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Kirchenschatten

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09.06.2017
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Kirchenschatten

Teil 1

Freitag
Es ist nach fünf, und ich sitze immer noch im Büro. Ich verfasse Broschüren über chirurgisches Material und beantworte wissenschaftliche Anfragen von Ärzten. Neulich habe ich Tante Hella gegenüber das Wort Hotline verwendet. Seitdem ist sie alarmiert. Ich warte nur noch darauf, dass sie mich fragt, ob das was mit Telefonsex zu tun hätte. Dabei heißt es wissenschaftliche Hotline. Meine Kolleginnen Jessica und Sabrina schneiden hinter der Glasscheibe Grimassen. Alle wissen, dass ich immer noch Single bin.

Marco vom Außendienst meldet sich zum dritten Mal bei mir. Wieder geht es um die MT-36-2L Produktspezifikation.
„Du hast eben eine sexy Telefonstimme“, seufzt Sabrina.
„Also bitte“, sage ich und denke wieder an Tante Hella.
Marco gehört zu der Sorte Männer, die mir Angst machen. Beim letzten Meeting hat er sich viel zu dicht neben mich gesetzt. Mich obenrum gestreift, immer wieder wie zufällig angefasst. Mit so einer Selbstverständlichkeit, dass ich mich frage, wo nimmt er die eigentlich her? Ich könnte weinen, wenn ich daran denke.

„Jana, kommst du nachher mit ins Excelsior?“ Jessica steht mit ihrer überdimensionalen Glitzertasche in meiner Tür.
Ich winke ab. „Geht nicht. Hab' schon Tickets für die Konzertreihe in der St. Anna-Kirche.“
„Du willst Freitagabend in die Kirche? Ist das wieder deine Uraltmusik?“
„Es heißt alte Musik, nicht Uraltmusik“, stelle ich klar. „Genauer gesagt geht es um iberische Madrigale und die Melancholie eines John Dowland.“
Jessica verdreht die Augen.

Wochenende. Ich stürme aus dem Büro und verpasse um Haaresbreite die Straßenbahn. In letzter Minute betrete ich das feuchte Halbdunkel der St. Anna-Kirche und sehe ein Meer aus grauen Haaren. Könnte ebenso gut ein Seniorentreffen sein. Es riecht nach Weihrauch, Moder und Kerzenwachs. Während ich noch auf dem Weg zu meinem Platz in der dritten Reihe bin, wird die Beleuchtung heruntergedimmt. Atemlos lasse ich mich nieder. Vorne leuchten Scheinwerfer auf. Das Ensemble Vlaamse Consort betritt unter Applaus die Bühne. Von rechts weht ein herber Duft in meine Nase. Quitte und etwas Maskulines, das ich nicht näher definieren kann. Ich linse rüber.
Neben mir sitzt ein Mann.
Überraschung, er ist nur ein paar Jahre älter als ich, so genau kann ich das nicht erkennen. Er trägt Jeans und einen beigen Strickpullover. Seine Augen sind geschlossen, so wie ich das auch oft in Konzerten mache. Aber nicht heute, denn die historischen Brokatgewänder der Flamen sind eine Augenweide. Anscheinend sind Männer dagegen immun.
„Gefallen Ihnen die Kostüme nicht?“, wispere ich in den Zwischenapplaus hinein nach rechts und kann selbst nicht glauben, dass ich mich das traue.
Er verzieht den Mund.

Hinter mir hustet jemand. Die Arie geht schon gefühlte zwei Minuten, und ich habe noch keinen einzigen Takt davon ohne Geröchel gehört. Mein Nebenmann dreht sich nach hinten und hält der Störquelle ein Hustenbonbon hin. Ein Papierchen wird ausgewickelt. Noch zwei Trompetenstöße aus den Tiefen einer gequälten Lunge. Dann ist Ruhe. Endlich.
Alt und Sopran verschmelzen mit dem silbernen Klang der Laute. Dazu erklingt sonor und keck die Trommel. Ich nehme mir vor, in der Pause ein Programmheft zu erstehen.

Am Ende des ersten Teils rufe ich laut Bravo. Die Flamen sind grandios, und dieses Methusalempublikum hier ist so lahm. Ich muss das ausgleichen. Zur Pause erhebt sich ein Großteil der Zuhörer und drängt forsch nach draußen. Ich überlege, ob ich an meinem Platz bleibe.

Mein Nebenmann macht auch keine Anstalten, aufzustehen. Er hat die Augen immer noch geschlossen. Vielleicht ist er müde.
„Hat es Ihnen gefallen?“, sagt er unvermittelt. Seine Stimme klingt tief und samtig. Die Plätze um uns herum sind verwaist.
„Was hätte ich Ihrer Meinung nach noch rufen sollen?“, erwidere ich, vielleicht ein wenig zu spitz.
„Die Altstimme ist so kraftvoll und unglaublich beweglich. Finden Sie nicht auch?“
„Er oder sie?“, frage ich, denn es gibt zwei Altisten in diesem Ensemble. Ein Mann und eine Frau.
Er zögert. „Der Alt aus der letzten Arie“, sagt er schließlich.
Das ist die rotblonde Sängerin, die in ihrer schwarzen Brokatkombination mit grünen Stickereien (Tunika und Schal) wie eine Göttin aussieht. An mir würde so etwas nach nichts aussehen. Wenn ich mich morgens ausstrecke, bin ich mit etwas gutem Willen 1,62 m klein. Okay, 1,55 m.

„Darf ich mal hineinschauen?“, frage ich und zeige auf sein Programmheft.
„Klar. Nur zu.“
Ich beuge mich über die Übersetzungen der Liedtexte und unterdrücke ein Lachen, als ich zur letzten Arie gelange. Sie ist deftig, fast vulgär. Nicht zu fassen.
„Was ist? Warum lachen Sie?“, erkundigt er sich.
Der Gong lässt uns beide zusammenfahren. Wir nehmen die Knie zur Seite, um die Konzertbesucher reinzulassen. Ich nervös, weil die in allerletzter Minute ankommen müssen. Mein Nachbar mit dem Anflug eines Lächelns.
Ich zeige stumm mit dem Zeigefinger auf den Text im Programmheft. Er schaut nicht hin.

Samstag
Heute komme ich schon zwanzig Minuten vor Konzertbeginn und erwerbe am Eingang ein Programmheft. Er ist wieder da.

Diesmal trägt er einen weißen Pulli. Eine kleine Begrüßung erscheint mir angemessen. „Hallo, Herr Nachbar“, sage ich.
Seine Miene hellt sich auf. „Ah. Hallo. So früh heute.“ Noch bevor ich richtig sitze, hält er mir sein Programmheft unter die Nase. „Möchten Sie mal reinschauen?“
Ich schüttele den Kopf. Irgendetwas kratzt in den Tiefen meines Halses. Ich beginne, mit dezentem Hüsteln in meinem eigenen Heftchen zu blättern, und entdecke das eingeschobene Blatt. Orgel statt Barockensemble. Ach Mensch. Ich mag keine Programmänderungen. Mein Hals brennt so dermaßen, das bringt mich um. Ich huste das jetzt ab.

Mein Nachbar hält mir etwas entgegen. „Hier. Eukalyptus für Ihren Hals.“
„Danke.“ Ich wickele das Bonbon aus dem Papierchen und stecke es brav in den Mund.
„Ist ziemlich scharf“, höre ich ihn noch sagen.
Dann geht es los mit dem Inferno in meinem Rachen. Ich überlege, ob es helfen könnte, jetzt die Atmung einzustellen. Andererseits. Sauerstoff ist auch etwas Schönes. Als die Orgel mit allen Registern einsetzt, fährt mein Nebenmann zusammen. Ich habe nichts gegen Orgelmusik, nur dass ich heute auf Flöte und Harfe eingestellt war. Ein Hauch von herber Quitte weht zu mir. Ich weiß immer noch nicht, ob ich ihm für dieses mörderische Bonbon, das er mir gegeben hat, dankbar sein soll.

Die heilige Jungfrau lächelt in golddurchwirktes Blau gehüllt vom Glasfenster herab. Die Musik ist zäh wie ein missratenes Baiser. Meinem Hals geht es besser, und während des Applauses am Ende des ersten Teils neige ich mich nach rechts. „Danke übrigens für das Eukalyptusbonbon.“
„Aber gerne doch, Frau Nachbarin. Und wie gefällt es Ihnen heute?“
„Na ja. Auf die Programmänderung hätte ich verzichten können.“
„Geht mir genauso ... Spielen Sie selbst ein Instrument?“
„CD-Player“, erwidere ich. „Aber ich nehme an, das zählt nicht. Und Sie?“
Er schmunzelt. „CD-Player spiele ich auch. Und außerdem Klavier. Aber nur für den Hausgebrauch.“
„Hausgebrauch. Aha. Und was braucht Ihr Haus? Klassik?“
„Hm, nein, mein Haus braucht Jazz.“
„Und das spielen Sie alles ohne Noten und so?“
„Genau. Aber wie gesagt, nichts Besonderes.“
Ich bin nicht sicher, ob ich ihm das „nichts Besonderes“ abnehme. Was daran liegen könnte, dass ich eine geheime Bewunderung für Jazzer hege. Und dafür, wie er das Wort Jazz ausspricht, so sanft und leicht gedehnt.

„Und was machen Sie sonst so? Ich meine, wenn Sie nicht Klavier spielen“, will ich wissen.
„Fremden Frauen in der Kirche Hustenbonbons zustecken?“, bietet er an.
Ich betrachte ihn zum ersten Mal genauer, schätze ihn auf Anfang, Mitte dreißig. Ein mokantes Lächeln umspielt seine Lippen. Er hat einen Dreitagebart und Lachfältchen um die Augen, und das steht ihm verdammt gut. Im Verlauf unseres heutigen Gespräches hat er die Augen geöffnet, aber er schaut immer an mir vorbei, und ich fange an, mir Sorgen zu machen. Ich sehe drei Möglichkeiten:
Erstens: Er findet mein Äußeres so unerträglich, dass er mich nicht ansieht, um sich nicht übergeben zu müssen.
Zweitens: Er hält mich für kreuzlangweilig und schlägt die Zeit damit tot, die bunten Glasfenster der St. Anna-Kirche zu betrachten.
Drittens: Er hat einen gewaltigen Knick in der Optik.

Ein paar Konzertgäste nutzen die Gelegenheit, um in der Pause das Weite zu suchen.
„Wie heißen Sie eigentlich?“, fragt er.
„Alle nennen mich Jana“, antworte ich. „Und Sie?“
„Jana … schöner Name. Ich heiße Lukas.“
In der Reihe vor uns setzt sich jemand schwungvoll auf seinen Platz. Unsere Programmhefte segeln von der Ablage und schlittern weit nach rechts ins Niemandsland. Lukas beugt sich nach unten und tastet mit der Hand über meine Schuhe.
Ganz sanft.

Ich nehme meine Füße zur Seite, und die Orgel setzt ein. Lukas richtet sich wieder auf. Im zweiten Teil wird es lyrisch. Gehauchte Orgeltupfer schweben wie silberne Schmetterlinge durch die St. Anna-Kirche. Etwas Harziges, Würziges steht in der Luft. Ich bin Lukas dankbar, weil sein Bonbon meine gereizte Kehle in Schach hält, und schließe die Augen. Es gibt keinerlei Zwischenapplaus.
Vielleicht hat Lukas Recht, und es lohnt sich nicht mehr, unsere Programmhefte vom Boden aufzuheben. Aber als der Schlussapplaus beginnt, wendet sich Lukas mir zu und sagt: „Jana, wären Sie so freundlich und würden mir helfen, mein Programmheft wiederzufinden? Es ist … Ich kann schlecht sehen.“
„Es liegt einen halben Meter weiter nach rechts. Von Ihnen aus gut zu erreichen“, antworte ich mechanisch. Ich sehe ihm zu, wie er sich nach unten beugt und wie ein Blinder den Boden entlangtastet. „Weiter rechts“, sage ich. „Bringen Sie mein Heft auch gleich mit. Es liegt direkt daneben.“
Er kommt zurück und hält es mir hin. Wir sagen beide gleichzeitig: „Danke.“
Mir liegen mehrere Fragen auf der Zunge. Keine von ihnen ist politisch korrekt. Zum Beispiel: Wenn Sie schlecht sehen können, warum tragen Sie dann keine Brille? Ich gebe mir gleich selbst die Antwort: Es gibt Sehprobleme, die sich nicht mit Gläsern lösen lassen. Nächste Frage: Was wollen Sie mit einem Programmheft, wenn Sie es nicht lesen können? Auf diese Frage habe ich keine Antwort.
„Haben Sie Lust, noch irgendwo ein Glas mit mir zu trinken? Gestern haben Sie von den Kostümen gesprochen …“, unterbricht Lukas meine Gedanken. Er sagt es leise.
Dieses Stechen hinter meinem Bauchnabel, wann hat das angefangen?
Dass ich nicht genau weiß, was mit seinen Augen los ist ... Ich meine, kann er überhaupt irgendetwas sehen?
„Wie fanden Sie es heute? Der zweite Teil war deutlich besser als der erste, oder?“, presse ich hervor.
Der Applaus geht zu Ende, und die Kirche leert sich. Lukas sagt nichts mehr.
„Ja dann. Schönen Abend“, murmele ich und gehe. Am Ausgang drehe ich mich noch einmal um. Lukas sitzt regungslos in der Kirchenbank.

Sonntag
Zum letzten Konzert komme ich abermals rechtzeitig. Heute steht ein Mittelalterensemble namens Música Antigua auf dem Programm. Am Getränkestand neben dem Eingang stürze ich einen eiskalten Sekt hinunter. Acht Minuten vor Beginn nehme ich meinen Platz ein. Ich blättere im Programmheft vor, zurück und wieder vor. Überfliege flüchtig die brillanten Fotos und die launigen Texte.
Lukas ist nicht da.
Könnte es sein, er hat kein Ticket für dieses Konzert?
Ich bin enttäuscht und erleichtert zugleich. Enttäuscht deshalb, weil ich im Falle einer Hustenattacke hilflos sein werde. Ich habe vorhin nicht daran gedacht, ein Bonbon einzustecken.
Erleichtert, weil … keine Ahnung.

Plötzlich sehe ich ihn. Er steht praktisch neben mir, am Eingang zu unserer Bankreihe. Ein Mann flüstert ihm etwas ins Ohr. Lukas schiebt sich an mir vorbei - ohne mir auf die Füße zu treten - und findet seinen Platz. „Jana. Schön, dass Sie da sind.“
„Hallo, Lukas“, bringe ich heraus. Gefolgt von einem herzhaften Schluckauf. Ich möchte vor Scham in der Kirchenbank versinken.
Sein Mundwinkel zuckt, dann wendet er sich von mir ab, so dass ich sein Gesicht nicht mehr sehen kann. Ein weiterer Hickser durchfährt mich. Es war eine Scheißidee, den eiskalten Sekt auf ex zu trinken. Ich versuche ab jetzt, den Mund geschlossen zu halten, damit es nicht so laut nachhallt.
Es wird dunkel, und das Spektakel beginnt. Sopran und Bariton wetteifern mit Schellentrommel und Drehleier. Es gibt viel Spontanapplaus. Ich versuche, meinen Schluckauf damit zu synchronisieren.
Lukas neigt sich zu mir, und unsere Ellenbogen berühren sich. „Halten Sie die Luft an.“
„Wie bitte?“
„Das hilft gegen den Schluckauf. Luft anhalten.“
Ich befolge seinen Rat und höre auf zu atmen. Lukas sieht gut gelaunt aus. Vermutlich amüsiert er sich insgeheim königlich über den Tsunami in meinem Zwerchfell. Ab und zu berührt sein Strickpulli meinen Arm. Sein Stoff fühlt sich weich an.

Die Spanier tragen Kostüme in rotbraunen Farbschattierungen mit schillernden Kupfereinsprengseln. „Was genau sehen Sie?“, frage ich in die nächste Applaussalve hinein. „Können Sie es beschreiben?“
Die Musik geht weiter, ohne dass er meine Frage beantwortet hat. In der Pause bleiben wir wie immer auf unseren Plätzen.
„Extrem unscharf in der Mitte. Und dieses Halbdunkel hier ist fatal“, sagt er. „Darf ich fragen, wie alt Sie sind, Jana?“
„Raten Sie einfach mal.“
Er zögert.
Ich denke an Tante Hella und bin gespannt, wie alt er meine Stimme schätzt.
„Hm, Sie klingen wie … Ende zwanzig?“
Damit liegt er richtig.
„Ist das ein Nicken? Also, Sie müssen schon mit mir reden.“
„Ja“, sage ich. „Achtundzwanzig.“
Es wird wieder dunkel. Eine Art Till Eulenspiegel betritt das Szenario und schlägt die Felltrommel.
Ich sehe abwechselnd nach vorne und zu Lukas. Seine Lippen bewegen sich stumm. Die spanischen Spielleute tanzen vor dem Altar. Fidel und Drehleier erklingen und dazu dieser Sopran, der bis zum Deckengewölbe der St. Anna-Kirche emporsteigt. Der Schlussapplaus ist ohrenbetäubend. Wir springen von den Sitzen. Ich höre auf, die Zugaben zu zählen.
Schließlich wird es etwas heller. Lukas dreht sich zu mir. „Nebenan ist ein Café. Wie sieht es aus, Jana? Kommen Sie mit? Ich schreibe an einem Zeitungsartikel über diese Konzertreihe und …“
Geht das schon wieder los. Ich bin zu fünfzig Prozent unentschlossen. Oder soll ich nur ganz kurz mitgehen? Meine Ohren sirren. Wir stehen gleichzeitig auf und verlassen die Bankreihe. Hicks, mein Schluckauf kehrt zurück. Lukas betastet meine Brust. Dann macht er einen Schritt nach hinten, prallt mit dem Rücken gegen die Kirchenbank. In meinem Unterleib zieht sich irgendetwas zusammen. Panik steigt wie eine weiße Wand vor mir auf. Ich dränge mich durch die Menschenmenge und ergreife grußlos die Flucht.

Dienstag
Ich stehe morgens am Kiosk und blättere durch die Zeitungen, um seinen Bericht über die Konzertreihe zu suchen. Nichts. Vielleicht hat Lukas gelogen. Oder es war schon in der Montagsausgabe.
In der Mittagspause recherchiere ich im Internet über Sehstörungen, die zu dem passen, was er mir beschrieben hat: Extrem unscharf in der Mitte. Und dieses Halbdunkel hier ist fatal. Ich finde heraus, dass Lukas sich bei guter Beleuchtung im Raum orientieren und mit einer Lupe lesen kann.
Am Abend bin ich frustriert, dass die Konzertserie in der St. Anna-Kirche vorbei ist. Reichlich spät reift in mir die Vermutung, dass Lukas nur ein paar optische Eindrücke von mir abfragen wollte. Bühnenbild, Kostüme und so. Ich habe einen seltsamen Geschmack im Mund und gehe früh zu Bett.

Mittwoch
Um nicht aufzufallen, gehe ich heute morgen zu einem anderen Kiosk. Ich finde eine Konzertkritik. Darunter steht als Autorenkürzel „lmz“. Ich kaufe die Zeitung. Laut Website der Redaktion steht „lmz“ für Lukas Menz. Als ich seinen Artikel lese, geht die Sonne in meinem Bauch auf. Beim Vlaamse Consort vom Freitag hebt Lukas zu Recht ihren Sinn für Rhythmus hervor und die beiden Altisten. Bei den temperamentvollen Spaniern vom Sonntag beschreibt er liebevoll und im Detail den Klang jedes ihrer Instrumente. Die erste Hälfte vom Samstagskonzert lässt er unerwähnt. Ich schneide den Artikel aus und vernichte den Rest der Zeitung.

Donnerstag
Heute ist Feiertag, und ich habe frei. Auf der Website der Zeitung finde ich seine E-Mail-Adresse. Ich lese seinen Artikel noch einmal durch. Dann schreibe ich ihm:
Betreff: Konzertreihe in der St. Anna-Kirche.
Hallo Lukas!
Ihre (deine?) Rezension war schön zu lesen.
Gruß, Jana.

Montag
Morgens um halb zehn erhalte ich eine E-Mail von „lmz“:
Betreff: Re: Konzertreihe in der St. Anna-Kirche.
Hallo Jana,
freut mich, dass dir mein Artikel gefallen hat.
Gruß, Lukas.

Eine Stunde später kommt die nächste E-Mail von ihm:
Betreff: Entschuldigung.
Jana, es war dunkel, und ich habe deine Körpergröße falsch eingeschätzt.
LG, Lukas.

Ich lehne mich zurück und lächle.

Teil 2

Montag
10:32 h
An: lmz
Betreff: Re: Entschuldigung.
angenommen!
Gruß, Janaleinklein
P.S. Wann erscheint deine nächste Konzertkritik?

10:55 h
An: jana89
Betreff: Konzertkritik
Hallo Jana,
so klein bist du nicht. Ich nenne dich weiter Jana.
Konzertkritik ist keine geplant.
In die Oper schicken sie mich nicht mehr. Seltsam.
Gruß, Lukas

11:21 h
An: lmz
Betreff: Re: Konzertkritik
Hallo Lukas,
das ist schade. Mich nervt nämlich, dass sie in den Opernkritiken über Bühnenbild und Kostüme schwafeln. Und im letzten Absatz: Ach ja, gesungen wurde auch. Viel zu wenige musikalische Details bringen sie, wenn du mich fragst!
Ich weiß immer noch nicht, was du machst, wenn du keine Hustenbonbons verteilst oder Konzertkritiken schreibst.
Gruß, Jana

21:07 h
An: jana89
Betreff: Was ich so mache …
Hallo Jana,
am Samstagmittag habe ich in der Stadt zu tun.
Danach setze ich mich ins Café an der St. Anna-Kirche. So gegen zwei.
Manchmal geschehen Zufälle, man trifft Leute wieder …
Gute Nacht, Lukas

Samstag
„Jana, ernsthaft. Nimm die hier.“ Sabrina hält mir die weiße Bluse hin. „Das ist ein Date und keine Beerdigung.“
„Du weißt, warum ich nur dunkle Oberteile trage.“
„Dann lass sie dir doch verkleinern.“
Ich schüttele den Kopf und schließe den Kleiderschrank. „Außerdem ist es kein Date.“

An der Wohnungstür pralle ich fast mit Frau Simoni zusammen.
„Gott sei Dank sind Sie da“, flüstert sie. "Meine Tochter geht nicht ans Telefon. Sir Henry ..."
„Was ist mit Sir Henry?“
„Der Doktor hat ihn heute …“ Sie hält sich am Türrahmen fest, aus ihrem Gesicht ist die Farbe gewichen. Wir gehen in ihre Wohnung.
Frau Simoni erzählt mir die Geschichte, wie ihr Zwergpudel eingeschläfert wurde, insgesamt dreimal. Ich mache ihr ein Butterbrot und sehe zu, wie sie in sich zusammengesunken auf ihrem geblümten Sofa sitzt und es verspeist. Mein Blick fällt auf das Holzkreuz an der Wand.
"Sir Henry ist jetzt von seinen Schmerzen erlöst", sage ich.
Frau Simonis Augen werden größer. "Denken Sie, er ist jetzt bei unserem Herrn Jesus?"
"Warum nicht?", sage ich, und noch während ich es ausspreche, wird es mir zur Gewissheit. "Ja, ich denke, Sir Henry ist jetzt bei unserem Herrn Jesus."
So unauffällig wie möglich sehe ich zur Uhr.
„Gehen Sie ruhig, Fräulein“, sagt sie. "Ich lege mich jetzt hin."
Ich versuche ein letztes Mal, die Tochter zu erreichen. Sie geht nicht ran.

Die Sonne bricht durch die Wolken. Draußen vorm Café sind alle Tische belegt. Der Springbrunnen plätschert und die Kirchturmuhr schlägt halb vier. Es sticht hinter meiner Stirn, während ich umhergehe und alles absuche. Lukas ist nicht da.

Ich betrete das Café. Zwei rothaarige Mädchen am Tisch in der Mitte baumeln unentwegt mit den Beinen. Ganz hinten in der Ecke neben der Vitrine sehe ich ihn sitzen. Er erinnert mich kaum noch an den Mann, der in der St. Anna-Kirche meinen Husten und meinen Schluckauf betreut hat. Sein Dreitagebart ist verschwunden. Er hat etwas Verletzliches an sich, wie er schräg vornübergebeugt über dem Tablet-PC hängt, mit seiner Brille, deren gelben Gläser die Augen auch von den Seiten umschließen.
Langsam schlängele ich mich zwischen den Tischen hindurch. Ein paar Schritte entfernt von ihm bleibe ich stehen. Er bemerkt mich nicht. Ich kann mich immer noch umdrehen und gehen.

Am Tisch in der Mitte schreit ein Mädchen und fegt eine Glaskaraffe klirrend zu Boden. Der Kellner und die Mutter brüllen sich an. Lukas hebt den Kopf.
„Hallo, Herr Nachbar.“
„Jana. Das ist aber schön!“ Er springt vom Stuhl auf. "Ich dachte schon, du kämst nicht mehr.“
„Bin rein zufällig hier“, murmele ich.
„Geben wir uns die Hand?“
„Klar“, sage ich und nehme seine Rechte. Wir setzen uns und bestellen Kaffee.

„Also, Frau Simoni, meine Nachbarin ... Ihr Hund ist heute gestorben.“
Lukas verstaut seinen Tablet-PC im Rucksack, fixiert mich aus dem Augenwinkel und sagt nichts.
"Deshalb bin ich so spät. Ich konnte sie nicht allein lassen. Nicht dass du denkst, ich wollte bei dir die Coole spielen.“
„Hm", macht er. „Wenn du wüsstest, wie ich mich geschämt habe, am letzten Sonntag.“
„Und ich hab dich stehengelassen. Das war nicht nett.“
Über sein Gesicht huscht ein Lächeln. „Du hättest mir auch eine knallen können.“

Der Kellner bringt unseren Kaffee. Lukas entleert den Inhalt eines Zuckersticks in seine Tasse, während er wie beiläufig an ihr vorbeisieht. „Du hast noch gar nichts zu meiner Brille gesagt.“
„Kannst du damit besser sehen?“
„Sagen wir, sie verstärkt die Kontraste und es blendet weniger.“
„Klingt doch gut.“
„Meine kleine Schwester meint, ich sähe damit aus wie ein Alien.“
„Da hat sie Recht“, erwidere ich.
Die Familie verlässt das Café. Das Sirren der Kühlvitrine wird intensiver. Wir sind mit unserem Kaffee fertig und rufen die Bedienung.
„Zusammen oder getrennt?“, will sie wissen.
„Getrennt“, antworte ich.
Lukas verzieht keine Miene.

„Wir könnten spazieren gehen, unten am Fluss.“
„Das mit dem Alien, hast du das ernstgemeint?“
„Ja sicher“, sage ich. „So eitel bist du doch nicht.“
Er stutzt, fährt sich mit der Hand übers Kinn.
Der Ventilator über uns wird langsamer und beginnt zu schnarren.
„Dann los. Lass uns zum Fluss gehen“, sagt er ruhig und schultert seinen Rucksack. Und jetzt - endlich - erinnert er mich wieder an den Lukas aus der St. Anna-Kirche.

„Wie machen wir das?“, frage ich.
„Geh du vor, und ich geh dir hinterher.“
Ich manövriere mich durch das Tischlabyrinth zum Ausgang und warte, bis Lukas wieder bei mir ist.
Um zum Fluss zu kommen, müssen wir den langgezogenen Platz vor der St. Anna-Kirche überqueren. Es gibt ein Kinderkarussell und einen Eisstand. Skater lungern auf der Halfpipe rum.
„Wir kommen schneller vorwärts, wenn ich deinen Arm nehme“, sagt Lukas.
Ich fasse seine Hand und platziere sie oberhalb meines Ellenbogens. Wir laufen dicht nebeneinander. Er riecht wieder nach herber Quitte.

Unten am Fluss, auf der breiten Uferpromenade scheint die Sonne durch die Kronen der Platanen. Blaue Holzboote schaukeln auf den Wellen. Fliegen umschwirren einen bärtigen Angler, der am Steg sitzt. Meine Haare wehen mir ständig ins Gesicht, es war keine gute Idee, den Zopf aufzumachen. Es sind wenige Spaziergänger unterwegs. Lukas lässt meinen Arm los und augenblicklich spüre ich den Wind an der Stelle, an der mich seine Hand wärmte. Ab hier geht unser Weg geradeaus.
„Schöne blonde Haare hast du", sagt er.
Den meisten Menschen fällt als erstes etwas anderes an mir auf.

„Deine kleine Schwester, wie alt ist die?“, frage ich.
„Dreiundzwanzig. Manchmal gehe ich mit Sonja am Ufer laufen. Frühmorgens, wenn es nicht so voll ist. Sie fährt Fahrrad und hält das Seil.“
„Wenn du möchtest, kann ich das auch mal übernehmen“, stottere ich.
„Fährst du gerne Fahrrad?“
„Ja, aber nur mit Stützrädern.“
Er gibt mir einen Klaps auf den Arm, und ich bin überrascht über seine Treffsicherheit.
„Beim Lauftraining auf mich aufzupassen, ist Arbeit, glaub mir. Lass uns lieber Tandem fahren. Dann hast du auch etwas davon.“
„Auf jeden Fall“, erwidere ich. „Ich übernehme das Lenken, und du trittst in die Pedale.“
Diesmal weiche ich seiner Hand rechtzeitig aus.

Bleigraue Wolken ziehen auf. Ich bin dabei, mir in den Stoffschuhen die Ferse wund zu scheuern.
„Wollen wir uns auf eine Bank setzen?“, fragt Lukas, so als könnte er meine Gedanken lesen.
„Oh ja“, seufze ich.
Wir schauen zum Fluss. Er hat die Ärmel seines Strickpullis hochgeschoben, und ich betrachte die goldenen Härchen auf seinen Armen.
"Das war gemein, dass du meine E-Mail nicht beantwortet hast. Weißt du das eigentlich?"
"Ich könnte sagen, dass ich mit meinem Notebook nicht ins Internet komme."
"Aber?"
"Aber, ehrlich gesagt, habe ich das Problem erst seit heute Mittag."
Lukas schüttelt lächelnd den Kopf.

Es fängt an zu nieseln. Wir stehen auf und gehen die Uferpromenade zurück.
"Kommst du klar mit deinem Notebook oder soll ich es mir ansehen?", fragt er.
In meinem Bauch kribbelt es wie Brausepulver. Ich versuche es mir vorzustellen: Lukas in meiner Wohnung. Der Regen wird intensiver. Wir erreichen die Steintreppe und er nimmt wieder meinen Arm.
"Ich würd mich freuen, wenn du nach meinem Notebook schaust. Bis zu mir sind es nur ein paar Stationen mit der Straßenbahn."
Durch den Regenvorhang, der sich vom Haltestellendach ergießt, sind wir vom Rest der Welt abgeschnitten. Tausende Tröpfchen glitzern auf Lukas´ Haaren und seiner blauen Jacke. Schließlich halte ich es nicht mehr aus und lehne meinen Kopf an seinen Arm. Beinahe wäre ich mit ihm in die falsche Tram eingestiegen.

In meiner Wohnung führe ich Lukas zum Schreibtisch und fahre mein Notebook hoch. Er erklärt mir, wie ich Schriftgröße und Farbschema für ihn anpasse. Dann hängt er sich vor den Monitor und kopiert Dateien. Im Gegensatz zu mir arbeitet er hauptsächlich mit Tastaturbefehlen. Und das verdammt schnell.
"Sag mal, bist du Journalist oder Computerspezialist?"
"Ich sattle um auf Klavierlehrer", brummt er.
"Aber Konzertkritiken schreibst du weiter?"
"Ich hör auf."
"Schade. Warum denn?"
"Weil ich nicht darauf warten werde, bis sie die Geduld mit mir verlieren."
Er lehnt sich zurück. "Dein Internetzugang geht wieder."

Ich räume meine Kleidung vom Fußboden, und wir gehen rüber zum roten Sofa. Ich versuche, gleichmäßig weiterzuatmen, während ich Lukas betrachte, sein strubbeliges Haar, die hohen Wangenknochen. Seine Rechte tastet nach mir, ich umfasse sie sanft mit beiden Händen. Schweigend erwidert er die Geste.
"Verrätst du mir jetzt, warum du nicht auf meine E-Mail geantwortet hast?"
"Nein", erwidere ich kokett.
"Schade. Dann muss ich wohl raten. Mal sehn, du ..."
"Ich hatte Angst", unterbreche ich ihn.
"Angst? Vor mir?"
"Ich wollte nichts versprechen."
"Verstehe." Lukas lässt meine Hände los. "Angst davor, dich einzulassen auf jemanden wie mich."
"Warst du schon mal mit einer Frau zusammen?"
Er wendet sein Gesicht ab und sagt nichts mehr.
"Möchtest du etwas trinken?"
"Ja, ich hatte eine längere Beziehung. Liegt schon eine Weile zurück."
Lukas streckt mir seine geöffnete Hand wieder entgegen und zögernd lege ich meine hinein.
"Du musst mir nichts versprechen, und du musst auch keine Angst haben", sagt er sanft.
Ich rücke näher und lehne meinen Kopf an seine Schulter.

„Was muss ich tun, für einen Kuss von dir?“
„Deine Brille abnehmen.“
Er legt sie auf den Tisch. „Mehr nicht?“
„Mehr nicht.“
Zögernd streckt er mir seine Hände entgegen, damit ich sie an meine Wangen führe. Er beugt sich zu mir. Ich schließe die Augen und spüre seine Lippen auf meinen. Seine Zunge taumelt, erforscht ganz sacht. In mir explodiert eine Blütenwolke. Es durchrieselt mich.
Als ich meine Augen wieder öffne, sehe ich, dass seine smaragdgrün sind. Ich könnte darin ertrinken. Andächtig streichelt er mein Gesicht und fährt mit den Fingern an meinen langen Haaren entlang, immer weiter nach unten. Spätestens jetzt dürfte er meine Oberweite, für die ich mich so schäme, bemerkt haben.
Er hält inne. "Wenn dir das zu viel wird, dann sag es, ja?"
Was soll ich sagen, ich bin wie eine Verdurstende in der Wüste.
"Bitte, mach weiter", bringe ich atemlos hervor und lasse mich nach hinten in die Kissen sinken.
Meine schmerzhaften Erinnerungen an ordinäre Kommentare - sie entfernen sich ins Unendliche, zählen auf einmal nicht mehr.
Nur einer zählt. Lukas.
Er berührt mein Dekolleté und tastet über die Kante meines BHs. Behutsam fährt er mit seinen Händen an meiner Brust entlang, verweilt an der empfindlichsten Stelle. Ich atme scharf ein.
Seine Fingerkuppen liebkosen meine runde Fülle. Mein Atem geht schneller. Ich werde feucht. Das Zentrum meines Unterleibs zieht sich zusammen, süß und unerträglich. Und dann bin ich draußen, auf den Wellen, im silberglitzernden Meer. Mein schwereloser Körper pulsiert - ich bin mit ihm versöhnt.
Bin stolz. Mit einem Mal ganz Frau.
Ich liege keuchend in Lukas´ Armen, und was mich am meisten überrascht: Es ist mir nicht peinlich, kein bisschen. Er legt den Kopf schief und betrachtet mich mit einem stillen Lächeln auf den Lippen.

Die Take-Five-Melodie reißt mich raus. Lukas fischt sein Smartphone aus dem Rucksack.
"Hm, kein Problem. Kann ich machen."
Er nennt meine Adresse und beendet das Gespräch. "Sonja holt mich in einer Viertelstunde ab."
Ich knöpfe meine Bluse zu.
"Ich komm mit runter."
"Quatsch. Das geht schon."
"Ich muss. Um diese Zeit ist die Haustür abgeschlossen", lüge ich und nehme den Schlüsselbund vom Brett. Die schwache Lampe im Treppenhaus flackert. Lukas schiebt meine Hand beiseite und tastet nach dem Geländer. Ich schlüpfe an ihm vorbei, um einen Stapel Werbeprospekte und den Buggy von Heinemanns aus dem Weg zu räumen. Unten angekommen drehe ich den Schlüssel sinnlos im Schloss.
"Ist doch offen", bemerkt Lukas.
Sonja kommt um die Ecke. Sie hat rotes Haar, ist fast so groß wie er und wippt mit dem Fuß.
"Was machst du morgen Nachmittag?", frage ich ihn.
"Ab drei hab ich Zeit. Bachstraße 21."
"Kann ich vorbeikommen?"
"Klar."
Sonja schiebt ihn zur Beifahrertür.
"Hallo", sage ich mit belegter Stimme, während ich den grau gepflasterten Bürgersteig betrachte. Sie ignoriert mich und fährt mit Lukas davon.

Sonntag
Nach der heiligen Messe trinke ich einen Eckes Edelkirsch bei Frau Simoni. Dann gehe ich noch einmal los und kaufe in der Notdienstapotheke eine Packung Kondome.

Die Bachstraße 21 ist ein efeubewachsener Altbau mit Messingzaun und verwildertem Vorgarten.
"Es ist die Souterrainwohnung. Der Eingang ist auf der Rückseite", sagt Lukas durch die Sprechanlage.
Als ich ankomme, steht er schon in der Tür. Er beugt sich zu mir runter, und wir umarmen uns lange. Mit schnellen Schritten führt er mich durch den Flur. In seinem Wohnzimmer fällt mir als erstes das Klavier auf, dann das hohe Regal mit den Hörbüchern.
"Spielst du mir etwas vor?"
"Ich hab was komponiert", sagt er ernst. "Nur für dich."

Langsam kullern Samttöne heran, tänzeln, tun wie unbeholfen. Dazwischen glitzern Perlen. Lukas spielt mit konzentrierter Miene, seine Finger fliegen über die Tasten. Lässige Dissonanzen schleichen sich ein und rhythmische Verschiebungen. Irrlichter in Moll geistern umher, und gerade als mein Herz sich verkrampfen will, werden die Linien wieder klarer, gleite ich dahin in einem Sog aus tausend Sonnen. Zum Ziel. Stille. Ich applaudiere. Lukas deutet eine Verbeugung an und kommt zu mir, um mich in seine Arme zu schließen.
"Nur für den Hausgebrauch, soso."
Er verbeißt sich das Lachen wie ein kleiner Junge, der bei Mau-Mau beim Schummeln erwischt wird.

"Was hast du heute morgen gemacht?", will ich wissen.
"Ein paar Artikel für die Montagsausgabe geschrieben. Und du?"
"Ich war in der Messe."
"Wusste gar nicht, dass jetzt Messe ist. Welche denn?"
"Hättest du vielleicht einen Kaffee?"
"Na klar."
Lukas nimmt mich mit in seine Küche, hantiert an der Kaffeemaschine, holt Milch aus dem Kühlschrank. Sein Latte Macchiato ist stark, mit viel Milchschaum. Er stellt ein Schüsselchen Erdbeeren auf den Tisch, setzt sich und klopft mit der Hand auf seinen Schoß. Ich nehme Platz, lege meine Arme um seine Schultern.
"Mach die Augen zu."
Ich gehorche. Kurz darauf spüre ich die feuchte Frucht an meinem Kinn. Ich öffne den Mund, sie gleitet hinein. Ein kühler Tropfen fällt auf mein Dekolleté. Lukas' Finger verweilen an meinen Lippen, berühren meine Zunge und streichen in Zeitlupe an meinem Hals entlang. Ich spüre seine Erektion unter mir. Wir sind eins in einem Kosmos aus Lachen, Küssen und Erdbeeren, bis ich irgendwann von seinem Schoß gleite.

Auf dem Tisch liegen Broschüren verstreut, ganz obendrauf befindet sich eine elektronische Lupe. Ich beuge mich drüber: Klavierpädagogik, Jazz. Daneben liegt ein großer Briefumschlag, mit einer Adresse in den USA beschriftet.
"Was wird das?", frage ich.
Lukas beugt sich nach vorn. "Du, ich werd Klavierlehrer. Bei den Gigs im Jazzkeller haben die mich auf die Idee gebracht. Und ich hab endlich den Kurs gefunden, den ich gesucht habe."
"In den USA?"
"Genau. Aber jetzt erzähl du erstmal von deiner Messe." Lukas nimmt einen Schluck Kaffee. "Ich nehme kaum an, dass du heute morgen in der Kirche für mein Augenlicht gebetet hast."
Touché.

"Wann würdest du denn in die USA gehen, und für wie lange?"
"Das geht in sechs Wochen los und dauert ein Dreivierteljahr."
"Und wem möchtest du damit etwas beweisen? Werden hier etwa keine Klavierlehrer ausgebildet, hm?"
Er atmet hörbar aus.
"Du hast es die ganze Zeit gewusst."
"Hätte es etwas geändert?"
"Nein", flüstere ich.
Mir laufen Tränen übers Gesicht. Das war der erste Mann, der in mir nicht die kleine Blondine mit dem Riesenbusen sah. Der Kuss meines Lebens.
Ich muss hier weg.
"Jana, warte", höre ich ihn rufen.
Ich stürze aus der Wohnung und nehme die Straßenbahn nach Hause. An meiner Haltstelle steige ich nicht aus, sondern fahre weiter zur St.-Anna-Kirche.

Seit meine Mama von uns gegangen ist, gehe ich seltener hierher. Ich bin keine gute Katholikin, neige zum Denken. Gleichwohl ist es ein guter Ort. Ich sinke auf die Knie und schließe die Augen. Wie froh ich bin, hier zu sein. Weihrauch umfängt mich, hüllt mich ein wie ein weicher Mantel. Ich bete den dreiundzwanzigsten Psalm.
Meine Gedanken wandern zu Lukas. Warum will er weg von der Zeitung? Was rede ich es mir schön? Er sieht furchtbar aus, wenn er vorm Monitor klebt. Ich habe die Augentropfen und die Tabletten in seinem Bad gesehen.
Bitte mach, dass er nicht nach Amerika geht, dass er mich auch liebt, dass ich ihm wichtiger bin als die Musik. Bitte ... Ich weiß nicht, um was ich noch bitten soll. Meine Knie tun weh.
Das ältere Paar zündet ein Opferlicht an und verlässt die Kirche.
Seit wann geht das mit Lukas und mir? War nicht ich diejenige, die ihn tagelang mit seiner E-Mail in der Luft hängen ließ?
Ich bete noch ein Ave Maria, dann erhebe ich mich. Die Küsterin kommt und hebt die Hand zum Gruß. Ich glaube, sie hat im Schatten auf mich gewartet.
Als ich die St. Anna-Kirche verlasse, hält ein Taxi am Bürgersteigrand. Der Fahrer steigt aus, öffnet die Beifahrertür. Ich eile zur Straßenbahn, drehe mich noch einmal um. Er packt einen hochgewachsenen Mann am Arm und zerrt ihn zur Kirchentreppe.

"Na sowas. Hallo Lukas", stoße ich atemlos hervor, als ich vor ihm stehe.
Er nickt knapp, als sei er wenig überrascht.
Der Taxifahrer schlägt ihm auf die Schulter und verschwindet.
"Nur damit das klar ist: Ich bin keine hysterische Betschwester."
"Schön. Dann lass uns reden. Und lauf mir nicht wieder davon. Ich hasse das."
"Mir ist kalt", sage ich und ziehe die Nase hoch. "Ich will heim."
Lukas holt ein Taschentuch aus seinem Rucksack und hält es mir hin. "Hier."
Ich schnäuze.
"Kann ich mitkommen?"
"Was ist mit deinen Medikamenten?"
"Hab ich dabei."
"Dann komm", sage ich und berühre seine Hand.

ENDE​

 

Hallo erdbeerschorsch,

das ist keine Spitzfindigkeit, da hast du vollkommen Recht: Männliche und weibliche Altstimmen lassen sich meistens gut unterscheiden. Weiß ich ... :Pfeif:
Ich lasse es mal drin. Dichterische Freiheit und so ...

Tja, es sind viele Situationen enthalten, in denen angedeutet wird, dass Lukas etwas nicht sieht. Jetzt zähle ich mal, noch fünf weitere:
Am Freitag verzieht er wegen ihrer Kostümfrage den Mund und schaut nicht auf das Heft, das sie ihm hinhält.
Am Samstag fährt er zusammen, als die Orgel einsetzt, schaut an ihr vorbei und findet das Programmheft nicht.
Hm, ist wohl die Holzhammermethode, mehr dürfte es nicht sein. :shy:

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Deine Kommentare waren gut.
Du hast so etwas von ins Schwarze getroffen. Wirklich.
Und den Begriff "Worthülse" hätte ich mir beinahe ausgedruckt und über den Schreibtisch gehängt. :D

LG, Anne

 

Hallo Anne49

Du hast ja bereits eine ganze Menge Kommentare erhalten. Ich werde nicht auf den Inhalt der Geschichte eingehen, das haben andere sicher bereits getan. Ich finde aber, dass es auf der sprachlichen Ebene noch Verbesserungspotential gibt und ich möchte vor allem etwas zur Erzählstimme sagen.

Es ist schon nach fünf, und ich sitze immer noch im Büro.

Im weiteren Verlauf spielt es keine Rolle, dass es „schon“ fünf Uhr ist und die Prota „immer noch“ im Büro sitzt. Weshalb diese Information? Arbeitet sie ansonsten um diese Zeit nicht mehr?
Auch falls es dir wichtig wäre, dass sie immer noch im Büro sitzt, würde ich dir dennoch raten, zumindest das „schon“ zu streichen.

Unvorsichtigerweise habe ich neulich Tante Hella gegenüber das Wort Hotline verwendet.

Ich finde den Satz ziemlich sperrig. Zumindest den Sechssilber zu Beginn könnte man eliminieren, das war ja auch nicht wirklich unvorsichtig, ausser sie wüsste sehr genau, welche seltsamen Vorstellungen ihre Tante besitzt. Vorschlag: „Neulich habe ich Tante Helle gegenüber das Wort Hotline verwendet.“

Ich warte nur noch darauf, dass sie mich fragt, ob das was mit Telefonsex zu tun hätte, was ich da mache.

Vorschlag: „Ich warte nur noch darauf, dass sie mich fragt, ob das, was ich mache, mit Telefonsex zu tun habe“. Dann hättest du das doppelte „was“ weg. Der Satz hat dann zwar viele kurze Satzglieder, das gefällt mir immer noch nicht so ganz. Aber in deiner Version ist das ja auch so.

Alle wissen, dass ich immer noch Single bin.

Das kommt ziemlich aus dem Nichts. Irgendwie empfinde ich diesen ersten Absatz als etwas unzusammenhängend.

Marco vom Außendienst meldet sich zum dritten Mal bei mir. Schon wieder geht es um die MT-36-2L Produktspezifikation.

Kann man streichen.

Jana, du hast eben eine sexy Telefonstimme“, seufzt Sabrina.

Finde ich eine etwas unelegante Art, den Namen der Prota ins Spiel zu bringen. Es ist zumindest aussergewöhnlich, dass jemand im Kontext einer solchen Bemerkung zuerst den Namen der Angesprochenen nennt.

Ich muss dazu sagen, dass Marco zu der Sorte Männer gehört, die mir Angst machen.

Würde ich streichen. Das ist so ein Satz, der nebst den genannten Füllwörtern (schon wieder, etc.) der Erzählstimme so etwas Geschwätziges und für mich leicht Unsympathisches verleiht. Menschen, die das, was sie sagen, mit „Ich muss dazu sagen“ einleiten, sind mir eher suspekt. ?

Das ist ein schwieriger Punkt, weil du ja vielleicht gerade diesen Eindruck beim Leser erwecken möchtest. Aber dann würde ich dir raten, bei den Dialogen anzusetzen und nicht bei der Erzählstimme. Das ist so ein Fall, wo sich die Prota besser in dem, was sie sagt, verraten sollte, nicht in der Art und Weise, wie sie erzählt. Dann kann ich als Leser sagen, okay, die Prota ist leicht nervig, ohne mich von der Erzählung selbst genervt zu fühlen.

Mich obenrum gestreift, immer wieder wie zufällig angefasst.

Wer sagt denn sowas?

Mit so einer Selbstverständlichkeit ..., dass ich mich frage, wo nimmt er die eigentlich her?

Ich verstehe den Sinn der Auslassungspunkte nicht. Fehlt ja nichts. Ansonsten finde ich das aber einen guten Satz. Hier bist du nahe an der gesprochenen Sprache, zeigst die Denkweise der Protagonistin, ohne zu Füllwörtern (allenfalls könnte man das „so“ streichen) zu greifen, was beweist, dass es auch auf elegante Weise geht.

Könnte ebenso gut ein Seniorentreffen hier sein.

Kann man streichen.

Als ich noch auf dem Weg zu meinem Platz in der dritten Reihe bin, wird die Beleuchtung heruntergedimmt.

Ich würde „Als“ für eine abgeschlossene Handlung verwenden: „Als ich dort ankomme, wird die Beleuchtung gedimmt. Hier also besser: „Während ich noch auf dem Weg …“

Überraschung, er ist nur ein paar Jahre älter als ich, so genau kann ich das nicht erkennen.

Ich habe Mühe mit dem Satz. Obwohl ich kein Freund von „aber“ und „obwohl“ bin, müsste an dieser Stelle der Gegensatz benannt werden. Vielleicht aber eh besser: „Soweit ich das erkennen kann, ist er nur ein paar Jahre älter als ich.“

Anscheinend sind Y-Chromosomenträger dagegen immun.

Ja, das ist dann für mich sowas wie ein Killer. Das ist schwierig und ich bin hier im Forum auch schon sehr alleine dagestanden mit meiner Haltung. Es ist klar, dass du deine Prota auf eine bestimmte Weise charakterisieren möchtest und diese Ausdrucksweise gehört dazu, das ist schon stimmig. Aber auf der anderen Seite möchte ich jemandem, die Männer Y-Chromosomenträger nennt, nicht unbedingt weiter zuhören. Nicht, dass ich mich beleidigt fühle, aber das ist so eine Art von Humor, mit der ich mich nicht anfreunden kann.
Dürfen Erzähler nervig, kindisch, daneben sein? Ja, natürlich. Aber dann müssen sie diesen Makel meines Erachtens kompensieren und zwar durch Eigenschaften, die sie interessant machen. Und davon habe ich bisher einfach zuwenig mitbekommen. Ich interessiere mich grundsätzlich schon für diese Figur, bin schon neugierig, aber nee. Wäre diese Figur eine Person, die ich an einem Apéro o.ä. kennengelernt habe, wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, mich zu verabschieden.

Im Halbdunkel vermag ich sein Gesicht nicht richtig zu erkennen, aber mir ist so, als ob er den Mund verzieht.

Das hast du schon mal erwähnt (nicht richtig zu erkennen). Und nach: „als ob“ besser „verzöge“ oder „verziehen würde“.

Irgendjemand hustet in meinen Rücken.

Das ist wieder so ein Fall: „Jemand“ wäre neutral. „Irgendjemand“ klingt eher abschätzig. Dazu passt dann der Ausdruck „Methusalempublikum“, auch der ist eher abwertend-witzig. Die Prota nervt mich weiterhin, ohne dass sie als Figur Kontur gewinnen würde.

Ich habe auch den Rest der Geschichte gelesen. Meine Vorbehalte mildern sich ab, sobald es in die Interaktion, in den Dialog geht. Es gibt zwar auch da Passagen, die ich seltsam-humorig finde, wie dieses „erstens, zweitens, drittens“ und die möglichen Fragen zur Sehschwäche, die aufgezählt werden. Also, die Form der Aufzählung finde ich eher unpassend für einen literarischen Text, ausser es wird bewusst damit gespielt.
Aber der Text liest sich ab hier angenehmer, die Erzählstimme wird etwas ruhiger, präziser auch in den Beobachtungen, auch selbstironischer. In der Interaktion wird die Figur für mich greifbarer und spannender.
Ich gehe davon aus, dass es eines deiner Ziele war, deine Protagonistin durch die Begegnung sich wandeln zu lassen. Das ist dir m.E. gelungen. Aber ich kam mit dem Erzählton im ersten Teil nicht zurecht. Hast du dir überlegt, die Geschichte personal zu erzählen? Das würde die Problematik m.E. mildern. Du könntest dann immer noch nahe bei der Figur sein, aber etwas mehr Distanz aufbauen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Peeperkorn,

ich habe mich sehr über deinen Kommentar zu Kirchenschatten gefreut (und über die Mail auch). Ganz lieben Dank dafür! :)

Er ist von allen bisherigen Kommentaren derjenige, bei dem es mir am schwersten fällt, ihn zu beantworten. :shy:

Es ist schon nach fünf, und ich sitze immer noch im Büro.

Im weiteren Verlauf spielt es keine Rolle, dass es „schon“ fünf Uhr ist und die Prota „immer noch“ im Büro sitzt. Weshalb diese Information? Arbeitet sie ansonsten um diese Zeit nicht mehr?
Auch falls es dir wichtig wäre, dass sie immer noch im Büro sitzt, würde ich dir dennoch raten, zumindest das „schon“ zu streichen.


Ich war selbst kurz davor, das "schon" wegzustreichen. Die Redundanz zu "immer noch" sehe ich wohl.
Weshalb die Information? Weil sie Konzertkarten hat und in letzter Minute in die Kirche hetzen muss. Vielleicht wird sie nicht mehr eingelassen, wenn sie zu spät kommt?
Soll ich nicht zu Beginn eines Textes Ort und Zeit benennen? Ich dachte, das macht man so. Wie müsste denn deiner Ansicht nach der erste Satz aussehen?

Ich warte nur noch darauf, dass sie mich fragt, ob das was mit Telefonsex zu tun hätte, was ich da mache.

Vorschlag: „Ich warte nur noch darauf, dass sie mich fragt, ob das, was ich mache, mit Telefonsex zu tun habe“. Dann hättest du das doppelte „was“ weg. Der Satz hat dann zwar viele kurze Satzglieder, das gefällt mir immer noch nicht so ganz. Aber in deiner Version ist das ja auch so.


Ich versuche, ganz nah am gesprochenen Wort zu bleiben. Ich habe meine Jana sozusagen im Ohr, wie sie spricht. Dein Textvorschlag, so würde Jana niemals sprechen. Ich plane jetzt, den letzten Teilsatz ganz zu streichen, also: "Ich warte nur noch darauf, dass sie mich fragt, ob das was mit Telefonsex zu tun hätte." Reicht ja.

Alle wissen, dass ich immer noch Single bin.

Das kommt ziemlich aus dem Nichts. Irgendwie empfinde ich diesen ersten Absatz als etwas unzusammenhängend.


Dieser Satz ist mit Absicht ein Hammersatz, der aus dem Nichts kommt und mit dem ein Absatz endet. Zack!
Jana ist 28, sie leidet darunter. Es platzt aus ihr heraus.
Den Anfang der Geschichte habe ich bei Wortkrieger mehrmals umgeschrieben. Die eigentliche Handlung beginnt erst, als die beiden in der Kirche aufeinandertreffen. Also wollte ich möglichst schnell dahin und vorher noch ein paar Informationen loswerden.
Es ist sehr holzschnittartig. Da gebe ich dir Recht. Ich weiß momentan keine einfache Lösung. Noch eine Büroszene dazuschreiben, in der Jana sympathisch rüberkommt? Hm, weiß nicht.

Mich obenrum gestreift, immer wieder wie zufällig angefasst.

Wer sagt denn sowas?


Eine junge Frau, die sich in ihrem eigenen Körper nicht wohlfühlt. Ich mag das Wort "verklemmt" nicht, aber jetzt habe ich es doch verwendet. Wörter wie Busen oder Brust würden Jana niemals über die Lippen kommen.

EDIT: Hüstel, am Ende sagt sie es doch noch.

Mit so einer Selbstverständlichkeit ..., dass ich mich frage, wo nimmt er die eigentlich her?

Ich verstehe den Sinn der Auslassungspunkte nicht. Fehlt ja nichts. Ansonsten finde ich das aber einen guten Satz. Hier bist du nahe an der gesprochenen Sprache, zeigst die Denkweise der Protagonistin, ohne zu Füllwörtern (allenfalls könnte man das „so“ streichen) zu greifen, was beweist, dass es auch auf elegante Weise geht.


Die Auslassungspunkte verlangsamen den Lesefluss, stehen für ein fassungsloses Innehalten von Jana. Sie ringt nach Worten.

Könnte ebenso gut ein Seniorentreffen hier sein.

Kann man streichen.


Du bist nicht der erste, der das bemängelt. ich empfinde es als näher am gesprochenen Wort.

Überraschung, er ist nur ein paar Jahre älter als ich, so genau kann ich das nicht erkennen.

Ich habe Mühe mit dem Satz. Obwohl ich kein Freund von „aber“ und „obwohl“ bin, müsste an dieser Stelle der Gegensatz benannt werden. Vielleicht aber eh besser: „Soweit ich das erkennen kann, ist er nur ein paar Jahre älter als ich.“


Dein Textvorschlag ist mir zu gestelzt. Viel zu distanziert. Wie das klingt ...
Frau Gräfin im Supermarkt: "Soweit ich das erkennen kann ... ist das Haltbarkeitsdatum der Wurst noch nicht überschritten." Ja. Ähm.
Im Publikum sitzen viele Senioren. Insofern ist Jana (angenehm) überrascht, dass der Mann neben ihr jünger ist.

Anscheinend sind Y-Chromosomenträger dagegen immun.

Ja, das ist dann für mich sowas wie ein Killer. Das ist schwierig und ich bin hier im Forum auch schon sehr alleine dagestanden mit meiner Haltung. Es ist klar, dass du deine Prota auf eine bestimmte Weise charakterisieren möchtest und diese Ausdrucksweise gehört dazu, das ist schon stimmig. Aber auf der anderen Seite möchte ich jemandem, die Männer Y-Chromosomenträger nennt, nicht unbedingt weiter zuhören. Nicht, dass ich mich beleidigt fühle, aber das ist so eine Art von Humor, mit der ich mich nicht anfreunden kann.
Dürfen Erzähler nervig, kindisch, daneben sein? Ja, natürlich. Aber dann müssen sie diesen Makel meines Erachtens kompensieren und zwar durch Eigenschaften, die sie interessant machen. Und davon habe ich bisher einfach zuwenig mitbekommen. Ich interessiere mich grundsätzlich schon für diese Figur, bin schon neugierig, aber nee. Wäre diese Figur eine Person, die ich an einem Apéro o.ä. kennengelernt habe, wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, mich zu verabschieden.


Okay, verstanden. Kein Apéro mit Jana. Hm. Danke dir für deine Einschätzung! Diese Stelle haben mehrere Wortkrieger bemängelt. Du stehst weiß Gott nicht alleine da!! Ich muss darüber nachdenken. Auch über deinen Alternativvorschlag, es zu kompensieren.

Im Halbdunkel vermag ich sein Gesicht nicht richtig zu erkennen, aber mir ist so, als ob er den Mund verzieht.

Das hast du schon mal erwähnt (nicht richtig zu erkennen). Und nach: „als ob“ besser „verzöge“ oder „verziehen würde“.


Das Nichterkennen ist doppelt, ist mir auch schon aufgefallen. Irgendwo lösche ich es, vielleicht auch oben. Den Konjunktiv hat Friedrichard auch schon gefordert. Aber in der gesprochenen Sprache wird nach "als ob" auch der Indikativ gesetzt, dabei möchte ich bleiben.

Ich habe auch den Rest der Geschichte gelesen. Meine Vorbehalte mildern sich ab, sobald es in die Interaktion, in den Dialog geht. Es gibt zwar auch da Passagen, die ich seltsam-humorig finde, wie dieses „erstens, zweitens, drittens“ und die möglichen Fragen zur Sehschwäche, die aufgezählt werden. Also, die Form der Aufzählung finde ich eher unpassend für einen literarischen Text, ausser es wird bewusst damit gespielt.

Ja, ich spiele bewusst damit. Mir ist schon klar, dass ich keinen Gebrauchstext (etwa eine Bedienungsanleitung mit 1., 2., 3.) verfasse, sondern Fiktion.
Jana ist Naturwissenschaftlerin, sie ist eine junge Frau mit Ecken und Kanten. Dass sie mit 28 noch keine Erfahrungen mit Männern gesammelt hat, könnte schon daran liegen, dass sie kompliziert und ängstlich ist, dass sie sozial ungeschickt agiert.
(Wenn du einen echt nervigen Ich-Erzähler erleben willst, dann schau mal in die kostenlose Leseprobe von "Das Rosie-Projekt" von Graeme Simsion. Das Buch ist ein Bestseller. Ich habe in der Mitte aufgehört, weil ich den Erzähler nicht mehr ertragen konnte.)

Ich gehe davon aus, dass es eines deiner Ziele war, deine Protagonistin durch die Begegnung sich wandeln zu lassen. Das ist dir m.E. gelungen. Aber ich kam mit dem Erzählton im ersten Teil nicht zurecht. Hast du dir überlegt, die Geschichte personal zu erzählen? Das würde die Problematik m.E. mildern. Du könntest dann immer noch nahe bei der Figur sein, aber etwas mehr Distanz aufbauen.

Grundsätzlich schreibe ich auch Texte in der dritten Person, dann gerne im Imperfekt. Aber bei "Kirchenschatten" kann ich mir einen Wechsel jetzt nicht mehr vorstellen. Ich habe Jana als Ich-Erzählerin im Präsens im Ohr.
Die Korrekturen an "Kirchenschatten" werde ich voraussichtlich erst am nächsten Wochenende vornehmen.
Ich versuche, eine Fortsetzung von "Kirchenschatten" zu schreiben. Das hatte ich ursprünglich nicht geplant. Jana begleitet mich also weiter.

Nochmal ganz vielen Dank für deinen Kommentar!

LG, Anne

 

Nix zu danken,

liebeAnne49,

Du kennst Jana besser als ich und ich weiß nun nicht, ob sie um den Unterschied von Potentialität und Aktualität, Indikativ und Konjunktiv weiß (die meisten web-Einträge sind da eher von schlichter Natur, sofern oder -nah man bei Menschenwerk von Natur überhaupt reden kann) - abe warum nimmt ihre Protokollantin nicht die Möglichkeit, die buchstäbliche Frage statt des Konj.

"... mir ist so, als ob er den Mund [verziehe / verzöge]"
zu stellen: "Verzieht er den Mund?", oder so ...

Sorgen macht mir dabei, dass Du Bauch-, statt der zu erwartenden Kopfschmerzen bekommst. Und ich hab eben nicht den Duden auf meiner Seite, wenns um dieses befremdliche "mmh" geht. Das kann nur ein flachsinniges Werbeprodukt sein, das die deutschsprachige Welt erobert. Da musstu selber mit fertig werden. Oder Jana. Da wird der Criticus - immerhin ist er nicht halbtaub - schon seine eigene Meinung haben - hoff ich ja doch, sonst wär er ja ein Widerkäuer. Von was auch immer.

Aber dieser lautsprachlich nicht näherungsweise darstellbare Unsinn wird vom Olymp der Rechtschreibreform akzeptiert mit einer eher schwachen lautschriftlichen Umsetz'zung (die ich mich weiger, hier darzustellen - mussstu selbst die beiden m ohne Dehnungs-h - das wichtigste überhaupt bei beide'n m.

Comichaft. Herrliches Wort. Ist das gut oder schlecht?
Wie bei jedem Wort kommt es auf die Deutung an - also dass, was der Leser/Hörer hineininterpretiert. Es gibt gute Comics (da scheu ich mich nicht, Wilhelm Busch zu nennen wie Art Spiegelmann, etwa mit seiner "Maus"), Akim bis Tarzan sind mir so wenig fremd wie Falk, Sigurd und Prinz Eisenherz, die Peanuts und Blondie. Aber es gibt auch die Tendenz, den Analphabetismus oder gar Legasthenie durch Piktogramme zu fördern und durch unnötige Wiederholungen (wie mmm...) zu fördern.

Aber jeder ist - so denk ich doch - hierorts für sich selbst verantwortlich. Und niemand ist fehlerfrei.

Was wäre das für eine lange Weiwei(hhhh) - heilige Welt oooohne Feheler

Gute Nacht

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

sehr schön, dem Konjunktiv ausweichen, indem ich es als Frage umformuliere. Ich glaube, so werde ich es machen! :thumbsup:

Besser als weiter über Konjunktiven zu brüten.
"Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut."

LG, Anne

 

Version 6 ist online.

Nach anfänglichem Rumgemaule habe ich letztlich doch ein Großteil der Korrekturvorschläge von Peeperkorn übernommen.
Die Y-Chromosomenträger: R.I.P.
Hoffe, es ist recht so. ;)

Jana und Lukas bedanken sich ebenfalls bei allen Korrekturlesern.
Und irgendwann wird es weitergehen mit den beiden.

LG, Anne

 

Liebe Anne49,

deine neue Version gefällt mir sehr gut. Intelligente Romantik zwischen zwei Menschen, beide unterschiedlich, aber auf Augenhöhe. Beide haben sie ein Handicap, das sie hindert, in Liebesdingen allzu forsch vorzugehen, wo das Verfallsdatum schon mitprogrammiert ist. Von diesem Paar möchte ich gerne mehr lesen.
Deine Jana hat jetzt eine sehr plausible Mischung zwischen emanzipierter Munterkeit und Verletzlichkeit. Die kann man (Mann) wirklich mögen.

Es scheint übrigens nicht so leicht zu sein, diesen, wie ich finde, modernen Frauentyp zu gestalten.
Nur weiter so, mich hast du überzeugt:thumbsup:

Herzlichst
wieselmaus

 

Hallo zusammen,

die neue Version dieser Kurzgeschichte besteht aus

  • Teil 1 (Version 6 vom 6. Juli 2017)
  • Teil 2 (neuer Text vom 1. August 2017)
Für Textkritik / Kommentare (v. a. zu Teil 2) bin ich Euch wie immer sehr dankbar.

LG,
Anne

 

Hallo GoMusic (cooler Nickname übrigens ...),

ich danke dir für deine Kommentare zu Teil 2! Ich hab sie noch gerettet, bevor du das als separates Thema gelöscht hast, und hier nun meine Antwort:

GoMusic schrieb:
Das Zentrum meines Unterleibs zieht sich zusammen,
Zu technischer Begriff, finde ich.

Danke. Ja. Ich weiß, was du meinst. Ich muss das Zentrum meiner Großhirnrinde weiter nach einer alternativen Formulierung durchsuchen. "Irgendwas in meinem Bauch" hätte ich anzubieten, aber so ein ähnliches Wording gibt es schon gegen Ende von Teil 1.

GoMusic schrieb:
Take Five reißt mich raus. Lukas fischt sein Smartphone aus dem Rucksack.
Was ist Take Five? Hat das was mit dem Klingelton zu tun?

Mit der Frage hab ich gerechnet. Ja, das ist der Klingelton. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du die Melodie kennst: https://www.youtube.com/watch?v=zFk-kiDW_tA Die meisten Menschen kennen diesen Jazzstandard, aber wohl nur Jazzfreunde wissen, wie er heißt. Und Jana weiß es eben auch.
Ich werd mal in mich gehen, ob ich eine bessere Formulierung finde. Ich wollt halt nicht einfach schreiben, dass sein Handy klingelt, ich wollte möglichst konkret sein. "Die Take-Five-Melodie reißt mich raus" - vielleicht so.

GoMusic schrieb:
Sonja schiebt ihn zur Beifahrertür.
Häh? Er ist im Rollstuhl. Das kommt mir zu unvermittelt. Es gab keine Anzeichen.

Ja, komm! ;) Andauernd schieben Menschen ihre Mitmenschen, die sehr wohl alleine laufen können, rum. Besonders gerne macht man das mit Kindern und älteren Leuten, aber gerne macht das auch mal der Chef mit dem Mitarbeiter, als Machtdemonstration.

Lukas ist sehbehindert, und Jana empfindet Sonjas ungeduldiges Manöver als negativ. Sonst stünde da vielleicht "lotst", oder Sonja würde Lukas die Zeit zugestehen, sich selbst zurechtzufinden.

GoMusic schrieb:
Ich sehe hier eine Fortsetzungsgeschichte oder einen besser einen Roman und muss diesen und den ersten Teil leider zunächst sperren.
Würdest du kurzfristig ein Exposé nachliefern? Dann würde ich alles wieder freigeben und die Titel entsprechend anpassen.

Ich denke, nach Teil 2 ist Schluss. Bin jetzt zuversichtlich, dass das was wird mit den beiden. :)

GoMusic schrieb:
Die Geschichte gefällt mir.

Danke. Ich glaub, den meisten ist das hier zu seicht und zu geradlinig.

In deinem Profil hab ich als Schwerpunkte Krimi und Spannung gelesen. Also mit Spannung kann ich hier nicht so aufwarten, danke dass du meinen Text trotzdem kommentiert hast! :thumbsup:

LG, Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anne49

eine kurze Rückmeldung zu deiner Antwort ...

Seine Fingerkuppen liebkosen meine runde Fülle. Mein Atem geht schneller. Ich werde feucht. Das Zentrum meines Unterleibs zieht sich zusammen, süß und unerträglich. Und dann bin ich draußen, auf den Wellen, im silberglitzernden Meer. Mein schwereloser Körper pulsiert - ich bin mit ihm versöhnt.
Bin stolz. Mit einem Mal ganz Frau.

Du suchst nach einer Altenative.
Ich würde es ggf. so machen:

Im Unterleib breitet sich jenes süße und unerträgliche Gefühl aus, das mich …

Mit der Frage hab ich gerechnet. Ja, das ist der Klingelton. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du die Melodie kennst
Ja, kommt mir bekannt vor.
Aber, da du sagst, nur die wenigstens kennen den Namen des Titels, fände ich „"Die Take-Five-Melodie reißt mich raus" gut. :thumbsup:

In deinem Profil hab ich als Schwerpunkte Krimi und Spannung gelesen. Also mit Spannung kann ich hier nicht so aufwarten, danke dass du meinen Text trotzdem kommentiert hast!
Ich lese auch gerne SF, Fantasy uns vieles andere.
Die Schwerpunkte beziehen sich ja auf die Moderatoren-Schwerpunkte, wie wir die Rubriken und Genres im WK-Team aufteilen. :)

Einen schönen Tag und liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

„Du willst Freitagabend in die Kirche? Ist das wieder deine Uraltmusik?“
„Es heißt alte Musik, nicht Uraltmusik“, stelle ich klar.
[...]
Die Flamen sind grandios, und dieses Methusalempublikum hier ist so lahm. Ich muss das ausgleichen.
[...]

Hallo Anne,

hab ich eigentlich beim ersten Mal die feine Ironie aus Bonbonpapier und Husten angemessen gewürdigt? Warscheinlich nicht. Das fällt mir jetzt erst auf - sozusagen kurz zwischen Tür und Hundefreund, dem der EStBescheid erkärt werden muss. Selbst wenn weniger Ironie als Humor der Kitt mancher angehender Beziehung ist. Und auf einmal wird es im zwoten Teil ernst, sehn wir mal vom Anfang (eMail-Verkehr?) ab, geschweige, dass mal mit und am Slapstick wie hier

„Es liegt einen halben Meter weiter nach rechts. Von Ihnen aus gut zu erreichen“, antworte ich mechanisch. Ich sehe ihm zu, wie er sich nach unten beugt und wie ein Blinder den Boden entlangtastet. „Weiter rechts“, sage ich. „Bringen Sie mein Heft auch gleich mit. Es liegt direkt daneben.“
gearbeitet wird.

An der Strategie wider den Schluckauf fällt`s mir dann wieder ein ...

Aber hier muss ich noch einmal auf den Freitag in Teil 1 zurückkommen, weil ich hier

Dabei heißt es wissenschaftliche Hotline
zur "wissensch. Hotline" nicht nur zur Hervorhebung, sondern allein schon der Übersichtlichkeit halber Anführungszeichen anregen möchte.

Aber duzen sich nicht Frau S. und Jana?

„Gott sei Dank sind sie da“, flüstert sie.
(Höflichkeitsform vllt. besser? Wie auch hier nochmal
„Gehen sie ruhig, Fräulein“, sagt sie.

Und dann fällt mir auf, was mir vordem eben nicht aufgefallen ist (wahrscheinlich, weil's im ersten Teil so geballt nicht auftritt
Der Springbrunnen plätschert, und die Kirchturmuhr schlägt halb vier.
Ist ja nicht falsch, wenn zwo Hauptsätze, die hervorragend durch ein "und" verbunden sind, mit einem Komma zu versehen und zu trennen. Sofern ein Satz besonders betont wird. Aber (vorsichtshalber:) fast jeder Satz?
"Kommst du klar mit deinem Notebook, oder soll ich es mir ansehen?", fragt er.
Wir erreichen die Steintreppe, und er nimmt wieder meinen Arm.
Lukas streckt mir seine geöffnete Hand wieder entgegen, und zögernd lege ich meine hinein.
Und dann geschieht es sicherlich mehr als ungewollt
Lässige Dissonanzen schleichen sich ein[...] und rhythmische Verschiebungen.

Hier nun schwimm ich ein wenig auf'm trocknen halt zwischen Tür und Angel, aber erzwingt das Possessivpronomen im Genitiv nicht hier
... über dem Tablet-PC hängt, mit seiner Brille, deren gelbe Gläser die Augen auch von den Seiten umschließen.
nicht gelbe, sondern "gelben Gläser"? Das Bauchgefühl meint ja, Massa Duden hält sich bedeckt und liegt im Kinderzimmer und darf bis heut abend warten.

Ich schätze Lukas als einen hochgebildeten, uneingebildeten Menschen ein - würde er dann nicht statt

Er springt vom Stuhl auf. "Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.“
den Konjunktiv "du kämst nicht mehr?" verwenden? Ähnlich hier im "sehen"
„Meine kleine Schwester meint, ich sehe damit aus wie ein Alien.“
„Da hat sie Recht“, erwidere ich.
wobei "sehe" natürlich auf halbem Wege dahin sein kann ... Wohlgemerkt, wir sprechen nicht mehr über Jana ...

Der Satz

Wenn du wüsstest, wie ich mich geschämt habe, am letzten Sonntag.“
deutet es m. E.an. (Drei Punkte Jubiläum - kommt bei mir selten vor), dass es ginge ...

Bestimmt nicht der letzte Besuch vom

Friedel

Ach ja, gern gelesen und bis bald!

 

Hallo Friedrichard,

daaanke, dass du vorbeigeschaut und mir einen Blumenstrauß an Kommentaren geschickt hast!

Aber hier muss ich noch einmal auf den Freitag in Teil 1 zurückkommen, weil ich hierzur "wissensch. Hotline" nicht nur zur Hervorhebung, sondern allein schon der Übersichtlichkeit halber Anführungszeichen anregen möchte.

Weiß nich, ich steh ja nicht so wirklich auf Anführungszeichen. Das suggeriert mir, dass das jemand nicht das korrekte Wort verwendet, es selbst merkt und das Ganze dann markiert. Warum empfindest du es, so wie es jetzt ist, als unübersichtlich?

Aber duzen sich nicht Frau S. und Jana? (Höflichkeitsform vllt. besser?

Die beiden siezen sich natürlich. Ei, meine Lernkurve ist doch flach, hab die Höflichkeitsform "Sie" schon wieder kleingeschrieben. Mist! Wird verbessert.

Und dann fällt mir auf, was mir vordem eben nicht aufgefallen ist (wahrscheinlich, weil's im ersten Teil so geballt nicht auftrittIst ja nicht falsch, wenn zwo Hauptsätze, die hervorragend durch ein "und" verbunden sind, mit einem Komma zu versehen und zu trennen. Sofern ein Satz besonders betont wird. Aber (vorsichtshalber:) fast jeder Satz?

Ja, ich setz da immer ein Komma (außer ich vergess es). Jetzt muss ich mal janz dumm nachfragen: Wenn ich das Komma da setze, welchen Satz würde ich damit betonen: den ersten Hauptsatz oder den zweiten? Wohl eher den zweiten? (Rate mal mit Rosenthal, lalala.) Ich hab im Internet nix dazu gefunden [...] und mein Sprachempfinden setzt an der Stelle aus.

... über dem Tablet-PC hängt, mit seiner Brille, deren gelbe Gläser die Augen auch von den Seiten umschließen. Hier nun schwimm ich ein wenig auf'm trocknen halt zwischen Tür und Angel, aber erzwingt das Possessivpronomen im Genitiv nicht hiernicht gelbe, sondern "gelben Gläser"? Das Bauchgefühl meint ja, Massa Duden hält sich bedeckt und liegt im Kinderzimmer und darf bis heut abend warten.

So wie der Satz aktuell ist, scheint mir "gelbe" richtig zu sein. Gelbe Gläser ist in diesem Relativsatz doch das Subjekt, oder?
Oder dachtest du an " über dem Tablet-PC hängt, mit seiner Brille, den gelben Gläsern, die die Augen auch von den Seiten umschließen"?

Ich schätze Lukas als einen hochgebildeten, uneingebildeten Menschen ein - würde er dann nicht stattden Konjunktiv "du kämst nicht mehr?" verwenden? Ähnlich hier im "sehen" wobei "sehe" natürlich auf halbem Wege dahin sein kann ... Wohlgemerkt, wir sprechen nicht mehr über Jana ...

Ja. Der Lukas (der ja für die Zeitung schreibt) und du, ihr zwei könnt eindeutig besser Deutsch als Anne49. Ich werd's in Konjunktiv ändern.

Drei Punkte Jubiläum - kommt bei mir selten vor

Erlöse mich, was meinst du damit?

Ach ja, gern gelesen und bis bald!

Hat mich sehr gefreut! Auch bis bald! :)

LG, Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anne49,

nix zu danken und geh mal grundsätzlich davon aus, dass es überwiegend Vorschläge sind, die hierorts vorgetragen werden, die angenommen werden können, aber nicht müssen. I. d. R. weiß der Autor besser als der Kommentator/Interpret, was und wie er es sagen will. Und da ist immer richtig, selbst darüber nachzudenken und vor allem nicht blind zu übernehmen, was da vorgeschlagen wird. Manches endet dann in der Sackgasse namens Verschlimmbesserung.

Zitat von mir
Aber hier muss ich noch einmal auf den Freitag in Teil 1 zurückkommen, weil ich hierzur "wissensch. Hotline" nicht nur zur Hervorhebung, sondern allein schon der Übersichtlichkeit halber Anführungszeichen anregen möchte.
Deine Bedenken:
Weiß nich, ich steh ja nicht so wirklich auf Anführungszeichen. Das suggeriert mir, dass das jemand nicht das korrekte Wort verwendet, es selbst merkt und das Ganze dann markiert. Warum empfindest du es, so wie es jetzt ist, als unübersichtlich?
Gute Frage! Vielleicht weil Tante Hella Telefonsex hinter einer beliebigen im Unterschied zu einer "wissenschaftlichen" Hotline vermutet?

Ja, ich setz da immer ein Komma (außer ich vergess es).
Das ist spitze!
Du bemerkst
Jetzt muss ich mal janz dumm nachfragen: Wenn ich das Komma da setze, welchen Satz würde ich damit betonen: den ersten Hauptsatz oder den zweiten? Wohl eher den zweiten? (Rate mal mit Rosenthal, lalala.) Ich hab im Internet nix dazu gefunden [...] und mein Sprachempfinden setzt an der Stelle aus.
ob
Der Springbrunnen plätschert und die Kirchturmuhr schlägt halb vier.
oder umgekehrt
"Die Kirchturmuhr schlägt halb vier und der Springbrunnen plätschert", Hose wie Jacke. Vielleicht hab ich sogar die Behauptung selbst erfunden ... Aber ist doch schön, ein an sich entbehrliches Komma so zu begründen - oder?

Zitat von mir
... über dem Tablet-PC hängt, mit seiner Brille, deren gelbe Gläser die Augen auch von den Seiten umschließen.
Du darauf:
So wie der Satz aktuell ist, scheint mir "gelbe" richtig zu sein. Gelbe Gläser ist in diesem Relativsatz doch das Subjekt, oder?
Es geht eigentlich nur um die Beugung des Farbadjektivs zu der Genitivform des Demonstrativ-, Possessiv- und Relativpronomens. In einem älteren Duden (Duden Bd. 4, 5. Aufl., 1995 unter Ziffer 500) wird stark dekliniert (also "gelbe" korrekt), Duden Bd. 4, 8. Aufl., 2009, Ziffern 375 und 402) lässt die schwache zu, wie sie eine eindeutiges Possessivpronomen verlangt, etwa der Form "Ihre (der Brille) gelben Gläser ..." Da dort auch Internetblege aufgeführt werden, würd ich jetzt die alte Form stehen lassen. Bin halt trotzbockig.

Ja. Der Lukas (der ja für die Zeitung schreibt) und du, ihr zwei könnt eindeutig besser Deutsch als Anne49. ...
Bezweifel ich, Lukas vielleicht, ich gewiss nicht.

Albernes Zitat von mir
Drei Punkte Jubiläum - kommt bei mir selten vor
und die berechtigte Frage
Erlöse mich, was meinst du damit?
Huch, ich als Erlöser ... Ganz einfach die Satzendung und Albernheit
... deutet es m. E.an. (Drei Punkte Jubiläum - kommt bei mir selten vor), dass es ginge ...
=m.(1) E.(2) an.(3)

Eigentlich müsste ich Albert heißen ...

Schönen Abend und bis bald

Friedel

 

Hallo Albert Friedrichard,

ich bedank mich ja nur, wenn's dafür einen Grund gibt. Und deine Kommentare sind immer so entspannt, wohlwollend und geistreich, dass sie mir viel Freude bereiten.

Im Teil 1 hab ich jetzt wissenschaftliche Hotline geschrieben, also kursiv statt Gänsefüßchen. Das wollte ich schon vor Wochen machen und hab's immer wieder vergessen. Das war ein guter Hinweis.

Vielleicht hab ich sogar die Behauptung selbst erfunden ... Aber ist doch schön, ein an sich entbehrliches Komma so zu begründen - oder?

:lol:

... über dem Tablet-PC hängt, mit seiner Brille, deren gelbe Gläser die Augen auch von den Seiten umschließen.

Nachdem ich kurz zum Thema starke und schwache Deklination gesurft habe, bin ich heilfroh, dass Deutsch meine Muttersprache ist.

Mit meinem sogenannten Sprachgefühl verhält es sich wunderlich. Nachdem ich mir den Satz jetzt immer wieder mit "gelben" vorgesagt habe, klingt das auf einmal nicht mehr falsch.

Noch einen schönen Sonntag wünscht
Anne

 

Liebe Anne49,

ich hatte leider übersehen, dass die beiden Texte jetzt unter dem ursprünglichen Namen laufen, deshalb meine Verspätung.
Ich finde den zweiten Teil von der Personencharakterisierung recht schlüssig. Sie bewegen sich aufeinander zu, vorsichtig zwar, aber doch von unsichtbaren Fäden gezogen. Es geht hier also mehr um das Wie und und nicht so sehr um das Ob.
Deine Dialogführung gefällt mir, ebenso der Schluss, der kein glattes Happy End präsentiert, sondern dem Paar noch ein paar Nüsse zu zu knacken gibt.

Ich habe deine Ausführungen im Thread 'Genre" gelesen und kann dir darin zustimmen, dass die Kategorie "Trivialliteratur" für "Romantik" nicht besonders hilfreich ist. Romantik kann durchaus unterschiedlich ausfallen, nicht immer müssen die Königskinder ertrinken. Ich habe nochmals Eichendorffs "Aus dem Leben eines Taugenichts" angeschaut. Hier das Ende:

Sie lächelte still und sah mich recht vergnügt und freundlich an, und von fern schallte immerfort die Musik herüber, und Leuchtkugeln flogen vom Schloss durch die stille Nacht über die Gärten, und die Donau rauschte dazwischen herauf - und es war alles, alles gut!:read:

Mutig und etwas überraschend fand ich bei Jana die Verknüpfung von Religiosität und moderner Kommunikationstechnik: Beides wird eingesetzt, um Janas Angst vor Nähe und Sexualität zu beenden.
Da fehlt mir ein erster Hinweis im ersten Teil. Dort lernt sich das Paar zwar in einer Kirche kennen, aber für mich weist nichts auf ein religiöses Motiv für den Konzertbesuch hin. Es wäre aber immerhin eine weitere Möglichkeit, Jana in ihrer Sprödigkeit zu verdeutlichen.

Ich finde es gut, die Geschichte jetzt enden zu lassen. Zumindest habe ich es so verstanden.

Einen schönen Sonntag wünsche ich dir noch und weiter fleißiges Kommentieren.

Liebe Grüße
wieselmaus

 

Liebe wieselmaus,

ich hatte leider übersehen, dass die beiden Texte jetzt unter dem ursprünglichen Namen laufen ...

Ja, das ist ein bisschen doof. Serie ging nicht, weil man Teil 2 nicht ohne Teil 1 verstehen kann. Vielleicht kommt ja noch jemand vorbei und liest mir die Leviten, zeigt mir die handwerklichen Schwächen in Teil 2 auf ...

Ich finde es gut, die Geschichte jetzt enden zu lassen. Zumindest habe ich es so verstanden.

Ja, definitiv! Die Geschichte von Jana und Lukas ist jetzt zuende. Die beiden schaffen das. Vielleicht schreib ich noch "Ende" drunter ...

Deine Dialogführung gefällt mir, ebenso der Schluss, der kein glattes Happy End präsentiert, sondern dem Paar noch ein paar Nüsse zu zu knacken gibt.

Ja, das war mir wichtig, daher der im wahrsten Sinne des Wortes etwas "rotzige" Schlussdialog.

Ich habe deine Ausführungen im Thread 'Genre" gelesen und kann dir darin zustimmen, dass die Kategorie "Trivialliteratur" für "Romantik" nicht besonders hilfreich ist.

Ja, und trotzdem hat es etwas Anrüchiges! Anscheinend möchten die meisten lieber etwas über das Nichtzustandekommen oder das Scheitern von Beziehungen lesen.

Klar, eine Geschichte wie Kirchenschatten lässt sich nicht groß kontrovers diskutieren.

Nur handwerklich untersuchen auf die Frage hin: Werden halbwegs unauffällig die richtigen Knöpfe gedrückt, um beim Leser das gewisse Kribbeln auszulösen?

Ich möchte meine Geschichte eben nicht in Foren posten, wo die einzige Rückmeldung darin bestünde, dass sie ja sooo süüüüß ist.

Außerdem: In meiner nächsten Geschichte lasse ich zwei aufeinanderprallen, die weniger gut zusammenpassen, versprochen! :shy:

Mutig und etwas überraschend fand ich bei Jana die Verknüpfung von Religiosität und moderner Kommunikationstechnik: Beides wird eingesetzt, um Janas Angst vor Nähe und Sexualität zu beenden.
Da fehlt mir ein erster Hinweis im ersten Teil. Dort lernt sich das Paar zwar in einer Kirche kennen, aber für mich weist nichts auf ein religiöses Motiv für den Konzertbesuch hin. Es wäre aber immerhin eine weitere Möglichkeit, Jana in ihrer Sprödigkeit zu verdeutlichen.

Der Konzertbesuch im Teil 1 war ja auch nicht religiös motiviert. Da ist die Kirche einfach ein Veranstaltungsort. Gerade bei alter Musik ist das üblich und bietet ein schönes Ambiente und gute Akustik.

Die Idee, Jana als religiös zu charakterisieren, kam mir tatsächlich erst spät, als ich beschloss, dass Teil 2 keinen anderen Titel bekommen würde und daher die Kirche noch einmal Schauplatz werden sollte. Buddhismus (huhu Bas! :)) ist natürlich heutzutage viel cooler als Christentum. Ich hab versucht, Jana als moderne, gemäßigte Christin zu zeichnen, die ihr Gehirn benutzt.
Eine fanatisch religiöse Heldin zu beschreiben (wie in "Flowers from the storm", ein Buch, das ich im Thread 'Genre' erwähnt habe), das hätte mich Überwindung gekostet.

Also, vielen vielen Dank für's Vorbeischauen! :)

Liebe Grüße,
Anne

 

Hey Anne,

ich hatte Teil 1 ja noch nicht gelesen und von daher jetzt beide Teile am Stück. Ich glaub, so nur Teil 1 - da hätte mir irgendwie das Ende gefehlt. Jetzt lese ich in deiner letzten Antwort, Du hättest gern etwas mehr Feedback zu Stilkram vom zweiten Teil - es sei mir eine Ehre. Allerdings habe ich beim Lesen gar nicht drauf geachtet, weiß also gar nicht, ob da jetzt viel von mir kommt. Ich habe die Geschichte einfach nur gelesen und fand das hübsch. Eine schöne, ruhige Liebesgeschichte. Und da ich beim Lesen nicht ständig den Kopf geschüttelt hab ... Mal gucken. Schau ich jetzt eben etwas genauer hin.

Danach setze ich mich ins Café an der St. Anna-Kirche. So gegen zwei.
Manchmal geschehen Zufälle, man trifft Leute wieder …

Das fand ich irre charmant. An Janas Stelle wäre ich auch gegangen.

Samstag.
„Jana, ernsthaft. Nimm die hier.“
Sabrina hält mir die weiße Bluse hin. „Das ist ein Date und keine Beerdigung.“

Ich könnte auf das Samstag gut und gern verzichten. Der Inhalt der Rede bringt das doch gut rüber. Und kein Zeilenumbruch. Es redet nur Sabrina. Zeilenumbruch nur, wenn Sprecher wechselt.
„Jana, ernsthaft. Nimm die hier.“ Sabrina hält mir die weiße Bluse hin. „Das ist ein Date und keine Beerdigung.“

Sie hält sich am Türrahmen fest, aus ihrem Gesicht ist die Farbe gewichen. Ich führe sie in ihre Wohnung.
Ich führe - das klingt, weiß nicht, nicht nett, wie so Pflegepersonal irgendwie.

Frau Simoni erzählt mir die Geschichte, wie ihr Zwergpudel eingeschläfert wurde, insgesamt dreimal.

insgesamt dreimal - das finde ich richtig gut. Sagt so viel mit so wenigen Worten.

Die Sonne gleißt durch die Wolken.

Klingt bemüht, zu künstlich für mich. Fällt auch sonst aus der Sprache.

Ich betrete das Café. Eine Familie lärmt in der Mitte des Raumes.

Das geht nicht. Ich mein, Du willst mit ganz wenigen Pinselstrichen Atmosphäre aufbauen. Zauberwort: Detail. Aber eine Familie lärmt - das ist kein Detail. Das ist alles und nichts. Genauer. Was macht die da? Oder auch nur einer von ihnen? Auch nur ein Satz, aber der muss sitzen. Der muss ein konkretes Bild beim Leser hervorrufen.

Sein Mundwinkel bewegt sich. „Du hättest mir auch eine knallen können.“

Sein Mundwinkel bewegt sich? Wie jetzt? Hoch, runter, nach rechts, nach links? So eher zuckend? Was ist das für eine Mimik, wozu gehört die? Bewegte Mundwinkel ... klingt schräg.

Lukas macht ein undurchdringliches Gesicht.

undurchdringliches Gesicht - also, mit deine/seiner Mimik habe ich mich schwer. Hier weiß ich aber zumindest, worauf Du hinauswillst.Aber warum nicht konkret an dieser Stelle?

Blaue Holzboote schaukeln auf den glitzernden Wellen.

glitzernde Wellen - das ist soooooo alt und laaaangweilig. Mach doch ein hübsches Detail! Detail wie speziell, nicht universell. Das blaue Boot reicht hier nicht als Alleinstellungsmerkmal. Eher so ein alter Mann mit Angel, dem Fliegen ums Gesicht schwirren. Oder zwei Teenies im Boot, die für Selfies posen. Sowas halt.

„Wenn du möchtest, kann ich das auch mal übernehmen“, stottere ich.

Ach wie schön, langsam weiß sie, was sie will. Für mich hast du das hier gut untergebracht und umgesetzt.

Ich bin dabei, mir in den Stoffschuhen die Ferse wund zu scheuern.

Schönes Detail!

Tausende Tröpfchen glitzern auf Lukas´ Haaren

Goldene Härchen an den Armen, glitzernde Tropfen im Haar - man könnte bald meinen, er ist ein Christbaum :D

Ich muss das mal kurz zwischendurch loswerden. Du hast ja extrem verknappte Szenen und einen sehr kurzatmigen Stil. Aber das geht für mich total auf. Das ist schon gut gemacht, finde ich.

"Warst du schon mal mit einer Frau zusammen?", platze ich heraus.

platze ich heraus - ich bin sehr für streichen - Ihre Frage kann gut für sich selbst sprechen. Also in der Metaebene.

"Nein, hab ich noch nicht genommen. ... Ja, komm, die paar Stunden." Sein Mund wird zu einem schmalen Strich. "Ja-ha, mach ich gleich, wenn ich zuhause bin. ... Beide Tropfen. Ja, versprochen."
Er nennt meine Adresse und beendet das Gespräch.
"Sonja holt mich in einer Viertelstunde ab."

Das mag ich nicht. Ruft seine Schwester immer an, ob er seine Medizin genommen hat? Das wirkt total fehl am Platz. Und die Schwester, keine Ahnung, die kann auch anrufen und für morgen das Lauftraining wegen xy absagen. Also, da finden sich doch andere Gründe als dieses komische Bevormundungsding. Zumal er mir nicht erscheint wie einer, der das lange mitspielen würde.

Ich schlüpfe an ihm vorbei, um einen Stapel Werbeprospekte und den Buggy von Heinemanns aus dem Weg zu räumen.

Das ist auch ein sehr hübsches Detail, weil sehr konkret.

"Du, ich werd Klavierlehrer. Ein paar Schüler hab ich schon über die Gigs im Jazzkeller gefunden. Und das bau ich jetzt weiter aus. Ich hab endlich den Kurs gefunden, den ich gesucht habe."

Und die Schüler warten dann auch neun Monate??

Ich muss hier weg.
"Jana, warte", höre ich ihn rufen.
Ich drehe mich noch einmal um.
"Wenn du es genau wissen willst: Ja, ich habe heute morgen für deine Augen gebetet. Was ist daran so schlimm?"
Meine Stimme klingt fremd in mir nach. Ich stürze aus der Wohnung und nehme die Straßenbahn nach Hause.

Das ist so eine - ach, Film-Hollywood Dramaüberreaktion - ich hab mich immer schwer, wenn die Frauen vom Himmel fallen und sofort zur Zicke mutieren. Passt auch nicht ins Bild, was ich von ihr bisher hab. Er hat mich hintergangen, er hat mir nicht gesagt blabla.
Würde aber passen, wenn sie jetzt so Gedanken hätte, von wegen: Er also auch. Nur eben mal schnell die Blonde mit den großen Dingern. Damit würde ihr ganzes aufgebautes Selbstbild zerbröseln. Wieder nur Spielzeug. Wieder stand nur Niete auf dem Los. Und dann Kirche. Fände ich gut. Vielleicht nicht ganz so dramatischer Abgang, sondern eher ein gebrochener. Weniger Queen, mehr Frau.

Ja, sehr feine, sehr hübsche Liebesgeschichte. Gefällt mir gut, habe ich gern gelesen.

In diesem Sinne, such Dir was aus oder schmeiß in die Tonne, ganz nach deinem dafür oder dagegen.
Beste Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Anne49,

phasenweise wird bei mir die Zeit knapp, gerade jetzt wieder, aber deine Geschichte musste ich unbedingt weiterlesen :-). Und du entlässt die Leserin wieder mit einem Cliffhanger - gemein! Der Text ist locker-leicht geschrieben, das Lesen macht Spaß. Aber hoffentlich gibt es nochmal eine Fortsetzung?

"Nur für den Hausgebrauch, so so."
Da ist bestimmt ein so zuviel?
*Ich bin keine gute Katholikin, neige zum Denken.
Oha, gute Katholiken denken nicht? Das glaube ich zwar nicht, zumindest gilt das nicht für die, die ich kenne, diese Bemerkung finde ich aber trotzdem lustig.
Genauere Beobachtungen folgen noch, leider muss ich los ... Fortsetzung folgt in den nächsten Tagen.

Viele Grüße,

Eva

 
Zuletzt bearbeitet:

Die neue Version mit aktualisiertem Teil 2 ist online.
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Hallo Fliege,

ich bin dir wirklich sehr dankbar für deine Anmerkungen!

Ich glaub, so nur Teil 1 - da hätte mir irgendwie das Ende gefehlt.

Wenn es bei Teil 1 geblieben wäre, dann hätte ich den letzten Satz wohl dahingehend geändert, dass Jana sich über die Tastatur beugt (und hätte damit angedeutet, dass sie Lukas' E-Mail beantwortet).
Aber dafür gibt es ja nun Teil 2. :)

Jetzt lese ich in deiner letzten Antwort, Du hättest gern etwas mehr Feedback zu Stilkram vom zweiten Teil - es sei mir eine Ehre.

Die Ehre ist ganz meinerseits, denn das, was du mir geschrieben hast, ist die Sorte Kommentar, die echt weiterhilft. Du hast mir Grundprinzipien erklärt, die ich auch auf zukünftige Texte anwenden kann.

Ich könnte auf das Samstag gut und gern verzichten. [...] Zeilenumbruch nur, wenn Sprecher wechselt.

Den Samstag möcht ich gerne drinlassen, weil sich das konsequent durch die gesamte Geschichte zieht. Das geht schon so in Teil 1 los, dass immer der Wochentag drübersteht. Da ist es, glaub ich, auch notwendig. Wie du ja angemerkt hast, sind es doch sehr verknappte Szenen, da hilft es bei der Orientierung.

Das mit den Zeilenumbrüchen ist korrigiert. Danke!

Ich führe sie in ihre Wohnung.
Ich führe - das klingt, weiß nicht, nicht nett, wie so Pflegepersonal irgendwie.

Ja, da hast du Recht. Jetzt heißt es: "Wir gehen in ihre Wohnung."

Die Sonne gleißt durch die Wolken.
Klingt bemüht, zu künstlich für mich. Fällt auch sonst aus der Sprache.

Danke. Jetzt heißt es: "Die Sonne bricht durch die Wolken."

Eine Familie lärmt in der Mitte des Raumes.
Das geht nicht. Ich mein, Du willst mit ganz wenigen Pinselstrichen Atmosphäre aufbauen. Zauberwort: Detail.

Jetzt heißt es: "Zwei rothaarige Mädchen am Tisch in der Mitte baumeln unentwegt mit den Beinen." Machen zwar weniger Lärm, aber egal.

Sein Mundwinkel bewegt sich. „Du hättest mir auch eine knallen können.“
Sein Mundwinkel bewegt sich? Wie jetzt? Hoch, runter, nach rechts, nach links? So eher zuckend?

Sein Mundwinkel zuckt schon einmal in Teil 1. Das hier war eine lahme Ersatzformulierung, mit der ich selbst nicht zufrieden war. Jetzt heißt es: "Über sein Gesicht huscht ein Lächeln."

Lukas macht ein undurchdringliches Gesicht.
undurchdringliches Gesicht - also, mit deine/seiner Mimik habe ich mich schwer.

Okay. Jetzt heißt es: "Lukas verzieht keine Miene."

Blaue Holzboote schaukeln auf den glitzernden Wellen.
glitzernde Wellen - das ist soooooo alt und laaaangweilig. Mach doch ein hübsches Detail! Detail wie speziell, nicht universell.

Es hat sich ausgeglitzert. Jetzt heißt es: "Blaue Holzboote schaukeln auf den Wellen. Fliegen umschwirren einen bärtigen Angler, der am Steg sitzt."
Schwups, schon haben wir die Fliege als Kommentatorin hier verewigt! ;)

Goldene Härchen an den Armen, glitzernde Tropfen im Haar - man könnte bald meinen, er ist ein Christbaum

Ach du heiliger Christbaum - äh Bimbam, da hast du mich erwischt! Aber schwarze Härchen wären irgendwie eklig. Also, tja ... bleibt erstmal so.

Ich muss das mal kurz zwischendurch loswerden. Du hast ja extrem verknappte Szenen und einen sehr kurzatmigen Stil. Aber das geht für mich total auf. Das ist schon gut gemacht, finde ich.

Ich wurd ja hier bei Teil 1 dauernd zum Kürzen genötigt. Und das kam dann dabei raus ... :D

platze ich heraus - ich bin sehr für streichen - Ihre Frage kann gut für sich selbst sprechen. Also in der Metaebene.

Irgendwie hab ich geahnt, dass du das anmerken würdest. :Pfeif: Okay, ist weg.

Das mag ich nicht. Ruft seine Schwester immer an, ob er seine Medizin genommen hat? Das wirkt total fehl am Platz. Und die Schwester, keine Ahnung, die kann auch anrufen und für morgen das Lauftraining wegen xy absagen. Also, da finden sich doch andere Gründe als dieses komische Bevormundungsding.

Also, dass sie ihn immer anruft, das steht da nicht. Lukas reagiert auch leicht gereizt. Außerdem finde ich die kleine Schwester nicht so schlimm wie die Mamma. Aber okay, ich versteh natürlich schon, was du meinst.

Problem: So holt sie ihn von Jana weg: Es ist höchste Zeit, dass er das Zeuchs nimmt. Vielleicht wäre er ja ansonsten noch länger bei Jana geblieben? Wenn Sonja ihm jetzt nur sagt, dass sie morgen keine Zeit für sein Lauftraining hat, dann hätte das nicht den gleichen Effekt.

Also gut. Genug rumgemault. Jetzt hab ich es geändert und er sagt: "Hm, kein Problem. Kann ich machen." Ich hab zwar keine Ahnung, von was er da redet, aber egal. Ich lass das mal sacken.

"Du, ich werd Klavierlehrer. Ein paar Schüler hab ich schon über die Gigs im Jazzkeller gefunden. Und das bau ich jetzt weiter aus. Ich hab endlich den Kurs gefunden, den ich gesucht habe."
Und die Schüler warten dann auch neun Monate??

Nein, nicht alle. Okay, jetzt hab ich den Text dahingehend geändert, dass sie ihn bei den Gigs im Jazzkeller nur auf die Idee gebracht haben.

Das ist so eine - ach, Film-Hollywood Dramaüberreaktion

Hm. Es ist schon ein Ding, weil sie ihm ja zum dritten Mal abhaut. Sie reagiert gereizt darauf, dass er das nicht kapiert, dass sie in die Messe geht und betet.

Aber ich versteh schon: Das ist ziemlich overdone. Jetzt hab ich einfach mal gestrichen:

Er atmet hörbar aus.
"Du hast es die ganze Zeit gewusst."
"Hätte es etwas geändert?"
"Nein", flüstere ich.
Mir laufen Tränen übers Gesicht. Das war der erste Mann, der in mir nicht die kleine Blondine mit dem Riesenbusen sah. Der Kuss meines Lebens.
Ich muss hier weg.
"Jana, warte", höre ich ihn rufen.
Ich drehe mich noch einmal um.
"Wenn du es genau wissen willst: Ja, ich habe heute morgen für deine Augen gebetet. Was ist daran so schlimm?"
Meine Stimme klingt fremd in mir nach.
Ich stürze aus der Wohnung und nehme die Straßenbahn nach Hause.

Ja, ich glaub, das geht.

8.8.2017, 21:00 h EDIT:
Jetzt fehlt für Lukas die Andeutung, dass sie in der Kirche war. Könnte ein Logikproblem sein. Muss nochmal überlegen, ob ich einen neuen Satz einfüge ...

Ja, sehr feine, sehr hübsche Liebesgeschichte. Gefällt mir gut, habe ich gern gelesen.

Das aus deinem Munde zu hören, freut mich sehr. :)

LG, Anne

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Hallo Eva Luise Groh,

auch dir vielen Dank für's Vorbeischauen!

Der Text ist locker-leicht geschrieben, das Lesen macht Spaß.

Danke, das geht mir runter wie Öl.

"Nur für den Hausgebrauch, so so."
Da ist bestimmt ein so zuviel?

Eigentlich nicht. Jetzt hab ich in den Duden geschaut. Soso - Ausdruck von Zweifel oder Ironie - wird zusammengeschrieben. Hab's korrigiert.

Ich bin keine gute Katholikin, neige zum Denken.
Oha, gute Katholiken denken nicht? Das glaube ich zwar nicht, zumindest gilt das nicht für die, die ich kenne, diese Bemerkung finde ich aber trotzdem lustig.

Haha, auf den Aufschrei hab ich gewartet. Jana soll halt keine Hardcore-Katholikin sein.
Vielleicht auch ein kleiner Seitenhieb auf das Subgenre der "Christian Romance" in den USA (obwohl eigentlich evangelikal). Das sind so Liebesschnulzen, da gibt es kaum einen keuschen Kuss und ständig wird gebetet. Deus ex machina erhält eine ganz neue Bedeutung. Einfach nur grauenhaft.

Und du entlässt die Leserin wieder mit einem Cliffhanger - gemein!

Naa, das ist kein wirklicher Cliffhanger! Ich denke, die zwei finden eine Lösung und bleiben zusammen. Die passen doch gut zusammen: Lukas bewertet Jana nicht nach ihrem Äußeren und sie fasst ihn nicht mit Samthandschuhen an.

Also, so einfach zu schreiben, dass er seine USA-Pläne fallenlässt oder dass sie mitkommt, nee, das hätte nicht funktioniert.

Aber hoffentlich gibt es nochmal eine Fortsetzung?

Nein, die Geschichte von Jana und Lukas ist zuende. Ich hab jetzt "ENDE" druntergeschrieben.

Einen Teil 3 kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Da müsste ich ja nochmal einen Konflikt konstruieren, besser wird das nicht, ach nee ...

Solche Konstellationen gefallen mir aber grundsätzlich schon sehr. Also, Romanzen zwischen Menschen, die keine perfekten Helden sind, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

LG, Anne

 

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