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Kennen Sie den...?
Miroslav Devic verliess das Haus und trat auf die Strasse hinaus.
Sein Blick ging gen Himmel, wo ein Ferienflieger den Himmel mit einem mächtigen Kondensstreifen durchschnitt.
Er war innerlich noch völlig aufgewühlt. Die letzte Nacht mit Sonja hatte ihm wirklich alles abverlangt.
Sonja war schon ein Biest. Ihre Sexualpraktiken erfüllten seinen ansonsten eher biederen Geist mit einem wohltuenden aussergewöhnlichen
Flair, dessen Bedeutung ihm letzte Nacht erst so wirklich in den Sinn gekommen war.
Miroslav Devic fühlte sich völlig befreit. Niemals zuvor war Liebe für ihn ein derart wichtiger Bestandteil seines Lebens gewesen. Er wusste - diese Frau - war seine Bestimmung. Einzig und allein dafür waren sie geboren, um einander lieben zu können.
Die Verschmelzung ihrer Leiber hatte ihn in eine Ekstase versetzt, wie er sie noch nie erlebt hatte.
Seine anfängliche Skepsis - immerhin war Sonja knapp zehn Jahre jünger als er - war zunehmend einem befriedigendem Gefühl der Harmonie gewichen, wie er es in seinem ganzen Sein noch nie erlebt hatte.
Miroslav schritt die Strasse hinab und hing seinen Gedanken nach. Er wusste - diese Frau wollte er heiraten. Diese Frau war sein Leben. Diese Frau war alles was ihn jemals definiert hatte.
Der Lärm, der die tägliche rush hour begleitete, ging für ihn völlig unter. Er nahm seine Umgebung kaum wahr.
Nur dieses Gefühl - er wollte nur dieses Gefühl solange wie eben möglich aufrechterhalten.
Er wollte es festhalten in seinen Gedanken - die Atmosphäre der vergangenen Nacht nocheinmal wachrufen - er wollte einfach nicht vergessen.
Während Miroslav Devic so seinen Gedanken nachhing, erreichte er den kleinen Park, der sich im Zentrum der Stadt befand.
Seine Schritte waren euphorisch und voller Kraft. Bereits nach einer viertel Stunde erreichte er die kleine Parkbank, die genau im Zentrum dieser grünen Oase und unmittelbar vor einem imposanten Springbrunnen lag.
Er schloss die Augen und genoss das warme Sonnenlicht, dass auf seine Lider fiel. Erst nach einer ganzen Weile öffnete er sie wieder und fixierte eine der metallenen Sitzmöglichkeiten , die in einem halbkreisförmigen Schnitt um das Wasserspiel angelegt waren.
Eigentlich war dieser Tag für ihn wie ein einziger berauschender Zustand gewesen, als er sich auf die von der Sonne erwärmte Parkbank sinken ließ.
Nun - hier hatte er es mit einem Schicksal zu tun, dass ihn ein wenig aus dem Konzept brachte.
Direkt neben sich hatte Miroslav einen jungen Mann erspäht, der sich offensichtlich überhaupt nicht an den Gaben dieses Tages erfreuen konnte.
Der junge Mann hatte seine Joggingjacke bis zu den Ohren heraufgezogen und zitterte am ganzen Leib, als ob es tiefster Winter wäre.
Die Arme hielt er zu beiden Seiten fest an seinen schmächtigen Körper gepresst, als ob er fürchtete, sie im nächsten Moment zu verlieren.
Miroslav war von einer derart euphorischen Wirkung ergriffen, dass er sich getraute diesen jungen Menschen anzusprechen. Er konnte es sich nicht erklären, aber es verlangte ihn danach, ein wenig von seinem Glück als Trost dem Unbekannten spenden zu müssen.
"Junger Mann" ,entfuhr es ihm, beinahe war er selbst von seinen Worten überrascht, denn für gewöhnlich behagte es ihm kaum, fremde Menschen einfach so anzusprechen.
"Ich weiss nicht was sie heute hierher verschlagen hat, aber seien sie gewiss, es ist niemals so schlimm, wie es im ersten Moment den Anschein zu haben scheint."
Der Unbekannte hielt inne und blickte Miroslav an. Ihre Blicke trafen sich für ein paar Sekunden, dann sprach Miroslav weiter.
"Wissen sie, als ich in ihrem Alter war - und das ist weiß Gott- schon ein paar Jahre her. Da dachte ich auch immer, dass die Welt nur aus Lügen und Unwahrheiten bestehe. Aber ich muss ihnen sagen, die letzten Tage haben mich wahrlich eines Besseren belehrt".
Angestrengt versuchte Devic in den Augen des Fremden zu lesen, was dieser nun empfinden mochte. Aber da war nichts - ein glasiger, von Tränen zerrütterter Blick begegnete dem Seinen, ohne dass eine Antwort folgte.
Miroslav Devic holte zweimal tief Luft - eigentlich mehr um eine wenig Zeit zu gewinnen - Seine nächste Antwort etwas besser formuliert zu wissen.
"Ich hatte bis vor zwei Wochen auch noch überhaupt keine Vorstellung vom Leben. Stets war ich darauf bedacht mir niemals eine Schwäche vor Anderen leisten zu müssen, aber ich habe in den vergangenen Tagen gelernt, was es heisst zu lieben. Haben sie sich schon einmal verliebt - junger Mann ? Ich meine so richtig, mit all den Gefahren und Unsicherheiten, die solch eine Wahl mit sich bringt ?"
In einem völlig unerwarteten Augenblick richtete der Fremde seinen Blick auf Miroslav.
"Ja - ich habe geliebt. Ich habe all meine Willenskraft in dieses Abenteuer gelegt und was habe ich letztendlich gewonnen ? - Nichts ! ich habe nichts. Ich habe...", der junge Mann brach in Tränen aus, die voll und nass seine Wangen hinunterglitten.
"Ich habe mir etwas vorgemacht. Sie sagte immer - Levin - Levin - wir werden eines Tages heiraten. Du bist der Mann, den ich stets gesucht habe. Aber es ist nie so gekommen. Abserviert hat sie mich - gesagt ich sei noch zu jung für eine feste Beziehung. Ich war ihr nur mehr ein Spielzeug - niemals mehr."
Devic schwieg eine ganze Weile. Er wollte dem Fremden die Gelegenheit geben, sich wieder ein wenig zu fangen.
"Wissen sie. Sie war ein Bild von einer Frau... sie " der junge Mann musste schlucken..." sie war alles was ich mir je erträumt hatte. Aber sie hielt sich für etwas Besseres. Sie konnte gar nicht genug davon bekommen mir zu sagen, für wie mittelmäßig sie mich befand.".
Als ich an jenem letzte Tag - nun es mag nun wohl schon drei Monate her sein - bei ihr war, da hat sie gelacht. Ja - gelacht hat sie. Nicht etwa freundlich, oder triebhaft. Nein ! Dieses Lachen war voller Boshaftigkeit - und ich schwor mir, falls ich sie jemals wiedersehen möge, da würde ich ihr schon zu deuten zeigen, wie sehr sie mich in meinem Innersten verletzt hatte."
Mirsolav hielt den Augenblick für gekommen, die Initiative zu ergreifen..."Junger Mann, ich selbst habe immer gedacht, wenn ich mich jemals wieder
dem anderen Geschlecht widmen würde, so würde mein Ziel stets einem anderen Sinn folgen - aber so kam es nie. Sie müssen über diese Erfahrung hinwegschauen. Es gibt noch viele Menschen auf dieser Erde - und einer davon wartet, genau wie sie, darauf entdeckt zu werden".
Miroslav bemerkte, wie er innerlich von tiefem Mitgefühl für diesen jungen, unbekannten Mann ergriffen wurde. Er überlegt sich, wie er der Situation ein wenig an Brisanz nehmen konnte. Es war ihm nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken daran, dass für ihn die glücklichste Zeit seines Lebens begonnen hatte, während dieser Mensch genau das Gegenteilige von dem erlebt hatte, was ihn zu neuem Denken veranlasst hatte.
Da kam Miroslav Devic mit einem Mal, der Witz in Erinnerung, den Sonja ihm heute morgen beim gemeinsamen Frühstück erzählt hatte. Er hatte diesen noch niemals zuvor gehört und er erinnerte sich noch Sonja gefragt zu haben, woher sie ihn kannte.
Seltsam - erst jetzt fiel ihm auf, dass sie ihm bei der Antwort ausgewichen war, aber diesem Umstand maß er eigentlich keine große Bedeutung bei. Er war sich nun jedoch auch nicht ganz sicher, ob dies der passende Moment für die Erzählung dieser kleinen Geschichte war-
Er wusste nicht wieso - aber es schien ihm unentbehrlich zu sein - dieses Stück literarischer Frohnatur nun an den richtigen Mann zu bringen...
"Hören sie, " begann Miroslav..."ich kenne da eine Parabell, dessen was ihnen widerfahren sein mag. "
Er hielt einen Moment inne - um zu sehen, wie die Reaktion des Fremden erschien, dann fuhr er fort. "Kennen Sie den..?
Es war einmal eine junge Magd, die sich nichts sehnlicher wünschte, als einen Mann, der sie heiraten würde. Die Magd war jedoch nicht sonderlich von der Natur bevorteilt worden und so kam es, dass sie viele Jahre in einem Zimmer ihres Herren darben musste.", Mirsolav machte eine kurze Pause, um dem ganzen ein wenig an Spannung zu verleihen, "die Magd, trat eines schönen Tages hinaus in die Felder, um die Ziegen zu hüten. Da schlich sich ein Wolf an die Herde heran,..! Die Magd war nun aber äußerst aufmerksam und erkannte den Wolf, der sich vorsichtig an die jungen Tiere herangeschlichen hatte. Da gab es nun ein besonders prachtvolles Tier, dass als Ziehmutter die gesamte Herde aufgezogen hatte. Dieses Jungtier hatte die Magd an einen festen Stein gekettet, damit der Wolf es ihr nimmermehr nehmen konnte..."
Der Fremde fiel Miroslav plötzlich ins Wort. " Ich glaube ich weiss worauf Sie hinauswollen."
"Nein warten sie, sie kennen die Pointe noch nicht..."
Der junge Mann sprang von der Parkbank auf und brüllte Miroslav an. "Mein kleiner Ziegenhirte, das war es was sie mir immer erzählt hatte. Stets in ihren Träumen. Sie hatte es niemals ausgesprochen, aber da war ein anderer Mann zwischen uns. Ihr kleiner Ziegenhirte... keine Magd, wie Sie es nennen !"
Miroslav kam ein furchtbarer Verdacht. Sollte er doch nicht der erste sein, der dem Charme einer einzigen Nacht erlegen war ?
Der Fremde sprang von einem Bein auf das Andere und wurde zusehends nervöser. "Sie, Sie sind der Hirte, von dem sie mir erzählt hat. Sie sind das Schwein, dass mir meine Sonja weggenommen hat."
Miroslav brach der kalte Schweiss aus - das konnte er sich kaum vorstellen - hier einen Nebenbuhler getroffen zu haben.
"Sie sind der Mensch, der mich eigentlich dazu veranlasst hat heute hier zu sein !", Sprudelte es aus dem Fremden heraus.
Dann liess er seine Joggingjacke fallen und Miroslav blickte auf eine kleine Handfeuerwaffe, die auf seinen Oberkörper gerichtet war.
"Nein, so warten sie doch", konnte er noch erwidern, dann fiel der Schuss.
Wie eine heisse Nadel drang das Projektil in ihn ein. Er spürte beinahe keinen Schmerz.
Es war ein Schuss gewesen, der mitten durch seinen Herzmuskel gegangen war - der Fremde sprang noch immer im Kreis - "Eigentlich war ich hierhergekommen , meinem eigenen Leben einen kurzen Abgang zu verlangen, aber wie durch ein Wunder habe ich sie noch persönlich angetroffen."
Um die Mundwinkel des Fremden herum bildete sich eine Fratzenhafte Mimik, als ob er überschwenglich vor Freude darüber sei, Miroslav Devic für immer auszulöschen.
"Warten Sie - ich glaube nicht...." weiter kam Miroslav nicht, da traf ihn ein zweiter Schuss aus dem Trommelrevolver des Fremden - dieses mal jedoch genau in die Stirn.
Sein Blick wanderte in die Mitte seines Gesichtsfeldes und wurde dann von Dunkelheit und Stille empfangen.
"Nein !" schrie der Fremde wie von Sinnen- nein so leicht kommen sie mir nicht davon !"
Dann richtete er die Waffe gegen sich selbst und drückte ab.
Damit der Wolf es ihr nimmermehr nehmen konnte. Der Wolf nahm jedoch alles - und kehrte niemals zurück.