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Kurze Beschreibung eines Hundelebens
KURZE BESCHREIBUNG EINES HUNDELEBENS
oder
YOU AIN’T NOTHIN’ – was zu gut deutsch meint: BISTENIX
Ein Kürzestroman
«If you’re lonely you can talk to me»
Lennon-McCartney, Hey Bulldog
«You ain’t nothin’ but a hound dog cryin’ all the time» röhrt Willy DeVille mit der schwärzesten Stimme seit Big Mama Thornton aus den Lautsprechern. Fühl mich wie’n elfjähriger Spund trotz meiner geschätzten achtzig Jahre und benehm’ mich heut noch immer wie’n hundsgemein alt gewordener Rabauke, der die Lederjacke auszuzieh’n vergessen hat und ich find, dass in meinem Altersgenossen B. B. King mehr Leben steckt als in allen Schlagerfuzzies der Welt. - Wir haben Rhythm & Blues im Blut.
Nennen Sie mich, - bitte, - Bingo-Bongo, damit man mich nicht mit meinem Vater verwechsle. Mein Name ist eigentlich Bingo. Papa hieß Bingo und auch dessen Vater und meines Wissens mindestens noch ein Onkel in Dingsda am Niederrhein. Darum wurd’ ich immer schon Bingo-Bongo gerufen, dass man den Bingo-Bengel vom Bingoopa usw. unterscheiden konnte. Jeder Erstgeborene in unserer Familie wurde Bingo genannt. Das war immer schon so und ersparte großartiges Nachdenken darüber, wie ein Kind zu nennen sei, (- denn eine entsprechende Regelung gab es auch für die Nächstgeborenen, die hießen dann – in der Reihenfolge der Nennung – Jo, Caesar, Bello usw. usf.). Das Nachdenken hatte dann mit dem Beinamen einzusetzen, um die Gleichnamigen unterscheiden zu können. So ist es mit altem Brauchtum. Immerhin wurden wir nicht mit Namen gerufen, die die Werbung vorgab (z. B. Caloderma) oder gar die Zeitgeschichte (z. B. Adolf). Da obsiegte die Tradition über modische Erscheinungen, die so schnell wieder verschwinden wie sie gekommen sind.
Bingo-Bongo klingt sehr rhythmisch und wird von den Rufern selten geschrie’n und umso häufiger in einem mehr oder minder melodiösen Sing-Sang gerufen. Damit eignet sich mein Name wenig für militärische Befehlsstrukturen. Schon meine krummen Beine verhindern, dass ich stramm steh’n kann. - Möcht’ kein’ andern Namen tragen. Er lässt mich träumen von Afrika, das ich nie sehen werd’. Gleichwohl möcht’ ich nicht nach Timbuktu. ’s wär mir dort zu heiß!
Erinnere mich, dass Bingo-Bengel gern ein ordentliches Handwerk hätt’ erlernen wollen. Doch die Verhältnisse ließen es nicht zu. Obwohl Handwerk – angeblich - gold’nen Boden hat, musste Bingo-Bengel Geld nach Hause bringen und verdingte sich zeitlebens als Hilfsarbeiter. Ein gold’ner Boden macht nicht satt. - (Indem er mit den Augen stahl, lernte er immerhin so viel, dass er im alltäglichen Leben alles Handwerkliche selber verrichten konnte und manchen Facharbeiter in dessen Tätigkeit übertraf.) – Mit 38 wurd’ er zum Chemiewerker angelernt und war seitdem stolz darauf, ein „besserer“ Hilfsarbeiter zu sein, wenn schon der Traum vom Aufstieg ins Kleinbürgertum – und sei’s nur als selbständiger Pommesverkäufer oder Kioskbesitzer - sich nicht verwirklichen ließ.
Die Jugend verbracht’ er in einem Krieg, den eine Meute Deutscher Schäferhunde gegen den Rest der Welt angezettelt hatte. Die Geschichte ist bekannt. Als Hundehalter neigt man schnell zum Rassismus und mancher Züchter verbreitet seine Auffassung von der Welt missionarisch und formt die Geschöpfe nach Statuten (- als reichten nicht schon die Mendelschen Gesetze -), vor allem aber nach seinem Bilde. Opfer der wahnwitzigen Idee einer reinen Rassenlehre und der Gleichsetzung Mensch und Gott ist die gekränkte Natur im reinrassigen Hund. Und obwohl Papa kein Schäferhund war, blieben Kriegserlebnisse und Nachkriegszeit zeitlebens das ihn beherrschende Thema. Er wähnte sich da in heldenhaften Zeiten, in denen ihm allerdings die Jugend geraubt wurde. Den UvD konnte er niemals verbergen.
Überhaupt galt er in jungen Jahren als geiler Hund, der seine Perlen hütete wie ein Spitz, bis zu dem Zeitpunkt, da er das «Spitz pass auf » verpasste und seine Liebste mit einer Bordeauxdogge durchbrannte. Sein Jähzorn war groß und er zerriss ein Stück Papier in der Luft, - aber er hatte keine Chance. Die Traumfrau entpuppte sich als Alptraum. Die Liebe zeigte, dass sie keinen sonderlich langen Bestand hat, und die viel beschwor’nen ewige Liebe & Treue Illusionen sind. Aber er sollte sein Kaninchen fangen, wenn auch seine neue Beziehung mit einer Lüge begann: er wettete in seiner Meute, die jungverwitwete Goldie herumzukriegen. Er gewann die Wette und Goldie, denn es gehörte sich selbst in seinen Kreisen und der Meute nicht, eine Schwangere sitzen zu lassen. Also landete nach einer Hundswache mein alter Herr im Hafen der Ehe. Und wenn die Alten sagen
vor Zeiten hab' ich einen Hund besessen,
mag auch sein, dass er mich besaß.
Der Köter zeugte Junge,
dass ich einen Vater zum Hund bekam
und einen Hund zum Vater.
Also ist mein Vater ein Hund gewesen,
so müssen die Leute meinen, dass es auf mich zuträfe.
Goldie war, wie es sich gehörte, wenig mehr als ein Jahr jünger als ihr Windhund und ihr Leben war bis dahin ähnlich verlaufen wie seines: auch sie hatte keinen Beruf erlernen dürfen - (obwohl Nähen und Schneidern ihre Profession war und den Berufswunsch bestimmt hätt’; auch sie lernte beim Zuschau’n und nähte, strickte und schneiderte ebenso gut als irgendein Schneider es nur kann) - und musste Geld heranschaffen. Da kam die Liebe zu einem uniformierten schmucken jungen Kriegshund gerade richtig, um sich aus beengten häuslichen Verhältnissen zu befreien und –
Witwe zu werden, denn der Jüngling kam nicht einmal bis Stalingrad. Also kehrte sie eher unfreiwillig heim.
Während Goldie’s Heimkunft starb die Mutter. Die hatt’ das braune Gebelle nicht ertragen und ängstigte sich um ihren Mann, der vor aller Welt sang:
«Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei,
selbst Adolf Hitler mit seiner Partei»,
womit er Recht behalten sollte. Aber da hatte die Angst die Mutter Goldies bereits aufgefressen.
Das Weib, das nun von Goldies Vater zur Frau genommen wurde, galt schnell als böse Stiefmutter, die wir aus Märchen kennen. Die junge Witwe träumte vom toten Helden und wünschte, von zu Hause weg zu kommen. Und sie kam durch genannte Wette weg. Also wurde die Hypothese verifiziert, dass manche Unschuld in Jahren bemessen wird. Der Gewinn für sie war ein Balg, - eben ich, - und ein Mann, der Tag und Nacht arbeiten musste, um das wachsende Rudel am Kacken zu halten. So wurde denn das Rudel des geilen Hundes zur proletarischen Variante der vaterlosen Gesellschaft. Der mütterliche Ehrgeiz bestand darin, älter zu werden als die eigene Mutter und ihre Welpen in ordentliche Ausbildungen zu schicken, was auch beides gelungen ist. Denn dumme Hunde mocht’ sie nicht!
Das erste Buch, dass ich in die Hand bekam, hieß Winnie The Pooh (natürlich in einer frühen Übersetzung als Pu der Bär), - als Bilderbuch, oder war’s doch ein Comic? Es begründete meine Liebe zur Literatur und den späteren Wunsch, selber zu schreiben und zu zeichnen. Ein erstaunlicher Wunsch für einen Hund von bescheidenem Verstand und einem Wortschatz von vielleicht dreißig Begriffen.
Darauf konnt’ ich aber keine Rücksicht nehmen!
Schnüffeln und markieren ist das halbe Leben eines Rüden, und so las ich morgens und abends meine Zeitung, suchte lesend meinen Weg. Suchte in anderen Lebenswelten meinen eig’nen Weg zu finden und legte meine Spur. Ich ergab mich nach Rin-Tin-Tin, Lassie, Corky und Fury, sobald ich’s konnt’, dem Fernstudium des Wolfs, zunächst behutsam mit London’s Wolfsblut und dann studiert’ ich heftig bei Dorit Feddersen-Petersen den Puwo und den Wopu. Schon der Doppelname erschien mir als eine schöpferische Leistung und erst recht die Bezeichnungen der Kreuzung von Pudel und Wolf und Wolf und Pudel. Feddersen-Petersen gleicht vom äußeren her einem Pudel, hat aber den Mut eines Wolfs.
Erstes und wichtigstes Instrument meiner frühen Erziehung war ein Halsband mit einer langen Leine daran, an der ich kurz oder lang gehalten wurd’. Ich weiß nach so langer Zeit nicht mehr, ob es ein normales oder ein Stachelhalsband war; - (in der Erinnerung eines achtzigjährigen Lebens verblasst manches, wird unbewusst; und mit dem Schmerz verblassen die Narben). Auf jeden Fall fand die erste Erziehung mittels dieses Halsbandes statt, an dem ich ruckartig zu meiner Obrigkeit gezerrt wurde, wenn ich ihr nicht zu Willen war, dass ich oft durch die Luft flog wie ein abstürzender Fliegender Hund. Hier zeigt sich, dass schwache Menschen Hunde halten um des Gefühls willen, dass jemand ihrem Befehl gehorche und sei’s eine noch so schwache Kreatur! Zeigte die Kreatur sich als zu stark und widerständig, bräche man ihren Willen oder, scheinbar eleganter, gäbe die Kreatur ins Heim, -
wie’s mir geschah. In meinen jungen Jahren galt ich als rüder Typ und als ich mit geschätzten 4 ½ Jahren aus dem Heim adoptiert wurde, in das ich kurz zuvor gesteckt wurde, galt ich als aggressiv und Angstbeißer. Dass ein Wald als Symbol der Freiheit in der Nähe meines ersten Zuhauses lag, erfuhr ich erst, als es nicht mehr mein Zuhause war. Da dachte ich zum ersten Mal, Eltern und überhaupt alle Obrigkeit sollte man verbieten! Und dass die alten Griechen Recht hatten und die Götter mich halt nicht liebten und deshalb leben ließen. Auf keinen Fall wollt’ ich werden wie Bingo-Bengel und womöglich als Pommesverkäufer enden oder den autoritären Macho heraushängen lassen. Dann schon lieber den Traum Goldies erfüllen und was Besseres werden, selber schreiben oder aufschneiden, so weit es nix reales werden würde.
Bin’n scheues Reh, - ’ne erstaunliche Aussage für’n Hund. Glaub’ aber niemand, dass ich Problemen ausweich wie’n Reh der Gefahr. In der Gefahr nehm ich’s mit jeder Dogge auf, werd zum Wolf. – Schüchtern bin ich. Ja und? Dass sind abertausende und aberwitzig Millionen, vielleicht Milliarden andre auch. Wurd früher rot, werd’s nicht mehr so leicht & schnell. Kann – natürlich – noch passieren, wenn ich mich ertappt fühl. Wird aber dann vom Fell verdeckt, - sofern’s nicht beschnitten ist. Die Knie werden mir manchmal weich. Auch Schweiß kann mir ausbrechen und die Zunge schwer werden lassen. Was in der Regel gar nicht auffällt, wenn ich nix sag. Hab sicher Hemmungen im Umgang mit Andern. Halt’s dann mit Karl Valentin, nachdem der Fremde fremd ist in der Fremde und in der negativen Variante bin ich fremd unter Fremden (oder t...), wenn’n Zug über mich wegrollt.
Obwohl man mich im Heim in Ruhe ließ, verkümmerte ich, magerte ab, drohte zu verhungern. Ich lag im Hundeelend, fühlte mich als Hundsfott unter lauter Hundsföttern. Ich war hundemüde. Hundemüd’ war ich! Und heute, nach so langer Zeit, bin ich immer noch müde und gelt’ als ein fauler Hund. Denn ich bin der Schweinehund, der den Wolf studiert hat und der vergeudet bekanntermaßen nicht seine Kräfte, hält mit ihnen haus. Der Wolf hat das ökonomische Prinzip verinnerlicht: Mit gegebenen Mitteln den maximalen Erfolg zu erzielen oder (- als Variante -) ein bestimmtes Ziel unter Einsatz geringster Mittel zu erreichen ist seine Maxime. Da nix erfolgreicher ist als der Erfolg ist daraus der pure Humbug des Mini-Max-Prinzips geworden in Form der Behauptung, man könnte mit geringsten Mitteln den größtmöglichen Erfolg erzielen.
Der Wolf muss ohne die Differentialrechnung zu kennen nach dem ökonomischen Prinzip leben, um zu überleben, und darum verschwendet er auch keine Kräfte wie’n dummer Hund, um ein Kaninchen zu fangen. Sei’s drum: ich hütete bald einen Haushalt und wurde Herr der Zahlen. Statt Texte zu schreiben, schrieb ich nun Bilanzen & erklärte Steuern.
Mit der Adoption kam die Freiheit und ich konnt’ endlich leben wie ein Hund. Ich verliebte mich in Lisa. Lisas Beine ragten bis in den Himmel und der Körper war perfekt und durchtrainiert. Und ich versuchte mich in Romantik:
Ich wollt’ ein Liebeslied schreiben
Und manches reimte sich zwangsläufig
Doch war das nicht gerade sehr häufig
Zu reimen war mir nicht geläufig.
Sobald ich Lisa sah, wurd’ mir kalt und warm und Schweiß brach mir aus, die Zunge wurd’ schwer und die Knie wurden mir weich. So wurde mein Lauf verlangsamt, ich stotterte mir eins zurecht und ergab mich romantischer Gefühlswelt:
Ich wollt’ ein Liebeslied schreiben
Und einige Verse kamen und blieben
Die habe ich Zeile für Zeile niedergeschrieben
Und so das Lied vorwärtsgetrieben.
Und die Wiederholung des Grundmotivs inmitten einer Pfütze und Lisa ist schon weg, ich wird’ wütend, denn ich mag in keinem noch so kleinen Gewässer steh’n, denn Lisa ist schon weg, denn ihr wär’s in meinem Herzen ziemlich eng geworden:
Ich wollt’ ein Liebeslied schreiben
Und was ich geschrieben, das hab ich gesungen
Doch was ich sang, hat schwach geklungen
Das Lied war, mit Verlaub, misslungen.
Da lernte ich, dass die Beatles kluge Leute waren, denn manches Glück misst sich in Meilen, - besonders das von Hunden. So war auch meiner Liebe keine Ewigkeit beschieden, denn Lisa wurde nach einem Sommerhalbjahr in einem anderen Revier ausgeführt. Vielleicht war’s auch besser so, denn es wäre nicht gut ausgegangen für mich Leichtgewicht gegen Lisa, die ein Kraftpaket von Mastiff war und manch anderen Kerl als mich aufs Kreuz gelegt hätt’.
Obwohl ich weiß, dass’s Bessre gibt als mich, fühl ich mich nicht minderwertig. Glaub nicht, dass ich unterm Minderwertigkeitskomplex leide. Auch der alte Ödipus spielt keine Rolle in meinem Leben. Wann und warum sollt ich Konkurrent meines Vaters werden? Bin kein Muttersöhnchen. Wie in jedem Krimi wissen wir von Anbeginn an, was Ö. noch nicht weiß: dass der alte Mann, der sich ihm auf dem Weg nach Theben in den Weg stellt und den er erschlägt, sein eigener Vater ist, der König von Theben, denn Ö. kennt seinen leiblichen Vater nicht und hat sich einfach zu weit vorgewagt. Die Frage der Sphinx hat er beantwortet und Theben damit von einer Gefahr befreit. Ö. wird mit der Königswitwe vermählt und König von Theben. Ob Ö. die Frau geliebt hat, erfahren wir nicht. Vielleicht wollt er auch nur König werden. Jedenfalls macht er ihr vier Kinder: zwei Mädchen, zwei Jungen.
Die Frage der Sphinx hat er beantwortet und Theben damit von einer Gefahr befreit, um sie durch eine neue zu ersetzen: durch sich und seine Familienbande. Denn die natürliche Ordnung ist gestört: er findet selber raus, dass er den Vater umgebracht und die eigene Mutter zur Frau genommen hat, seine Kinder zugleich seine Halbgeschwister sind. Wird in Doderers Merowingern der Ehrgeiz, alle Verwandtschaftsgrade zu sich selbst zu haben zur Komödie, so wird aus dem Ö. eine Tragödie: König Ö. wirft die Brocken hin, die Königin erhängt sich. Ö. blendet sich und verlässt mit seiner Lieblingstochter Theben auf nimmer Wiedersehn. Wohlwollend interpretiert man, er habe Theben vor weiterem Unglück bewahren wollen, in Wirklichkeit ist er der Verantwortung entflohen und hat die nächste Katastrophe für Theben bereitet mit dem Machtkampf, der unter den Söhnen Ö.s ausbricht. Da bekommt der Ausdruck der Familienbande einen bittern Beigeschmack, wenn’s ums Erbe geht.
Kann mich nicht entsinnen, untern Ödipuskomplex gefallen zu sein. Da träf schon eher das Hildebrandslied auf mein hündisches Leben zu. -
Sollt ich nicht fähig sein zu lieben? –
Auch meint man, ich fänd keine Freundschaften. Ich such gar keine! Warum auch? Was soll ich in’ner Meute? Mit der Meute heulen? Was ich bisher für Freundschaften hielt war’n oft nur Zweckbündnisse, vor allem, wenn man sich auf diese Freunde verlässt, ist man verlassen. Dieses Phänomen hat Sebastian Haffner in seinen Ausführungen über die viel gepriesene Kameradschaft beschrieben. Wenns ernst wird, wird der andre ggfs. in die Pfanne gehaun. Die Karriere könnt sonst leiden. Bin auch skeptisch gegen Leute, die vorgeben eine große Zahl an Freunden zu haben. Ich kenn nur Bekannte, die kuschen, wenn’s ernst wird & immer schon wussten, dass’s mit der Freundschaft nicht so weit her ist + der Bekannte’n A… ist. Liebe & Solidarität, - d. i. nix andres als die neutestamentarische Nächstenliebe, - sind rückläufig. Kann auch gar nicht anders sein, wo alles zum Geschäft verkommt, der kleine Mann bestenfalls als Konsument zählt & alles zahlt + ders auch noch nur murrend hinnimmt.
Für Informelle Mitarbeiter braucht’s keines Staatssicherheitsdienstes. Das Talent hierzu hat jeder. Zum Denunziantentum bedarf’s keiner Ausbildung!
Fürcht nicht, dass andre schlecht über mich denken oder gar reden. Sie tun’s eh. Im Esszimmer meiner zweiten Höhle in Osterfeld war das Schild aufgehängt mit der Aufschrift
SPRECHEN SIE NICHT ÜBER SICH, DAS TUN SCHON WIR, WENN SIE WEG SIND!
Was nicht jeder verstanden hat.
Dreimal folgte ich noch meinen Trieben und büchste aus, fand aber auf meiner Spur wieder zurück. Dann wurd’ ich kastriert, womit mein Hundeleben ein wenig langweiliger wurde. Aber die Geilheit wurde durch Fresssucht ersetzt. Somit kann ich mich mit der Verstümmelung abfinden, denn Fressen und Saufen haben auch ihren Reiz. Doch von nun an konnte man meinen, ich hieße „Pfui!“ oder „Aus!“, aber ich bin immer noch Bingo-Bongo.
Es beginnt eine Zeit, da Wachhunde nicht mehr gebraucht werden und durch Warnanlagen ersetzt werden. Eigentlich ein uralter Traum, sich vom Fluch der Arbeit befrei’n zu können, vor allem verblödender, weil immer-gleicher Arbeit. Doch ich gelt als fauler Hund. Vielleicht erzähl’ ich hier Hundeschiet. Aber alles, was der Volksmund durch falsche Freunde plappert wie „jeder ist seines Glückes Schmied“ ist ebenso stinkender Bullshit wie „wer Arbeit haben will, der kriegt auch welche“. Es dient alles nur der eigenen Rechtfertigung: dem Reichen, dass er’s geschafft habe (selbst wenn er’s ererbt hat oder einen ander’n in die Pfanne gehau’n hat oder seine Ellenbogen virtuos einsetzen kann etc.); dem Hungerleider, dass er den 1-€-Job angenommen hat (denn was beweisen diese Jobs anderes, als das es Arbeit genug gibt, die nur in der herrschenden Meinung nix Wert ist, da sich daran wenig oder auch gar nix verdienen lässt). Beweist der Hungerleider nicht damit, dass er gerne Hunger leidet, indem er den Job annimmt?
Soll ich mir mein Revier selber schaffen und abgrenzen? Mir selber Aktien schreiben & Ich-AG werden? Wie ist der Kurs einer jeden Ich-AG? Wann gibt’s endlich die Du-AG und die Aktien verbinden sich zur Wirr-AG?
Oh, ihr armen Menschenkinder, leben wir nicht in der besten aller möglichen Welten?
Sei’s drum: Unser Rudel wurde erweitert und seit vier Jahren leb’ ich alter Sack mit einer rassigen Groenendale zusammen, die nicht einmal halb so alt ist wie ich, als ein Johannes Heesters unter allen Hunden dieser Welt. Für einen müden Krieger wie mich ein erstaunliches Ergebnis. Ein verwunderliches Ergebnis für einen übergewichtigen alternden Köter, der neben jedermanns Zipperlein eine Rattenvergiftung und zwei Schlaganfälle überstanden hat.
Aber ich bin nicht der einzige Schüchterne. Abertausend oder Million’, vielleicht Milliarden gibt’s. Wir leben so dahin ohne besonders geschäftstüchtig zu sein und untalentiert, andre übern Tisch zu zieh’n. Aber wir woll’n auch nicht übern Tisch gezogen werden!
Wir haben R&B im Blut und obwohl wir in den Entzug gehören zucken wir immer noch zusammen, wenn Willy DeVille mit der schwärzesten und bekifftesten Stimme seit Willie Mae Thornton den Hound Dog grölt. Wir suchen nicht das Seniorenheim der Volksmusik, dem selbst ein Karl Moik sich verweigert hätte, hätt’ er vom Jazz leben können. Wir lassen die Wände uns’res Seniorenappartements durchs Dogs der Who wackeln. Und Karl Moik spielt und singt derweil My Generation.