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Kreative Nullstelle
Kreative Nullstelle
Nein, nein, aufgeben werde ich nicht. Dafür ist mir die ganze Sache zu wichtig. Und ich weiß ja auch, dass ich es erreichen kann. Schon erreicht habe. Dutzende Male. Nur in letzter Zeit, da klappt es nicht mehr so gut. Da finde ich sie einfach nicht mehr. Finde mich nicht mehr? Ach, wer weiß. Ich jedenfalls weiß es nicht. Und deshalb bin ich auf der Suche. Auf der permanenten Suche.
Nach der kreativen Nullstelle in meinem Leben. Ich will sie finden. Dann denke ich in einem Augenblick, in einem ganz banalen, alltäglichen und schrecklich flüchtigen Augenblick: Da, da ist sie, halt sie fest. Jetzt schwingst Du endlich im Takt. Jetzt fließt es. Alles fließt. Und dann, dann ist dieser Moment wieder verschollen. Und ich kann es noch nicht mal in Worte fassen. Denn diese Fähigkeit ist mit ihm versickert. Eingesunken in meinen Alltag. Unter die Oberfläche geraten.
Die Kurve geht auf und ab. Mal mehr, mal weniger, von Zeit zu Zeit schneidet sie eben diesen Energiestrahl, von dem aus sich alles entwickelt. Ich will mich hineinwerfen, will hinausgezogen werden, in die kreative Atmosphäre, das Gedankennirvana. Aber etwas hält mich zurück. Dinge bremsen mich. Pflichten, Termine, Sorgen, das Leben an sich. Aber Schreiben ist mein Leben. Ich ersticke.
Ich werde weiterhin suchen. Aber langsam schleicht die Verzweiflung hinter mir her. Bringe nichts mehr zustande, trinke zu viel, und finde nicht mal im Rausch noch diesen Moment. Sie alle haben getrunken, die großen Geister der Vergangenheit, der Geschichte. Sie haben im Rausch geschrieben. Und seht, was sie geschaffen haben! Nur mir will es nicht gelingen. Der erste Whiskey kratzt im Hals, der zweite beruhigt, und dann irgendwann kommt der Punkt, an dem die Sorgen heraufkriechen und die Gedanken, die ich verscheuchen will, mich erobern. Chancenlos verkrieche ich mich in mir und sie dringen tiefer ein. Bis ich das Denken verliere. Bis mir am nächsten Morgen die Nacht fehlt und das Karussell von vorn beginnt, sich um das Nichts zu drehen.
Nur einmal noch, auf meine alten Tage, nur ein Buch noch. Dann kann ich sagen, ich hab zu den Großen gehört. Und nicht schlimm, dass ich trinke, das haben sie alle getan. Die kreative Nullstelle muss irgendwo sein, ein Stück weiter da draußen. Ich gieß mir noch einen ein. Vielleicht wird es diesmal gelingen.