Hallo lynn,
manchmal fällt es mir schwer, eine Erzählung zu kritisieren, die für den Schreiber bestimmt eine immense Bedeutung hat. Denn wie soll man Kriterien einer Kurzgeschichte mit dem Gefühl vergleichen, das sich zwischen deinen Zeilen findet?
Ich versuche es trotzdem:
Die Protagonistin ist mittlerweile erwachsen, hat aber immer noch jenes Pumukl-Kissen aus der Kinderzeit, das für Sie damals Schutz und Trost bedeutete und heute wie eine Brücke zur Vergangenheit wirkt.
Wenn sie das Kissen betrachtet, so wandern die Gedanken darüber wieder in jene Zeit, wo sie hilflos im Zimmer den Streit der Eltern miterleben musste. Über diese Brücke kommen all die Bilder und Emotionen wieder nach oben und manifestieren sich für eine gewisse Zeit in der Gegenwart.
Die erwachsene Protagonistin kann entweder oder will gar nicht vergessen, weshalb sie auch nicht auf den Gedanken kommt, mit der Entfernung des Kissen auch den Abstand zur Vergangenheit zu bekommen.
Täte sie dies, so würden die Bilder vielleicht endlich den verdienten Schlaf finden.
Das zur ersten Art der Interpretation.
Zur Analyse:
Die Erzählung ist im klassischen Sinne keine Kurzgeschichte. Eine treffendere Bezeichnung wäre Stimmungsbild. Auch ist fraglich, ob sie in die Kategorie "Gesellschaft" passt. Über eine Verlegung in "Alltag" oder "Sonstige" kann nachgedacht werden.
Thematisiert werden traumatische Kindheitserinnerungen, die durch einen Gegenstand, hier das Pumukl-Kissen, wieder ins Bewusstsein der wohl weiblichen Protagonistin treten. Sie erlebt sehr sinnlich und somit intensiv ein Streitgespräch der Eltern, das in körperlicher Gewalt eskaliert.
Wie es dazu gekommen ist, ob dies eine Ausnahme oder die Regel ist, wird nicht beschrieben.
Der Schwerpunkt liegt auf den Empfindungen im Kinderzimmer:
Diese werden im Präsens und in plastischen Bildern erzählt, wenngleich in der Art der Sprache deutlich wird, dass sie nicht die eines Kindes sein kann. Die Sätze sind grammatikalisch zu dicht und vom Ablauf her zu ausgefeilt geschrieben.
Dies beginnt bereits im ersten Satz:
Die salzigen Tränen rinnen meine geröteten Backen hinunter in meinen Mund – das zerflockte Pumuckl Kissen fest ans Gesicht gedrückt, sitze ich da – weiß gar nicht wohin mit meinen Händen – zuerst auf die Ohren oder aufs Gesicht?
Für ein Kind in der im Präsens beschriebenen Situation ist dieser Satz beiweitem zu reflektiv, soll heißen: es ist sich selbst ZU bewusst, obwohl ihm ja das Streitgespräch im Ohr liegt und es zugleich "ausschalten" möchte.
Die Kette der Empfindungen - also das die Tränen SALZIG sind und über GERÖTETE Backen RINNEN - wirkt in dieser Situation nicht authentisch. Ein Kind weint einfach und es ist sich dann nicht des salzigen Geschmackes bewusst, bevor die Tränen nicht im Mund sind. Es hat auch keinen Spiegel dabei, in dem es die geröteten Backen sieht. Du verstehst hoffentlich, was ich hier in wohl viel zu komplizierten Erläuterungen sagen möchte.
Weiter im Satz: "weiß gar nicht, wohin mit meinen Händen..."
In der Tat "weiß" das Kind es nicht, weil die Handbewegung eines Kindes nicht bewusst abläuft. Ein Kind wird sich nicht die entscheidende Frage stellen: "Zuerst auf die Ohren oder aufs Gesicht?"
Es wird eine Bewegung machen, und zwar intuitiv, niemals reflektiv.
Du hast versucht, die Zerissenheit und zugleich die Hilflosigkeit des Kindes zu beschreiben: Welche Sinnesorgane sollen durch die Hände abgeschottet werden? Ohren oder das Gesicht?
Logisch ist hier das Ohr, denn das Kind will ja die Schreie und Geräusche nicht mehr hören. Die Augen aber können getrost offen bleiben, denn das Kissen anzuschauen spendet Trost.
Du siehst also, dass der Einstieg anders geschrieben werden könnte, wenn du Wert auf eine authentisch wirkende Kindersprache legst. Die Sprache, die du nämlich aktuell verwendet hast, ist die einer erwachsenen Frau, welche kindlich erzählen will.
Keine Angst: Ich zerlege die Geschichte nicht komplett in ihre Einzelteile. Aber ich hoffe, dass ich dir an diesem Beispiel gezeigt habe, wie eine solche Geschichte auf zweierlei Weise kommentiert werden kann.
Es liegt an dir, was du draus machst! 
LG
Jan