Was ist neu

Koffein

Beitritt
06.09.2012
Beiträge
174
Zuletzt bearbeitet:

Koffein

"Wir legen die Hand niemals auf der Waffe ab", sagt mein Supervisor bei jedem seiner nächtlichen Besuche. Ich halte mich da penibel dran. Nachtschichten können endlos sein, und ab drei Uhr morgens, wenn man mit dem Falschen arbeitet und es richtig still ist, kommt die Müdigkeit. Das geht an die Haltung, da kommt man schon mal in Versuchung. Ich habe sogar Kollegen, die setzen sich, legen den Waffengurt auf den Boden, ihren Kopf auf die Arme und schlafen. Einfach so. "Weckst mich dann, ja", sagen sie immer und sind schon halb weg. Dann steh ich allein draußen, show of force heißt das im Armyslang, und warte. Darauf, dass einer kommt und das sieht. Aber es kommt nie einer, und wenn, dann sind diese Kollegen immer irgendwie schnell genug wach. "War knapp", sag ich dann und lächle. Am Anfang habe ich sie darauf hingewiesen, dass Schlafen nicht erlaubt ist. Und unkollegial dazu. Bis sich mal einer vor mir aufgebaut und mir Schläge angedroht hat. Männer. Seitdem warte ich einfach ab.

Ich stehe eigentlich immer draußen, sitzen ist nicht so mein Ding. Früher, als wir noch zu dritt am Posten waren, hat uns nachts mal ein Soldat fotografiert. Von hinten, obwohl das verboten ist. Gemerkt haben wir es, weil er laut lachte. "It doesn't get much more German than that", hat er gesagt und uns das Foto gezeigt: Rolf, Bernd und ich, in einer Reihe nebeneinander, die Arme auf dem Rücken verschränkt, Blick auf die Straße. "Yes", hab' ich gelacht. Und das Foto löschen lassen. "Vorschrift ist Vorschrift, und den Anweisungen des Sicherheitspersonals ist Folge zu leisten", sagte Rolf auf Englisch.
Ich brauche nachts nur selten Kaffee.

Jetzt sind wir nur noch zu zweit. Bernd hatte einen Schlaganfall, ist einfach so am Posten umgefallen, mitten am Tag. Er ist nicht mehr der Jüngste, fast sechzig. "Ich kann meinen Arm nicht mehr bewegen." Das war das Letzte, was er sagte, und im nächsten Moment ist er steif wie ein Brett geworden und nach hinten gekippt. Ich werde nie vergessen, wie er geschrien hat, durch seine Zähne hindurch. Und dann lag er da. Seitdem darf er keine Nachtschichten mehr arbeiten, das war zu viel, hat sein Arzt gesagt. Vor einem Jahr ist ein Kollege gestorben, Herzinfarkt. Hat seine Erkältungen nie auskuriert, war nie krankgeschrieben. Er brauche das Geld, hat er immer gesagt, Scheiß' auf die Gesundheit - die Schulden! War auch so ein Schläfer. Aber wie soll das auch anders gehen bei dreihundert Stunden im Monat. Bernd hat nie geschlafen, er hat stattdessen von Karl dem Großen erzählt, wann immer wir ihn gelassen haben. Bis zum Sonnenaufgang. Jeder hat so seine Mittel.
"Ihr schafft das auch sehr gut zu zweit", hat das Army Headquarter verlauten lassen, und nun arbeite ich mit Rolf, ohne Bernd. Sie haben Recht: An uns kommt keiner so einfach vorbei. Das wissen inzwischen auch die Soldaten unseres US-Stützpunkts, und sie hassen uns dafür. Gestern kam ein Oberfuzzi-General in seinem Mini angefahren und wollte rein, ohne Militärausweis. Ob ich denn nicht wisse, wer er sei, hat er mich gefragt. Das stehe ja groß und breit auf seiner Uniform, hab ich geantwortet und ihn gefragt, ob er denn seine eigenen Sicherheitsvorschriften nicht kenne. "Das wird ein Nachspiel haben!", rief er mir hinterher, als ich ihn stehen ließ. Ja, dachte ich, das hat der letzte General auch behauptet. Beim Wegfahren haben seine Reifen laut gequietscht. Aber nicht so laut, dass ich sein Fucking Germans! nicht mehr hätte hören können.

Rolf leider auch - und die Deutschen, die sind sein Thema.

***

"Christo-itso-... sag mal, ist das Griechisch?", fragte Rolf, nachdem ich mich vorgestellt hatte.
"Ja, kretisch", antwortete ich, "Chritsotakis. Ganz einfach", lächelte ich ihn an, und seine Augen bekamen diesen Glanz.
"Kretisch", wiederholte er und begann, geheimnisvoll zu lächeln. "Siehst aber nicht sehr südländisch aus", musterte er mich.
"Meine Mutter ist Deutsche. Müsste eigentlich auch Chritsotaki heißen, mein Vater hat's damals versemmelt, konnte noch nicht so gut Deutsch." Ich begab mich in die Höhle des Löwen und merkte es nicht.
"So, so ... ein Halbblut also", sagte er und blickte mir in die Augen. "Die Augenfarbe hast du dann wohl von deiner Mutter", stellte er fest, und die Art, wie er es sagte, machte mich vorsichtig. Ich zögerte, denn da lauerte etwas in ihm, bereit, sich auf meine Antwort zu stürzen. Wo ich sonst einfach Ja geantwortet hätte, entschied ich mich für die lange Antwort. Außerdem war Genetik schon immer mein Ding gewesen.
"Mein Vater hat tatsächlich braune Augen, aber du weißt schon", tastete ich mich heran, "dass blaue Augen rezessiv vererbt werden, oder?"
"Erzähl mir mehr", sagte er und legte den Kopf schief.
"Um blaue Augen zu haben, braucht man die Erbinformation von beiden, Mutter und Vater", fuhr ich fort, "das heißt nichts anderes, als dass es in meiner kretischen Familie blaue Augen geben muss. Und die gibt es tatsächlich. Also nix deutsche Gene und so." Ich habe ihn, dachte ich - da änderte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig.
"Das glaub' ich gern, dass es da blaue Augen gibt", grinste Rolf. "Schließlich waren wir auf Kreta. Wehrmacht. Damals, '41. Mein Vater war dabei. Und der war kein Engel. Stimmt's Bernd?"
"Was weiß ich", antwortete dieser, lächelte schief, schob sich vor Rolf und streckte mir die Hand entgegen. "Herzlich Willkommen am Posten."

***

Bevor ich Rolf traf, kannte ich Nazis nur aus dem Fernsehen, glatzköpfige Bomberjackenträger, die unter dröhnenden Sieg heil!-Rufen durch ostdeutsche Städte demonstrieren. Rolf ist anders. Rolf ist mein Koffein.

Die Nachtschichten haben wir beide am liebsten, da sind wir ungestört. Nach Mitternacht, wenn man uns nur noch vereinzelt kontrolliert, holt er seinen Laptop raus und loggt sich in ein ungesichertes WLAN-Netz ein, das er einfach umbenannt hat. DuDeppwiewärsmitverschlüsseln. So heißt es nun schon seit über vier Jahren.
Meistens schauen wir uns Dokus über das Dritte Reich an und diskutieren dann bis zum Sonnenaufgang, manchmal bastelt Rolf aber auch an seinem Rechner. Früher war das sein Beruf, Netzwerkadministrator. Dazu hat er eine Umschulung gemacht, nachdem er mit der Ausbildung zum Kunststoffformgeber keine Stelle gefunden hatte. Und weil heute jeder denkt, man bräuchte keine IT-Fachleute mehr, sitzt er jetzt hier, Sicherheitsfachkraft für die US Armee. So ist das, Nikki, sagt er immer, die Welt scheißt auf kleine Leute wie uns. Das ist 'ne Spirale, und die führt nur nach unten.

Nur sonntags ist seine Welt für kurze Zeit in Ordnung. Sonntags, wenn seine Tochter, die er oft wochenlang nicht gesehen hat, anruft. Immer abends, nach zehn. Als seine Ehe vor ein paar Jahren in die Brüche ging, hat er fast zwei Wochen kaum geredet. Er stand nur da und starrte auf die Straße. Dann kam der Tag, als er mich fragte.
"Nikki, meinst du, du könntest mich mal drücken?" Das hat er gefragt, ganz leise.
"Klar", hab ich gesagt. Und dann habe ich ihn in den Arm genommen. Mitten am Tag, während die Leute an uns vorbei gelaufen sind. Am nächsten Tag war er krank und kam erst fünf Wochen später und zehn Kilo leichter wieder.
Wenn nun sein Handy sonntags klingelt, dann schaut er mich an, ich nicke, und er geht in unser Pausenhäuschen. Manchmal schließt er dann auch die Tür. Das tut er sonst nie, wenn er mal rein geht, um sich zu setzen oder zu essen. Wir müssen uns immer im Blick haben können, sagt er seit jenem Tag. Ich pass' auf dich auf und du auf mich.

Den Amerikanern traut er nicht. Wir arbeiten für die Sieger, sagt er, wir prostituieren uns. Sie sind ihm zu durchmischt, und Rumjuderei ist eines seiner Lieblingsworte, das hat er aus dem Film Stalingrad. Wenn er es benutzt, gluckst er vor Freude.
Juden sind ihm suspekt. Einmal im Jahr, wenn Angestellte des israelischen Verteidigungsministeriums für ein paar Tage an unserem Posten ein und aus gehen, zehrt Rolf einen ganzen Tag davon, ihnen im Vorbeifahren das, was er einen halben Hitlergruß nennt, entlockt zu haben. Es ist jedoch keine laute Freude, er sagt dann kein Wort. Stattdessen schließt er die Schranke, schaut ihnen lange nach und nickt dabei fast unmerklich. Den Rest des Tages ist er dann verändert, eigenartig still. Er lächelt dann die ganze Zeit. Wie die Mona Lisa.

Die Zivilisten, die wir beschützen sollen, ahnen davon nichts. Sobald es ein Problem gibt, sagen sie, You gotta talk to Rolf about that. Das weiß ich, weil ich höre, wie sie reden, wenn ich mal zur Toilette gehe. Morgens, wenn die Menschen zur Arbeit kommen, sagen sie, Oh, good morning, Rolf, so nice to see you. Und er lächelt, kontrolliert Ausweise, reicht Hände, lacht und grüßt zurück. A wonderful morning to you, Ms. Washington. Thanks for the coffee, Mr. Cohen! Just another day at the zoo, ey, Mrs. Goldstein? Ms. Washington küsst ihn sogar auf die Wange. Manchmal drückt er sie auch. Er blüht dann richtig auf.

***

Weder Rolf noch ich hatten Essen mitgebracht, denn an jenem Abend hatte Kelly, Militärpolizistin, zwei Meter groß, halb Schottin, halb Cherokee, für uns beide gekocht. "Meine Dad is eine gude Koch", erzählte sie und lachte, während sie die schweren Plastikbehälter auf die kleine Tischplatte des Pausenhäuschens stellte.
"Mmh, yummy, Tex-Mex!", rief Rolf, als er den Inhalt seines Behälters betrachtete.
"No, dumbass", lachte Kelly, "It's frickin'
Cherokee! The best food y'all ever have! Now, eat", befahl sie und zwinkerte ihn an, nur um dann doch noch schnell seine Hand zu greifen. "Hold on, we need some good music to go with it", sagte sie und holte eine CD aus ihrem Militärrucksack, die sie an ihrem Uniformhemd abwischte und dann einlegte:
I've never been to heaven, but I've been to Oklahoma.
"Now!"
Wir tauchten unsere Gabeln in die einzelnen Schichten aus Eisbergsalat, roten Bohnen, Paprika, Hackfleisch und Käse. Der erste Bissen.
Tex Mex, dachte ich. "Weltklasse!", sagte Rolf und schloss die Augen.

Zum Abschied steckte Kelly Rolf noch einen Pay Day zu, seinen Lieblingsschokoriegel, und umarmte ihn. Rolf schaute ihr kurz hinterher und sah mich an. „Sie hat mir einen Pay Day geschenkt“, sagte er und lächelte auf die bunte Verpackung in seiner Hand. „Was du nicht sagst“, sagte ich. Wie die Teenager, dachte ich und lachte.

***

Manchmal glaube ich, Rolf lebt zwei Welten. Wie Tag und Nacht. Die eine hell, die andere dunkel. In manchen Nächten rede ich kaum mit ihm. Dann fragt er, ob alles OK sei. Ob mich was bedrücke. Nein, antworte ich dann und denke an das Damals, '41. Denke daran, wie viele deutsche Streitkräfte der kretische Widerstand gebunden hatte und an den Vortrag dieses Professors, der sagte, dass Kreta maßgeblich zum Scheitern des Russlandfeldzuges beigetragen hat. Dass der kretische Widerstand der einzig erfolgreiche war. Denke an das Bild, das in der Hütte im Olivenhain meines Großvaters hängt und beobachte Rolf. Ich frage mich dann, ob der deutsche Soldat, der darauf von einem kretischen Partisan mit einer Sense getötet wird, ein Freund seines Vaters war. Ich frage mich, ob dieser kretische Partisan mein Großvater war. Und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wünsche ich es mir, denn Rolf hat auch mir eine dunkle Welt geschenkt. Doch der Hass hält nie lange genug an. Komme ich am nächsten Abend an den Posten, ist er vergessen. Jedes Mal. Auch heute.

"Nikita, kalispera!", lacht er mich schon von weitem an und begrüßt mich, indem er sich wie immer schlapp an die Schranke hängt und einen erschöpften griechischen Soldaten imitiert, den wir in einer der Dokus gesehen haben.
Nikita, so nennt er mich, wenn er gut drauf ist. Das klingt so schön russisch, sagt er immer, und vor den Russen hat er Respekt. Gekämpft wie die Wildsäue haben die, die standen noch für was gerade, das waren ebenbürtige Gegner, nicht wie die da, sagt er dann und zeigt dabei mit dem Kopf Richtung Gebäude.
"Hab' 'ne geile Doku gefunden", raunt er, als ich meine Tasche abstelle. "Neuschwabenland", fügt er hinzu und lächelt wieder sein Mona Lisa-Lächeln.
"Nicht schon wieder", ist das Einzige, was mir dazu einfällt. Ich kann nicht glauben, dass er tatsächlich wieder eine gefunden hat. "Du gibst echt nicht auf, oder, Kamerad", sage ich, balle meine Rechte zur Faust und rubbel ihm mit den Knöcheln kurz über seinen Schädel. Er grinst. Ich schüttle den Kopf.

***

"... Nikki, glaub' mir, die hocken da seit Jahrzehnten! Die planen was!", sagte er nun doch etwas zu laut und schaute sich sicherheitshalber um. Seine Wangen ganz rot, obwohl es zehn Grad unter Null waren.
Ich musste mich setzen, kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. "Rolf, hab ich das richtig verstanden? Die Nazis sind mehr oder weniger geschlossen über Argentinien in die Antarktis geflohen, in U-Booten und ...
UFOs ... wo sie jetzt mit ein paar Japanern sitzen und Weltherrschaftspläne aushecken, angeführt von niemand Geringerem als dem GröFaZ selbst?" Ich sah ihn an und legte den Kopf schief. "Hörst du eigentlich, was du da sagst?"
Rolf hatte seine Hände in seiner Winterjacke vergraben und lief vor dem Häuschen schnell auf und ab.
"Wo hast du diese Doku überhaupt gefunden?", setzte ich nach.
"Auf YouTube, wo denn sonst?", sagte er aufgeregt, "Mensch, Nikki, die Infos waren die ganze Zeit da, und ich hab nix davon gewusst!"
"YouTube?!“ Meine Stimme überschlug sich fast. „Und wovon bitte hast du nichts gewusst? Von den durchgeknallten Wunschträumen irgendwelcher Ewiggestrigen, die eindeutig zu viel Zeit haben? Rolf, überleg' doch mal! Allein der Name.
Neuschwabenland. Schwaben, ausgerechnet Schwaben!", rief ich und hob die Augenbrauen.
Er musste lachen, biss sich jedoch schnell auf die Lippen. "Der Name ist doch scheißegal. Mensch, wenn die kämen, dann hätt' ich wieder 'ne Aufgabe! Dann wär' man endlich mal auf der richtigen Seite!" Er stoppte seinen Lauf, blickte in den klaren Nachthimmel und breitete seine Arme aus. "Kommt, und holt mich! Ich bin euer Mann!", rief er, halb scherzend, halb ernst. Dass er zu laut war, kümmerte ihn nicht mehr.

"Auf der richtigen Seite? Du gehst also wirklich davon aus, dass du es sein wirst, der entscheiden wird, ob er auf der richtigen Seite steht?" Meine Stimme wurde schärfer. "Hast du eigentlich auch nur irgendetwas aus der Geschichte dieses Landes gelernt, Rolf? Diese ganzen Dokus, siehst du die durch einen verdammten Filter?" Ich musste raus, laufen, und stand auf. "Rolf, dein Adolf hatte beschlossen, dass es - und ich zitiere - 'das deutsche Volk nicht Wert ist'. Er hat den Befehl gegeben, sein eigenes Volk zu bombardieren, so viel Infrastruktur zu vernichten, wie möglich, ohne die geringste Rücksicht. Er hat die Menschen eiskalt geopfert, nur, um einen letzten Triumph verzeichnen zu können. ‚Scheiß' auf die Menschen‘, hat er gesagt, ‚diese Feiglinge verdienen die Fabriken nicht mehr, ganz von vorne anfangen sollen sie!‘ Das hat dein Adolf gesagt. Das hat dein Adolf gemacht. Das, Rolf. Geschissen hat er auf dich. Und jetzt stehst du da und bettelst um seine Rückkehr?"

Wir atmeten schwer. Lange herrschte Stille, als wir uns reglos gegenüber standen und uns in die Augen sahen. Irgendwann blickte er zu Boden und sprach, einen Satz, ganz leise.
"Sonst bleibt mir doch nichts."
Schweigen.
Ich zündete mir eine Zigarette an.
"Du bist ein armes Schwein", sagte ich.

***

Das Schönste an Sommernächten sind die Vögel. Irgendwie ahnen sie, dass die Sonne nicht mehr lange auf sich warten lässt, und beginnen zu singen. Die australischen Ureinwohner würden sagen, sie sängen die Sonne in die Existenz. Aber so ist das mit Weltauffassungen. Die Einen sehen den Mythos, etwas, das niemals wirklich war und doch immer ist. Die Anderen sagen: Bullshit, Erdrotation.

Unseren zuckersüßen Cappuccino, den Kelly vor einer Stunde gebracht hat, haben wir gerade ausgetrunken, als der Lichtkegel eines Wagens vor unserem Posten auftaucht. Der Wagen hält, und Lerron, der heutige Supervisor, steigt aus. Ich blicke auf die Uhr. Kurz nach vier. Unpünktlich wie immer, denke ich und seufze.
"Ey, what's up, Miss Nikki", ruft er, als er die Tür zuschlägt. "Quiet night, huh."
"Yep", antworte ich und setze mich, um seinen Kontrollbesuch ins Schichtprotokoll einzutragen. Ich bin fast fertig, als er sich an den Türrahmen lehnt.
"Tonight's briefing is", setzt er an und wir sprechen im Chor, "under no circumstances do we let our hand rest on the weapon." Wir lachen über unser kleines Ritual, und sein Blick wandert über den Vorplatz.
"Everything alright with Mr. Gérard?", fragt er und zeigt mit dem Kopf in Rolfs Richtung. Der steht still ein paar Meter abseits und starrt in den Nachthimmel. "What's he doing? Counting UFOs or something?"
"Yeah, kind of", sage ich, stehe auf und stelle mich zu Lerron in die Tür. Rolfs schwarze Uniform verschmilzt mit dem Hintergrund, nur seine Gürtelschnalle und seine Brille blitzen hin und wieder im Licht der Laterne auf. Morse Code.

"The sun", sage ich.
"Rolf is waiting for the sun."

 

Hi PSS,

feine Arbeit, Respekt.
Mein erster Eindruck, aus dem Bauch heraus, mit den Auge eines normalen Lesers (nicht Autors/Lektors) gesehen:
- Nach dem ersten Absatz dachte ich: DDR-Grenzergeschichte. Gab es eine brutal gute beim letzten MDR-Literaturwettbewerb. Habe in den Achtzigern viel mit Grenzern gesprochen. So ein Dienst, acht Stunden in der Nacht, geht wirklich extrem auf die Psyche, da gab es auch Selbstmorde deswegen …
- „Bernd hat kein einziges Mal geschlafen. Er hat lieber von Karl dem Großen erzählt. Überhaupt war er unser Geschichts-Wikipedia, dabei hatte er noch nicht mal Internet.“ Das Stück wirft mich bissel raus, das kannst Du sicher eleganter ausdrücken …
- „die unter dröhnenden Sieg heil!-Rufen durch ostdeutsche Städte demonstrieren.“ – Das Nazis immer aus Ostdeutschland kommen geht mir etwas auf den Sack. Obwohl es möglicherweise stimmt, rein statistisch. Aber gefühlsmäßig spuken diese Trottel doch in ganz Deutschland rum.
- „Rolf ist mein Koffein“ gefällt mir sehr gut.
- So mittendrin werden´s mir zuviele, etwas konturlose Personen. Ich fange an, die zu verwechseln, vielleicht bin ich auch zu müde heute.
- Alles in allem: Super Schreibstil - aber ich kapier die Story nicht hundertprozent.

Nacht!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Purersternenstaub,

normalerweise gehen mir Nachkriegs-, Nazi- und Neonazigeschichten schlimm auf den Zeiger, weil ich ihrer Überdrüssig geworden bin - das Thema ist natürlich schrecklich und wichtig, aber wenn man damit konstant konfrontiert wird, schaltet man (bzw. schalte ich) irgendwann auf Durchzug. Deine Geschichte hingegen habe ich gerne gelesen, weil sie mir das Gefühl vermittelte, hier gehe es um mehr als die Gräuel des Nationalsozialismus, nämlich um Menschen und ihre Nöte und Wünsche.

Das Highlight Deines Textes ist für mich auf jeden Fall Rolf, dieser vom Leben getriebene, arme Hund. Mal Netzwerkadministrator, mal Wächter, er machts mit, weil er ja nicht anders kann. Seine Geschichte wirkt haltlos, nichts hat Bestand. So deute ich dann auch seinen Hang zu den Nazis und die Bitte an Nikki, ihn zu umarmen: er sehnt sich nach Halt, nach Beständigkeit. Dass das dann in Faschismus ausartet, weil der Halt verspricht, ist tragisch. Eine tolle Idee, die sich meines Erachtens durchaus auf die heutige Zeit übertragen lässt!

Sprachlich habe ich nur Kleinigkeiten auszusetzen und die kann ich hier einerseits, weils kein Notfall zu sein scheint und andererseits, weils nur meine Kaffeepause ist, nicht ausführen.

Ich freue mich auf mehr von Dir!

Viele Grüße
agopo

 

Hi,

das ist ein sperriges Teil. Es fällt mir schwer, da einen kohärenten Kommentar abzugeben. Ich hab 3 Sachen, die ich sagen will fürs Erste.

1. Vielleicht ist dieser Perspektivwechsel dann noch zu viel. Mit „Ist Nikki eine Frau“ und „Um was geht es hier“ und „Wann spielt das?“ und „Wer ist dann das Ich und wer ist das Sie“ - hat der Text ziemlich viele Fragen, die sich um die Form drehen, um die Art der Darstellung, weniger um das Inhaltliche, finde ich. Ich finde viel in dem Text, das so als „gegeben“ angesehen wird vom Text muss man sich als Leser irgendwie zusammenreimen und kann währenddessen nur schwer auf den Inhalt achten. Es ist fast so, als bräuchte man einen Durchgang um „klar zu kommen“, um zu wissen, wer ist wer ,und dann in einem zweiten kann man sich erst um die inhaltlichen Fragen des Textes kümmern.
Das ist schwer, weil du authentisch schreiben willst: Nikki würde nicht sagen, dass sie eine Frau ist, weil sie das weiß; Nikki würde nicht sofort sagen, dass sie in der heutigen Zeit lebt und für die Amerikaner einen Stützpunkt bewacht, sondern es käme erst, wenn es an der Zeit wäre, aber der Leser hat die Information dann immer Recht spät.
2.
Ich mach das zum Beispiel damit fest, dass ich am Anfang dachte: Wann spielt das? Grenze – Waffen – da dachte ich an die DDR, Schießbefehle oder vielleicht noch früher. Dann kommt aber die Stelle, wenn jemand ein Foto macht und er sagt „Lösch das!“ - da dachte ich mir: Hallo? Digital-Kameras? Ist das vielleicht irgendwie eine Alternativ-Welt, in der die Amerikaner zu einer permanenten Besatzungsmacht wurden, was ist da los? Also mein Hirn war total damit beschäftigt, erstmal Wo, Wann, Was zu klären – irgendwann, wirklich relativ spät, kommt dann die Information „Privater Sicherheitsdienst für US-Einrichtung“ und ich hab mir da wirklich an die Stirn geklatscht: ja, klar. Was denn sonst? Aber in die Richtung muss man erstmal denken, ich find das gar nicht so selbstverständlich und bis ich die Information hatte, war ich total damit beschäftigt, nach ihr zu suchen.
3. Hier du hast ein Ding drin:

Weder Rolf noch Nikki haben Essen mitgebracht, denn heute hat Kelly für die beiden gekocht. Kelly, die größte Militärpolizistin, die die Welt jemals gesehen hat. Kelly, deren Mutter Schottin und deren Vater Cherokee ist. Kelly, die Nikki das Vater Unser in der Sprache ihres Vaters aufgesagt hat. Kelly, die heimlich verliebt ist in Rolf.
Das ist nicht deine Sprache, nicht die Sprache des Textes, sondern das ist ein deutlich erkennbares Versatzstück aus der Sprache eines anderes. So ein „geborgtes“ Stilmittel. Durch die Art wie du sonst erzählst, würde ich dir dringend raten, das hier zu ändern. Durch das kleine Absätzchen hier tust du dir keinen Gefallen und dem Text auch nicht.

Ich würd mich an deiner Stelle fragen, ob es wirklich das Stilmittel braucht von „über die Schulter“-Perspektive zu „Ich-Perspektive“. Das ist ein bisschen so als würde man von halb-rot zu rot zu halb-rot wechseln. So ein Perspektivwechsel ist, wenn er denn wirklich nur so hauchfein ist, mehr Ablenkung als er bringt, find ich. Zumal das ja hier nicht nur ein Perspektivwechsel ist (von Person A zu Person B aber mit demselben Objektiv), sondern so ein Wechsel in der Erzählhaltung von Ich zu Sie – ich bin da kein großer Fan von. Ich finde das ist eine sehr artifizielle Art zu erzählen. Da weist man sehr auf dieses Stilmittel hin. Ich denke, wenn du die Gestaltungsmittel reduzieren würdest, wäre es einfacher sich auf die Figuren des Textes zu konzentrieren und sich mehr mit ihnen auseinanderzusetzen.

Ist auf jeden Fall eine sehr interessante Geschichte, ich werd die sicher noch mal lesen, mit den Informationen, die ich jetzt habe.

Gruß
Quinn

 

Hallo nastro,


vielen Dank! Freut mich, dass sie dir gefällt (soweit :shy: ).
Du bist ja nicht der Einzige, der das erst für eine DDR-Grenz-Geschichte hielt. Also ich finde das sehr interessant, dass es da ein Bild gibt, das sofort herauf assoziiert wird, und auch noch so ein vollkommen anderes, als beabsichtigt. Das werde ich ändern, ihr sollt ja nicht rumrätseln, sondern in die Erzählung eintauchen. Hm.

Bernd hab ich schon gekürzt, das habe ich sofort getan, nachdem ich deinen Kommentar gelesen hatte, denn Bernd hätte da eigentlich gar nicht mehr so ausführlich stehen sollen. Wollte ihm ursprünglich eine größere Rolle geben – dann habe ich ihn aber größtenteils wieder rausgekürzt, weil es einfach zu weitschweifig wurde. Das ist mir ganz schön schwer gefallen, weil ich die Figur richtig lieb gewonnen hatte. Ich meine, fast sechzig, referiert nachts über Karl den Großen und bringt sich immer sechs kleine, separat abgepackte Brote mit auf die arbeit, damit er einen Grund hat, sich öfter mal zu setzen. Denn er traut sich nicht, seinen jungen Kollegen zu sagen, dass ihm ganz einfach die Beine weh tun vom langen Stehen. Den muss man lieb haben, oder? :shy: Deswegen werde ich ihn nicht ganz rausnehmen. Hab ihn zu … äh … lieb. Aber das meintest du ja auch gar nicht.

Die ostdeutschen Nazis, ja. Da hab ich gesessen und auf die ostdeutschen Städte gestarrt und überlegt. Aber Nikki beschreibt ja ein ursprüngliches Klischeebild, und – seien wir ehrlich – die Massenmedien eignen sich oft nicht dazu, Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Deswegen hab ich drin gelassen, auch wenn die Realität eben anders aussieht.

Ob da zu viele Figuren drin sind, ich weiß nicht. Einige werden nur einmal erwähnt, weil ich Rolf diese Menschen ja direkt ansprechen lasse. Da mussten Namen her. Iliyas am Anfang als eine Art Anti-Nikki, größer ist seine Rolle nicht. Nikki und Rolf als Hauptfiguren, Bernd als Nebenfigur. Kelly als Halb-Cherokee, um Rolfs hell/dunkel-Widerspruchsdenken bisschen aufzuzeigen. Und Lerron, der Schichtführer, am Ende, um zum Abschluss zu führen. Sind das zu viele? Ich denke, ich werde an der Form arbeiten müssen, um da ein wenig Klarheit rein zu bringen.

Danke dir für deinen Kommentar und das Lob!

Hallo agopo,


also das finde ich jetzt wirklich super. Wenn jemand sagt, eigentlich kann ich das alles nicht mehr hören, aber das hier, das ist anders. Also da hast du mir wirklich eine Freude gemacht. Danke.
Und ich freue mich, dass du Rolf auf die Weise verstehst. Also ich fand das gar nicht so einfach, die Figur so hinzu drehen. :)
Danke schön für das Kompliment!

Hallo Quinn,


ich werde wie du auf deine drei Punkte einzeln eingehen, ist einfacher.

1. Also das Schwerste ist ja tatsächlich immer, wie klinge ich wie jemand, der da ganz tief drin steckt, und wie kann ich dem Leser gleichzeitig all das erzählen, was er wissen muss – ohne, dass der sofort sagt: Das hat er der Figur in den Mund legen müssen! Das ist konstruiert! Uiuiui, also das ist so eine Sache, da habe ich mich hier schon ein wenig schwer getan.
Also das sehe ich wirklich ein, da muss ich nochmal rüber. Ich fand es ganz schlimm, dass du und nastro schreibt, ihr müsstet da nachdenken, wo das spielt und so. Also da muss ich mir was einfallen lassen.

2. Der Punkt gehört schon irgendwie mit zum ersten, nicht wahr? Da ist wieder dieses unbeabsichtigt Detektivische, das der Text abverlangt. Wenn ich 'ne Geschichte lese, ärgere ich mich auch, wenn ich dann an einem Punkt wieder zurückspringen muss, um mich zu vergewissern, dass da diese Info stand, und rausklabüstern zu müssen, wie die jetzt mit der und so weiter usf. Also wie gesagt: Das werde ich ändern.

3. Bei diesem Punkt hab ich gestutzt. Wenn ich das so isoliert lese, springt mir sofort ein Stilwechsel ins Auge, der in direkter Textumgebung total unsichtbar war. Musste noch nicht mal deinen erklärenden Absatz lesen, das war Holzhammermethode. Also da hast du mich echt erwischt. Danke dir dafür. Werde ich bald ändern. Das ist aber auch so eine Sache, dass ich nicht weiß, wie ich solche Schnitzer ganz vermeiden soll. Da müsste ich jeden einzelnen Absatz rausnehmen, und(auch zeitlich) separat bearbeiten. So langsam verstehe ich, weshalb das Niederschreiben eines Buches nur einen kleinen Teil des gesamten Schreibprozesses darstellt. Hm.

Der Perspektivwechsel, ja. Da war ich ein wenig ratlos und habe einfach mal gemacht. Ich wollte sichergehen, dass der Leser ganz sicher versteht, dass diese Einschübe in der Vergangenheit liegen und als Erklärung für die Hass-Liebe Nikkis Rolf gegenüber dienen. Deshalb der zugegeben krasse Perspektivwechsel, deswegen der Blick von außen, der auch ein bisschen der Blick des Lesers sein sollte. Vielleicht habe ich es übertrieben. Ich werde mir auch da noch ordentlich Gedanken machen!

Ich danke dir für deine Zeit und die Punkte, die du so genau angesprochen hast, du hilfst mir sehr. Und dass du die Geschichte sehr interessant findest, das freut mich einfach nur. :D


Euch allen dreien noch mal vielen Dank!

Lieben Gruß,
PSS

 

...Du bist ja nicht der Einzige, der das erst für eine DDR-Grenz-Geschichte hielt. Also ich finde das sehr interessant, dass es da ein Bild gibt, das sofort herauf assoziiert wird ...

Der Unterschied bei der von mir gemeinten Geschichte ist vor allem der, das der Prot da oben allein auf dem Turm steht. Acht Stunden lang bei klirrender Kälte. Er tut dann jede Nacht das Gleiche: spielt sich in Gedanken das Doppel-Livealbum seiner Lieblingsband vor.

Quinn hat recht. Du solltest gleich am Anfang klarstellen, wo wir uns wann befinden. Und auch Quinns weiteren drei Punkten ist wenig hinzuzufügen.

... Die ostdeutschen Nazis, ja. Da hab ich gesessen und auf die ostdeutschen Städte gestarrt und überlegt. Aber Nikki beschreibt ja ein ursprüngliches Klischeebild, und – seien wir ehrlich – die Massenmedien eignen sich oft nicht dazu, Vorurteile aus dem Weg zu räumen.

Klischees sind ja nicht per se schlecht. Ich habe in meiner "Gruppe Russen" genannte Volksgruppe wie auch in "Frau Kowal" den Chef als Klischee ausgeführt und dafür gute Kritiken geerntet. Klischees erzeuge Resonanz, den Aha-Effekt: kenn ich , so 'nen Typen. Andere Klischees nerven natürlich auch fürchterlich. Auch sind sie der Mode unterworfen, polizeiliche Ermittler der fünfziger Jahre waren hardboiled, in den Sechzigern Vorbild in allen Bereichen. Heute sind sie in der Regel komplett am Boden, immer geschieden oder per Unfall verwitwet, drogensüchtig und durstig.

So, jetzt habe ich mir die Geschichte nochmal komplett durchgelesen (es ist ja noch Mittagspause, notfalls auch verlängerte ...).

- "Weckst mich dann, ja", gehört meiner Ansicht nach ein Fragezeichen rein.
- "Dann steh ich allein draußen, einer muss immer draußen ..." : Nee, das kannst Du besser ;)
- MP würde ich nicht abkürzen, weil ich dort unterbrechen und nachdenken muss: was meint der mit MP? Maschinepistole, Militärpolizei, Mundpropadanda?
- "Aber es kommt nie einer, und wenn, dann ist er immer irgendwie schnell genug wach." - Wer ist wach, der der kommt oder Ilyas? Und wer ist arkadash?
- Das "Neuschwabenland"-Ding erinnert mich sofort an den Film "Iron Sky". Ist immer blöd, wenn eine gute Idee gerade verfilmt wird, ist mir auch schon passiert. Wahrscheinlich lesen die in Hollywood die Gedanken unverdorbener Hobbyschreiber aus kg.de - womit wir schon wieder eine Story hätten ...

Ich habe auch im zweiten Versuch massive Probleme mit der Zuordnung der Personen und Namen. Du solltest den Leser nicht länger als einen Satz lang rätseln lassen, wer da gerade spricht. Ist meine Meinung, vielleicht bin ich auch nur zu blöd.

Der Schluss ist gut.

Obwohls nichts damit zu tun hat, habe ich sofort den gleichnamigen Titel der "Doors" im Ohr.

Ciao, nastro!

 

Hallo PSS, eine tolle Geschichte finde ich. Woher nehmt ihr Kerle bloß immer diese abgefahrenen Schauplätze und diese verbogenen Figuren her?
Also hat mir gefallen.
ABER:
Beim ersten Lesen bin sowas von aus dem Plan gekippt, das war schon nicht mehr schön.
Und auch jetzt nach dem zweiten, dritten Lesen ist mir echt nicht klar, warum du diesen beiden gut charakterisierten Gestalten, die so viel Konfliktpotential haben, warum du ihnen so viel verkünsteltes Gebummel drumrum hängen musst. Das ist doch überhaupt nicht nötig, dass du da die Perspektivwechsel machst.
Also für mich ist das absolut eindeutig, da hast du ein richtig disfunktionales Stilmittel gewählt. Ich kann mir schon vorstellen, dass du da viel Arbeit und Liebe reingesteckt hast, und dann wirds zum Schreibschätzchen und wer will sein eigenes Schreibschätzchen wieder raustun? Aber trotzdem: Du tust deiner Geschichte damit null gefallen. Da bin ich mir sicher.
Du hast zwei geile Figuren, die liebevoll charakterisiert sind. Einen geilen Konflikt, den die beiden austragen, es ist spannend und ich hab es gelesen wie ich Kaffee trinke. Also ganz schnell und supergerne. Nebenbei noch den alten Bernd und Lerron, die unverwechselbare Charakterisitika haben. Das ist toll.
Aber wie gesagt, durch die Perspektivwechsel und die Rückblende und dass sich dann da rausstellt, dass Nikki eine Frau ist, das schluckt so viel Energie, und das so unnötig. Eine Zeitlang hab ich geacht, die wärn da eine Person mehr.
Ich war nur die ganze Zeit am Rauf- und Runterpendeln, um mich auf den jeweils neuen Erkenntnisstand zu bringen, und das, obwohl die Perspektivwechsel aus meiner Sicht überhaupt keinen Nutzen bringen.

Mit dem Schauplatz als solchem hatte ich weniger Probleme als die anderen. Ich weiß nicht warum, ich bin irgendwann auf die Idee gekommen, dass das ein Siherheitsdienst in der Neuzeit sein muss in irgendeiner US-Einrichtung. Aber so richtig klar war es mir auch nicht. Hat mir wohl nur weniger ausgemacht als den anderen. Von daher: Ich würde das deutlicher machen. Kann man doch locker einflicken. Und du tust deinen Lesern einen Gefallen, denn die sollen noch zu ganz vielen diese Geschichte lesen.
Also diese Stelle, als Nikki überlegt, ob sein Großvater einen Freund von Rolfs Vater mit der Sense niedergestreckt hat, die fand ich hart.
Und auch als Rolf sagt, sonst bleibt mir doch nichts.
Das fand ich übrigens ähnlich wie bei Jimmys Schmerozza so, dass ich den Rolf nicht rundweg ablehnen konnte. Sondern dass der einem nah kam, obwohl er ja in ein übles Fettnäpfchen nach dem anderen tritt. Geil war da auch das Kennenlernen zwischen ihm und Nikki: der Spruch mit der Wehrmacht. Zum Davonlaufen eigentlich. Das ist schon irre, wie du das dann doch hinkriegst, dass man mit einem bescheuerten verbohrten Rechtsradikalen Mitleid hat.

Wie nastro auch ist mir am Anfang noch der Name arkadash aufgefallen. Wer bitte ist das?

So viel mal. Schöne Geschichte, tolle Figuren, aber Ohrenlangzieh für Perspektivwechsel.
Liebe Grüße
Novak

 

Hallo Novak,

oh Gott. Also wenn dein Kommentar kein wake up call ist, dann weiß ich auch nicht. :eek:

Also wenn ich heute Nachmittag nach Hause komme, werde ich den Perspektivmist gleich ausmerzen.
Aber eine Frage habe ich noch: du (bzw. ihr, denn Quinn und nastro sagen's ja auch) beziehst dich nur auf den Wechsel der Perspektive, nicht auf die Einschübe selbst, oder?

Aber wie gesagt, durch die Perspektivwechsel und die Rückblende und dass sich dann da rausstellt, dass Nikki eine Frau ist, das schluckt so viel Energie, und das so unnötig.
Das bedeutet doch, dass alles, außer, wie soll ich sagen, Haupterzählstrang irgendwie stört, oder?
Also da muss ich heute Mittag gründlich drüber nachdenken. Die Löschtaste ist Gott sei Dank mein Freund, weil: Mandala. :D Ich finde es immer wieder toll, wie viel ein Text gewinnt, wenn man Dinge rausnimmt.

Ach ja, der arkadash. Hatte den Text so runter getippt, ohne groß auf Sonderzeichen zu achten. Arkadaş muss das heißen, das ist Türkisch und heißt Freund oder Kamerad. Ich schreibe gerade an einer Geschichte mit einem türkischen Prot, da kommt der ein oder andere türkische Satz/Phrase vor. Jetzt bin ich ganz verunsichert, weil ich nicht weiß, ob man das so verstehen wird. Vielleicht hätte ich auch direkt das Sonderzeichen verwenden sollen, ich fauler Sack, aber ich dachte echt, hey, das kennt jeder. Sorry. Und: Mist.

Novak, ich danke dir für dein Ohrenlangziehen. Und dein Lob. Ich freue mich tierisch, dass es dir gefällt, was ich da zusammenklabüstert hab. :shy:

Also: Heute Mittag kommt die Löschtaste. Und alle anderen auch. :-)

Liebe Grüße,
PSS

 

Hallo PPS,

ich kann die anderen Leser nur unterstützen mit ihrer Kritik des Perspektivwechsels. Ich dachte erst, ich sei noch nicht richtig ausgeschlafen, weil ich auch meine Zuordnungsprobleme hatte.

Genauso schwirrte mein Kopf an verschiedenen Kriegsschauplätzen herum - ich bin auch der Meinung, dass du da schneller deutlich werden musst, wo das spielt, damit man sich mehr auf die Personen konzentrieren kann.

Also unbedingt ändern - ich warte dann die aktuelle Version ab, bevor ich mehr dazu schreibe.

Der Titel gefällt mir übrigens sehr gut.

Liebe Grüße
bernadette

 

normalerweise gehen mir Nachkriegs-, Nazi- und Neonazigeschichten schlimm auf den Zeiger, weil ich ihrer Überdrüssig geworden bin
schreibt agopo, was für mich schon fast eine Begründung ist, warum das den Finanzmärkten hörige technokratische Europa, dem Demokratie nur mehr ein Mittel zur Legalisierung ihres Terrors gilt, relativ gleichgültig vor sich hindümpelt. An Weihnachten kann's ja nicht liegen. Nicht die Märkte folgen der Politik, sondern diese den Wünschen anarchischer Märkte. Wär' mal interessant, Technokratien der 1930-er Jahre mit denen seit den 1970-er Jahren zu vergleichen ...

Janz schön Mulitikulti, die Securities (übrigens auch „Staatspapiere“),

liebe PSS,

wobei mir die Griechen Nordamerikas einfallen.

Sagt Dir jetzt nix? Wenn ein Derivat Kelly heißt fällt's auch nicht auf. Ich behaupte mal, Cher ist ein Derivat der Cherokee, eine Nation, die zunächst zum Verband der Irokesen zählte (mutterrechtliche Organisation) und dann mit vier Nationen der Muskhogee nach der Zwangsumsiedlung sich selbst verwalteten (Oklahoma).

Aber vor Kurzem auch schon gelesen, dass ein Sicherheitsdienstleister (wer steckt eigentlich dahinter? Heuschrecken ...) aus NRW Somalia (!) angeboten hatte, in den Bürgerkrieg – selbstverständlich gegen gute Bezahlung – einzugreifen. Naja, Festus Heggan war mir als Deputy lieber als die unterbezahlten armen Schlucker in ihren schwarzen Uniformen, die nur von der Farbe her an die SS erinnern. Zu einem solchen Job gehört schon eine bestimmte Haltung und Weltanschauung.

Meine Kleinkrämerseele wird auch nicht mehr voll befriedigt. Was meine andere Seele, ach in meiner Brust, natürlich freut!

Das war das letzte, was er sagte, und …
Das Letzte besser groß …

No comment:

… , entscheidet sich sich für die lange Antwort.

Dann fragt er, ob alles ok sei.
OK, okay oder Okey[-dokey]

Daß der kretische Widerstand …
Dass

Partisanenkämpfer
Einfach nur „Partisan“, der ja schon als bewaffneter Widerständler definiert ist. Erinnert ein wenig an den "Guerillakrieg", wobei der spanische Anteil schon "kleiner Krieg" bedeutet ...

Klingt alles ein bisschen wirr, aber bevor diese Fassung entschwindet ...

So wenig für jetzt vom

Friedel

 

So, ihr Hübschen,

habe die Geschichte etwas bearbeitet.
Die Perspektivwechsel sind raus, die Einschübe selbst habe ich jedoch drin gelassen und hier und da etwas verändert.

Auch habe ich Absätze rausgenommen, so dass es nun streckenweise etwas kompakter ist.

Manches habe ich erweitert (nur ein wenig), und ich hoffe, dass das Setting nun schneller klar ist. Nikki ist immer noch eine Frau, das will ich auch nicht ändern, sonst passt das Verhalten, die Art wie Rolf spricht, nicht mehr, denn ich finde, man hört schon, dass er mit einer Frau spricht.

Und Iliyas hab ich umbenannt in Murat, in der Hoffnung, dass der Name es leichter macht, das arkadaş einfacher einzuordnen zu können.


Lieber Friedel,

dank dir für deine Kleinkrämerseele! Der Partisanenkämpfer ist gestutzt und der Rest verbessert.

[...]was für mich schon fast eine Begründung ist, warum das den Finanzmärkten hörige technokratische Europa, dem Demokratie nur mehr ein Mittel zur Legalisierung ihres Terrors gilt, relativ gleichgültig vor sich hindümpelt.
Das nächste virtuelle Bierchen geht auf mich!

Gruß,
PSS

 

Hallo PSS,

ja, nun ist es viel besser und mir fehlt auch nichts. Manchmal liest man auch veränderte Versionen und denkt: Hach, das eine oder andere war da aber auch noch gut, schade, dass es weg ist. Das habe ich jetzt nach dem Aktualisieren nicht einmal so empfunden.

Nun kommt das Wesentliche - die Arbeitsbeziehung von Nikki und Rolf - besser rüber.

Worüber ich mir noch Gedanken machte waren zwei Punkte:

Da die beiden ja nun schon viele Jahre zusammen arbeiten und das Nazi-Thema ja schon x-Mal durchgekaut worden ist, kommt mir dieser Ausbruch:


"Auf der richtigen Seite? Du gehst also wirklich davon aus, dass du es sein wirst, der entscheiden wird, ob er auf der richtigen Seite steht?" Meine Stimme wird schärfer. "Hast du eigentlich auch nur irgendetwas aus der Geschichte dieses Landes gelernt, Rolf? Diese ganzen Dokus, siehst du die durch einen verdammten Filter?" Ich muss raus, laufen, und stehe auf. "Rolf, dein Adolf hatte beschlossen, dass es - und ich zitiere - 'das deutsche Volk nicht Wert sei'. Er hat den Befehl gegeben, sein eigenes Volk zu bombardieren, so viel Infrastruktur zu vernichten, wie möglich, ohne die kleinste Rücksicht. Er hat die Menschen eiskalt geopfert, nur, um einen letzten Triumph verzeichnen zu können. ‚Scheiß' auf die Menschen‘, hat er gesagt, ‚diese Feiglinge verdienen die Fabriken nicht mehr, ganz von vorne anfangen sollen sie!‘ Das hat dein Adolf gesagt. Das hat dein Adolf gemacht. Das, Rolf. Geschissen hat er auf dich. Und jetzt stehst du da und bettelst um seine Rückkehr?"

etwas zu spät vor, wenn man sich überlegt, dass sie dauernd solche Dokus mit ihm gesehen hat. Ich stelle mir vor, dass man nach einer Zeit denkt: Ach, der mit seinen Nazis, ich kann da reden wie ich will, es hilft doch nix oder so in der Art. Da ist doch irgendwann ausdiskutiert.

Der andere Punkt ist das Frau-Mann-Thema. Kann man jahrelang zusammenarbeiten, auch die langen, einsamen Nächte durch, ohne dass da Rolf mal Interesse an Nikki zeigt? Ist sie so hässlich :D? Von Rolf weiß man viel mehr als von Nikki, wenn man in einem Nebensatz von ihr ein klein wenig etwas über ihre Lebensumstände (und die Motivation, diesen Job zu machen) erfahren könnte, fände ich das noch eine gute Ergänzung.

Hier noch Kleinigkeiten:

Ich habe sogar Kollegen, die setzen sich, legen den Waffengurt auf den Boden, ihren Kopf auf die Arme KOMMA WEG und schlafen.

Darauf, dass einer kommt und das sieht. Aber es kommt nie einer, und wenn, dann ist Murat immer irgendwie schnell genug wach.
Mir würde der Satz ohne dann besser gefallen.

Und dann habe ich ihn in den Arm genommen. Mitten am Tag, während die Leute an uns vorbei gelaufen sind. Am nächsten Tag war er krank und kam erst fünf Wochen später und zehn Kilo leichter wieder.
Das ist ein skuriller Satz. Er war ein Tag krank, oder konnte eben nicht arbeiten, war aber fünf Wochen weg. Er ist inhaltlich schräg, aber andererseits hat er für mich eine weitere Informationsebene. So in der Art: Man sagt zwar, er sei krank, aber es ging ihm wochenlang so schlecht, dass er auch viel abnahm.

Ich bin jedesmal beim Lesen über ihn gestolpert und mich würde interessieren, wie andere Leser mit diesem Satz umgegangen sind.


Ich habe sie sehr gerne gelesen, diese Geschichte, zeigt sie doch anschaulich, dass man recht gut mit jemandem zusammen arbeiten kann, der eine ganz andere Ideologie in sich trägt - denn die Erzählstimme ist milde gegenüber Rolf, man könnte das ganze ja auch aggressiver formulieren.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber PSS, ja auch ich bin jetzt viel zufriedener. Hast du toll überarbeitet.

Die Einschübe haben mich eh nicht gestört, es waren nur die Perspektivwechsel, die mich gemartert hatten.
Nein, so schlimm war es natürlich auch nicht, es klingt nur gut.
Ich hab es nochmal sehr gern gelesen und mich an den Figuren erfreut. Ob "arkadash" jetzt besser kommt? Ich weiß ja jetzt, was es heißt, da hab ich kein Problem mehr. Aber ich kannte das Wort echt nicht, obwohl ich mit vielen Türken zu tun habe.

Als ich dann bernadettes Komm gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass sie Sachen formuliert hat, die mich auch umgetrieben haben.
Und das ist, dass das Frau-Mann sein von Nikki und Rolf ruhig noch etwas mehr betont werden könnte. Es ist schon klar irgendwann, schon allein das Sich-Drücken-Lassen, das würde Rolf bei einem Mann nicht wollen. Bei einer Frau natürlich schon. Das kenn ich auch, dass selbst harte Kerle bei einer Frau das gerne haben. Aber ich hätt auch nix dagegen, wärs noch mehr betont. In einem Mann-Frau- Kollegenverhältnis ist selbst, wenn sie unterschiedlichen Alters wären, noch eine andere Schwingung dabei. Ein bisschen was Verspielteres, Flirtenderes. Nur angedeutet, und wenn sie gleichen Alters sind, ist das sicherlich noch stärker. Das wär nur anders, wenn er sie nur als halbmännlichen Kumpel sehen würde. Und ich finde, dazu würde dann das Drücken nicht passen. Ich fand deine Idee mit dem Drücken übrigens einfach genial. Es war nur dieses eine kleine Ding und schon hatte Rolf sich ein bisschen in meinem Inneren eingenistet.

Dann ist bernadette noch die Rede von Nikki aufgefallen. Das ging mir auch so, ich dachte auch, irgendwann denkt man doch, dem ist eh nicht zu helfen. Da hält man keine Reden mehr.
Andererseits stand ich deinem kleinen Kunstgriff trotzdem wohlgesonnen gegenüber, so dass ich die Bedenken beiseitegewischt habe, denn ich fand die Rede so sprühend und schön. Und sie löst ja auch Rolfs Reaktion aus, auf einmal kommt in ihr Verhältnis diese neue Ebene und Rolf muss zugeben, dass er nichts sonst hat, von daher finde ich, kann man diese klitzekleine Unstimmigkeit gut verzeihen.

Und dann noch zu dem Satz:

Und dann habe ich ihn in den Arm genommen. Mitten am Tag, während die Leute an uns vorbei gelaufen sind. Am nächsten Tag war er krank und kam erst fünf Wochen später und zehn Kilo leichter wieder.
Ich hatte den Satz bisher überlesen, weil ich ihn automatisch so interpretiert hatte, dass er ab dem nächsten Tag fünf Wochen lang krank war und die vielen Kilo abgenommen hat. Aber bernadette hat schon Recht, semantisch ist der Satz nicht stimmig, von mir aus kann man ihn trotzdem lassen, weil die meisten ihn richtig verstehen werden. Wenn ich da aber Unrecht habe, wie wäre es, wenn man schreibt: "Am nächsten Tag wurde er krank ...." Oder " Am nächten Tag kam er nicht, er kehrte erst fünf Wochen später zurück und zehn Kilo leichter." Dann vermeidet man das.
Oder "Am nächsten Tag meldete er sich krank und kam/kehrte dann erst ...."

So, das wars für heute, noch einmal gerne sehr gelesen
Viele liebe Grüße von Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Purersternenstaub,

ich habe die Geschichte erst heute gelesen, also nach der Überarbeitung. Hat mir gut gefallen. Für Themen scheinst Du echt ein Händchen zu haben. Gefällt mir gut, den Nazi in so ein Multi-Kulti-Szenario zu verpflanzen.

Murat ist so ein Kollege. "Weckst mich dann, ja", sagt er jedes Mal und ist schon halb weg ... Da hat er sich vor mir aufgebaut und mir Schläge angedroht. Seitdem warte ich einfach ab.

Ich habe mich im weiteren Verlauf gefragt, warum Du die Geschichte mit Murat anfängst, weil der ja irgendwann völlig verschwindet. Ich verstehe den Gedanken, hier dieses Mix der Nationalitäten einzufügen, allerdings finde ich es etwas unglücklich, Murat so viel Text und somit Bedeutung zuzusprechen.
Das mit den Schlägen hat mich verwirrt, dachte aber okay, Murat groß und kräftig und der Ich-Erzähler klein und schmal. Mir ist erst sehr viel später aufgefallen, dass es eine "Sie" ist. Das wird erst sehr spät im Text deutlich gemacht und da hat es mich überrascht.

Er brauche das Geld, hat er immer gesagt, Scheiß' auf die Gesundheit - die Schulden! War auch so ein Schläfer. Aber wie soll das auch anders gehen bei dreihundert Stunden im Monat. Bernd hat nie geschlafen, er hat stattdessen von Karl dem Großen erzählt, wann immer wir ihn gelassen haben. Bis zum Sonnenaufgang. Jeder hat so seine Mittel.

Schlaganfall und Herzinfarkt und die Umstände, warum Menschen das auf sich nehmen, das hat mir gut gefallen. Und über die Mittel, die so jeder hat um nicht den "Bedürfnissen" nachzugeben, das mochte ich sehr.

"Christo-itso-... sag mal, ist das Griechisch?", fragt Rolf, nachdem ich mich vorgestellt habe.
"Ja, kretisch", antworte ich, "Chritsotakis. Ganz einfach", lächle ich ihn an, und seine Augen bekommen diesen Glanz ...

Ich würde es wirklich in die Vergangenheit setzen. Ist schon irgendwie verwirrend, wenn sie erst von Rolf redet, ihn schon kennt und dann auf einmal sich ihm vorstellt, auch wenn das kursive darauf deutet, dass es sich hier um einen anderen Zeitabschnitt handelt.

Rolf ist mein Koffein.

Schön!

Die Zivilisten, die wir beschützen sollen, ahnen davon nichts. Sobald es ein Problem gibt, sagen sie, You gotta talk to Rolf about that. Das weiß ich, weil ich höre, wie sie reden, wenn ich mal zur Toilette gehe. Morgens, wenn die Menschen zur Arbeit kommen, sagen sie, Oh, good morning, Rolf, so nice to see you. Und er lächelt, kontrolliert Ausweise, reicht Hände, lacht und grüßt zurück. A wonderful morning to you, Ms. Washington. Thanks for the coffee, Mr. Cohen! Just another day at the zoo, ey, Mrs. Goldstein? Ms. Washington küsst ihn sogar auf die Wange. Manchmal drückt er sie auch. Er blüht dann richtig auf.

Rolf wird tatsächlich spannend, durch sein ambivalentes Verhalten. Und menschlich. Das tut ihm als Figur sehr gut. Man kann ihn nicht einfach in die Schublade packen, sondern man muss als Leser schon auch seinen "Leidensweg" mitgehen, ob man nun mag oder nicht. Hier greifen Setting, Figuren und Konflikt wirklich wie Zahnräder ineinander. Gefällt mir ausgesprochen gut.

Zum Abschied steckt Kelly Rolf noch einen Pay Day zu, seinen Lieblingsschokoriegel, und umarmt ihn. Rolf schaut ihr kurz hinterher und sieht mich an. „Sie hat mir einen Pay Day geschenkt“, sagt er und lächelt auf die bunte Verpackung in seiner Hand.

Hier wird mir seine Einsamkeit viel deutlicher, als in den Ausführungen zu Scheidung und Kind. Das ist hier echt gut gemacht.

Und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wünsche ich es mir, denn Rolf hat auch mir eine dunkle Welt geschenkt. Doch der Hass hält nie lange genug an. Komme ich am nächsten Abend an den Posten, ist er vergessen. Jedes Mal. Auch heute.

Die Stelle finde ich auch stark. Wie das Foto des Großvaters zu ihrer Wutfantasie wird, wenn Rolf sie da so zuschwafelt und alles in einem hochkommt und man ihm am liebsten ans andere Ende der Welt verbannen will, was aber nicht geht, weil man zusammen auf dem Wachposten hängt und da zusammen die Tage und Nächte durchstehen muss. Gemeinsam und im Notfall auch füreinander da sein muss. Und dann dieses Foto, dass für einen irgendwie Gerechtigkeit herstellt.

Ich muss mich setzen, komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. "Rolf, hab ich das richtig verstanden? Die Nazis sind mehr oder weniger geschlossen über Argentinien in die Antarktis geflohen, in U-Booten und ... UFOs ... wo sie jetzt mit ein paar Japanern sitzen und Weltherrschaftspläne aushecken, angeführt von niemand Geringerem als dem GröFaZ selbst?" Ich sehe ihn an und lege den Kopf schief. "Hörst du eigentlich, was du da sagst?"

Das ist echt mein persönliches Highlight. Sehr schön hochgetrieben das Ganze. Dieses Absurde in seinem Kopf festgenagelt, ihn wirklich an eine andere Welt glauben lassen. In diesem Moment wird Rolf so klein und armseelig. So verbohrt und realtitätsfremd. Also, für die Doku ein absolutes :thumbsup:.

"Der Name ist doch scheißegal. Mensch, wenn die kämen, dann hätt' ich wieder 'ne Aufgabe! Dann wär' man endlich mal auf der richtigen Seite!" Er stoppt seinen Lauf, blickt in den klaren Nachthimmel und breitet seine Arme aus. "Kommt, und holt mich! Ich bin euer Mann!", ruft er, halb scherzend, halb ernst. Dass er zu laut ist, kümmert ihn nicht mehr.[/I]

Ja, da wünscht er sich zu den Gewinnern zu gehören und ist dabei so ein Verlierer. Bizarr eigentlich.

Die australischen Ureinwohner würden sagen, sie sängen die Sonne in die Existenz.

Lese das mal laut und versuche Dir dabei nicht die Zunge zu brechen ;).

Aber so ist das mit Weltauffassungen. Die Einen sehen den Mythos, etwas, das niemals wirklich war und doch immer ist. Die Anderen sagen: Bullshit, Erdrotation.

Hehe. Genau. Weiß nicht, ob ich das jetzt noch mal gebraucht hätte, aber es ist schön.

"Ey, what's up, Miss Nikki", ruft er, als er die Tür zuschlägt.

Und hier hab ich geschnallt, dass Nikki ne Frau ist. Dementsprechend musste ich erst mal schlucken, aussteigen, korrigieren und dann erst weiterlesen. Aber da es bisher niemanden gestört hat, bin ich wohl der Depp :).

Der steht still ein paar Meter abseits und starrt in den Nachthimmel. "What's he doing? Counting UFOs or something?"
"Yeah, kind of", sage ich, stehe auf und stelle mich zu Lerron in die Tür. Rolfs schwarze Uniform verschmilzt mit dem Hintergrund, nur seine Gürtelschnalle und seine Brille blitzen hin und wieder im Licht der Laterne auf. Morse Code.

Toll. Wäre auch mein Ende. Ich würde auf die Sonne am Ende verzichten, auch wenn es schön ist. Weil, da ist die Sonne schon wieder so im Nachgang drangehängt. Ist jetzt aber arg subjektiv, also, sehr meinen Vorlieben entsprechend.

Ich glaub, dass ist die erste Geschichte die ich von Dir gelesen habe, wo ich dachte, mal ausgehalten. Mal draufgehalten. Und es hat ihr echt gut getan. Bis auf das Frauending und Murat habe ich auch echt nix anzumerken.

Beste Grüße Fliege

 

So, ihr Hübschen :D

Ich bin da noch mal rüber und hab Kleinigkeiten verändert, nachdem ich eure Kommentare gelesen habe.


Liebe bernadette,

ich freue mich, dass du meine Überarbeitung als verlustlos empfindest. Ich kenne das, habe gerade vorhin einen Kommentar geschrieben zu einer Geschichte, die dadurch zwar gewonnen hat, jedoch nicht, ohne einen Preis dafür zahlen zu müssen. Deshalb bin ich wirklich heilfroh, dass du schreibst, du hättest das Gefühl nicht.

Zum Neuschwabenland-Ausbruch.
Die Einschübe sollen grundsätzlich Vorzeitigkeit ausdrücken, das ist mir wohl nicht gelungen. Deshalb habe ich alle drei Rückblicke nun als solche erkenntlich gemacht (hoffe ich :shy: ).

Das Frau-Mann-Thema.
Hm. Ja. Ich hab das absichtlich mit keinem Wort angesprochen, weil mir das Schreiben über Flirtereien und so tierisch gegen den Strich geht. Nicht etwa, weil ich per se was dagegen hätte, sondern: Ich selbst erkenne nie, wenn man mich (verzweifelt) versucht, anzuflirten. Ich brauche tatsächlich so was wie nen Flirt-Übersetzer, der mir dann sagt, Du, die hat echt Interesse an dir, anders raff ich das nicht. Ich weiß ehrlich nicht, wie ich das beschreiben soll, weil ich nicht weiß, was ich da beschreiben soll. Eigentlich zum Totlachen, nicht wahr? Ja. Hm. Und dann vermeide ich das eben. Schubidu.
Aber du bist nicht die Einzige, die das anspricht, Novak sagt das auch. Also wenn das eine größere Sache werden sollte, dann muss ich mir was einfallen lassen. Oh Gott. :D

Deinen Kein-Komma-Hinweis habe ich verbessert, Dank dafür!, Murat hab ich endgültig entfernt, den Teil mit dem Am nächsten Tag war er krank … lass ich jedoch so. Erst mal. :shy:

Ich freue mich sehr, dass du dir so viel Zeit dafür genommen hast. Und dass du sie gern gelesen hast: Yippie!


Liebe Novak,

es waren nur die Perspektivwechsel, die mich gemartert hatten.
Nein, so schlimm war es natürlich auch nicht, es klingt nur gut.
:D

Ich danke dir für das erneute Lesen!
Du sprichst ja die Dinge an, die auch bernadette erwähnt hat. Habe ihr schon näher auf das Frau-Mann-Ding geantwortet. Wie gesagt, wenn jetzt ganz viele sagen, Ja, wie, weshalb flirten die denn jetzt nicht?, dann werde ich da was einbauen. Ganz ehrlich: Ich vermeide das, so lange ich kann. Uaah.

Die Rede von Nikki soll ja lange vorher stattgefunden haben. Das kam nicht rüber, deswegen hab ich alle Einschübe in die Vergangenheit gesetzt. Ich hoffe, sie setzt sich jetzt deutlicher ab. Mir kommts zumindest so vor. Heh.
Ich danke dir für deine Zeit und Mühe, liebe Novak. Das möchte ich mal sagen, nachdem du in letzter Zeit ständig den Unmut verschiedener Schreiberlinge zu spüren bekommst. Merci! :)


Liebe Fliege,

wow, danke!

Also Murat ist jetzt komplett raus, er hat grundsätzlich für Verwirrung gesorgt. Und ich habe nun schon im ersten Absatz einen subtilen (aber hoffentlich deutlichen) Hinweis darauf gesetzt, dass Nikki eine Frau ist.
Die Einschübe habe ich alle in die Vergangenheit gesetzt, nachdem sie wohl allgemein etwas verwirrend waren, was das zeitliche Setting angeht. Manchmal denke ich, ich sei total blind, was so was angeht. Hm.

Die australischen Ureinwohner würden sagen, sie sängen die Sonne in die Existenz.
Also hier bin ich etwas hilflos, denn ich entdecke da keinen Stolprer oder so. Und ich habs wiederholt laut gelesen, ischwör!

Mit deinem Ende-Vorschlag hab ich rumprobiert. Ich lasse es so, wie es ist. Die zwei letzten Sätzchen stehen ja in direkter Verbindung zum einleitenden Absatz des letzten Kapitelchens, mit den Vögeln, der Sonne und dem Mythos. Da hatte ich das Gefühl, einen Kreis aufreißen zu müssen, der sich geschlossen hatte, da will ich dann doch nix dran ändern. Aber gereizt haste mich, das kannste glauben! :)

Ich glaub, dass ist die erste Geschichte die ich von Dir gelesen habe, wo ich dachte, mal ausgehalten. Mal draufgehalten. Und es hat ihr echt gut getan.
DAS gibt mir jetzt wirklich zu denken. Ist so ne Augenöffner-Bemerkung. Ich danke dir dafür. Und für das tolle Lob natürlich! Yeah. :)

Euch Dreien vielen Dank für eure Zeit und eure Hilfe!

Liebe Grüße,
PSS

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo PSS,

ich kenne die Erstversion nicht, deshalb kann ich zur Entwicklung des Textes nichts sagen. So, wie die Story jetzt ist, gefällt sie mir gut. Du hast einen schönen sprachlichen Stil gefunden. Die Charaktere wirken glaubhaft. Der Inhalt/ Subtext ist brisant und wichtig.

Ich habe allerdings ein paar Kleinigkeiten zu bemängeln, das ist aber alles ganz subjektiv. Ich liste es mal auf:

1) Mal vorneweg, ohne daß es jetzt zu wichtig wäre: Nikita ist eindeutig ein Männername (daran ändert auch Elton John nichts :)). Da Rolf die Hauptfigur so anspricht, und der Kontext nicht ausdrücklich das Gegenteil beschreibt, gehe ich als Leser davon aus, daß es sich dabei um einen Mann handelt.

2) Streng genommen gibt es keine Handlung. Die Erzählstimme berichtet von Erfahrungen und Gesprächen mit einem Arbeitskollegen. Das Ganze ist in meinen Augen eher eine Reflexion als eine Geschichte.

3) Verwirrend ist, weshalb u.a. deutsche Beinahe-Rentner (Schlaganfall) auf einem us-amerikanischen Militärgelände mit Waffe Dienst tun.

4) Verwirrend ist dann auch, weshalb sich Rolf von seinem Kollegen umarmen läßt (der ja, wie sich im Laufe der Story herausstellt, eine Frau ist). Im Moment des Lesens fand ich es unglaubwürdig oder zumindest seltsam. Da Du ja reale Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem US-Militär hast, weißt Du da vielleicht mehr, was da so zwischenmenschlich abgeht.

5) Hier ein zwar verbreitetes, aber etwas oma-mäßiges Klischee. Das sehen Menschen, die sich ansatzweise für den Rechtsradikalismus in Deutschland interessieren schon seit Jahren anders: Es gibt haufenweise Skins (auch mit Bomberjacke und Boots), die nicht rechts sind und der Dresscode bei den radikalen Nazis hat sich z.T. deutlich verändert. Warum ist das Niki bisher entgangen?

Bevor ich Rolf traf, kannte ich Nazis nur aus dem Fernsehen, glatzköpfige Bomberjackenträger, die unter dröhnenden Sieg heil!-Rufen durch ostdeutsche Städte demonstrieren.

6) Hier ein Beispiel für - in meinen Augen - Probleme bei der wörtlichen Rede:

...Von den durchgeknallten Wunschträumen irgendwelcher Ewiggestrigen, die eindeutig zu viel Zeit haben?

Dies und auch die Zusammenfassung von Rolf´s Hirngespinsten wirken auf mich, als würde der Autor dem Leser etwas mitteilen dabei aber die erzählende Schreibweise umgehen wollen. Deshalb packt er es in einen Dialog, der so aber etwas formal und seltsam klingt. Das gilt auch für dies:

"Hast du eigentlich auch nur irgendetwas aus der Geschichte dieses Landes gelernt, Rolf? ... und ich zitiere - 'das deutsche Volk nicht Wert ist'.

Klingt zu sehr wie ein Schul-Vortrag.

7) Etwas Psychologie:

Wir atmeten schwer. Lange herrschte Stille, als wir uns reglos gegenüber standen und uns in die Augen sahen. Irgendwann blickte er zu Boden und sprach, einen Satz, ganz leise.
"Sonst bleibt mir doch nichts."

Das ist natürlich für den Leser sehr erhebend. Aber auch unrealistisch. Ich habe diese und ähnliche Diskussionen jahrlang geführt. Ein solches Eingeständnis hört man nicht. Ich denke das liegt daran, daß die Menschen, die das über sich herausfinden, es normalerweise für sich behalten.

________________________

Es war schön, Deine Geschichte zu lesen.

Beste Grüße
Achillus

 

Wer hatte Dear,

PSS,

weiland Humorlosigkeit oder, milder ausgedrückt, mangelnden Humor zugesprochen? Wenn das nicht untrüglicher Beweis von Humor ist, andere tilgen ihre Schulden, Du vollziehst die

Perspektivwechseltilgung
und bist noch Wiederholungstäter
Daß der kretische Widerstand …
Aber ich weiß, da sträubt sich das doppel-s!

War mir nicht vorher aufgefallen (bin halt kurzsichtig) Hier wäre im ersten Satz der Konjunktiv besser,

Darauf, dass einer kommt und das sieht.
insofern der anschließende Satz im Inidkativ danach drängt
Aber es kommt nie einer, und wenn, dann ist Murat immer irgendwie schnell genug wach.

So, jetz’ is’ genug für heute vom

Friedel,
der noch’n schönes Wochenende wünscht und allem virtuellen Bier ein reales Bockbier (derzeit) vorzieht. Ahoi!

 

Liebe Purersternenstaub

Mit aller Heftigkeit wurde ich gleich im ersten Absatz in die Welt der harten Kerle katapultiert. Spontan kam mir da Giessen in den Sinn. Dort besuchte ich in den sechziger Jahren mal eine Freundin, die bei den vor Ort stationierten Amis arbeitete. Natürlich ist dies nur meine Assoziation, ein Bild, das mir dein Text auslöste. Es zeigt aber, wie solch klar interpretierbare Worte beim Leser seine eigenen Erinnerungen oder auch Vorstellungen auslösen können. Von dem her ein starker Einstieg. ;)

Ich brauche nachts nur selten Kaffee.

Ich weiss nicht recht, der Kaffeesatz steht da etwas verloren. Hm, vielleicht ein eingeschobener Gedanke, ich lese einfach mal weiter.

Rolf ist mein Koffein.

Ah, wenn ich jetzt dies dazu addiere, erhält es einen besonderen Stellenwert.

"Weltklasse!", sagte Ralf und schloss die Augen.

Rolf

Was mich ein wenig irritierte, waren die kursiv geschriebenen Abschnitte, da ich erst überlegen musste, welche Bedeutung ihnen zukommen könnte. Einzelne Worte sind da dann auch nicht kursiv. Beim nachträglichen Durchsehen der Kommentare sah ich, dass es sich um Rückblenden handelt, wie ich vermutete.

Ich kam während dem Lesen gar nicht dazu Weiteres anzumerken, so spannend war es. Diese Idee, die Nächte eines militärischen Wachposten in einer Geschichte zu verarbeiten, macht mich nahezu sprachlos. Dazu die Vermischung mit dem Gedankengut und den Empfindungen eines Neonazi, das hat schon seinen besonderen Touch. Es klingt auf der einen Seite ein wenig verharmlosend, wie du seine Wesensart gezeichnet hast, anderseits wirkt er mir in diesem Bild doch fassbar echt, das unreife direkt fühlbar, das ihn nach solcher Ideologie greifen lässt.

Eine stille und irgendwie ergreifende Geschichte, die ich mir unter solchen Vorzeichen nie hätte vorstellen können, hast du da hingezaubert.

Sehr gern gelesen. :kaffee:

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Lieber Achillus,

ich gehe mal auf deine einzelnen Punkte separat ein.
1) Nikita ist ein Männername, das stimmt. Als ich diesen Einwand von dir las, ist mir schlagartig bewusst geworden, dass ich mich selbst in die Geschichte eingeflochten hab. Ich hatte damals einen Kollegen, der sagte ab und zu zu mir: „Die Männer, die auf dich stehen, stehen auch auf Jungs.“ Dann hat er mich immer angelächelt und angezwinkert. Ob man er oder sie sagt, wenn man über mich redet, ist mir pupsegal, man redet mich regelmäßig mit „Junger Mann“ an. Transgender eben. Es war mir aber gar nicht bewusst, dass ich das so selbstverständlich hab in die Geschichte einfließen lassen, also diese Indifferenz gegenüber eindeutiger Geschlechterreferenz. Und jetzt schwant es mir, dass dieses Erstaunen à la „Nikki ist ja ne Frau!“, das ja fast jeder hier geäußert hat, darin begründet liegen könnte. Hm.
Den Hinweis auf Elton John verstehe ich ehrlich gesagt nicht.

2) Streng genommen, ja. Jedoch möchte ich mich da verteidigen. Ich wollte etwas Bestimmtes vermitteln. Und ich denke, das ist mir gelungen. In der Wahl der Mittel hat man hier auf kg.de Gott sei Dank recht freie Hand. Und genügend Diskussionen zu dem Thema Was ist eine Kurzgeschichte? gab es hier auch schon genug, wie mir einzelne Threads verraten haben. ;) Ich hatte keine Bedenken, die Geschichte so hier reinzustellen.

3) Wenn du wüsstest, wer so alles im bewaffneten US-Sicherheitsdienst arbeitest, du kämst aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.

4) Es gab mal eine Folge bei King of Queens, da ging es um Arbeitsehefrauen/-männer. Also den Menschen, mit dem du den größten Teil deines Tages, nämlich auf der Arbeit verbringst. Wenn ich zurückdenke, 12-Stunden-Schichten mit ein- und derselben Person, jahrelang, und die Beziehung, die man zu diesem Menschen aufbaut. Man redet irgendwann über alles mit dieser Person, und sie kennt dich am Ende oft besser, als deine Freunde, die du über die Zeit zum größten Teil verloren hast, weil du nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen kannst und so, Ehen gehen über diese Arbeit in die Brüche, da werden Leute zu Alkoholikern und was weiß ich, also es war eine eigene Welt, in die man da gekommen ist. Am Ende war deine Arbeit dein soziales Leben, und das Einzige, was zwischenmenschlich abgehen kann, passiert dann eben auf der Arbeit, mit Kollegen. Ich habe Situationen erlebt, hätte man mir vorher gesagt, dass es so was gibt, ich hätte den Vogel gezeigt.

5) Es gab mal eine Geschichte hier, hab den Titel vergessen, da ging es auch um Nazis. Die haben sich in der Geschichte superklischeehaft verhalten, und da gab es (berechtigterweise!) Kritik: Das wäre ein gefährliches Klischee, hieß es, und da dachte ich mir, wenn ich mal eine Geschichte über nen Nazi schreibe, dann wird der anders sein. Der wird nicht auffallen, der wird so unter uns leben, und keiner merkts. Nikki ist ja nun nicht das, was man ignorant nennen könnte, also sie ist sich schon bewusst, dass es da eine Realität gibt, die dem Medienklischee des Nazis gegenübersteht. Und die erste Real-Life-Konfrontation, die hat sie eben mit Rolf, und das über Jahre hinweg. Du schreibst ja selbst:

ein zwar verbreitetes, aber etwas oma-mäßiges Klischee

6) Na ja, da hat man wohl die Wahl zwischen Pathos und Schulvortrag. Dein Einwand zum

ich zitiere

verstehe ich nicht. Ist doch probat, und ich würde es genau so verwenden.

7) Gilt das auch für den Menschen, zu dem sich über viele Jahre eine sehr enge Beziehung entwickelt hat? Lässt man den nicht irgendwann (vielleicht unbeabsichtigt) an sich ran? Rolf macht hier kein offizielles Geständnis. Was ich darstellen wollte, war: Da entwickelt sich eine Freundschaft zwischen zwei sehr, sehr unterschiedlichen Menschen, von denen man erwarten würde, dass sie sich an die Gurgel gehen. Dass ein Zusammensein eigentlich unmöglich ist. Und dann passiert was ganz Großes, nämlich dass sie sich gegenseitig zulassen. Rolf sagt Dinge, wie:

Ich pass auf dich auf und du auf mich.

Also da gehört schon Einiges dazu an Zwischenmenschlichkeit finde ich, so was kommt nicht von heute auf morgen. Das wächst, verdammt langsam. Und trotzdem ist da immer dieses Machtgebaren, das er an den Tag legt, und Nikki versteht dann irgendwann, Moment, das ist er gar nicht wirklich – aber ich lasse ihn. Also sie läßt ihn nach außen ruhig weiterkommunizieren, so richtig litfaßsäulenmäßig. Aber nur, weil sie hinter die Fassade zu schauen gelernt hat, oder er sie einfach lässt, weil er so alleine ist.
Also so ist diese Beziehung zwischen den beiden. Das ist kein geständiger Nazi, das ist ein Mensch, der sagt, Ich bin so verdammt allein und weiß keinen Ausweg. Und dann ist da eben diese neue Ebene zwischen den beiden, dann ist es klar, dann ist da Verletzlichkeit auf beiden Seiten. Und Vertrauen, denn Rolf kann das nur sagen, weil er weiß, dass Nikki es nicht weiter erzählen wird.

Ungeachtet dessen: Vielen Dank für deine ausführliche Kritik! Dass dir meine Geschichte gefällt, freut mich sehr. :)


Lieber Friedel,

dir fällt aber auch alles auf! :D
Deine Anmerkungen zum Text beziehen sich jedoch auf eine Version, die zu dem Zeitpunkt, als du sie schriebst, schon Geschichte war. Murat gibt’s nicht mehr, und das Doppel-s ist längst ausgemerzt.
Trotzdem danke ich dir für deinen neuerlichen Kommentar!


Lieber Anakreon,

vielen Dank für dein Lob, schön, dass dir die Geschichte gefällt.

Jaja, die harten Kerle. Meine Zeit in deren Welt hat mich eines gelehrt: Kommt es tatsächlich zu einer Situation, in der man mal harte Kerle bräuchte, dann sind sie entweder am Essen, aufm Klo oder schlafen. So ist das leider wirklich.

Danke dir für den Rolf-Verbesserer!

Ja, die kursiven Einschübe sollen Vorzeitigkeit ausdrücken. Dass ich einzelne Worte/Sätze darin nicht kursiv gesetzt habe, soll Betonung oder Eigennamen ausdrücken. Im Haupttext hätte ich sie kursiv gesetzt – und ich wusste mir nicht anders zu helfen, denn fett wollte ich sie nicht machen. Hm.

Diese Idee, die Nächte eines militärischen Wachposten in einer Geschichte zu verarbeiten, macht mich nahezu sprachlos.
Danke schön, aber das ist einfach meinem Lebenslauf zuzurechnen. Der gibt so manches Setting her. Aber es freut mich einfach, dass es dir gefallen hat!


Euch allen vielen Dank für eure Zeit und die hilfreichen Kommentare!

Lieben Gruß,
PSS

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo PSS,

ich hab die Geschichte auch gern gelesen, die hatte einen angenehmen Tonfall. Oder ich mag die Sicht. Ich war auch ein bisschen überrascht, als ich dann rausfand, dass der Erzähler mit der Waffe in der Hand eine Erzählerin ist. Rolf war mich auch sympathisch, und die Erzählein auch, so wie die erzählt.
Nazis sind nicht unbedingt mein Thema, weiß nie, was ich dazu sagen soll, weil das so ein aufgeladenes Thema ist, da stecken so unglaublich viele Klischees drin und so viele Filme und Geschichten gab es schon, und die Leute nehmen es so ernst, und natürlich ist es auch ein erstes Thema, die Juden drehen noch immer zwei Filme im Jahr, wo es drum geht einen 90-Jährigen Nazi zu verurteilen, oder irgendwann mitten im Film taucht plötzlich einer auf, so ganz ohne Bezug (Cheyenne), das sind keine großen Erfolge, aber die kommen bei uns im Sneak Preview … also dieser Zustand lädt alles so dermaßen zur Satire ein, finde ich, zum Drüberlachen, und das sieht man auch: Tarantino mit Inglorious Bastards, Iron Steel, wo die Nazis vom Mond aus angreifen … das sind voll die Hits.

Ich muss zugeben, ich hab das Problem auch hier ein bisschen, dass ich nicht weiß, wie ich mit Rolf umgehen soll, oder dass ich vermutlich am liebsten drüber lachen würde. Rolf ist ein echter Nazi? Der noch von Hitler schwärmt! Jetzt echt! Heute noch? Ich muss mich outen, das ich find ich irgendwie lustig. :)

Also für meinen Geschmack könnte das Ganze ruhig nich ein Tick mehr abgedreht sein, wobei hier einiges schon lustig ist:

Allein der Name. Neuschwabenland. Schwaben, ausgerechnet Schwaben!"

:)

Also ich mag ganz viel an dem Text, das ist eine originellle Situation, und das ist alles gut gezeichnet, find ich, das ist auch keine total ernste Geschichte in dem Sinn, sondern eher eine nette … es geht hier nicht ums Nazisein oder den Krieg, sondern ums Menschsein, es geht hier sehr menschlich zu, Rolf ist sehr menschlcih und die anderen auch, und das gefällt mir sehr gut, diese Szenen die du eingebaut hast, der Ton, me gusta, dass die beiden sich eigentlich mögen, das ist schön. Also ich habs wirklich gern gelesen, aber ich bin grad am Überlegen, ob das nicht auch mit zwei anderen Figuren gehen würde, also ohne den verstaubten Nazi, vielleicht wenn Rolf ein Republikaner aus Texas und Nikki Demokratin aus New Orleans wäre … oder Rolf Zeuge Jehovas und Nikki Atheistin … oder wenn Rolf Schwabe wär und Nikki großzügig und cool … dann hätte mir die Geschichte glaub besser gefallen. Aber ist vielleicht auch ein persönliches Problem bei mir. So ist das auch schön, da kann man viel loben.


MfG,

JuJu

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom