die Klassenlehrerin noch etwas ignoranter sein. Vielleicht: Dein Wohnort und das, was ich über deine praktische Arbeit berichte. Oder was in den Berichten zur praktischen Arbeit steht. Oder nur der Wohnort und dass es halt viele Leute braucht.
Ich dachte an die Waldhäuser in der Umgebung, an den Himmel über der Stadt, an den Rauch, der von den Kleingärten und Hinterhöfen aufsteigt, auf denen Holz, Plaste und Kohle verbrannt werden. An Tilidin und die Wut. Dein Halbjahreszeugnis hattest du zu einer Kugel geformt, sie mit Feuerzeugbenzin übergossen und in den Fluss geworfen.
Auch hier könnte man Präsens. Am Ende Perfekt statt PQP.
Du tankst.
„Pause, Lara. Essen wir. Ich lade dich ein.“
An den Brötchen der ARAL magst du den weißen Käse nicht,
Je weniger die beiden miteinander sprechen, desto sphärischer wird der Text, desto enger wird die Beziehung zwischen den beiden. Hier würde ich das Fettmarkierte streichen.
Wir lassen unsere Masken von den Ohren hängen. Jemand grüßt dich aus einem Kleintransporter, aber du grüßt nicht zurück. Du hast mir hier manchmal von deiner Mutter erzählt. Im überblauen Licht wirken deine Haare violett und deine Hände werfen beim Erzählen hellere Schatten. Ich folge deinen Worten oder deiner Mimik, beides scheint sich auszuschließen. Mich befremdet dein Anblick, ich sehe nicht das Vertraute der letzten zwei Monate.
Einmal zog deine Mutter für zehn Tage nach Usedom.
Ich würde den fettmarkierten Satz etwas nach unten schieben, um den Übergang geschmeider zu machen. Ich habe mich da auf einmal gefragt, woher weiss der das alles, weil ich die Erzählsituation nicht vor Augen hatte.
Wenn ich meinen Freunden von dir erzähle, hören sie nicht zu. Sie glauben mir nicht. Ich sehe das an der Drehung des Kinns, an das plötzliche Vor- und Wegdrehen der Wange, an das „Jaja, echt“ und den sehr kurzen Blick in meine Augen. Die Wände im Carla sind mit einem großen, abstrakten Paar bemalt, das kurz vor dem Beischlaf steht, aber es könnte auch die innige Umarmung zweier Menschen nach einem Unglück sein.
„Und die soll Pflegekraft werden?“
Das "Und" fand ich hier unglücklich, weil der Satz nun als Konsequenz dessen aufscheint, was der Erzähler den Freunden über Lara erzählt hat. Aber du willst ja gerade das Gegenteil aussagen.
Auf deinem Platz wartet ein Plüschpinguin; die Chefin meinte, er vertrete dich sehr gut.
Auch hier geht Präsens gut.
Das Feld reicht bis zum Wald, über dem mir Luft seltsam unruhig vorkommt, als brenne der Wald ohne Feuer und Rauch.
„Ich nehme noch einen Kaffee, bitte.“
"Ending quietly"nennt das Olmstead und dieser Schluss hat mir grundsätzlich sehr gut gefallen, wunderbare Stimmung. Aber dann dieses "Ich nehme noch einen Kaffee, bitte". Das ist, als würde ein toller Song ausfaden und ich als Hörer lasse ihn wehmütig ziehen, den Song, und in der letzten Sekunde hat es noch einen Kratzer auf der Schallplatte. Lass das doch weg. Als brenne der Wald ohne Feuer und Rauch. Das ist der perfekte Schlusssatz!

Dein Text hat mir sehr gefallen, lieber kiroly. Danke dafür.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @kiroly ,

schöne kurze Geschichte, sehr gerne gelesen. Hatte tatsächlich auch keinen schweren Einstieg textlich, dafür aber auch etwas Zeit gebraucht um zu verstehen, um was geht. Hat mir gut gefallen. Einige Anmerkungen:

Es gebe südlich der Stadt einen Mann, der einen Bunker betreibe und ich frage mich, ob man einen Bunker wie einen Friseursalon „betreiben“ kann.
Dieser Satz gefällt mir sehr gut.

„Auf dem Sportplatz ist jetzt ein Krater“, lachst du und legst das Handy in die Seitenablage des Corsas.
ich weiß, dass wird oft verwendet, ist auch ein eher subjektiver Ansatz aber, man kann das gesagte nicht wirklich lachen. entweder sagst du oder du lachst :) Vor allem in Romanen wird das oft so verwendet. Mich persönlich stört es tatsächlich mehr, als dass es ein Bild erzeugt.
Wie du damit umgehst, ist natürlich dir überlassen.

Ihr Körper spannt sich, dass die Haut Mulden und schmale Falten wirft.
Sehr schön!

Ein Rinnsal einer transparenten Flüssigkeit fließt aus einer Vertiefung.
Ekel izz da, Danke!

Du sagst nichts. Ich achte auf die Regungen deines Gesichts, aber deine Regungen spielen sich nirgendwo ab
Schöne Stelle.

Insgesamt fehlerfrei und angenehm zum Lesen. Kurzer Kommentar zu einem kurzen, niedlichen Text. Gerne gelesen!

Viele Grüße
Napier

 

Guten Morgen @Peeperkorn ,

mensch, treue Seele meiner Texte. Vielen, vielen Dank für Deinen Kommentar, hat mir sehr geholfen. Einige Vorschläge habe ich bereits umgesetzt. Was mich froh stimmt: Bei vielen Punkten (Schlusssatz zB) hatte ich schon während des Schreibens ein leicht unwohles Gefühl. Und schön, dass dir der Text gefallen hat.

Die Schwangerschaft.
Ja, den Punkt verstehe ich sehr gut. Eine Änderung wäre ein größerer Texteingriff, da muss ich nochmal nachdenken. Vielleicht muss ich die Folgen der Schwangerschaft besser darstellen. Möglicherweise führt sie ja zum selbstgewählten Ausbildungsabbruch. Samt Schwangerschaft plus Elternzeit vergehen ja gut ein, eineinhalb Jahre. Die Sequenz mit "Man wird schwanger" ... hier habe ich versucht, die Schwangerschaft eher als ein Zufallsereignis darzustellen, es passiert eben.

Ich lasse die Schwangerschaft erstmal drin. AWMs Vorschlag werde ich aber umsetzen, den letzten Abschnitt anders zu ordnen.

Auf der Abendtour zeigst du mir Videos. Deine Freunde zünden Dum-Bum-Feuerwerkskörper an. Gips umhüllt das Schwarzpulver. Es gebe südlich der Stadt einen Mann, der einen Bunker betreibe und ich frage mich, ob man einen Bunker wie einen Friseursalon „betreiben“ kann. Von ihm kaufe jeder sein Feuerwerk.
Ich finde den Einstieg den schwächsten Abschnitt des Textes. Oder besser: den am wenigsten starken. Störend ist in meinen Augen dieser Einschub, das lenkt die Aufmerksamkeit auf den Erzähler, auf seine Sichtweise und da ist ja auch ein Stück Besserwisserei drin, ein wenig Sprachsensibilität, da habe ich mich gefragt, was ist das für eine(r), die/der hier erzählt, aber das wird dann ja gar nicht weiterverfolgt.
Den Punkt verstehe ich. War anfangs ein kleiner Darling, "Bunker betreiben", aber ja, ihr (auch AWM), habt recht. Ich habe es gestrichen. So wird der Text kohärenter.
„Auf dem Sportplatz ist jetzt ein Krater“, lachst du und legst das Handy in die Seitenablage des Corsas. Du fährst zu schnell, aber kontrolliert. „Der Fahrstil des ländlichen Raums?“ Du grinst. Wir erreichen das Haus der Patientin.
Manchmal riecht dein Atem nach Fisch oder etwas Säuerlichem. In letzter Zeit sehr viel seltener.
Weiss nicht, ob man einen Satz lachen kann.
Hm, richtig. Werde ich nochmal korrigieren.
Du denkst, das ist ein Haus, in dem ein Mensch lebt, aber ich führe dich an seinen Rand.
Das hab ich letztlich nicht kapiert. Dieses "aber" scheint mir zu stark zu sein, denn in diesem Haus lebt ja tatsächlich ein Mensch.
Unsauber lyrisch, nenne ich mal den Satz. Rand sollte hier doppeldeutig wirken, Rand des Hauses und Rand der Gesellschaft. Aber grammatikalisch passt das ja gar nicht. Schwierig, ich habe die Idee im Kopf, mir fehlt es an der korrekten Umsetzung.

Von der Patientin wusste ich den Namen, die Anschrift und einen Eintrag des Hausarztes, den ich schwer lesen konnte.
Ich würde da im Präsens bleiben. "Einen Eintrag wissen"? Ich würde wohl schreiben: "Von der Patientin kenne ich den Namen, die Anschrift und einen Eintrag des Hausarztes, der sich kaum entziffern lässt." Oder so.
Gekauft =) Danke!

Du weißt, wo der Mensch lebt, wenn du ein Haus betrittst: Ob oben oder unten, wo er sich wäscht, ob er sich bewegt, welche Zimmer archivieren und in welchen eine Tageszeitung weggeräumt wird. Du hast das Fährtenlesen erlernt.
Das fand ich verwirrend, weil das "du" hier osziliert. Ich weiss nicht, ob ich das als "man" lesen sollte, oder ob hier immer noch Lara gemeint ist. Ich habe automatisch die erste Lesart gewählt, weil der Erzähler ja nicht so sehr in Laras Kopf sehen kann, wie das bei der zweiten Lesart der Fall wäre. Aber das letzte "du" ist wieder eindeutig auf Lara bezogen.
Hm, jetzt kommt der "überschlaue Autor :-D", denn gerade diese Oszillation gefiel mir. Kleiner Darling. Aber sie macht wenig Sinn, ich will ja die Fähigkeiten von Lara darstellen. Habe "Mensch" durch "Patientin" ersetzt, dann weiß man, um wen es geht und die Oszillation aufgeben.

Deine Klasselehrerin meinte, es gebe nur zwei Gründe, warum du eine achte, neunte, zehnte Chance verdient hättest: Deine praktische Arbeit und dein Wohnort.
Auch hier würde ich im Präsens bleiben.
Gekauft.

Deine Klasselehrerin meinte, es gebe nur zwei Gründe, warum du eine achte, neunte, zehnte Chance verdient hättest: Deine praktische Arbeit und dein Wohnort.
Vergibst du hier nicht ein bisschen Potential? Lass die Klassenlehrerin noch etwas ignoranter sein. Vielleicht: Dein Wohnort und das, was ich über deine praktische Arbeit berichte. Oder was in den Berichten zur praktischen Arbeit steht. Oder nur der Wohnort und dass es halt viele Leute braucht.
Berichte gefällt mir sehr gut, das kaufe ich von dir ab. :-) Danke!
Du tankst.
„Pause, Lara. Essen wir. Ich lade dich ein.“
An den Brötchen der ARAL magst du den weißen Käse nicht,
Je weniger die beiden miteinander sprechen, desto sphärischer wird der Text, desto enger wird die Beziehung zwischen den beiden. Hier würde ich das Fettmarkierte streichen.
Für mich die wichtigste Anmerkung. Ocean Vuong nutzt konsequent die Du-Form in "Auf Erden sind wir kurz grandios", dort aber im Sinne einer Art Brief an die Mutter. Das gefiel mir sehr gut und ich dachte, ich probiere das einfach mal aus. Aber das Text-Du agiert ja im Hintergrund, irgendwo aber auch sehr intim, es ist eine intime Arbeit und ein enges Vertrauensverhältnis. Andererseits befinden sich beide in auf Arbeit, hier der Praxisanleiter oder Mitarbeiter, dort die Auszubildende. Das fand ich ein sehr spannendes, intensives Verhältnis und dafür erschien mir die Du-Form sehr passend. Das Vertrauen zeigt sich ja gerade dadurch, dass beide wenig miteinander sprechen ... eine Erfahrung, die wahrscheinlich jeder schon mal in einer Teamarbeit oder gemeinsamen Aufgabe gemacht hat: Es funktioniert.

Das Feld reicht bis zum Wald, über dem mir Luft seltsam unruhig vorkommt, als brenne der Wald ohne Feuer und Rauch.
„Ich nehme noch einen Kaffee, bitte.“
"Ending quietly"nennt das Olmstead und dieser Schluss hat mir grundsätzlich sehr gut gefallen, wunderbare Stimmung. Aber dann dieses "Ich nehme noch einen Kaffee, bitte". Das ist, als würde ein toller Song ausfaden und ich als Hörer lasse ihn wehmütig ziehen, den Song, und in der letzten Sekunde hat es noch einen Kratzer auf der Schallplatte. Lass das doch weg. Als brenne der Wald ohne Feuer und Rauch. Das ist der perfekte Schlusssatz!
Absolut richtig. Habe ich geändert.

Lieber @Peeperkorn =)

vielen, vielen Dank für deine Anmerkungen, die den Kern des Textes weiter geöffnet und mir sehr geholfen haben.

kiroly

 

Hallo @Napier =)

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Freut mich, dass dir der Text soweit gefallen hat!

„Auf dem Sportplatz ist jetzt ein Krater“, lachst du und legst das Handy in die Seitenablage des Corsas.
ich weiß, dass wird oft verwendet, ist auch ein eher subjektiver Ansatz aber, man kann das gesagte nicht wirklich lachen. entweder sagst du oder du lachst :) Vor allem in Romanen wird das oft so verwendet. Mich persönlich stört es tatsächlich mehr, als dass es ein Bild erzeugt.
Wie du damit umgehst, ist natürlich dir überlassen.
Ja, da bist du nicht der erste, der das bemängelt. Danke dafür, natürlich kann man einen Satz nicht "lachen". Das werde ich nochmal überarbeiten.

Insgesamt fehlerfrei und angenehm zum Lesen. Kurzer Kommentar zu einem kurzen, niedlichen Text. Gerne gelesen! Viele Grüße
Napier
Schön, merci =)

Lg
kiroly

 

Hallo @AWM =)

vielen Dank für deine Anregungen, vielen Dank fürs Lesen, Kommentieren. Und natürlich freut es mich, dass dir der Text gefällt. Einige deiner Ideen habe ich bereits umgesetzt.

Auf der Abendtour zeigst du mir Videos. Deine Freunde zünden Dum-Bum-Feuerwerkskörper an. Gips umhüllt das Schwarzpulver. Es gebe südlich der Stadt einen Mann, der einen Bunker betreibe und ich frage mich, ob man einen Bunker wie einen Friseursalon „betreiben“ kann. Von ihm kaufe jeder sein Feuerwerk.
Ich würde hier streichen: "Gips umhüllt das Schwarzpulver" und "ich frage mich, ob man einen Bunker wie einen Friseursalon betreiben kann."
Den Friseursalon habe ich geschlossen, bei Gips bin ich noch vorsichtiger. Die Idee ist, dass der Leser einen Eindruck von der möglichen Lautstärke des Feuerwerks bekommt. Andererseits steht ja der Satz recht verloren da. Ich schlafe noch eine Nacht darüber =)

Manchmal riecht dein Atem nach Fisch oder etwas Säuerlichem. In letzter Zeit sehr viel seltener.
Du hattest zuerst Thunfisch. Ich habe die Kritik daran zwar verstanden, aber ich finde, du hast das verschlimmbessert. Ich selbst empfinde Thunfisch-Geruch nämlich nicht als so unangenehm und kann das auch von "normalem" Fischgeruch unterscheiden. Wenn jemand nach Fisch aus dem Mund riecht, dann finde ich das schon hart eklig. Man fühlt sich da abgestoßen von Lara und das tut dem Text nicht gut - vor allem auch, weil das so früh kommt und du den Leser mit diesem Ekelgefühl in den weiteren Text schickst. Ich würde das, glaube ich, streichen. Oder eben wieder den Thunfisch nehmen und dazu dann auch mal ausnahmsweise ein Adverb: leicht.
Achja, die Thunfisch-Diskussion. Die pendelt auch zwischen Ja und Nein. Ich habe es, wie du liest, wieder rückgeändert. Vielleicht kann man so argumentieren: Natürlich riecht ein Atem nicht dezidiert nach Thunfisch. Aber Erzähler und Lara kennen sich schon länger (hoffe, das wird irgendwie deutlich) und der Erzähler weiß einfach, dass Lara Thunfisch isst. Ein bisschen wie der Arbeitskollege, der immer Bismarckbrötchen in der Mittagspause futtert. Und dann weiß direkt, aaah, der Mann isst Bismarckbrötchen. Obwohl der Atem nicht dezidiert nach Bismarckhering riecht.

Du denkst, das ist ein Haus, in dem ein Mensch lebt, aber ich führe dich an seinen Rand.
Diesen Satz habe ich nicht verstanden. Es lebt ja ein Mensch in diesem Haus. Mir sind da auch die Bezüge nicht klar. Wenn er sie an den Rand des Hauses führt, dann hat das absolut nichts damit zu tun, dass sie denkt, dass darin ein Mensch lebt. Das widerlegt das nicht.
Die zweite Option ist, dass er Lara an den Rand des Menschen führt der darin "lebt", der so nah am Tod ist, dass der Erzähler das nicht mehr als Leben bezeichnet. Für mich ergibt das grammatikalisch dann aber nicht richtig Sinn.
Hm, richtig. Das wurde von allen bisher angemerkt. Ich habe den Satz erstmal gestrichen. Aber mir fehlt da jetzt ein Satz, da muss irgendwas noch hin. Danke für die Anmerkung.
Ich lasse dich zwei Eimer Wasser und Flüssigseife holen, Handtücher und ein Nachthemd. Die Wände sind Schränke. Über der Lippe stellen sich Härchen auf und ab. Ihr Atem beruhigt mich.
Die Wände sind Schränke, finde ich hier deplatziert. Würde das streichen. Man ist so im Vorgang im Umgang mit der Patientin und da empfinde ich diesen Einschub als Fremdkörper.
winden sich die Schamhaare zu grauen Kreisen.
liegen die Schamhaare in grauen Kreisen. Als Vorschlag. Winden hört sich präzise gelesen an, als ob sie das tun, während der Erzähler und Lara sie betrachten.
Die Wände habe ich gestrichen, richtig, der Fokus liegt ja auf der Patientin. Das "winden" habe ich gelassen. Ich denke, eine präzise Beschreibung passt zu der Situation und auch zur Wahrnehmung des Pflegepersonals.

Du sprichst kein Wort, weichst die Stellen ein, in der Staub zu Krusten härtet, die sich über Jahrzehnte auf kranke Körper legen.
Da stimmt was grammatikalisch nicht. Müsste heißen: ... in denen Staub zu Krusten härtet. Dann sind aber auch die Bezüge nicht klar. Sind es die Stellen oder die Krusten, die sich über Jahrzehnte auf kranke Körper legen. Und wären es die Krusten, werden die ja im Laufe eines Jahrzehnts von Pflegern immer wieder entfernt.
Ist geändert.
Die Wände im Carla
Würde da noch ne Info geben, was das Carla ist. War da verwirrt.
Habe ich gemacht. Anfangs stand dort ein ganz anderer Name, nach einem echten Café in Leipzig. Dann fragte ich mich, ob ich den Klarnamen so verwenden darf. Aber das C zu Beginn gefiel mir sehr gut, und Carla hatte etwas.

Nur: Wenn du das mit der Schwangerschaft lässt, würde ich die Chronologie ändern.
Sie erscheint nicht zum Dienst --> Es wird erzählt, man wird schwanger. Woher der Erzähler das weiß, wird nicht erzählt. Was ich auch nicht schlimm finde --> Aber danach hast du dann diese Szene, in der der Prota vom ARAL Verkäufer die Info bekommt, dass sie schwanger ist.
Ich würde dazu tendieren, das hier zu streichen:
Man wird schwanger. Man trifft sich, trinkt und wird schwanger; man erzählt sich Geschichten und wird schwanger; man läuft Runden über den Sportplatz, wo Kinder Elfmeterschießen üben und deine Freunde auf der Lehne der Mannschaftsbank sitzen, die Füße auf der Bankfläche, das Smartphone zwischen den Knien geklemmt und wird schwanger.
Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe jetzt wildes Bäumchenwechseldich betrieben und die Stellen umgetauscht. Vielleicht magst du ja nochmal schauen, wie das wirkt.

Lieber @AWM, deine Anmerkungen waren - wie immer - sehr präzise und genau. Vielen, vielen Dank. Freue mich mal wieder auf Texte von dir.

Lg
kiroly

 

Hallo @Henry K. =)

Vielen Dank für deine Hinweise. Ja, auch für das Ausmaß an "word work", an das Ringen mit dem Text. Das ist keine Selbstverständlichkeit =).

Ich versuche, auf deine Hinweise detailliert einzugehen.

Letztendlich schildert der Du-Erzähler - eine Pflegekraft - seinen Eindruck von der Auszubildenden Lara. Ich finde die Du-Form interessant, da sie eine stärkere emotionale Bindung an Lara beinhaltet. Dieses Verhältnis bleibt, bei aller Intimität, aber ein Arbeitsverhältnis. Und dieses Grenzen überschreitet der Du-Erzähler nie. Lara hat Wirkung auf ihn. Lara stammt einem anderen Milieu, einem, in dem der Eindruck einer selbst bestimmbaren Zukunft nicht existiert. Das beschäftigt den Du-Erzähler. Lara erscheint und Lara verschwindet. Es bleibt ein sensible, intime, gleichzeitig aber auch distanzierte Erfahrung. Das, finde ich, ist ein interessantes Spannungsfeld. Und diese Wirkung habe ich versucht, an den Leser zu bringen. Das gefällt dem einen, dem anderen gefällt das nicht.

Ich denke, was du dir wünscht, ist etwas anderes: Du möchtest eine Geschichte, in der sehr klar der Konflikt benannt wird, in denen eine Entwicklung vorkommt und es schnell dramatisch wird, Polizei, Jugendamt.

Eigentlich hoffe ich immer, dass der Leser Leerstellen selber befriedigend füllen kann. Manchmal gelingt das, manchmal nicht. Leider hat das bei dir nicht geklappt =( Ja, das ist etwas, was ich austarieren muss. Oder was heißt "müssen", besser "lernen".

Für Lara steht etwas auf dem Spiel, aber sie verhält sich nicht so. Sie verhält sich einfach. Für den Erzähler steht nichts auf dem Spiel und er verhält sich nicht einfach so, er reagiert innerlich - kann aber keinen Einfluss nehmen. Somit hast du ein recht pessimistisches Setting geschaffen, in dem der Protagonist zur Passivität verdammt ist.
Absolut richtig und diese realitätsnahe Schilderung eines bestimmten Milieus habe ich versucht darzustellen. Mehr nicht.

Würde erst das Setting schaffen und zwar ohne den Namen "Carla" - das ist zu nah an "Lara", finde ich. Etwa so: In meiner Stammkneipe ist ein abstraktes Paar auf die Wand gemalt. Es umarmt sich, vielleicht kurz vor dem Sex. Oder es ist die innige Umarmung zweier Menschen nach einem Unglück. Ich erzähle meinen Freunden von dir.
'Und die will Pflegerin werden?'
Sie glauben mir nicht. Wir wechseln das Thema und sie bestellen Kaffee zum schokoladigen Walnusskuchen. Sie mögen „chok-o-lade“ und bedauern, dass der Wirt das Pay-TV abbestellt hat, denn samstags schauen sie dort immer die Konferenz. Sie sprechen über Nachtzugstrecken in Schweden und Strände auf Bali. Sie vergleichen Berlin mit Hamburg und verstehen nicht, warum manche Menschen in den Himmel schauen und sich nicht über den Klimawandel sorgen.
Das sehe ich ganz anders. Zum einen passt das Wort "Sex" in dieser auf Intimität ausgerichteten Atmosphäre nicht, ist viel zu konkret, locker und umgangssprachlich. Sprachlich bricht dein Vorschlag mit dem Stil zuvor. Der Erzähler tritt in deinem Vorschlag viel zu aktiv auf, er bestimmt hier die Handlung. Und: Die Situation wird zu konkret. Es soll ja ein zusammenfassender Eindruck sein; ein Grundrauschen aus den Erfahrungen, die der Erzähler mit seinen Freunden gemacht hat. Das ist der Stil des Texts, ein Du-Erzähler reflektiert über seine Erfahrungen mit Lara. In deinem Vorschlag entsteht der Eindruck eines Erzählers, der ein konkretes Gespräch führt, in denen alle Themen eines Milieus abgehandelt werden. Letztere verlieren ihre Bedeutung, sie werden belanglos. Und: Die Stelle ist kritisch, denn sie droht in die gefürchtete Ecke des Zeigen-Wollens abzudriften. Ich habe nicht die Mittel, es anders zu tun; dein Vorschlag zeigt, was der Text will und das ist, was ich unbedingt vermeiden möchte.

Deine Klasselehrerin meint, es gebe nur zwei Gründe, warum du eine achte, neunte, zehnte Chance verdient hättest: Berichte über deine praktische Arbeit und dein Wohnort. Dein Beruf werde dort gebraucht.
Ich hätte mir früher eine Erklärung gewünscht, wer da mit wem unterwegs ist. Hier kommt für mich aus dem Nichts eine Klassenlehrerin ins Spiel. Warum gibt es die, Lara scheint bis zu dieser Stelle doch Auszubildende zu sein. Ist sie also Praktikantin? Und was ist in diesem Kontext die "achte, neunte, zehnte Chance"? Man macht doch nur ein Berufspraktikum in der Schule. Sorry, vielleicht bin ich da nicht genug im beschriebenen Milieu verankert, aber das hat mich stolpern lassen. Falls es weiteren Lesern geht wie mir, könnte man einfach die Klassenlehrerin zu einer Ausbildungsleiterin machen. Oder zu einer Frau vom Jobcenter.
Naja, eine duale Ausbildung besteht eben aus Anteilen im Betrieb und Anteilen in der Schule. Es gibt auch rein schulische Ausbildungen (Ergotherapie zB) und rein betriebliche. Und natürlich hat ein Azubi in der dualen Ausbildung eine Klassenlehrerin.
Praktika macht man nicht nur in der Schule. Zum anderen ist es in sehr, sehr vielen Ausbildungen und Studiengängen üblich, ein Praktikum in einem anderen Betrieb bzw. in einem Betrieb zu absolvieren.

Auf der Abendtour zeigst du mir Videos. Deine Freunde zünden Dum-Bum-Feuerwerkskörper an. Gips umhüllt das Schwarzpulver. Es gebe südlich der Stadt einen Mann, der einen Bunker betreibe. Von ihm kaufe jeder sein Feuerwerk.
„Auf dem Sportplatz ist jetzt ein Krater“, lachst du und legst das Handy in die Seitenablage des Corsas. Du fährst zu schnell, aber kontrolliert. „Der Fahrstil des ländlichen Raums?“ Du grinst. Wir erreichen das Haus der Patientin.
Der Anfang deiner Story überzeugt mich als Anfang nicht. Die Du-Form und die sehr konkreten Informationen über Feuerwerk haben mich abgeschreckt, da mir nach ein paar Sätzen nicht klar war, warum sich die Geschichte drehen wird. Da hier aber auch kein Konflikt eröffnet wird, hat mich das nicht neugierig gemacht, sondern Widerwillen erzeugt. Nach den ersten Sätzen dachte ich: "Puh, das wird ein anstrengender Text."
Ja, der Anfang wurde schon mehrfach kritisiert. Ich habe den Gips-Satz inzwischen gestrichen. Natürlich wird hier kein Konflikt benannt. Es ist ja eine Einführung aus der Sicht eines ambulanten Pflegedienstes. Hm, ich werde nochmal schauen, was ich da ändern kann.
Du denkst, das ist ein Haus, in dem ein Mensch lebt, aber ich führe dich an seinen Rand. Vor dem Haus steht eine Schnecke aus Ton, unter der, wie abgesprochen, der Schlüssel liegt.
Diese Stelle ist für mich kryptisch.
Habe ich inzwischen gestrichen, danke dafür =)

Manchmal riecht dein Atem nach Thunfisch. In letzter Zeit sehr viel seltener.
"Thunfisch" finde ich eindeutig besser als "Fisch", da Dosenthunfisch eine Art Arme-Leute-Essen ist, was das Milieu besser zeichnet. Aber wie schon jemand anmerkte, ist es auch für mich nicht ganz plausibel, dass ein Atem nach Thunfisch riecht. Ich persönlich nehme quasi nie den Atemgeruch von Leuten bewusst wahr - auch vor den Coronamasken schon nicht. Und wenn, kann ich vielleicht so was dazu sagen wie "Rauch", "Knoblauch" oder halt einfach "Mundgeruch". Dass ein Atem konkret nach Thunfisch riecht, kommt mir persönlich also konstruiert vor.
Ich nenne sie die Thunfisch-Frage =) Habe ich vor- und rückgeändert. Ich lasse es erstmal bei Thunfisch. Im Bewusstsein einer sehr schwachen, ungenauen Stelle^^.
Ich lasse dich zwei Eimer Wasser und Flüssigseife holen, Handtücher und ein Nachthemd. Die Wände sind Schränke. Über der Lippe stellen sich Härchen auf und ab. Ihr Atem beruhigt mich.
"Laut Lehrbuch" sollten sich Verhalten und Reaktionen von Figuren ja aus dem Text selbst ergeben. Hier spricht der Erzähler über sich und erwähnt, dass er sich beruhigt. Zuvor war aber in keiner Weise von irgendeiner Aufregung seinerseits die Rede. Und auch die Geschehnisse waren nicht aufregend - er macht ja scheinbar nur seinen Job. Das heisst für mich: Entweder den Satz streichen oder im Vorfeld plausibilisieren.n
Das Haussetting ist ruhig und intim geschildert, die Patientin spricht nicht, sie reagiert nicht. Aber sie atmet und lebt und das wird ausschließlich an den kleinen Härchen erkannt. Natürlich beruhigt das den Erzähler. Aber das scheint leider bei dir nicht funktioniert zu haben =(

Ich denke an die Waldhäuser in der Umgebung, an den Himmel über der Stadt, an den Rauch, der von den Kleingärten und Hinterhöfen aufsteigt, auf denen Holz, Plaste und Kohle verbrannt werden. An Tilidin und die Wut. Dein Halbjahreszeugnis hast du zu einer Kugel geformt, sie mit Feuerzeugbenzin übergossen und in den Fluss geworfen.
Ich weiss, viele hier im Forum lieben das Vage. Mir geht es anders. Ich würde gerne wissen, wo Lara konkret herkommt. In dieser reduzierten Form hier reicht mir das nicht, um das Problem nachvollziehen zu können. Wo ist denn ihr Wohnort? Es gibt dort "Waldhäuser" und einen "Himmel über der Stadt". Ist das jetzt also urban oder ländlich? Oben ist vom "ländlichen Raum" die Rede, aber sie kann ja dort aufgewachsen und dann in die Stadt gezogen sein. Und wo sind die beiden überhaupt unterwegs, in der Stadt oder auf dem Land? Es gibt keine wirkliche Beschreibung der Anfangsszenerie.
Da gebe ich dir recht, man könnte das präzisieren, zum Beispiel von einer Kleinstadt sprechen. Andererseits erlebe ich im kleinstädtischen eben nicht ein typische Grenze zwischen dem Land und der Stadt. Für mich ist das einfach keine binäre Frage, Stadt/Land, sondern eine, an die man sich herantastet. Vielleicht ist auch genau das das, was man literarischen Texten mögen kann. Gewissermaßen nehme ich deine Kritik an und lehne sich gleichzeitig ab.

Bleibt nur das Verbrennen von "Holz, Plaste und Kohle". Aber auch das klärt hier nichts, denn man muss ja fragen, warum das auf Hinterhöfen verbrannt wird. Ja wohl nicht zum Heizen. Also zur Entsorgung? Aber warum entsorgt man Kohle? Oder sind hier so brennende Penner-Tonnen gemeint?
Ja, richtig, warum verbrennt man Kohle, sehr guter Punkt. Aber ehrlich gesagt ... ich kenne das schon, dass man sein Gerümpel aus dem Keller verbrennt. Ist aber ein sehr dominantes Bild, da gebe ich dir recht.

Ich denke, dass ein, zwei weitere Infos über das Umland, über die Landschaft, dem Text nicht schaden könnten, er wird dadurch keine Wirkung verlieren. Denke ich.

Dann noch das "An Tilidin und die Wut." Das ist eigentlich das Kernelement der hier gegebenen Charakterisierung. So isoliert ist das aber sehr dünn, finde ich. Wut weswegen? Wütend ist ausserdem fast jeder Teenager, das rechtfertigt noch keinen sich abzeichnenden Totalabsturz. Dann frage ich mich noch, woher der Erzähler all das weiss. Warum sieht er all das vor sich? Er ist doch nur ihr Kollege?
Eigentlich bezieht sich das Tilidin und die Wut auf die Kleinstadt. Und der Erzähler arbeitet ja in diesem Setting.

An den Brötchen der ARAL magst du den weißen Käse nicht, er verursache Magenkrämpfe, anders als die Donuts und Croissants.
Hab nicht gewusst, was "weisser Käse" sein soll und warum es bei der ARAL diese spezielle Sorte geben sollte.
Da verstehe ich deine Frage nicht. ARAL bietet ja Brötchen an und der Käse dort ist eben weiß. Vielleicht sagt man dort "Mozzarella". Aber ich hatte das reine Gefühl, dass hier der Erzähler die Sprache Laras aufnimmt. Ich weiß nicht, ob man das so konkretisieren muss. Ja, schwierig. Für mich passt das.

In den Schränken standen die Thunfischdosen, das Toastbrot, runde Becher mit Margarine, in die deine kleinsten Brüder mit drei Finger griffen und sie an Wände und Haut schmierten.
Glaube, der Satz ist nicht ganz korrekt. Würde ihn trennen: In den Schränken standen die Thunfischdosen, Toastbrot und runde Becher mit Margarine. Deine kleinsten Brüder griffen rein und schmierten sie an die Wände.
Habe ich etwas geändert. Kleinste Brüder ist eine starke Verkleinerung und sollte das Verantwortungsverhältnis der größeren Schwester darstellen. Aber richtig, der Satz ist etwas lang und das "reingreifen" umgangssprachlich. Ich denke, ich werde ihn trennen.

Ihr ernährtet euch.
Seltsamer Satz.
Tatsächlich grammatikalisch korrekt. Aber eigenartig klingt er, da gebe ich recht.
Sofort großes Programm. Einteilung, Schichtteilung, vier Etagen, sieben kochfähige Bewohnerinnen, Einkaufsplan, Reinigungsplan, Kontrollbesuche.
Hier ist für mich ein Stilbruch und diese Stelle nimmt dem Ganzen auch irgendwie an Dramatik, denn die Folgen sind ja im Grunde voll ok. Besser als Polizei oder Jugendamt.
Nein, das sehe ich komplett anders. Polizei, Jugendamt ... das wäre eben nicht dramatisch. Hier ist eine Mutter, die ihre Kinder für zehn Tage verlässt. Eigentlich ist das ja die Dramatik. Denn es ändert sich nichts. Und da bin ich im "flow" des Textes, der ja diese Passivität, dieses Nicht-Agieren-Können, schildert.

Wenn das Jugendamt Maßnahmen ergreift, was wird geschehen? Wie wird es geschehen? Das würde sehr viele Frage aufwerfen und dann entstände hier eine ganz andere Geschichte. Der Text zieht sich ja bewusst zurück. Er hält sich zurück, wie sich der Du-Erzähler zurückhält.

Kann man den Inhalt so zusammenfassen? Ich glaube schon. Dann stellt sich jetzt die Frage nach dem Konflikt. Dafür muss man meiner Meinung nach erst mal klären, wer der Protagonist ist, der Erzähler oder Lara. Ich finde das ehrlich gesagt schwer zu entscheiden.
Für mich klingt dein Prozedere recht stark nach einem Schreibratgeber. Das ist ein harter Vorwurf, tschuldige =(.

**

Kann sein, dass ich durch meinen Beruf, wo es um nichts anderes geht, als dafür zu sorgen, dass Informationen schnell und zielführend bei Menschen ankommen, hier vorgeschädigt oder übersensibel bin, aber ich bin ein Fan von maximaler Klarheit in Texten, zumindest was die Elemente angeht, die ein Setting schaffen oder die Handlung vorantreiben.
Hm, ja gut, Klarheit ist natürlich, wie so vieles, recht subjektiv. Aber mir ist weniger eine begriffliche Klarheit wichtig, sondern eine erzähltechnische. Wird die Perspektive durchgehalten? Sind die Zeitformen korrekt gesetzt? Und stimmt die Sprache? Schau, wenn ich ein Text romantisch-emotional wirkt, und die Menschen reden über "warme, trübe Sommer in den nächsten Jahren", kann der Autor nicht einfach "Klimawandel" schreiben. Das wäre eine viel zu konkrete Charakterisierung für das Feeling des Textes. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Klarheit bedeutet nicht, Schlagwörter zu setzen. Die Klarheit entsteht im Kopf, nicht am Text.

Jetzt habe ich sehr viel erklärt. Was ich eigentlich nicht sooo gut finde, denn sooo extrem viele Gedanken habe ich mir bei dem Text nicht gemacht. Aber klar, du hast viele gute Hinweise gegeben. =)

Lg
kiroly

 

Wenn du das jetzt jemandem in der Kneipe am Tresen erzählst, wie kommt das rüber? Ich ergänze: Haut den das irgendwie um? Oder in den Worten des Journalismus: Was ist hier die Story?

Hallo @Henry K. , vielen Dank für Deine Kritik. Aber schon an diesem Punkt sehe ich das anders: Tresengespräche dienen doch nie ausschließlich der Sensation. Natürlich ist die Story nicht zur Sensation geeignet. Der Text wäre eher ein Tresengespräch unter Vertrauten, unter Freunden oder Menschen, die ins Vertrauen gezogen werden. Vielleicht gegen 2 Uhr in der großen melancholischen Phase einer leerer und leerer werdenden Kneipe. Ich verstehe deinen Punkt, ich verstehe ihn sehr gut.

Es gab zumindest vier Kommentare, die den Text geschätzt haben, das heißt, er scheint seine Wirkung nicht ganz verfehlt zu haben. Und er erschien auch, trotz schwierigem Beginn, lesenswert. Das freut mich natürlich. Ich lehne deine Kritik nicht ab; ich bleibe aber bei der Überzeugung, dass einige deiner Vorschläge für den Text nicht zielführend sind.

Hier würde man am Tresen so was erzählen: Hab grade eine Auszubildende dabei, echt ein nettes Mädel, aber total verloren. Hatte ne schwierige Kindheit und so. Die Stelle ist ihre letzte Chance, aber heute kommt sie einfach nicht zur Arbeit. Kommt raus: Sie ist schwanger von nem Gartenbauer.
Nein, das würde am Tresen nicht so erzählt werden. Denn der Erzähler würde sich niemals so ausdrücken. Er würde etwas sagen wie:

Ich weiß, ist schon spät. Aber ... mir geht diese Lara nicht aus dem Kopf. Sie war Azubine, bei uns im Pflegedienst. Schwieriges Mädchen, arbeitet ja ganz gut, aber hat einige Probleme mit der Disziplin. Ich kann gar nicht richtig beschreiben, warum ich so oft an sie denke.

Vielleicht würde er nachfragen, was "schwierige Kindheit" in diesem Fall bedeutet, das, was man sofort denkt (geschlagen, missbraucht, Eltern abwesend ...)? Oder gibt es dort etwas Spezielles? Darum hatte ich im ersten Kommentar gefragt: Warum sind die Leute in dieser Kleinstadt wütend? In Bezug auf Lara interessiert mich: Warum ist die Mutter so geworden, was ist ihre Geschichte?
Es gibt auf solche Fragen nie einfache Antworten. Man wünscht sich oft einen einfachen Grund. Das ist, meiner Ansicht nach, keine Klarheit. Ach, missbraucht? Natürlich, das erklärt ja alles. Ach Eltern abwesend? Ja, kein Wunder, dass sie so geworden ist. Ich will nichts bestätigen. Denn ich sehe den Text nicht als Bestätigung von Erwartungen des Lesers aus seinen Vorstellungen, wie denn die Welt so ist. Ich will auch keine Maniertheit oder irgendwas gewollt Literarisches. Es gibt, meiner Ansicht nach, nie allumfassende Erklärungen. Mag sein, dass das den einen oder anderen Leser frustriert. Andere nicht. Und auch hier gibt es Leser, die das nicht frustriert hat sondern das zu schätzen wissen.

Ich finde die Stelle insofern nicht ganz konsistent, da ja - wie du selbst an anderen Stellen betonst - sich der Du-Erzähler eigentlich zurückhält. Diese Stelle
Sofort großes Programm. Einteilung, Schichtteilung, vier Etagen, sieben kochfähige Bewohnerinnen, Einkaufsplan, Reinigungsplan, Kontrollbesuche. Erweitern ...
müsste also doch Laras Sicht Schildern, richtig? Ich finde, das tut sie sprachlich nicht, hier wird mit abstrakten Fachbegriffen erzählt. Also ist das hier eher die analytische Sicht des Erzählers, wenn ich das richtig lese. Und aus dessen Sicht ist es doch wohl besser, wenn das hausintern gelöst wird, oder?
Ich empfinde Einkaufsplan und Reinigungsplan nicht als abstrakt, auch nicht als Fachbegriff. Hier geht es ja um die Organisation. Hier wird ja nur das Symptom gelindert, nicht das Problem. Die Versorgung mag gesichert sein; dass die Mutter aber ihre Kinder vernachlässigt hat, übersiehst du. Vielleicht habe ich mich da nicht klar ausdrückt, das will ich nicht abstreiten.
Vielleicht wäre es hier zielführender, wie an anderen Stellen Laras Stimme anzunehmen, etwa so: Dich nerven die Nachbarinnen, die sich jetzt um euch kümmern. Sie mischen sich ein und kommen alle zwei Stunden vorbei, um nach dem Rechten zu sehen ... Ich denke, wenn du es so in der Art erzählt hättest, wäre ich bei Lara gewesen und hätte besser nachempfunden, warum die Hilfe der Leute für sie eher belastend war. Verstehst du, was ich meine?
Das verstehe ich =) Ja, da gebe ich dir recht. Aber mit "einmischen" wertet der Erzähler.

Lg
kiroly

 

Seltsame Fragen werden Dear gestellt ...

lieber kiroly,

da würd ich mir erst mal ein' heben und an Tresenlesen denken, eher Kabarett und Improvisation(stheater).

Ansonsten alles schon gesagt und Du weißt ja, dass ich 20 Jahre im Gesundheitsunwesen umtrieb (besonders in der Zeit der Umstellung vom Bettentag als Preis auf die nicht unbedingt notwendige neue Hüfte) und mir wird heute noch bei ...ela warm. Aber -

ich lese auch einige bisher unbeachtete Flusen ... wie bereits hier

Von der Patientin kenne ich den Namen, die Anschrift und einen Eintrag des Hausarztes, den ich schwer lesen konnte.
wo die Einheit der Zeitenfolge zu wahren ist, also besser statt „konnte“ (und ich befürworte sogar keine zusammengesetzte Zeit, sondern ein schlichtes) „kann“
oder will der Erzähler den „Eintrag“ auswendig lernen?

Deine Klasselehrerin meint, es gebe nur zwei Gründe, warum du eine achte, neunte, zehnte Chance verdient hättest: Berichte über deine praktische Arbeit und dein Wohnort.
Kompliment an die Klassenlehrerin, da ist die abschließende Flüchtigkeit („dein“en) entschuldigt, aber nicht der Mix aus Konj. I (gebe) und II (hättest). Ich hab eher Zweifel an nur „zwei“ Gründen und wählte – wenn ich müsste – „gäbe“, statt „gebe“,
zudem könnte man „verdient + hättest“ zu „verdientest“ zusammenführen ...

Die Luft war zu klar zum Verbergen deiner Angst
Warum eine wenig literarische Substantivierung statt schlichtem „Die Luft war zu klar, deine Angst zu verbergen“?

Das Feld reicht bis zum Wald, über dem mir Luft seltsam unruhig vorkommt. Als brenne er ohne Feuer und Rauch.
Typische als-ob-Situation, also besser Konj. irrealis, als „brennte“ er ...

Gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin @kiroly,

mir hat deine Story sehr gut gefallen. Hab sie nach dem Einstellen direkt gelesen, aber komme erst jetzt zum Ende der Party zum Kommentieren.

Ist jetzt schon viel zu der Story gesagt worden. Dein Stil ist eigenwillig, aber originell. Es gibt denke ich eine große Leserschaft, die da schlechter connecten kann und bei deinem Schreibstil nicht mitgeht. Aber es gibt auch eine Leserschaft, die das sehr gut abhaben kann und die das versteht, wie du schreibst und auch zu schätzen weiß. Zu dieser Leserschaft zähle ich mich. Ich denke, das ist wirklich Geschmacksfrage, das ist abseits von Qualitätskriterien. Es ist natürlich schwierig, für ein breites Publikum wie hier zu publizieren. Wenn man Geschmacksfrage in den Raum stellt, raunt auch immer der Vorwurf einer Ausrede im Hintergrund mit. Aber hier sehe ich das für angebracht.

Vielleicht könntest du dein Einstieg einfacher machen, indem du den Prot gleich zu Anfang klarer als Pfleger ausweist. Z.B., indem der Prot Dinge für die Pflege aus dem Kofferraum nimmt oder man einen anderen Anhaltspunkt wie Beschriftung auf dem Auto, spezielle Kleidung oder Gegenstände wahrnimmt als Leser, die es begreiflich machen.
Ich hab allerdings gleich verstanden, dass es hier um Pflege geht, aber es kann auch sein, weil ich in dem Metier selbst mal drin war oder weil ich mir von irgendwo her gemerkt habe, dass du persönlich damit in Verbindung stehst. Ich kann das leider gerade nicht objektiv sehen, wie das ein neutraler Leser lesen würde. Für mich hat es gut funktioniert.

Ja, ich mag den Stil hier sehr. Die feinen, kleinen Beobachtungen. Das wirkt sehr lebendig und authentisch. Es ist auch kaum Ballast in dem Stil, kaum Redundanzen. Es ist auch sehr szenisch geschrieben, eigentlich ohne Tell, was den Text weiter lebendig werden lässt.

Unter der Lippe klebt ein trockener, brauner Schaum und im Intimbereich winden sich die Schamhaare zu grauen Kreisen. Du sprichst kein Wort, weichst die Stellen ein, auf denen der Staub zu Krusten härtet, die sich über Jahrzehnte auf kranke Körper legen.
Das wirkt sehr authentisch. Du weißt, wo Schaum klebt, wie Schamhaare von gepflegten Leuten aussieht. Sehr wertvoll.

Die Wunde am Steiß hat die Größe deiner Hand und die Tiefe deiner Faust, wenn du deine Finger drückst, passen deine Fingerknöchel auf die Fortsätze ihrer Wirbelsäule. Ein Rinnsal einer transparenten Flüssigkeit fließt aus einer Vertiefung
Du bittest mich, die Patientin an Schulter und Schenkel zu halten, suchst nach einer Decke im Raum, findest sie, formst aus ihr einen Halbmond und legst ihn zu den Füßen der Patientin.
Ja, das zieht sich durch den Text. Ich kaufe dir das alles ab. Sehr schön. Ich weiß das an einem Text immer zu schätzen, wenn man den Protagonisten so über die Schulter sehen darf, bei ihrer Arbeit, ihrem Alltag, und das einfach so authentisch wirkt, als ob man einem echten Pfleger über die Schulter blickt. Ich finde das großartig und eine Horizonterweiterung für den Leser.

Du tankst.
An den Brötchen der ARAL magst du den weißen Käse nicht, er verursache Magenkrämpfe, anders als die Donuts und Croissants. Unsere Masken hängen von den Ohren. Jemand grüßt dich aus einem Kleintransporter, aber du grüßt nicht zurück. Im überblauen Licht wirken deine Haare violett und deine Hände werfen beim Erzählen hellere Schatten. Ich folge deinen Worten oder deiner Mimik, beides scheint sich auszuschließen. Mich befremdet dein Anblick, ich sehe nicht das Vertraute der letzten zwei Monate. Du erzählst von deiner Mutter.
Ich hab ein sehr konkretes Bild von Lara. Gefällt mir sehr gut. Auch die Du-Konstellation kommt für mich hier gut zu Tage. Ich hab tatsächlich mal eine Story in einem sehr ähnlichen Duktus geschrieben. Für mich passt das sehr gut. Es geht hier um Lara. Es ist dein Prot, aus dessen Augen wir auf Lara fixiert sind. Es ist auch kein Perfekt, sonder Präsens: Wir sind dabei, im Prot, aber wir sind nur auf Lara fixiert. Der Prot und seine Befindlichkeiten stehen an zweiter Stelle. Ich mag das sehr gerne.

Die neuen Gerichte schmeckten nach den Gerüchen der fremden Wohnungen, sie rochen nach den Blusen, T-Shirts und Jacken der Nachbarn
nice

Einmal zog sie für zehn Tage nach Usedom. In den Schränken standen die Thunfischdosen, das Toastbrot, runde Becher mit Margarine, in die deine kleinsten Brüder mit drei Fingern griffen und sie an Wände und Haut schmierten. Die Luft war zu klar zum Verbergen deiner Angst. Du warst die größte Schwester, du hattest die Verantwortung inne, drei Brüder in vier Zimmern zu führen. Ihr ernährtet euch. Die Brüder rannten vor zwölf Uhr mittags auf die Straße. Da bemerkten dich die Nachbarn, wo denn die Frau Soundso sei, fragten sie dich. Im Urlaub. Und ihr? Allein. Sofort großes Programm. Einteilung, Schichtteilung, vier Etagen, sieben kochfähige Bewohnerinnen, Einkaufsplan, Reinigungsplan, Kontrollbesuche. Die neuen Gerichte schmeckten nach den Gerüchen der fremden Wohnungen, sie rochen nach den Blusen, T-Shirts und Jacken der Nachbarn, die jetzt Nudeln, Bolognese und Eisbergsalat in Plasteware mitbrachten und sich an eurem Essen sattsahen.
Als deine Mutter zurückkehrte, bat sie euch in die Zimmer. Du hast die Tür geschlossen, die Nachbarn schimpften, deine Mutter sagte später, ihr habt das gut gemacht und du warst stolz, wie erwachsen du geworden bist. Du wusstest, du wirst Chef.
„Tja“, sagst du und schaust durch die Scheibe auf die leeren Plätze vor den Zapfsäulen.
Gefällt mir auch sehr gut. Das ist eine Rückschau. Man kann das sicher in Frage stellen, braucht das der Text, ist das zu viel Tell, ist das ein Klischee? Aber für mich braucht es diesen Teil, um Lara zu verstehen. In der Du-Präsens-Form kannst du das auch nicht anders lösen, als es zu erzählen. Ich fühle nicht mehr die starke Authentizität, muss ich gestehen, die ich bei der Pflege gespürt habe. Das soll kein Vorwurf sein oder ich will nicht sagen, dass das unauthentisch wäre. Nur so ein Gefühl. Ich glaube, Menschen haben ganz krasse Bullshit-Antennen. Wenn etwas sehr authentisch ist, spürt man das einfach. Wenn etwas erdacht ist, spürt man es auch. Das hier wirkt echt, ich glaube dem Text das, das ist nicht überzogen und die Figuren bewegen sich organisch für mich, in den Dingen, die sie tun, aber das ganz krasse Gefühl von Authentizität, das ich an den anderen Stellen des Textes habe, greift hier nicht. Den Teil aber unbedingt drin lassen, für mich passt das, wie gesagt, das ist keine Aufforderung, es zu ändern, nur eine Rückmeldung wie ich persönlich den Text lese.

„Sie wird Pflegekraft?“
Das ist ein Teil, den ich dir glaube. Ich mag auch, wie die Freunde hier beschrieben sind. Aber gleichzeitig glaube ich dem Text hier nicht, wegen meiner eigenen Erfahrung. Ich meine das nicht despektierlich, ich kann mir auch vorstellen, dass das von Region zu Region anders ist. Aber hier in Franken Pflegekraft zu werden ist nicht schwer. Die untersten Schichten machen das, wenn man von Schichten sprechen möchte und das halt anhand des Einkommens klassifiziert. Ich würde sagen, 70-80% osteuropäische Wurzeln. Dort, wo ich gearbeitet habe. Man besucht diese Berufsfachschule für Pflege, die glaube ich 2 Jahre dauert, und das schaffen eigentlich auch alle. Die Leute sind jung und haben auch Bock auf Chemie, Party, es fliegen auch welche raus oder bricht ab, vielleicht einer von fünf, das variiert natürlich, aber dass man den Job jemanden nicht zutraut kommt höchstens vor, wenn die Person starke Rückenprobleme hat oder so. Also ich weiß, dass das von den Fähigkeiten nicht einfach ist, ich möchte hier auch nicht sagen, der Beruf wäre einfach oder so, nicht falsch verstehen. Mein Punkt ist nur, dass ich nicht verstehe, wieso deine Freunde Lara nicht zutrauen, dass sie Pfleger wird. Sie scheint ja verantwortungsbewusst zu sein, sie hat bloß persönliche Probleme. Nichts für ungut, aber sehr viele angehende Pfleger (generisches Maskulinum! :D), die ich kennengelernt habe, hatten persönliche Probleme. Also bin gespannt, was du hierzu sagst, ich kann mir auch vorstellen, dass das authentisch ist, was du geschrieben hast, mir persönlich kam es nur seltsam, wieso die Freunde das nicht zutrauen

„Die Lara, ja“, sagt der Verkäufer an der ARAL, „ist schwanger. “ Er erwartet keine Reaktion. „Von dem Typen beim Gartenbau, glaube ich. Südlich der Stadt, am Fluss.“
Dass sie schwanger wird finde ich sehr gut. Würde das nicht ändern. Es wirkt sehr authentisch. Das ist auch so ein Schicksal von Frauen: schwanger werden. Als Mann kann einen nicht in der Form so ein Schicksal ereilen. Höchstens in Form einer Krankheit vielleicht, die dein restlichen Leben so sehr in beschlag nimmt. Klar, als Vater hat man auch verantwortung. Aber als Frau ist das schwieriger und ein Schicksalschlag, der einem einfach so treffen kann. Finde ich sehr gut. Ich finde die Schwangerschaft an der Stelle auch sehr schlimm und tragisch. Das ist ein zusätzlicher Ballast, ein zusätzliches Hindernis, aus den Verhältnissen zu kommen. Ich rieche da auch eine toxische Beziehung zum Gartenbauer. Für mich ist die Schwangerschaft ein weiterer Abstieg von Lara. Sie wird nicht arbeiten können und mit Kind und alleinerziehend ist es verdammt schwer, ökonimisch wie persönlich. Auch, weil sie nicht in festen Verhältnissen ist mit den Gartenbauer, so wirkt das.

Einziger Kritikpunkt: Ist das der Typ in dem Bunker? Für mich hätte es das hier nicht gebraucht:

„Die Lara, ja“, sagt der Verkäufer an der ARAL, „ist schwanger. “ Er erwartet keine Reaktion. „Von dem Typen beim Gartenbau, glaube ich. Südlich der Stadt, am Fluss.
Das wirkt konstruiert. Wieso sollte das die Verkäuferin an der ARAL auch sagen? Ich spüre hier ganz deutlich den Autor, der einen Bogen ziehen will. Lass es einfach einen Gartenbauer sein.

Man wird schwanger. Man trifft sich, trinkt und wird schwanger; man erzählt sich Geschichten und wird schwanger; man läuft Runden über den Sportplatz, wo Kinder Elfmeterschießen üben und deine Freunde auf der Lehne der Mannschaftsbank sitzen, die Füße auf der Bankfläche, das Smartphone zwischen den Knien geklemmt und wird schwanger.
Sehr gut. Das ist das Lebensgefühl.

Für mich ein sehr starkes Teil. Mehr Flash Fiction als Kurzgeschichte. Ich kaufe dir alles ab. Sprache ist sehr stark. Eventuell könntes du am Anfang noch ein klein wenig klarer machen, dass es Pflegekräfte sind, wenn du größere Leserkreise erreichen wollen würdest. Dass der Vater der Typ vom Bunker ist würde ich zum Schluss streichen, siehe Zitat. Ich habe das Gefühl, Lara gut kennengelernt zu haben, ich habe sie gut vor Augen.

Nice!

zigga

 

Hallo @Friedrichard =)

merci für deine Flusenlese - irgendwo auch ärgerlich, vor allem bezüglich der korrekten Konjunktivanwendung. Die Umgangssprache hat schon harten Einfluss auf die Schriftsprache.

Dank' dir und Grüße in den Pott =)

Lg
kiroly

***
Hallo @Henry K. =)

nochmals danke für deine Anmerkungen!

Ich persönlich gehe aber davon aus, dass bei jedem hier veröffentlichten Text immer "mehr" drin ist und wir uns deshalb hier austauschen.
Ja, das sehe ich auch so.
Ich meinte, dass es durchaus spannend wäre, mehr über die Geschichte der Mutter zu erfahren, denn dort scheint mir der Kern von Laras Konflikt zu liegen. Du machst daraus so was wie: Man kann Schicksale nicht erklären, auch dann nicht, wenn man mehr Infos gibt.
Da habe ich mich nicht exakt ausgedrückt, entschuldige. Ich sehe das schon anders; natürlich kann man mehr Infos geben, das Milieu länger schildern, vielleicht sogar eine Form von Plot einbauen, weitere Infos geben. Ich denke aber, dass die von dir gegebenen Vorschläge bezüglich Dramatik, Klarheit und Ausdruck zum Stil des Textes nicht passend sind. Eher kann ich mir den Text als eines von lose verbundenen Kapiteln vorstellen, ähnlich vielleicht (ich will mich jetzt nicht qualitativ vergleichen, geht nur um die Konstruktion) wie bei Edouard Louis' "Das Ende von Eddy". Dort funktionieren die einzelnen, kurzen Kapitel gut für sich, passieren tut im einzelnen Kapitel wenig, Dramatik kaum vorhanden; die Entwicklung erschließt sich über viele, einzelne Kapitel. Das nur als Idee. Bevor es zu analytisch wird.

Lg
kiroly

***

Hallo @zigga =)

vielen, vielen Dank für Empfehlung und Kommentar, ich habe mich sehr gefreut. Ich schätze deine Kommentare sehr, gerade was dein Sprachgefühl angeht =) Auch wie ausführlich du kommentiert hast. Ich gehe auf deine Kritikpunkte ein:

Vielleicht könntest du dein Einstieg einfacher machen, indem du den Prot gleich zu Anfang klarer als Pfleger ausweist. Z.B., indem der Prot Dinge für die Pflege aus dem Kofferraum nimmt oder man einen anderen Anhaltspunkt wie Beschriftung auf dem Auto, spezielle Kleidung oder Gegenstände wahrnimmt als Leser, die es begreiflich machen.
Je mehr Lob, desto schwerer wird die Überarbeitung^^ ... ja, das stimmt. Der Anfang ist tatsächlich etwas verwirrend. Ich glaube, ich brauche etwas Abstand, etwas "Wegsehen", um den Text nochmal zu lesen und den Anfang zu überarbeiten.
Gefällt mir auch sehr gut. Das ist eine Rückschau. Man kann das sicher in Frage stellen, braucht das der Text, ist das zu viel Tell, ist das ein Klischee? [...] Das hier wirkt echt, ich glaube dem Text das, das ist nicht überzogen und die Figuren bewegen sich organisch für mich, in den Dingen, die sie tun, aber das ganz krasse Gefühl von Authentizität, das ich an den anderen Stellen des Textes habe, greift hier nicht. Den Teil aber unbedingt drin lassen, für mich passt das, wie gesagt, das ist keine Aufforderung, es zu ändern, nur eine Rückmeldung wie ich persönlich den Text lese.
Kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe den Text auch einer Freundin zum Lesen gegeben, die empfand dasselbe. Vielleicht auch, weil die Szene mit der Patientin sehr intim, sehr unmittelbar wirkt und die Rückschau überstrahlt. Ich hatte kurz überlegt, die Rückschau im Präsens zu lassen, aber dann wirds "erzähltechnisch" eine verhexte, unlogische Angelegenheit und - ich strebe nach Sauberkeit :-D
„Sie wird Pflegekraft?“
Das ist ein Teil, den ich dir glaube. Ich mag auch, wie die Freunde hier beschrieben sind. Aber gleichzeitig glaube ich dem Text hier nicht, wegen meiner eigenen Erfahrung. Ich meine das nicht despektierlich, ich kann mir auch vorstellen, dass das von Region zu Region anders ist. Aber hier in Franken Pflegekraft zu werden ist nicht schwer. Die untersten Schichten machen das, wenn man von Schichten sprechen möchte und das halt anhand des Einkommens klassifiziert. Ich würde sagen, 70-80% osteuropäische Wurzeln.
Hui, hier stellst du eine sehr schwierige Frage - sie zielt ja auf das Wissen der Freunde über diesen Beruf. Und auch darüber, wie sie Laras Fähigkeiten einschätzen. Wahrscheinlich hat der Erzähler seinen Freunden etwas über Laras Talent erzählt; nur scheint das für sie nicht relevant zu sein. Ich muss zugeben, mir fällt es richtig schwer, deine Frage, deine Anmerkung zu beantworten :-D

Hier in Sachsen ist das, was du geschildert hast, nicht anders. Auch wenn sich durch die neue generalistische Ausbildung einiges geändert hat, der Anspruch ist jetzt höher, das theoretische Wissen umfangreicher, die Ausbildung verschulter und weniger abhängig vom Betrieb. Man merkte früher sehr rasch, auf welcher Schule und in welchem Betrieb die Lehrlinge/Azubis oder Berufseinsteiger waren.

Ich denke, hier müsste das Desinteresse der Freunde stärker in den Vordergrund rücken. Im Grunde interessieren sich ja die Freunde gar nicht so sehr für die Erzählung des Erzählers. Sie hören nicht zu und stellen kleine Höflichkeitsfragen. "Ah, sie wird Pflegekraft? Und sonst so? Wie wird morgen das Wetter sein?" Aber ist das plausibel? Dass die so eine Frage stellen? Ist das Desinteresse so groß ... da habe doch meine Zweifel. Hm ... zigga - da muss ich nochmal nachdenken. Oder den Text beiseite legen und in einer Woche re-lesen. Danke!

Einziger Kritikpunkt: Ist das der Typ in dem Bunker? Für mich hätte es das hier nicht gebraucht:
„Die Lara, ja“, sagt der Verkäufer an der ARAL, „ist schwanger. “ Er erwartet keine Reaktion. „Von dem Typen beim Gartenbau, glaube ich. Südlich der Stadt, am Fluss.
Das wirkt konstruiert. Wieso sollte das die Verkäuferin an der ARAL auch sagen? Ich spüre hier ganz deutlich den Autor, der einen Bogen ziehen will. Lass es einfach einen Gartenbauer sein.
Im Leipziger Umland sprechen die ARAL- und TOTAL-Kassierer immer so: "Ach, der Typ nördlich des alten Hainbuchenwaldes" oder "Die Elsa? Die wohnt südwestlich des Sees, am Bach". Nein, dummer Scherz meinerseits :-D Wahnsinnig exakt von dir gelesen, klar. Da wollte ich die Klammer zum Anfang schließen und packe den Hinweis dem ARAL-Verkäufer in den Mund. Ist natürlich Mist. Habe ich geändert, danke.

Lieber @zigga , ich hoffe, ich konnte deinen Anmerkungen gerecht werden. Irgendwie habe ich nicht ganz das Gefühl, dem, was du geschrieben hast, entgegengekommen zu sein.

Lg nach Franken
kiroly

 

Hey @kiroly ,

ich freue mich ja immer, wenn Du was einstellst. Okay, nicht nur bei Dir, aber eben in diesem Fall bei Dir :D Und ich lese auch viel mehr, als ich derzeitig kommentiere, weil ich so schrecklich faul bin. Aber in diesem Fall nehme ich mir schon seit paar Tagen vor, dem Autor doch bitteschön mitzuteilen, wie schön und sensibel ich diesen Text finde. Also hier: ich mag den Text sehr. Ich mag die Art, wie der Erzähler über Lara berichtet, wie viel Zuwendung da drin steckt und zu gleichen Teilen Hilflosigkeit und Ohnmacht. Ist schon auch traurig, wenn man direkt daneben sitzt und das Potential einfach nicht ausgeschöpft wird, werden kann. Sei es durch die Theorie, die Schule - was jedoch nichts darüber sagt, ob ein Mensch ein guter Krankenpfleger am Ende ist, sei es, weil Lara nicht die Disziplin aufbringen kann, sich in die Anforderungen der Arbeitswelt einzufügen.
Wir hatten auch mal einen Lehrling. Ganz schlechte Noten, anfangs sehr flatterhaft, eigentlich hat niemand wirklich daran geglaubt, dass er es überhaupt bis zur Prüfung bringt, geschweige denn, sie besteht. Und wie sich das in den drei Lehrjahren verändert hat. Am Ende haben wir ihn zwar durch die Prüfungen »prügeln« müssen, aber im praktischen Teil - Koch - darin ist er total aufgegangen und war richtig gut. Allerdings hatte er sich so in den Job verknallt, dass er tatsächlich darin auch Halt gefunden hat, sprich, er kam ab irgendwann pünktlich und regelmäßig. Und da wäre auch noch der Azubi in der Bühnentechnik oder der Sohn von Bekannten, der nur ganz knapp Elektriker geworden ist ... ja, die Welt ist voller Laras. Und wer eben in der Theorie versagt, kann in der Praxis glänzen wie er will. Und eben auch all die jungen Menschen, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, denen es schwer fällt, sich in den Trott der Verpflichtungen einzureihen. Kurz: schönes Thema :D

Auf der Abendtour zeigst du mir Videos. Deine Freunde zünden Dum-Bum-Feuerwerkskörper an. Es gebe südlich der Stadt einen Mann, der einen Bunker betreibe. Von ihm kaufe jeder sein Feuerwerk.
„Auf dem Sportplatz ist jetzt ein Krater“, lachst du und legst das Handy in die Seitenablage des Corsas.
Du fährst zu schnell, aber kontrolliert. „Der Fahrstil des ländlichen Raums?“ Du grinst. Wir erreichen das Haus der Patientin.

Dum-Bum-Feuerwerkskörper - sehr schönes Wortgespiele
Aber all das Dicke führt weder in die Geschichte, noch hat es irgendeinen Wert für diese. Nur mal so nebenbei bemerkt ;).

welche Zimmer archivieren und in welchen ...
auch so ein Liebling

weichst die Stellen ein, auf denen der Staub zu Krusten härtet, die sich über Jahrzehnte auf kranke Körper legen.
und noch einer

Als deine Mutter zurückkehrte, bat sie euch in die Zimmer. Du hast die Tür geschlossen, die Nachbarn schimpften, deine Mutter sagte später, ihr habt das gut gemacht und du warst stolz, wie erwachsen du geworden bist. Du wusstest, du wirst Chef.
:herz:

Wenn ich meinen Freunden von dir erzähle, hören sie nicht zu. ... Meine Freunde bedauern, dass das Carla den Fußball abbestellt habe, denn die Konferenz verfolgten sie gern. Meine Freunde sprechen über Nachtzugstrecken in Schweden oder einen Strand, auf dem die Sonne sehr stark scheine, dass ein hoher Lichtschutzfaktor die Haut vor UV-Licht schütze. Meine Freunde vergleichen Berlin mit Hamburg und meine Freunde verstehen nicht, warum manche Menschen in den Himmel schauen und sich nicht sorgen, über all die warmen, trüben Sommer der letzten und kommenden Jahre.
Ja, man ist halt mit seiner eigenen kleinen Bubbel beschäftigt. Und in dieser hat jeder seine eigenen kleinen Sorgen und Nöte. Und eine Lara - ja - das ist halt so, solange die Lara nicht zu der eigenen Bubbel gehört. Spannend ist die ja auch nicht, dass man ihr mehr Aufmerksamkeit widmen möchte. Zu viele von denen, schon oft gehört, Du weißt schon.

Auf deinem Platz wartet ein Plüschpinguin; die Chefin meinte, er vertrete dich sehr gut. Ich suche Unterstützung in den Gesichtern der anderen und finde sie nicht.
Das ist schon um einiges härter und deutlicher. Denn zu den Personen an diesem Tisch, da ist Lara ja ganz klar drin in der Bubbel. Aber Empathie ist eben auch nicht gleichmäßig verteilt. Der eine mehr, der andere weniger.

Ich habe den Text sehr interessiert und Leseglücklich beendet und dann bisschen die Komms überflogen und habe so gedacht, der @Peeperkorn sagt da etwas, da ist was dran. Okay, sagt er oft, aber darum geht es gerade nicht. Ich finde auch, dass es die Schwangerschaft nicht braucht. Weil man eben auch ganz oft nicht weiß, wo die Laras abbleiben, warum sie abtauchen und dieses Loch der Unwissenheit, der Sorge, der Raum für Spekulationen, für Unterstellungen und Entschuldigungen (je nach Sympathie für Lara), ist so viel größer, als dass das Mädel nun erst mal Mutter wird. Klar, läuft oft so, ist halt auch so, leider, aber ich hätte Gefallen daran, dass man dieser Grauzone bisschen mehr Beachtung schenkt. Weil am Ende ja auch darin unsere Gesellschaft sich spiegelt, ihr Versagen, und ob wir daran Teilschuld haben oder diese eben nur den Laras selbst zuschreiben. Von mir aus kann er sie ein halbes Jahr später ja schwanger an der Tanke treffen.
Das ist jetzt aber wieder Vorliebe und so. Ich kann gut verstehen, wenn Du sagst, der Text ist für Dich fertig und Du magst ihn genau so. Denn das tust Du allemal zurecht! Der Text ist sehr klein (kurz), aber darin ganz groß!

Liebe Grüße,
Fliege

 

Die Umgangssprache hat schon harten Einfluss auf die Schriftsprache.

es sollte niemand überraschen, dass wir zwar nur eine Grammatik der "geschriebenen" Sprache kennen, tatsächlich aber seit einiger Zeit bereits an einer der "gesprochenen" Sprache gearbeitet wird.

Dabei wäre es doch viel wichtiger, Dialekte, Soziolekte und individuelle Sonderheiten (womit ich keine feuchte Aussprache meine) zu pflegen - aber vllt. sprechen wir alle irgendwann Mandarin.

Tschüss

Friedel

 

Hallo @Fliege =)

merci für das Kommentar, vielen Dank für die Anregungen! Und natürlich freut es mich, dass dir der Text gefallen hat ... auch wenn ein kurzer, "zerbrechlicher" Text wie dieser mir eine Überarbeitung nach den vielen positiven Kommentaren sehr erschwert. Oder ich sag mal: Die Angst vor dem Verlust der Zerbrechlichkeit rückt mich in eine ganz stabile Textempfindungslage! (oher, jetzt spinnerts bissl im Hirn) ... ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Der Text erscheint mir wirklich sehr empfindlich, fast schon schwebend ... so eine ernste, realistisch handelnde Fee irgendwie.

... ja, die Welt ist voller Laras.
Das fand ich eine sehr schöne Feststellung ... dass du nicht nur den Fokus auf die Pflege gelegt sondern Lara aus der Pflege gelöst und in einen großen, weiten Zusammenhang assoziiert hast.

ch habe den Text sehr interessiert und Leseglücklich beendet und dann bisschen die Komms überflogen und habe so gedacht, der @Peeperkorn sagt da etwas, da ist was dran. Okay, sagt er oft, aber darum geht es gerade nicht. Ich finde auch, dass es die Schwangerschaft nicht braucht. Weil man eben auch ganz oft nicht weiß, wo die Laras abbleiben, warum sie abtauchen und dieses Loch der Unwissenheit, der Sorge, der Raum für Spekulationen, für Unterstellungen und Entschuldigungen (je nach Sympathie für Lara), ist so viel größer, als dass das Mädel nun erst mal Mutter wird. Klar, läuft oft so, ist halt auch so, leider, aber ich hätte Gefallen daran, dass man dieser Grauzone bisschen mehr Beachtung schenkt. Weil am Ende ja auch darin unsere Gesellschaft sich spiegelt, ihr Versagen, und ob wir daran Teilschuld haben oder diese eben nur den Laras selbst zuschreiben. Von mir aus kann er sie ein halbes Jahr später ja schwanger an der Tanke treffen.
Mmmh, mmmh, ja, da stimme ich tatsächlich zu. Ich kann das verstehen. Ja, man kennt das aus der Schule, Uni oder Arbeit, wenn in der Mittagspause plötzlich das Thema "Was wurde eigentlich aus der ABC, die war ja dann plötzlich weg" angerissen wird. Und irgendwer erzählt, die mache ja wahrscheinlich das, aber all die Konjunktive häufen sich plötzlich so massiv und es wird vage und undeutlich. Ich gebe aber zu: Ich finde den Text so passend. Und eine Überarbeitung traue ich mir zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht zu. Da muss ein bisschen Abstand rein, zeitlicher Abstand, dann werde ich das sicher anders lesen. Völlig unabhängig finde ich aber deinen/euren Vorschlag oder besser "Denkweise" super wertvoll. "Fallhöhe" als Stichwort. Und eine Nicht-Schwangerschaft wirkt (seltsames Wort) realistischer. Aber da müsste dann, meiner Ansicht, ein konkreteres Gegengewicht in den Text, eine weitere Lebensbeschreibung, eine Landschaftsbeschreibung. Ich fürchte, dass der Text sonst zu sphärisch wird, zu sehr wegschwebt ... ist ja so eine Schreibtendenz, die ich habe. Es darf ja auch mal die klare Kante sein. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine^^... ich klinge ja fast schon esoterisch.

Fliege - Gruß in die Hauptstadt der Bundesrepublik,
vielen Dank,
kiroly

 

Hallo @kiroly ,

ich musste doch nun unbedingt endlich mal deine Geschichte lesen, weil ich mir (eines der guten Vorsätze für dieses Jahr) fest vorgenommen habe, ALLE Empfehlungen zu lesen. Nur für die, die es mitlesen, ich habe nicht! vorgenommen, auch alle zu kritisieren. Aber bei deiner Geschichte möchte ich es gern, sehr gern sogar.

Gleich vorneweg, ich fand sie richtig gut und zwar, weil mir dieses Lakonische gut gefiel, die Andeutungen, die unausgesprochenen Sätze und dahinter stehenden Fakten. Das ist dir gut gelungen, die Balance zwischen Nichtsagen und Sagen zu halten und es entstehen zwei Figuren, wobei der/die Erzähler(in) wie ein wenig verliebt klingt, was dieser ganzen Geschichte noch so eine zusätzliche Ebene gibt. Gefällt mir gut.

Trotzdem habe ich ein paar Sächelchen gesehen, über die ich teils gestolpter bin. Mal sehen, wie du es siehst.

Du weißt, wo die Patientin lebt, wenn du ihr Haus betrittst: Ob oben oder unten, wo er sich wäscht, ob er sich bewegt, welche Zimmer archivieren und in welchen eine Tageszeitung weggeräumt wird.
Hier hätte ich es besser gefunden, wenn du beim Geschlecht "sie" geblieben wärst. Du beginnst mit "die Patientin" und schreibst dann mit "er" weiter, was mich aus dem Klang des Satzes wirft. Entweder, so mein Vorschlag, du schreibst die Patienten und bleibst dann in der Mehrzahl, dann hast alle Möglichkeiten offen oder insgesamt "Patientin" und "sie".
Du sprichst kein Wort, weichst die Stellen ein, auf denen der Staub zu Krusten härtet, die sich über Jahrzehnte auf kranke Körper legen.
Hier hat mich das "über Jahrzehnte" gestört. Ist es denn so, dass es Jahrzehnte sind? Das würde dann beinhalten, dass auch die Körper Jahrzehnte krank sind. Sind sie das? Oder habe ich mich in diesem Satz vergaloppiert und verstehe ihn falsch?
desinfizierst den viel zu schmalen Wundrand,
Weshalb ist der Wundrand viel zu schmal. Ist das nicht eher etwas Positives? Ich lese diesen Satz aber hier so, dass es etwas Negatives zu sein scheint. Wie ist das gemeint. Die Protagonistin, die alles beschreibt, ist ja offensichtlich vom Fach scheint mir. Ich vertraue insoweit darauf, dass dieser Satz inhaltlich richtig ist, trotzdem versteh ich ihn nicht.
und dein Wohnort.
Mein Sprachgefühl verlangt nach "deinen Wohnort".
An Tilidin
Was ist das?
du hattest die Verantwortung inne, drei Brüder in vier Zimmern zu führen.
Vielleicht hier etwas weniger kraus formulieren? Wie wäre es mit: du hattest die Verantwortung für drei Brüder in vier Zimmern zu führen.
Die neuen Gerichte schmeckten nach den Gerüchen der fremden Wohnungen, sie rochen nach den Blusen, T-Shirts und Jacken der Nachbarn, die jetzt Nudeln, Bolognese und Eisbergsalat in Plasteware mitbrachten und sich an eurem Essen sattsahen.
Wunderbarer Satz. Da ist alles drin. Fast schon ein kleiner eigener Geschichtenteil. Ich mag sowas sehr, wenn es Autoren schaffen, mit wenigen Worten ganz viel zu berichten.
an das plötzliche Vor- und Wegdrehen der Wange,
Hier weigert sich ebenfalls mein Sprachgefühl den Satz rund zu finden:
... an dem plötzlichen Wegdrehen der Wange. "dem" statt das und wie schaut es aus, wenn man eine Wange vordreht?
den sehr kurzen Blick in meine Augen
auch hier "an dem" Der Satz beginnt ja mit : "Ich sehe das an..."
. Die Wände im Café Carla sind mit einem großen, abstrakten Paar bemalt, das kurz vor dem Beischlaf steht, aber es könnte auch die innige Umarmung zweier Menschen nach einem Unglück sein.
Auch wieder so ein klasse Satz, in welchem so viel mitgeteilt wird. Gefällt mir gut.
sie mögen „chok-o-lade“.
Hier stört mich, dass du es so schreibst und was soll das zusätzlich über diese Freunde aussagen. Die Aussage ist doch die, dass sie sich nur um sich selbst drehen und nicht für andere Leute interessieren. Sie also gar nicht begreifen, dass dein Protagonist von dem Mädchen fasziniert ist.
„ist schwanger. “
Hier ist es nicht die Formulierung, sondern ein Leerzeichen am Schluss zu viel. Mehr nicht.
Man trifft sich, trinkt und wird schwanger; man erzählt sich Geschichten und wird schwanger; man läuft Runden über den Sportplatz, wo Kinder Elfmeterschießen üben und deine Freunde auf der Lehne der Mannschaftsbank sitzen, die Füße auf der Bankfläche, das Smartphone zwischen den Knien geklemmt und wird schwanger.
Mir gefällt das Lakonische in diesem Satz sehr gut. Dieses Beiläufige "so what?", man wird eben schwanger, nichts Besonderes. Aber die Menge an Worten, die dein Protagonist dafür benötigt, zeigt auf, wie sehr ihn das doch betroffen gemacht hat. Gelungen, hier wieder so viel mitzuteilen, ohne es explizit in Worten zu tun.
über dem mir Luft seltsam unruhig vorkommt. Als brennte er ohne Feuer und Rauch.
Hier würde ich für mein Leben gern vor der "Luft" ein "die" setzen, es klingt runder.

Hat sich echt gelohnt, deine Geschichte zu lesen. Absolut berechtigt, dass sie in die Empfehlungsliste gelangt ist.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @lakita =)

vielen Dank für's Lesen und die Hinwendung deines lektorischen Auges, wenn -

„ist schwanger. “
Hier ist es nicht die Formulierung, sondern ein Leerzeichen am Schluss zu viel. Mehr nicht.
- du das unnötige Leerzeichen erkennst. Man neigt ja nach mehrmaligen Lesen doch zu einer mentalen Textblindheit; ich glaube, die Fähigkeit, den eigenen Text immer neu zu lesen, ist eine außergewöhnlich große und leider habe ich sie nicht. Deine grammatikalischen Hinweise bezüglich der korrekten Kasusendungen habe ich korrigiert, danke dafür - habe tatsächlich mit an/am und Konjunktiv meine Problemchen. Merci!

Und ja, natürlich, mich freut es sehr, dass dir der Text gefällt. Zu deinen Hinweisen

Trotzdem habe ich ein paar Sächelchen gesehen, über die ich teils gestolpter bin. Mal sehen, wie du es siehst.
Du weißt, wo die Patientin lebt, wenn du ihr Haus betrittst: Ob oben oder unten, wo er sich wäscht, ob er sich bewegt, welche Zimmer archivieren und in welchen eine Tageszeitung weggeräumt wird.
Hier hätte ich es besser gefunden, wenn du beim Geschlecht "sie" geblieben wärst. Du beginnst mit "die Patientin" und schreibst dann mit "er" weiter, was mich aus dem Klang des Satzes wirft. Entweder, so mein Vorschlag, du schreibst die Patienten und bleibst dann in der Mehrzahl, dann hast alle Möglichkeiten offen oder insgesamt "Patientin" und "sie".
Ja, absolut richtig. Habe ich geändert in "sie". Da war ich weniger bei der Figur als bei einem sehr allgemeinen "Patienten".
Du sprichst kein Wort, weichst die Stellen ein, auf denen der Staub zu Krusten härtet, die sich über Jahrzehnte auf kranke Körper legen.
Hier hat mich das "über Jahrzehnte" gestört. Ist es denn so, dass es Jahrzehnte sind? Das würde dann beinhalten, dass auch die Körper Jahrzehnte krank sind. Sind sie das? Oder habe ich mich in diesem Satz vergaloppiert und verstehe ihn falsch?
Das sind sie. Aber: Ich habe auch an Jahre gedacht, aber bei Jahren fehlt mir die zeitliche Macht, die im Wort "Jahrzehnte" steckt. Hm, ich verstehe dich, sauber ist das nicht. Ich mag einfach ein Zeitwort verwenden, das Zeit nicht in planbaren Einheiten aufteilt - wie Jahre - sondern Zeit übermächtig, weit, nebulös und schicksalshaft darstellt. Hier ist ein Mensch, der sehr alt ist; die Krankheiten, die mit einer gelegentlichen 5-Minuten-Pause begannen, haben sich des Körpers bemächtigt, ihn immobil werden lassen.
desinfizierst den viel zu schmalen Wundrand,
Weshalb ist der Wundrand viel zu schmal. Ist das nicht eher etwas Positives? Ich lese diesen Satz aber hier so, dass es etwas Negatives zu sein scheint. Wie ist das gemeint. Die Protagonistin, die alles beschreibt, ist ja offensichtlich vom Fach scheint mir. Ich vertraue insoweit darauf, dass dieser Satz inhaltlich richtig ist, trotzdem versteh ich ihn nicht.
Ja, inhaltlich ist das schon richtig. Ist natürlich eine fachliche Geschichte, klar. Ich will jetzt nicht wie ein Besserwisser klingen, bitte nicht. Aber die Wunde, die hier beschrieben wird, ist ein Dekubitus, ein Druckgeschwür, 3. Grades. Dekubiti entstehen durch eine dauerhafte Druckbelastung (weswegen man ja bettlägerige Menschen immer umlagern, bewegen, mobilisieren muss). Das kann dazu führen, dass das Gewebe bis auf den Knochen abstirbt und sich schwarz verfärbt, ein Wundrand aber kaum erkennbar ist. Wunden heilen vom Wundrand, weswegen auf dem Wundrand ein besonderes Augenmerk gelegt wird. Auch wenn ich die Gefühle nicht beschrieben habe, in diesem kurzen Satz "viel zu schmaler Wundrand" steckt einfach die Erschütterung, die Hilflosigkeit der Pflegekräfte vor der Situation: Eine Wunde, tief bis zu den Wirbelfortsätzen, aber das, was Heilung zeigen könnte, ist eine viel zu schmale Linie. Auch wenn ich die Stelle etwas auf "Effekt" geschrieben habe, unrealistisch ist die Szene nicht. Gerade der Steiß ist prädestiniert für einen solchen Dekubitus.

Ehrlich gesagt ist das, denke ich, eine sehr fachliche Stelle. Ich habe hier darauf vertraut, dass der Leser der Fachlichkeit des Erzählers vertraut. Ich habe mal ein Buch gelesen, in dem Cricket eine wichtig Rolle spielte, von Cricket habe ich überhaupt keine Ahnung, aber dem Erzähler einfach vertraut, dass er korrekte Angaben macht. Ob das stimmt, weiß ich nicht.

An Tilidin
Was ist das?
Das ist ein starkes Schmerzmittel, das rezeptpflichtig ist, aber in Tablettenform nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt. Ich mag jetzt gar nicht behaupten, ich kenne mich da aus, aber schon auf der Berufsschule gab es da 18-jährige, die die nicht eingenommene Bedarfsmedi von Oma mal mitgehen ließen. Ich hab' Schmerzen, ich will etwas, was wirklich hilft, und nach Novamin, Ibu kommt das Tilidin, das immer irgendwer irgendwo "herumliegen" hat. Mich hat das damals schon schockiert, wie selbstverständlich Tilidin missbraucht werden kann und wie selbstverständlich der Missbrauch geworden ist. Ist aber nur ein Gefühl, ein Eindruck. Ich weiß nicht, wie bekannt Tilidin ist.
an das plötzliche Vor- und Wegdrehen der Wange,
Hier weigert sich ebenfalls mein Sprachgefühl den Satz rund zu finden:
... an dem plötzlichen Wegdrehen der Wange. "dem" statt das und wie schaut es aus, wenn man eine Wange vordreht?
Hier dachte ich an die Bewegung der Wange aus der Sicht des Erzählers. Aber stimmt, ist schon etwas unsauber. Andererseits gefällt mir Hindrehen nicht. Hindrehen, das hat so eine hässliche Anfangssilbe. Es ist ja ein ruhiger Text, das sind solche Hinz-und-Kinz-Silben irgendwie unschön.
sie mögen „chok-o-lade“.
Hier stört mich, dass du es so schreibst und was soll das zusätzlich über diese Freunde aussagen. Die Aussage ist doch die, dass sie sich nur um sich selbst drehen und nicht für andere Leute interessieren. Sie also gar nicht begreifen, dass dein Protagonist von dem Mädchen fasziniert ist.
Hui, das ist sehr ... pfiffig gedacht. Jetzt bringst du mich ins Schwitzen. Ja, richtig, diese Ignoranz der Faszination gegenüber entsteht ja aus dem Kreisen um sich selbst. Was ich ein wenig zum Ausdruck bringen wollte ... sie reden ja nicht über Schokolade oder gar Schoki, sondern betonen eine besondere Form der Schokolade. Schokolade ist in Mitteleuropa eine Allerweltssüßigkeit, alle essen Schokolade und natürlich gibt es die Betonung, dieses bewusste Abgrenzen gegenüber dem Nussknacker vom Aldi oder der Milka. Aber ich verstehe deinen Punkt sehr: Das Charakterisieren des Milieus entsteht aus der Ignoranz gegen die Faszination. Hui, jetzt wirds textwirkungstheoretisch - ich habe jetzt die Mittel nicht dazu, das zu lösen ... mir gefällt das "chok-o-lade" als bewusster Leseflussbruch recht gut.
Hat sich echt gelohnt, deine Geschichte zu lesen. Absolut berechtigt, dass sie in die Empfehlungsliste gelangt ist.
Vielen, vielen Dank @lakita! Ich hoffe, ich konnte deine Fragen befriedigend beantworten.

Lg aus Leipzig
kiroly

 

Lieber @kiroly (es ist doch lieber, oder?),

es ist ja schon einiges zu deinem Text gesagt worden, allerdings möchte ich dir trotzdem meinen Leseeindruck dalassen. Zunächst hatte ich etwas Schwierigkeiten, in den Text reinzukommen, weil mich die direkte Absprache etwas abgeschreckt hat. Als diese erste kleine Hürde genommen war, war ich am Ende erstaunt, wie sehr mich deine Geschichte mitgenommen hat. Da steckt so ein Schmerz, eine Resignation und Ungerechtigkeit drin. Und ganz besonders treffend fand ich das Ende, was mich überrascht hat, aber natürlich schon im Text gezielt von dir angelegt worden ist (hier denke ich zum Beispiel an das Bild des Paares kurz vor dem Beischlaf). Ja, ist schon ein besonderer Text und ich möchte noch eine weitere Empfindung teilen: Ich habe die Beschreibung der Patientin als sehr glaubwürdig wahrgenommen und mir ist dabei selbst etwas unwohl im Körper geworden. Ist schon sehr beeindruckend, was Pflegende so alles leisten, ich könnte das nicht.

Hier noch einige Anmerkungen und Lieblingsstellen:

Du weißt, wo die Patientin lebt, wenn du ihr Haus betrittst: Ob oben oder unten, wo sie sich wäscht, ob sie sich bewegt, welche Zimmer archivieren und in welchen eine Tageszeitung weggeräumt wird. Du hast das Fährtenlesen erlernt. Ich wundere mich, wie hell du scheinst.
Das ist eine Lieblingsstelle, weil mich das "Fährtenlesen" vom Sockel gehauen hat und ich es einerseits überraschend fand in diesem Kontext und andererseits dann sehr treffen und originell.

Die Wunde am Steiß hat die Größe deiner Hand und die Tiefe deiner Faust, wenn du deine Finger drückst, passen deine Fingerknöchel auf die Fortsätze ihrer Wirbelsäule.
Das meinte ich weiter oben, dass mich das mitgenommen hat. Oh, was sie wohl für Schmerzen aushalten muss?

Deine Klasselehrerin meint
Kleinigkeit: Müsste "Klassenlehrerin" sein, oder?

Du erzählst von deiner Mutter. Einmal zog sie für zehn Tage nach Usedom.
Das finde ich einen sehr fließenden und geschickten Übergang. Die Rückblende fügt sich nahtlos an die Erzählung an und ich kaufe das sofort.

die jetzt Nudeln, Bolognese und Eisbergsalat in Plasteware mitbrachten
Was genau ist mir Plasteware gemeint? Ist das ein spezieller Dialekt? Könnte ja möglicherweise etwas über das Milieu aussagen, ich konnte das allerdings nicht zuordnen.

meine Freunde verstehen nicht, warum manche Menschen in den Himmel schauen und sich nicht sorgen, über all die warmen, trüben Sommer der letzten und kommenden Jahre.
Das ist auch so eine Lieblingsstelle. Mit wenigen Worte so viel ausgedrückt. Tja, es haben eben nicht alle das Privileg über die Zukunft nachzudenken, weil sie solche Sorgen in der Gegenwart haben. Ja, das trifft direkt ins Schwarze.

„Die Lara, ja“, sagt der Verkäufer an der ARAL, „ist schwanger.“
Hat mich erst überrascht, auf der anderen Seite war schon eine gewisse sexuelle Schwingung in dem Text angelegt und so ist das glaubwürdig. Funktioniert sehr gut für mich.

Insgesamt ein toller Text, der die Empfehlung absolut verdient hat. Wünsche dir eine erfolgreiche Restwoche und habe mich über deinen Kommentar gefreut.


Beste Grüße
MRG

 

“I told that girl I can start right away
And she said, "Listen baby I've got something to say
I got no car and it's breaking my heart
But I've found a driver and that's a start"

aus: Lennon/McCartney “Drive My Car“
(auf „Rubber Soul“, 1965)​

Ich noch mal - als teilnehmender/-habender Beobachter - wenn ich darf ... und wenn es da heißt

Diesen Satz finde ich unpassend. Kann mir schwer vorstellen, dass ein Kassierer diesen Satz so an der Kasse sagen würde. Braten in der Röhre klingt schon sehr überholt.
Der Satz, den @Habentus meint, lautet

An den Brötchen der ARAL magst du den weißen Käse nicht, er verursache Magenkrämpfe, anders als die Donuts und Croissants -
und ich fragte mich schon bei der Durchsicht, seit wann ein kiroly Marketing / Werbung betreibt und momentan glaube ich es zu wissen, denn es ist die Umkehrung der LARA – warum auch nicht, denn Schwitters - den ich gerade verschlungen hab - ist ja weniger durch seine (Wort-)Spiele mit Hannover als mit seiner Anna von vorne bis hinten berühmt geworden.

Ein legitimes Wortspiel, wie ich meine.

Und schön, dass ich wohl mit

Deine Klasselehrerin meint, …
statt Klassenlehrerin richtig lag.

Hab ich Dich eigentlich schon gelobt und vor allem gratuliert?
Mehrmals kann ja nicht schaden ...

Tschüss

jetzt folge ich dem Ruf zivilisierter Wildnis

Friedel

 

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