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Kurze Beschreibung eines Hundelebens

Seniors
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12.04.2007
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Kurze Beschreibung eines Hundelebens

KURZE BESCHREIBUNG EINES HUNDELEBENS
oder
YOU AIN’T NOTHIN’ – was zu gut deutsch meint: BISTENIX

Ein Kürzestroman

«If you’re lonely you can talk to me»
Lennon-McCartney, Hey Bulldog


«You ain’t nothin’ but a hound dog cryin’ all the time» röhrt Willy DeVille mit der schwärzesten Stimme seit Big Mama Thornton aus den Lautsprechern. Fühl mich wie’n elfjähriger Spund trotz meiner geschätzten achtzig Jahre und benehm’ mich heut noch immer wie’n hundsgemein alt gewordener Rabauke, der die Lederjacke auszuzieh’n vergessen hat und ich find, dass in meinem Altersgenossen B. B. King mehr Leben steckt als in allen Schlagerfuzzies der Welt. - Wir haben Rhythm & Blues im Blut.

Nennen Sie mich, - bitte, - Bingo-Bongo, damit man mich nicht mit meinem Vater verwechsle. Mein Name ist eigentlich Bingo. Papa hieß Bingo und auch dessen Vater und meines Wissens mindestens noch ein Onkel in Dingsda am Niederrhein. Darum wurd’ ich immer schon Bingo-Bongo gerufen, dass man den Bingo-Bengel vom Bingoopa usw. unterscheiden konnte. Jeder Erstgeborene in unserer Familie wurde Bingo genannt. Das war immer schon so und ersparte großartiges Nachdenken darüber, wie ein Kind zu nennen sei, (- denn eine entsprechende Regelung gab es auch für die Nächstgeborenen, die hießen dann – in der Reihenfolge der Nennung – Jo, Caesar, Bello usw. usf.). Das Nachdenken hatte dann mit dem Beinamen einzusetzen, um die Gleichnamigen unterscheiden zu können. So ist es mit altem Brauchtum. Immerhin wurden wir nicht mit Namen gerufen, die die Werbung vorgab (z. B. Caloderma) oder gar die Zeitgeschichte (z. B. Adolf). Da obsiegte die Tradition über modische Erscheinungen, die so schnell wieder verschwinden wie sie gekommen sind.

Bingo-Bongo klingt sehr rhythmisch und wird von den Rufern selten geschrie’n und umso häufiger in einem mehr oder minder melodiösen Sing-Sang gerufen. Damit eignet sich mein Name wenig für militärische Befehlsstrukturen. Schon meine krummen Beine verhindern, dass ich stramm steh’n kann. - Möcht’ kein’ andern Namen tragen. Er lässt mich träumen von Afrika, das ich nie sehen werd’. Gleichwohl möcht’ ich nicht nach Timbuktu. ’s wär mir dort zu heiß!

Erinnere mich, dass Bingo-Bengel gern ein ordentliches Handwerk hätt’ erlernen wollen. Doch die Verhältnisse ließen es nicht zu. Obwohl Handwerk – angeblich - gold’nen Boden hat, musste Bingo-Bengel Geld nach Hause bringen und verdingte sich zeitlebens als Hilfsarbeiter. Ein gold’ner Boden macht nicht satt. - (Indem er mit den Augen stahl, lernte er immerhin so viel, dass er im alltäglichen Leben alles Handwerkliche selber verrichten konnte und manchen Facharbeiter in dessen Tätigkeit übertraf.) – Mit 38 wurd’ er zum Chemiewerker angelernt und war seitdem stolz darauf, ein „besserer“ Hilfsarbeiter zu sein, wenn schon der Traum vom Aufstieg ins Kleinbürgertum – und sei’s nur als selbständiger Pommesverkäufer oder Kioskbesitzer - sich nicht verwirklichen ließ.

Die Jugend verbracht’ er in einem Krieg, den eine Meute Deutscher Schäferhunde gegen den Rest der Welt angezettelt hatte. Die Geschichte ist bekannt. Als Hundehalter neigt man schnell zum Rassismus und mancher Züchter verbreitet seine Auffassung von der Welt missionarisch und formt die Geschöpfe nach Statuten (- als reichten nicht schon die Mendelschen Gesetze -), vor allem aber nach seinem Bilde. Opfer der wahnwitzigen Idee einer reinen Rassenlehre und der Gleichsetzung Mensch und Gott ist die gekränkte Natur im reinrassigen Hund. Und obwohl Papa kein Schäferhund war, blieben Kriegserlebnisse und Nachkriegszeit zeitlebens das ihn beherrschende Thema. Er wähnte sich da in heldenhaften Zeiten, in denen ihm allerdings die Jugend geraubt wurde. Den UvD konnte er niemals verbergen.

Überhaupt galt er in jungen Jahren als geiler Hund, der seine Perlen hütete wie ein Spitz, bis zu dem Zeitpunkt, da er das «Spitz pass auf » verpasste und seine Liebste mit einer Bordeauxdogge durchbrannte. Sein Jähzorn war groß und er zerriss ein Stück Papier in der Luft, - aber er hatte keine Chance. Die Traumfrau entpuppte sich als Alptraum. Die Liebe zeigte, dass sie keinen sonderlich langen Bestand hat, und die viel beschwor’nen ewige Liebe & Treue Illusionen sind. Aber er sollte sein Kaninchen fangen, wenn auch seine neue Beziehung mit einer Lüge begann: er wettete in seiner Meute, die jungverwitwete Goldie herumzukriegen. Er gewann die Wette und Goldie, denn es gehörte sich selbst in seinen Kreisen und der Meute nicht, eine Schwangere sitzen zu lassen. Also landete nach einer Hundswache mein alter Herr im Hafen der Ehe. Und wenn die Alten sagen

vor Zeiten hab' ich einen Hund besessen,
mag auch sein, dass er mich besaß.
Der Köter zeugte Junge,
dass ich einen Vater zum Hund bekam
und einen Hund zum Vater.
Also ist mein Vater ein Hund gewesen,

so müssen die Leute meinen, dass es auf mich zuträfe.

Goldie war, wie es sich gehörte, wenig mehr als ein Jahr jünger als ihr Windhund und ihr Leben war bis dahin ähnlich verlaufen wie seines: auch sie hatte keinen Beruf erlernen dürfen - (obwohl Nähen und Schneidern ihre Profession war und den Berufswunsch bestimmt hätt’; auch sie lernte beim Zuschau’n und nähte, strickte und schneiderte ebenso gut als irgendein Schneider es nur kann) - und musste Geld heranschaffen. Da kam die Liebe zu einem uniformierten schmucken jungen Kriegshund gerade richtig, um sich aus beengten häuslichen Verhältnissen zu befreien und –

Witwe zu werden, denn der Jüngling kam nicht einmal bis Stalingrad. Also kehrte sie eher unfreiwillig heim.

Während Goldie’s Heimkunft starb die Mutter. Die hatt’ das braune Gebelle nicht ertragen und ängstigte sich um ihren Mann, der vor aller Welt sang:

«Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei,
selbst Adolf Hitler mit seiner Partei»,

womit er Recht behalten sollte. Aber da hatte die Angst die Mutter Goldies bereits aufgefressen.

Das Weib, das nun von Goldies Vater zur Frau genommen wurde, galt schnell als böse Stiefmutter, die wir aus Märchen kennen. Die junge Witwe träumte vom toten Helden und wünschte, von zu Hause weg zu kommen. Und sie kam durch genannte Wette weg. Also wurde die Hypothese verifiziert, dass manche Unschuld in Jahren bemessen wird. Der Gewinn für sie war ein Balg, - eben ich, - und ein Mann, der Tag und Nacht arbeiten musste, um das wachsende Rudel am Kacken zu halten. So wurde denn das Rudel des geilen Hundes zur proletarischen Variante der vaterlosen Gesellschaft. Der mütterliche Ehrgeiz bestand darin, älter zu werden als die eigene Mutter und ihre Welpen in ordentliche Ausbildungen zu schicken, was auch beides gelungen ist. Denn dumme Hunde mocht’ sie nicht!

Das erste Buch, dass ich in die Hand bekam, hieß Winnie The Pooh (natürlich in einer frühen Übersetzung als Pu der Bär), - als Bilderbuch, oder war’s doch ein Comic? Es begründete meine Liebe zur Literatur und den späteren Wunsch, selber zu schreiben und zu zeichnen. Ein erstaunlicher Wunsch für einen Hund von bescheidenem Verstand und einem Wortschatz von vielleicht dreißig Begriffen.

Darauf konnt’ ich aber keine Rücksicht nehmen!

Schnüffeln und markieren ist das halbe Leben eines Rüden, und so las ich morgens und abends meine Zeitung, suchte lesend meinen Weg. Suchte in anderen Lebenswelten meinen eig’nen Weg zu finden und legte meine Spur. Ich ergab mich nach Rin-Tin-Tin, Lassie, Corky und Fury, sobald ich’s konnt’, dem Fernstudium des Wolfs, zunächst behutsam mit London’s Wolfsblut und dann studiert’ ich heftig bei Dorit Feddersen-Petersen den Puwo und den Wopu. Schon der Doppelname erschien mir als eine schöpferische Leistung und erst recht die Bezeichnungen der Kreuzung von Pudel und Wolf und Wolf und Pudel. Feddersen-Petersen gleicht vom äußeren her einem Pudel, hat aber den Mut eines Wolfs.

Erstes und wichtigstes Instrument meiner frühen Erziehung war ein Halsband mit einer langen Leine daran, an der ich kurz oder lang gehalten wurd’. Ich weiß nach so langer Zeit nicht mehr, ob es ein normales oder ein Stachelhalsband war; - (in der Erinnerung eines achtzigjährigen Lebens verblasst manches, wird unbewusst; und mit dem Schmerz verblassen die Narben). Auf jeden Fall fand die erste Erziehung mittels dieses Halsbandes statt, an dem ich ruckartig zu meiner Obrigkeit gezerrt wurde, wenn ich ihr nicht zu Willen war, dass ich oft durch die Luft flog wie ein abstürzender Fliegender Hund. Hier zeigt sich, dass schwache Menschen Hunde halten um des Gefühls willen, dass jemand ihrem Befehl gehorche und sei’s eine noch so schwache Kreatur! Zeigte die Kreatur sich als zu stark und widerständig, bräche man ihren Willen oder, scheinbar eleganter, gäbe die Kreatur ins Heim, -

wie’s mir geschah. In meinen jungen Jahren galt ich als rüder Typ und als ich mit geschätzten 4 ½ Jahren aus dem Heim adoptiert wurde, in das ich kurz zuvor gesteckt wurde, galt ich als aggressiv und Angstbeißer. Dass ein Wald als Symbol der Freiheit in der Nähe meines ersten Zuhauses lag, erfuhr ich erst, als es nicht mehr mein Zuhause war. Da dachte ich zum ersten Mal, Eltern und überhaupt alle Obrigkeit sollte man verbieten! Und dass die alten Griechen Recht hatten und die Götter mich halt nicht liebten und deshalb leben ließen. Auf keinen Fall wollt’ ich werden wie Bingo-Bengel und womöglich als Pommesverkäufer enden oder den autoritären Macho heraushängen lassen. Dann schon lieber den Traum Goldies erfüllen und was Besseres werden, selber schreiben oder aufschneiden, so weit es nix reales werden würde.

Bin’n scheues Reh, - ’ne erstaunliche Aussage für’n Hund. Glaub’ aber niemand, dass ich Problemen ausweich wie’n Reh der Gefahr. In der Gefahr nehm ich’s mit jeder Dogge auf, werd zum Wolf. – Schüchtern bin ich. Ja und? Dass sind abertausende und aberwitzig Millionen, vielleicht Milliarden andre auch. Wurd früher rot, werd’s nicht mehr so leicht & schnell. Kann – natürlich – noch passieren, wenn ich mich ertappt fühl. Wird aber dann vom Fell verdeckt, - sofern’s nicht beschnitten ist. Die Knie werden mir manchmal weich. Auch Schweiß kann mir ausbrechen und die Zunge schwer werden lassen. Was in der Regel gar nicht auffällt, wenn ich nix sag. Hab sicher Hemmungen im Umgang mit Andern. Halt’s dann mit Karl Valentin, nachdem der Fremde fremd ist in der Fremde und in der negativen Variante bin ich fremd unter Fremden (oder t...), wenn’n Zug über mich wegrollt.
Obwohl man mich im Heim in Ruhe ließ, verkümmerte ich, magerte ab, drohte zu verhungern. Ich lag im Hundeelend, fühlte mich als Hundsfott unter lauter Hundsföttern. Ich war hundemüde. Hundemüd’ war ich! Und heute, nach so langer Zeit, bin ich immer noch müde und gelt’ als ein fauler Hund. Denn ich bin der Schweinehund, der den Wolf studiert hat und der vergeudet bekanntermaßen nicht seine Kräfte, hält mit ihnen haus. Der Wolf hat das ökonomische Prinzip verinnerlicht: Mit gegebenen Mitteln den maximalen Erfolg zu erzielen oder (- als Variante -) ein bestimmtes Ziel unter Einsatz geringster Mittel zu erreichen ist seine Maxime. Da nix erfolgreicher ist als der Erfolg ist daraus der pure Humbug des Mini-Max-Prinzips geworden in Form der Behauptung, man könnte mit geringsten Mitteln den größtmöglichen Erfolg erzielen.

Der Wolf muss ohne die Differentialrechnung zu kennen nach dem ökonomischen Prinzip leben, um zu überleben, und darum verschwendet er auch keine Kräfte wie’n dummer Hund, um ein Kaninchen zu fangen. Sei’s drum: ich hütete bald einen Haushalt und wurde Herr der Zahlen. Statt Texte zu schreiben, schrieb ich nun Bilanzen & erklärte Steuern.

Mit der Adoption kam die Freiheit und ich konnt’ endlich leben wie ein Hund. Ich verliebte mich in Lisa. Lisas Beine ragten bis in den Himmel und der Körper war perfekt und durchtrainiert. Und ich versuchte mich in Romantik:

Ich wollt’ ein Liebeslied schreiben
Und manches reimte sich zwangsläufig
Doch war das nicht gerade sehr häufig
Zu reimen war mir nicht geläufig.

Sobald ich Lisa sah, wurd’ mir kalt und warm und Schweiß brach mir aus, die Zunge wurd’ schwer und die Knie wurden mir weich. So wurde mein Lauf verlangsamt, ich stotterte mir eins zurecht und ergab mich romantischer Gefühlswelt:

Ich wollt’ ein Liebeslied schreiben
Und einige Verse kamen und blieben
Die habe ich Zeile für Zeile niedergeschrieben
Und so das Lied vorwärtsgetrieben.

Und die Wiederholung des Grundmotivs inmitten einer Pfütze und Lisa ist schon weg, ich wird’ wütend, denn ich mag in keinem noch so kleinen Gewässer steh’n, denn Lisa ist schon weg, denn ihr wär’s in meinem Herzen ziemlich eng geworden:

Ich wollt’ ein Liebeslied schreiben
Und was ich geschrieben, das hab ich gesungen
Doch was ich sang, hat schwach geklungen
Das Lied war, mit Verlaub, misslungen.

Da lernte ich, dass die Beatles kluge Leute waren, denn manches Glück misst sich in Meilen, - besonders das von Hunden. So war auch meiner Liebe keine Ewigkeit beschieden, denn Lisa wurde nach einem Sommerhalbjahr in einem anderen Revier ausgeführt. Vielleicht war’s auch besser so, denn es wäre nicht gut ausgegangen für mich Leichtgewicht gegen Lisa, die ein Kraftpaket von Mastiff war und manch anderen Kerl als mich aufs Kreuz gelegt hätt’.

Obwohl ich weiß, dass’s Bessre gibt als mich, fühl ich mich nicht minderwertig. Glaub nicht, dass ich unterm Minderwertigkeitskomplex leide. Auch der alte Ödipus spielt keine Rolle in meinem Leben. Wann und warum sollt ich Konkurrent meines Vaters werden? Bin kein Muttersöhnchen. Wie in jedem Krimi wissen wir von Anbeginn an, was Ö. noch nicht weiß: dass der alte Mann, der sich ihm auf dem Weg nach Theben in den Weg stellt und den er erschlägt, sein eigener Vater ist, der König von Theben, denn Ö. kennt seinen leiblichen Vater nicht und hat sich einfach zu weit vorgewagt. Die Frage der Sphinx hat er beantwortet und Theben damit von einer Gefahr befreit. Ö. wird mit der Königswitwe vermählt und König von Theben. Ob Ö. die Frau geliebt hat, erfahren wir nicht. Vielleicht wollt er auch nur König werden. Jedenfalls macht er ihr vier Kinder: zwei Mädchen, zwei Jungen.

Die Frage der Sphinx hat er beantwortet und Theben damit von einer Gefahr befreit, um sie durch eine neue zu ersetzen: durch sich und seine Familienbande. Denn die natürliche Ordnung ist gestört: er findet selber raus, dass er den Vater umgebracht und die eigene Mutter zur Frau genommen hat, seine Kinder zugleich seine Halbgeschwister sind. Wird in Doderers Merowingern der Ehrgeiz, alle Verwandtschaftsgrade zu sich selbst zu haben zur Komödie, so wird aus dem Ö. eine Tragödie: König Ö. wirft die Brocken hin, die Königin erhängt sich. Ö. blendet sich und verlässt mit seiner Lieblingstochter Theben auf nimmer Wiedersehn. Wohlwollend interpretiert man, er habe Theben vor weiterem Unglück bewahren wollen, in Wirklichkeit ist er der Verantwortung entflohen und hat die nächste Katastrophe für Theben bereitet mit dem Machtkampf, der unter den Söhnen Ö.s ausbricht. Da bekommt der Ausdruck der Familienbande einen bittern Beigeschmack, wenn’s ums Erbe geht.

Kann mich nicht entsinnen, untern Ödipuskomplex gefallen zu sein. Da träf schon eher das Hildebrandslied auf mein hündisches Leben zu. -

Sollt ich nicht fähig sein zu lieben? –

Auch meint man, ich fänd keine Freundschaften. Ich such gar keine! Warum auch? Was soll ich in’ner Meute? Mit der Meute heulen? Was ich bisher für Freundschaften hielt war’n oft nur Zweckbündnisse, vor allem, wenn man sich auf diese Freunde verlässt, ist man verlassen. Dieses Phänomen hat Sebastian Haffner in seinen Ausführungen über die viel gepriesene Kameradschaft beschrieben. Wenns ernst wird, wird der andre ggfs. in die Pfanne gehaun. Die Karriere könnt sonst leiden. Bin auch skeptisch gegen Leute, die vorgeben eine große Zahl an Freunden zu haben. Ich kenn nur Bekannte, die kuschen, wenn’s ernst wird & immer schon wussten, dass’s mit der Freundschaft nicht so weit her ist + der Bekannte’n A… ist. Liebe & Solidarität, - d. i. nix andres als die neutestamentarische Nächstenliebe, - sind rückläufig. Kann auch gar nicht anders sein, wo alles zum Geschäft verkommt, der kleine Mann bestenfalls als Konsument zählt & alles zahlt + ders auch noch nur murrend hinnimmt.

Für Informelle Mitarbeiter braucht’s keines Staatssicherheitsdienstes. Das Talent hierzu hat jeder. Zum Denunziantentum bedarf’s keiner Ausbildung!

Fürcht nicht, dass andre schlecht über mich denken oder gar reden. Sie tun’s eh. Im Esszimmer meiner zweiten Höhle in Osterfeld war das Schild aufgehängt mit der Aufschrift

SPRECHEN SIE NICHT ÜBER SICH, DAS TUN SCHON WIR, WENN SIE WEG SIND!

Was nicht jeder verstanden hat.

Dreimal folgte ich noch meinen Trieben und büchste aus, fand aber auf meiner Spur wieder zurück. Dann wurd’ ich kastriert, womit mein Hundeleben ein wenig langweiliger wurde. Aber die Geilheit wurde durch Fresssucht ersetzt. Somit kann ich mich mit der Verstümmelung abfinden, denn Fressen und Saufen haben auch ihren Reiz. Doch von nun an konnte man meinen, ich hieße „Pfui!“ oder „Aus!“, aber ich bin immer noch Bingo-Bongo.

Es beginnt eine Zeit, da Wachhunde nicht mehr gebraucht werden und durch Warnanlagen ersetzt werden. Eigentlich ein uralter Traum, sich vom Fluch der Arbeit befrei’n zu können, vor allem verblödender, weil immer-gleicher Arbeit. Doch ich gelt als fauler Hund. Vielleicht erzähl’ ich hier Hundeschiet. Aber alles, was der Volksmund durch falsche Freunde plappert wie „jeder ist seines Glückes Schmied“ ist ebenso stinkender Bullshit wie „wer Arbeit haben will, der kriegt auch welche“. Es dient alles nur der eigenen Rechtfertigung: dem Reichen, dass er’s geschafft habe (selbst wenn er’s ererbt hat oder einen ander’n in die Pfanne gehau’n hat oder seine Ellenbogen virtuos einsetzen kann etc.); dem Hungerleider, dass er den 1-€-Job angenommen hat (denn was beweisen diese Jobs anderes, als das es Arbeit genug gibt, die nur in der herrschenden Meinung nix Wert ist, da sich daran wenig oder auch gar nix verdienen lässt). Beweist der Hungerleider nicht damit, dass er gerne Hunger leidet, indem er den Job annimmt?

Soll ich mir mein Revier selber schaffen und abgrenzen? Mir selber Aktien schreiben & Ich-AG werden? Wie ist der Kurs einer jeden Ich-AG? Wann gibt’s endlich die Du-AG und die Aktien verbinden sich zur Wirr-AG?

Oh, ihr armen Menschenkinder, leben wir nicht in der besten aller möglichen Welten?

Sei’s drum: Unser Rudel wurde erweitert und seit vier Jahren leb’ ich alter Sack mit einer rassigen Groenendale zusammen, die nicht einmal halb so alt ist wie ich, als ein Johannes Heesters unter allen Hunden dieser Welt. Für einen müden Krieger wie mich ein erstaunliches Ergebnis. Ein verwunderliches Ergebnis für einen übergewichtigen alternden Köter, der neben jedermanns Zipperlein eine Rattenvergiftung und zwei Schlaganfälle überstanden hat.

Aber ich bin nicht der einzige Schüchterne. Abertausend oder Million’, vielleicht Milliarden gibt’s. Wir leben so dahin ohne besonders geschäftstüchtig zu sein und untalentiert, andre übern Tisch zu zieh’n. Aber wir woll’n auch nicht übern Tisch gezogen werden!

Wir haben R&B im Blut und obwohl wir in den Entzug gehören zucken wir immer noch zusammen, wenn Willy DeVille mit der schwärzesten und bekifftesten Stimme seit Willie Mae Thornton den Hound Dog grölt. Wir suchen nicht das Seniorenheim der Volksmusik, dem selbst ein Karl Moik sich verweigert hätte, hätt’ er vom Jazz leben können. Wir lassen die Wände uns’res Seniorenappartements durchs Dogs der Who wackeln. Und Karl Moik spielt und singt derweil My Generation.

 

Buenos dias,

liebe Rosta,

ich bin Belgia, die Lebensgefährtin von Bingo-Bongo, der immer noch unter den Auswirkungen einer seiner, wenn auch inzwischen selteneren Sauftouren leidet. Am Freitag hat er den Hals mit nicht genug dunklem Einbecker Ur-Bock vollkriegen können und heute noch stört ihn das grelle Licht aber auch jedes Gebelle der Nachbarn. Kurz: er hat noch einen Kater und Katzen hasst er über alles mit ihrem Miauen („Das sollen Laute sein?“, fragt er immer) und dem ständigen Schnurren, das seinen Ohren Schmerzen zufügt. Katzen sieht er am liebsten als falsche Hasen zubereitet. Dabei vergisst er gerne, dass sein Herrchen ihm früher mit dem Chinesen gedroht hat. Aber damit kann man Bingo-Bongo heute nicht mehr kommen, denn er weiß, dass allein junge Hunde gut schmecken. Er leidet also eher mehr als weniger selbstverschuldet, dass wir kein Mitleid mit ihm haben müssen.

Ich danke dir im Namen Bingos für deine Zeilen und ich weiß, er wird sich nicht beschimpft fühlen. Vielleicht wird er die eine oder andere ironische Bemerkung abgeben, aber die sind nicht bös gemeint. Freuen wird ihn besonders deine Anmerkung zu seinem Stil. In Wirklichkeit hat er nämlich keinen und so trägt er auch keinen Hut, weder im Winter noch im Sommer trägt er eine Kopfbedeckung Hat er auch nicht nötig, denn sein Gesicht besteht fast nur aus Haupt- und Barthaar und wenn wir Heimbewohner ihn nicht ab und zu zum Schafscherer schickten liefe er herum wie Rapunzel, zumindest wie Rasputin. Schmeicheln wird ihm die Bemerkung, er sei ein gerissener Hund. Er sagt zwar immer, was er sei, müssten andere entscheiden, denn er sehe sich so selten, aber für gerissen hält er sich bestimmt nicht, eher für einen dummen Hund. Aber wir wissen ja, dass Klugheit manchmal darin bestehen kann, sich dumm zu stellen. Wie er auf B. B. King gekommen ist, weiß ich so recht nicht, denn einerseits mag er keine Könige, andererseits hört er viel lieber Burnett (Howlin’ Wolf) und Morganfield (Muddy Waters), wenn wir denn beim Blues bleiben.

Dass eine Lebensbeschreibung schon mal mehrere Stränge haben kann, vielleicht muss, finde ich natürlich. Sonst wäre es ein stinklangweiliges Leben. Es bleibt dennoch e i n e Geschichte, nämlich in unserem Fall, Bingos. Ein Hundeleben unterscheidet sich halt von dem einer Eintagsfliege.

Was mich persönlich ein bisschen in deinem Schreiben trifft ist die Vermutung, dass bei uns „bestimmt sogar noch die Mäuse die Treppe hoch und runter [tanzen“. Weißt du nicht, dass wir Hunde Mäuse als Bereicherung unseres Speiseplans ansehen?

Aber ich muss Schluss machen, ich höre gerade die ersten Takte „Muddy Waters Rose Out The Mississippi Mud“.

Hasta la vistas und mit lieben Grüßen von

Belgia und - sicherlich auch - von Bingo

 

¡Buenos noches, Rosta und Freund, der der Freundin gelegentlich über die Schulter schaut!

Was bleibt einer Hündin anderes übrig als die Eskapaden eines Rüden zu ertragen, der ja nicht grundlos so genannt wird. Als Gegenleistung holt er mich gelegentlich aus Karnickelbauten heraus, in die ich von meiner Körpergröße her eigentlich gar nicht hineingehörte und wenn’s kein Vorwärts und kein Zurück mehr gibt muss mir heraus geholfen werden. Ich werd’ da halt mehr vom Jagdtrieb gesteuert als er, der ja ein Wachhund ist und den Wolf studiert hat.

Natürlich machen wir mit unserem Fell auch Mäuse. Aber da sind die Menschen ein wenig blöde: sie beseitigen die Wolle, statt sie zu sammeln und Pullover daraus zu machen. Mit Bingos Putz hätt’s schon einige geben können. Und da er weiß und beige kombiniert ist, ich schwarz mit hennafarbenen Einschlägen bin (besonders schön zu sehen, wenn die Sonne auf mich scheint und ich zurückstrahle) könnten sogar Muster geschaffen werden. Aber den Zweibeinern fehlt’s da an Fantasie.

Nun, bei der Stilfrage misch ich mich nicht ein. Außer, dass er auch schweigen kann. Aber absolut nicht, wenn einer sein Revier beschreitet oder gar verletzt! Dann wehe dem Eindringling, der die Grenzen überschritten hat! Da ist ein Wachhund nicht zu bremsen. Das war ja auch mal sein Job.

Die Bemerkung zu Luther gefällt ihm sicherlich sehr, denn den hält er in seiner Sprachgewalt höher als alle Seichtschwätzer. So sollten wir doch zugeben, dass die neueren Bibelübersetzungen Pfützen sind gegenüber Luthers Seen.

Bingo ist wieder wohlauf und es geht ihm gut. Das erste, was er heute tat war damit fortzufahren, womit er am Wochenend’ aufgehört hat. Keine Bange, erst als er sich mit Burghausen und den Bayern abgab, hat er ein wenig Urbock getrunken.

Warum sollst Du nicht neugierig sein? Wir Hunde sind’s doch auch, stecken überall unsere Schnauze, insbesondere unser Riechorgan rein.

Kurze Antwort (auch im Konjunktiv): könnte sein, dass ich mal mehr als eine Art Brief schreibe, ich weiß es aber noch nicht, denn ich weiß nicht, ob ich von der spanischen Grammatik loskomme, denn ich stamme, - obwohl eine Groendaele – aus Spanien, wo ich wild gelebt habe und zum Schluss fast in der Gaskammer geendet wär.

Es hat mich gefreut, Dich kennenzulernen!

¡Hasta la vistas!

Belgia

 

Hallo Friedrichard,

also jetzt will ich mir erstmal Deinen Text ausdrucken. Ich möchte meine Augen vor Quadratismus bewahren. Heute habe ich einfach viel zu viel gesurft... Du hörst - liest - dann wieder von mir.

Heute Abend schaue ich mir das Video von Joe Zawinul, Herbi Hancock und Friedrich Gulda (Salzburger Festspiele 1989) an und trauere ein bischen um den Joe. Die Trauer um Friedrich Gulda liegt ja schon um einiges zurück. Ich verstehe nicht viel vom Jazz, aber das (89) war eine echte Sternstunde meines Lebens.

Grüsse aus der 'Altersresidenz',
Gisanne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedrichard,

eine schlumpige (keineswegs schlampige!), um viele Ecken kurvende, mit Zeitkritik durchwürzte Geschichte. Dein Prot übt sich zurückhaltend und in bescheidener Meinungsfreiheit am Rückblick auf sein Hundeleben. Wow und Puuh. So viel an Fülle, Schwere und Leichtigkeit. So viel Trauriges verpackt im einfach 'daherreden'. Das ist keine leichte Kost und die habe ich bei Dir auch nicht gesucht!!

Glanzlichter:

Die Jugend verbracht’ er in einem Krieg, den eine Meute Deutscher Schäferhunde gegen den Rest der Welt angezettelt hatte. Die Geschichte ist bekannt. Als Hundehalter neigt man schnell zum Rassismus und mancher Züchter verbreitet seine Auffassung von der Welt missionarisch und formt die Geschöpfe nach Statuten (- als reichten nicht schon die Mendelschen Gesetze -), vor allem aber nach seinem Bilde. Opfer der wahnwitzigen Idee einer reinen Rassenlehre und der Gleichsetzung Mensch und Gott ist die gekränkte Natur im reinrassigen Hund.

und:

Da kam die Liebe zu einem uniformierten schmucken jungen Kriegshund gerade richtig, um sich aus beengten häuslichen Verhältnissen zu befreien und –

Witwe zu werden, denn der Jüngling kam nicht einmal bis Stalingrad.


----
Dann der Schlenker in die griech. Mythologie: Das meine ich mit 'schlumpig': Ödipus aus der Sicht eines 80jährigen, der nun, weiss Zeuss, über dem Freudschen Komplex stehen darf.

SPRECHEN SIE NICHT ÜBER SICH, DAS TUN SCHON WIR, WENN SIE WEG SIND!

Was nicht jeder verstanden hat.


Den häng' ich mir an die Haustür! Inklusive Nachsatz: Was nicht jeder verstehen muss. (Darf ich?)

und:

Es beginnt eine Zeit, da Wachhunde nicht mehr gebraucht werden und durch Warnanlagen ersetzt werden. Eigentlich ein uralter Traum, sich vom Fluch der Arbeit befrei’n zu können, vor allem verblödender, weil immer-gleicher Arbeit. Doch ich gelt als fauler Hund. Vielleicht erzähl’ ich hier Hundeschiet. Aber alles, was der Volksmund durch falsche Freunde plappert wie „jeder ist seines Glückes Schmied“ ist ebenso stinkender Bullshit wie „wer Arbeit haben will, der kriegt auch welche“. Es dient alles nur der eigenen Rechtfertigung: dem Reichen, dass er’s geschafft habe (selbst wenn er’s ererbt hat oder einen ander’n in die Pfanne gehau’n hat oder seine Ellenbogen virtuos einsetzen kann etc.); dem Hungerleider, dass er den 1-€-Job angenommen hat (denn was beweisen diese Jobs anderes, als das es Arbeit genug gibt, die nur in der herrschenden Meinung nix Wert ist, da sich daran wenig oder auch gar nix verdienen lässt). Beweist der Hungerleider nicht damit, dass er gerne Hunger leidet, indem er den Job annimmt?

ist überhaupt nicht schlumpig. Ausgezeichneter Stil!

Kennstu Markus Werner: Froschnacht. Wenn nicht, dann bitte lesen. Gibts im dtv.

Ist 'Groenendale' eine Hunderasse. Bin nicht so gerne am googlen...

Ich grüsse Dich herzlich und es hat mich gefreut, von Dir zu lesen,
Gisanne

 

Hallo, Gisanne,

Bingo und Belgia haben sich gleichermaßen über Deine Worte gefreut, wie ich mich auch gefreut hab. So etwas hören, hm, lesen wir drei gern!

Übrigens ist hier mit Deinem Brief die Sonne rausgekommen! Das muss an Dir liegen! Es gibt sie noch!

>Im Esszimmer meiner zweiten Höhle in Osterfeld war das Schild aufgehängt mit der Aufschrift

SPRECHEN SIE NICHT ÜBER SICH, DAS TUN SCHON WIR, WENN SIE WEG SIND!

Was nicht jeder verstanden hat.<

„Den häng' ich mir an die Haustür! Inklusive Nachsatz: Was nicht jeder verstehen muss. (Darf ich?)“

Klar, darfstu, Bingo bittet sogar darum! Ich geb ihm jetzt ’nen Knochen und behaupte, der wär von Dir. OK?

Der Groenendale ist in der Tat die langhaarige und schwarze Variante des Belgischen Schäferhunds. Belgia ist nicht ganz 60 cm hoch, aber etwas länger (sonst könnt’ man sie auch mit einem Spitz verwechseln, der so hoch wie lang, kurz quadratisch ist). Natürlich geb ich Belgia jetzt auch’n Knochen …

Markus Werner kenn’ ich nicht, merk ich mir aber vor. Kann zwar etwas dauern, aber ich bin ein Vielleser und was ich im Profil angegeben hab, ist Ø nur 20 % dessen was so rumliegt in der Wohnung auf Nachtschränkchen, zweistufiger Trittleiter, Hocker in der Küche – hier stapeln sich Zeitungen & Zeitschriften, - Wohnzimmertisch, Arbeitszimmer und gelegentlich im Badezimmer …

Grüße von

Belgia, Bingo, Lina, Paula & dem Altenheim am Rande des Abgrunds & me and my monkey,

kurz:

Vrîdel

 

Hallo Friedrichard,
habe gerade die KURZE BESCHREIBUNG EINES HUNDELEBENS wieder und gerne gelesen.

In Erich Frieds Worten:

Definition

Ein Hund
der stirbt
und der weiß
daß er stirbt
wie ein Hund

und der sagen kann
daß er weiß
daß er stirbt
wie ein Hund
ist ein Mensch


Gruß
Kasimir

 

Hallo, Kasimir,

hab die fried’chen Zeilen sehr gerne gelesen und ich freu mich, dass Du die „kurze Beschreibung“ mehrmals gerne gelesen hast. Die fried’chen Zeilen muten nahezu sokratisch an: Ich weiß, dass ich nichts weiß, -

und darum weiß ich mehr als einer, der selbst das nicht weiß.

’s ist immer gut zu wissen, dass es andere gibt, die einen versteh’n oder doch nahe d’ran sind!

Ich dank Dir und gute Nacht!

Friedel

 

Hallo, Erich Fried, - hm, Kasimir,

mir fällt keine andere Anrede ein, -

denn es sind auch alle anderen gemeint,

was jetzt folgt, muss einfach sein:

Zwischen dem höchsten und dem trivialsten, das zu uns Hunden gesagt wurde, liegen zweihundert Jahre und nichts dazwischen:

Faust:
Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?
Wagner:
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.
Faust:
Betracht ihn recht! für was hältst du das Tier?
Wagner:
Für einen Pudel, der auf seine Weise
Sich auf der Spur des Herren plagt.
Faust:
Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise
Er um uns her und immer näher jagt?
Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
Auf seinen Pfaden hinterdrein.
Wagner:
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel;
Es mag bei Euch wohl Augentäuschung sein.
Faust:
Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen
Zu künft'gem Band um unsre Füße zieht.
Wagner:
Ich seh ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,
Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.
Faust:
Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
Wagner:
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.
Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,
Er wedelt. Alles Hundebrauch.
Faust:
Geselle dich zu uns! Komm hier!
Wagner:
Es ist ein pudelnärrisch Tier.
Du stehest still, er wartet auf;
Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;
Verliere was, er wird es bringen,
Nach deinem Stock ins Wasser springen.
Faust:
Du hast wohl recht; ich finde nicht die Spur
Von einem Geist, und alles ist Dressur.
Wagner:
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Wird selbst ein weiser Mann gewogen.
Ja, deine Gunst verdient er ganz und gar,
Er, der Studenten trefflicher Skolar.
(Sie gehen in das Stadttor.)
Faust 1, Szene vor dem Stadttor, oder, wer’s so will: Verlängerung des Osterspaziergangs, und der Pudel führt zu Pudels Kern

„oder wie es ein Scherzbold in einer Bar in Chicago vor vier oder fünf Sommern treffend formuliert hatte: Willst du wissen, wie die Lebensphilosophie eines Hundes lautet, Kumpel? Ich werd’s dir sagen. Sie besteht aus einem kurzen Satz. < Wenn du’s nicht fressen oder rammeln kannst, piß drauf.>“ (Paul Auster, Timbuktu, übers. Von Peter Torberg, Reinbek bei Hamburg, S. 40)

Gut’ Nacht & moin,

FRD

 
Zuletzt bearbeitet:

:lol: :bounce:

'der' vom Goethe und der vom Auster auch. Gern wiedergelesen!

Gruss Euch Fünfen,
Gisanne

 

Allen Freunden eines Hundelebens (incl. der abhandengekommenen Rosta):

>Bingo ist hin, und meine Augen fließen
Mit Tränen der Melancholie!
Da liegt er tot zu meinen Füßen!
Das alte Vieh!

Er tat so freundlich, klebt' an mich wie Kletten,
Noch als er starb an seiner Gicht.
Ich wollt ihn gern vom Tode retten,
Ich konnte nicht.

Am Eichbaum ist er oft mit mir gesessen,
In stiller Nacht mit mir allein;
Bingo, ich will dich nicht vergessen,
Und scharr dich ein,

Wo du mit mir oft saß'st, bei unsrer Eiche,
Der Freundin meiner Schwärmerei. -
Mond, scheine sanft auf seine Leiche!
Er war mir treu<,

& ich ihm auch.

Belgia

PS: Das Original >Als der Hund tot war< stammt von Matthias Claudius, der mir kleinere Änderungen verzeihen wird, geht doch einigen nun mehr nicht nur der Mond auf.

 

Hallo Friedel,

denn manches Glück misst sich in Meilen

ein langer, langer Song. Gemahnt etwas an Bruce Sprigsteen, untermalt mit der Musik von Bob Dylan.

Schön erzählt, so richtig aus dem prallen Hundeleben. Der Protagonist, ein einsamer Wolf, lakonisch bis zynisch beschreibt er seine Welt.

Allerdings stört mich persönlich der häufige Einsatz des "´". Es passt zwar in die Sprachfarbe, liest sich für mich aber nicht so flüssig.

Ich mag es. Mehr davon.

Lieben Gruß
Dave

 

>Ich mag es. Mehr davon<, gerne,

Dave,

doch wie soll das gehn? (Siehstu -

der oder das, ich armer Hund hab nicht mal parat, ob mask. oder neutr. -

>'< kann auch unterdrückt werden. Aber ich hab was gegen Unterdrückung, gleich in welcher Erscheinung. Sieh's doch an, als könnt' ich gerad' mein Bein heben und - natürlich - markieren, als lebt'* ich noch!)

Aber - siehe die Notiz meiner Lebensgefährtin zuvor - ich bin nicht mehr. Oder doch? Als der Hund vom alten Hamlet, also dem Geist des Dänenkönigs. Soll so werden!

Dass das Glück sich in Meilen messe, stammt von Johnny B. Goode Lennon, aber Dylan & der Boss sind auch nicht schlecht. Dylan wird ja sogar als potentieller Lit-Nobelpreisträger gehandelt und hätt's auch verdient ...

Ich dank Dir

Bingos Geist

* Hier ist der Apostroph sogar notwenig!

 

Ach, armer Yorick, ich kannt´ihn wohl ...

doch wie soll das gehn?

Wenn´s Hamlet´s Hundes Geist es war, der hier geschrieben, so
laßt uns Hamlet´s Geist beschwörn,
auf dass er uns gar neue Mär mag bringen
von dieses Hundes Hand


Lieben Gruß
Dave

 

Hinter der munter erzählten Geschichte aus Bingos Sicht, steckt viel Kritik.
Etwas deprimierend, aber lesenswert.

Aber alles, was der Volksmund durch falsche Freunde plappert wie „jeder ist seines Glückes Schmied“ ist ebenso stinkender Bullshit wie „wer Arbeit haben will, der kriegt auch welche“. Es dient alles nur der eigenen Rechtfertigung (...)

Denk ich mir auch immer, wenn man mir mit solchen Sprüchen kommt.

SPRECHEN SIE NICHT ÜBER SICH, DAS TUN SCHON WIR, WENN SIE WEG SIND!
Aber echt! ;D
Ist doch so.

(...) an konnte man meinen, ich hieße „Pfui!“ oder „Aus!“, aber ich bin immer noch Bingo-Bongo.
*grins*

Könnte hier noch mehr zitieren, aber ich lass das mal so.
Der Text ist nicht immer einfach, aber ich hab ihn gerne gelesen.
Danke für die Empfehlung!

 

Hallo ABC,

schön, dass Du in den alten Text hereingefunden hast und ihn nach Jahr und Tag allemal lesenswert findest. Ich glaub auch nicht, dass die Kritik von vor der Krise anders aussehen wird, als nach der (Staats)Schuldenkrise, die ja nix anderes ist als eine geschickte Umbenennung der Krise des Finanzmarktes (man spricht gerne von Finanzmärkten und betont zugleich die Globalisierung, sprechen wir also weiter in der Einzahl). Nun, deprimierend sollte die Geschichte eher nicht wirken. Aber die Verhältnisse sind halt nicht nach anderem ...

Ich dank Dir und grüße aus Niflung vom

Friedel

 

Echt toll... es zeigt mir wie wenig Ahnung ich vom Schreiben habe.. deine Kurzgeschichte spricht so ziemlich alle Bereiche an, was die ganze Geschichte bis zum Schluss interessant bleiben lässt... dein Schreibstil ist richtig bewundernswert, ich könnte niemals solche Sätze schreiben :)

 

Hallo shantea,

schön, dass sich jemand an diese Erinnerung an Bingo herantraut - selbst als er in meine Hand gebissen hatte, leider war's die linke, was einen Rechtshänder nicht arbeitsunfähig macht, selbst da also blieb er mein Lieblingshund und wird es in der Erinnerung immer bleiben.

Gefreut hat mich besonders das schlichte

Echt toll...,
dass in dem Fall mehr ausdrückt als jeder professionelle oder doch semiprofessionelle Criticus oder Intellektueller es könnte. Aber beneiden brauchstu den Stil darum nicht - ich hab nämlich gar keinen, oder genauer: ich verwende genau das an Stilelementen, welche ich brauche. Vor allem parodier ich gerne und wenn ich eines Tages parodiert werd, dann weiß ich, dass ich es nach ganz unten oder ganz oben geschafft habe und nicht irgendwo dazwischen hänge, schon gar nicht im mainstream geblieben bin. Zudem,

liebe shantea,

bistu auf dem richtigen Weg, auf den Du Dich getraut hast,denn wenn man sich selbst nichts zutraut wird's nie was. Bissken Arbeit ist immer dabei und das wirstu packen, bin ich von überzeugt. Notfalls imitierstu einfach Deinen Lieblingsschreiber und änderst ihn dann bis zur Unkenntlichkeit ab. Muss ja nicht jeder ein Goethe oder Jean Paul werden, was im Endeffekt auch langweilig wäre.

Ich dank Dir und weiß, wer Sätze schreiben kann, die verständlich sind, der kann bei entsprechender Anstrengung und Konzentration selbst Wortkaskaden von klerist'schem Format schaffen.

Gruß aus'm verregneten Ruhrgebiet vom

Friedel

PS: Belgia ist inzwischen mit ihren über zehn Jahren eine alte und reife Dame, aber immer noch die schönste Fähe, die ich kenne, und hat einen wesentlich jüngeren Partner der Bingo sehr ähnlich ist. Da kann sie nun ihr pädagogisches Talent zeigen, ihr soziales hat sie immer schon gezeigt.

 

Hallo Friedel,

diese Geschichte hat mir ein breites lächeln ins gesicht gezaubert. obwohl auch diese ziemlich anstrengend zu lesen ist, bezaubert sie durch herrliche, ganz wunderbare formulierungen, die mir so nie einfallen würden *etwas neidisch guck*. die hundesicht hat mir sehr gefallen.

gut gefallen:

Bingo-Bongo klingt sehr rhythmisch und wird von den Rufern selten geschrie’n und umso häufiger in einem mehr oder minder melodiösen Sing-Sang gerufen. Damit eignet sich mein Name wenig für militärische Befehlsstrukturen. Schon meine krummen Beine verhindern, dass ich stramm steh’n kann. - Möcht’ kein’ andern Namen tragen. Er lässt mich träumen von Afrika, das ich nie sehen werd’. Gleichwohl möcht’ ich nicht nach Timbuktu. ’s wär mir dort zu heiß!
Die Jugend verbracht’ er in einem Krieg, den eine Meute Deutscher Schäferhunde gegen den Rest der Welt angezettelt hatte. Die Geschichte ist bekannt. Als Hundehalter neigt man schnell zum Rassismus
Überhaupt galt er in jungen Jahren als geiler Hund, der seine Perlen hütete wie ein Spitz, bis zu dem Zeitpunkt, da er das «Spitz pass auf » verpasste und seine Liebste mit einer Bordeauxdogge durchbrannte. Sein Jähzorn war groß und er zerriss ein Stück Papier in der Luft, - aber er hatte keine Chance. Die Traumfrau entpuppte sich als Alptraum. Die Liebe zeigte, dass sie keinen sonderlich langen Bestand hat, und die viel beschwor’nen ewige Liebe & Treue Illusionen sind. Aber er sollte sein Kaninchen fangen, wenn auch seine neue Beziehung mit einer Lüge begann: er wettete in seiner Meute, die jungverwitwete Goldie herumzukriegen. Er gewann die Wette und Goldie, denn es gehörte sich selbst in seinen Kreisen und der Meute nicht, eine Schwangere sitzen zu lassen. Also landete nach einer Hundswache mein alter Herr im Hafen der Ehe. Und wenn die Alten sagen

vor Zeiten hab' ich einen Hund besessen,
mag auch sein, dass er mich besaß.
Der Köter zeugte Junge,
dass ich einen Vater zum Hund bekam
und einen Hund zum Vater.
Also ist mein Vater ein Hund gewesen,

so müssen die Leute meinen, dass es auf mich zuträfe.

Goldie war, wie es sich gehörte, wenig mehr als ein Jahr jünger als ihr Windhund und ihr Leben war bis dahin ähnlich verlaufen wie seines:


nur mal zwei rausgegriffene Beispiele, die für den herrlichen ton sprechen.
nicht gefallen hat mir:
und mancher Züchter verbreitet seine Auffassung von der Welt missionarisch und formt die Geschöpfe nach Statuten (- als reichten nicht schon die Mendelschen Gesetze -), vor allem aber nach seinem Bilde. Opfer der wahnwitzigen Idee einer reinen Rassenlehre und der Gleichsetzung Mensch und Gott ist die gekränkte Natur im reinrassigen Hund. Und obwohl Papa kein Schäferhund war, blieben Kriegserlebnisse und Nachkriegszeit zeitlebens das ihn beherrschende Thema. Er wähnte sich da in heldenhaften Zeiten, in denen ihm allerdings die Jugend geraubt wurde. Den UvD konnte er niemals verbergen.
Die Passage würde ich auf jeden Fall kürzen, auch gegen Ende wird es - für mich -etwas weniger spannend.

Als Gesamtfazit: ein lesenswerter Text mit sehr schönen Versatzstücken und einer ganz eigenwilligen Sprachmelodie.

schöne Grüße Petdays

 

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