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Krieg der Tiere
Dies ist eine Anspielung auf die jüngere Geschichte von Südamerika und seinen Tieren.
Alle Namen sind Tiernamen - Viel Spaß! Christoph
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Südamerika vor 6 Millionen Jahren. Die meisten Wälder sind verschwunden, dafür erstreckt sich offenes Grasland über die weite Ebene. Auf einem Hügel, strategisch günstig neben einem Fluss mit saftigen Weiden gelegen, steht ein Festung. Darin versuchen sich die letzten Beuteltiere unter Führung von General Thylacosmilus, dem großen Säbelzahnbeutler, gegen eine Übermacht zu behaupten.
Vor der Festung ist die Armee der Vögel aufmarschiert. Dies ist der letzte Kampf um die Herrschaft über den Kontinent, und sie müssen ihn gewinnen. Commandante Onactornis lässt die Festung mit Mörsergranaten beschießen - die armen Beuteltiere haben keine eigene Munition mehr und können nur noch versuchen, die Wucht der Geschosse mit dicken Baumwolldecken abzufangen. Auch personell ist die Lage der Beuteltiere kritisch - Proborhyaena und Arctodictis, ihre größten und tapfersten Kriegshelden, sind längst in früheren Kämpfen gefallen, und bei Parahyaenodon wurde jüngst ein Flugblatt gefunden, das zur Desertation aufruft. Kann ich mit Achlysictis vielleicht noch einen Ausfall versuchen?, überlegt sich der General.
Luftadmiral Devincenzia drängt Onactornis zum Einsatz der neuen Geschosse - die Aufklärungsflüge der Teratornen haben den sturmreifen Zustand der Festung bestätigt, man müsse jetzt handeln. Der Commandante nickt - sofort werden die Kanonen neu geladen, und eine Salve panzerbrechender Projektile hagelt auf das Festungstor, das diesem Druck nicht standhält und in seine Einzelteile zerschossen wird. Unter lautem Kriegsgeheul stürmen die Vögel die Festung - die überlebenden Beuteltiere werden in Ketten abgeführt, einem ungewissen Schicksal entgegen.
Jetzt sind wir die Herren der Welt, freut sich Onactornis und pafft genüsslich seine Siegeszigarre. Er lässt es sich nicht nehmen, persönlich die Reihen der Gefangenen abzuschreiten. Wie armselig sie aussehen - aber wie soll man sich ohne Schnabel auch sauber halten? Ob wir die noch an die Pinguine verkaufen können? Am Ende müssen wir noch draufzahlen, nur um diese Pelzlinge loszuwerden...
Moment mal, waren das wirklich schon alle?? Er blickt noch einmal zurück - und seine Zigarre fällt ihm ins Gras. Thylacosmilus fehlt!! Auch seine Leiche wurde nicht gefunden. Dieser alte Fuchs muss sich in den Wirren des letzten Gefechts abgesetzt haben! Onactornis rauft sich die Federn vor Ärger. Sofort setzt er Hermosiornis und Procariama in Marsch, um den General aufzuspüren und zu verhaften. Der bringt es sonst glatt fertig und stellt noch eine Guerillatruppe auf die Beine...
Aber das kriegen wir schon hin, denkt sich Onactornis. Schreiten wir also zu den angenehmeren Dingen.
Vertreter aller Rassen von Weidetieren werden zum Rapport bestellt: Die jährliche Fleischabgabe wird auf 20% festgesetzt (einige Herdenälteste erbleichen bei dieser Zahl, wagen es aber nicht sich zu beschweren), ab sofort hat jedes Säugetier einem übergeordneten Vogel das Gefieder zu putzen, die Vogelsprache wird zur alleinigen Amtssprache erklärt. Und...
Nanu, was wollen die denn hier??? Offenbar hat sich, im Krieg nicht beachtet, an der Nordküste ein Stamm von Procyoniden-Barbaren niedergelassen. Ihr Häuptling "Sauberer Waschbär" bittet untertänigst, den großen und tapferen Vögeln dienen zu dürfen.
Also gut, entscheidet Onactornis. Neue Untertanen bedeuten auch neue Einkünfte. Es wird den Waschbären gestattet, bei der Aufsicht über die Herden behilflich zu sein. Natürlich gegen eine kleine "Gebühr", versteht sich.
Nach diesem anstrengenden Tag zieht sich Onactornis in sein Zelt zurück - zwei gutgebaute Kriegerinnen leisten ihm willkommene Gesellschaft. Für die nächste Zeit läuft alles bestens.
Hermosiornis und Procariama kehren schließlich mit leeren Flügeln zurück - sie haben Thylacosmilus nirgendwo finden können. Ob ihn vielleicht die Waschbären verstecken?? Bei diesen Ausländern kann man nie wissen...
Eines Tages platzt Kriegsminister Andalgalornis mit einer Hiobsbotschaft in Onactornis' Büro - die Meerenge im Norden ist trockengefallen, Feldherr Smilodon hat mit seinen Truppen die Grenze überschritten und plant offenbar, die Jagdgründe der Vögel seinem eigenen Imperium als siebte Provinz einzuverleiben.
Eine Provokation! Sofort lässt der Commandante zu den Waffen rufen, doch die letzten Kriege haben auch unter den Vögeln zu hohen Verlusten geführt, und ihre Truppenstärke ist mehr als schlecht. Man heuert Söldner bei den Pinguinen an, doch diese Feiglinge setzen sich beim ersten Anblick des Feindes auf einer Eisscholle ab. Die Waschbären haben Blutsbruderschaft mit den Invasoren geschlossen und den lokalen Gouverneur ermordet. Selbst die Weidetiere rebellieren - offenbar hat ihnen Smilodon eine geringere Abgabe versprochen. Und die Teratornen können wegen des schlechten Wetters nicht starten...
Es kommt, wie es kommen muss - Andalgalornis unterzeichnet im Befehlszelt von Smilodon die Kapitulationsurkunde, die Streitkräfte der Vögel werden demobilisiert, die Teratornen beschlagnahmt und zu Sperlingen umgerüstet, Onactornis kommt vor ein Kriegsgericht. Der Vorsitzende Richter Panthera Atrox, der Amerikanische Löwe, verhängt die erwartete Strafe. Der einst so große Kriegsherr wird von gierigen Wölfinnen gerupft und am Bratspieß hingerichtet.
Aus der Traum vom Reich der Vögel.