Was ist neu

Keine gute Idee

Seniors
Beitritt
13.06.2002
Beiträge
2.978

Keine gute Idee

„Ho Ho... wie ging das noch mal weiter?“
„Himmelherrgott, Jochen! Wenn du diesen Job hier haben willst, mußt du dich verdammt nochmal ein wenig konzentrieren.“
„Jaja, tut mir leid. Also nochmal von Anfang. Ho Ho... äh... Ho. Jetzt besser?“
„Etwas.“
Kurt, seines Zeichens Elf erster Stufe und damit quasi die rechte Hand des Weihnachtsmannes, war der Verzweiflung nahe. Wie jedes Jahr oblag es ihm, die neuen Rekruten anzulernen, die dem Chef bei der jährlichen Vorbereitung assistieren sollten. Das Verteilen der Geschenke machte der Weihnachtsmann immer selbst und das ließ er sich auch nicht nehmen, aber die ganzen Auftritte in Fernsehshows, Filmen, Kaufhäusern und auf den Trucks von Coca Cola konnte er nun wirklich nicht alle selbst übernehmen. Dafür brauchte er Vertreter. Es war für Kurt gar nicht so einfach, Haltung zu bewahren, zumal er mit seinen neunzig Zentimetern Körpergröße zu seinen Rekruten aufsehen mußte, während er sie anbrüllte.
„Wenn sich dieses Jahr nicht so wenige beworben hätten, würde ich euch alle achtkantig wieder rauswerfen. Aber ihr habt Glück, daß gerade so viele Leute gekommen sind, wie gebraucht werden. Also werdet ihr alle... was ist denn?“ Irgend etwas zupfte an Kurts linkem Hosenbein. Er drehte sich herum und sah in das Gesicht eines Hasen.

„Ka... kann ich mich auch noch be... bewerben?“, fragte es, wobei es schüchtern mit dem Hinterlauf Kreise in den Schnee zeichnete und Kurt aus großen Augen von unten herab anstrahlte.
„Du? Soll das ein Witz sein? Ich meine, du hast doch im Frühjahr genug zu tun.“
„Ja, aber bis dahin ist es noch so lange hin. Zur Zeit bin ich... naja bin ich arbeitslos. Ich... ich habe eine große Familie und... und die wollen das ganze Jahr über... essen.“
„Naja... ich nehme mal an, du hast Erfahrung im Verteilen von Sachen, oder?“
„Ich kann gut Geschenke verstecken.“
„Hier wird nicht versteckt. Du setzt dich einfach bei Karstadt auf einen Stuhl und hörst dir an, was die Kinder sich wünschen.“ Kurt stellte sich einen Moment lang die Frage, ob es den Kindern nicht auffallen würde, wenn der Weihnachtsmann plötzlich klein wäre und lange Ohren hätte, aber bei all den anderen Dilettanten wäre es sicher nicht schlecht, einen Profi in Feiertagsdingen im Team zu haben. „Na gut, du bist dabei. Geh zu Hilde, die gibt dir eine Uniform. Ich nehme an, die normalen Größen passen dir nicht, aber sie wird schon was finden. Ach ja... Jochen! Du bist gefeuert!“

...

„Hertha, wo sind meine Gummistiefel?“
„Woher soll ich das wissen? Die hast du weggeräumt.“ Klaus, der von den meisten Menschen einfach nur Santa genannt wurde, schloß verärgert den breiten schwarzen Gürtel vor seinem Bauch und sah sich suchend im Wohnzimmer um. Der Gürtel diente eigentlich nur der Show, bei seiner doch recht imposanten Leibesfülle bestand keine große Gefahr, daß die Hose rutschen könnte.
Klaus strich sich langsam über den weißen Bart und marschierte dann auf seinen Lieblingssocken mit Gummisohle ins Schlafzimmer. Hier lagen seine Stiefel, wie jeden Morgen. Abends war Klaus nämlich meistens zu müde, um sie ordentlich wieder in den Schrank zu stellen. Behende schlüpfte er nun mit den Füßen hinein und überprüfte dann noch mal die Liste mit den artigen Kindern.
„Wo hab ich denn nur... meine Brille... ach ja, in meiner Tasche.“ Klaus zog die Brille aus seiner Manteltasche, setzte sie auf, nahm einen Stift zur Hand und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Also... der Lars, der war brav. Ulla... ja, die auch. Willi... Willi... wer war denn das nochmal... den hab ich doch gestern noch... oder war das der Fritz? Ach herrjeh, das wird auch jedes Jahr komplizierter mit den vielen Kindern.“
Klaus mußte sich ein wenig beeilen, immerhin waren es nur noch drei Wochen hin bis Weihnachten. Und wenn die Liste, welches Kind welches Geschenk bekommen soll, nicht bald fertig wäre, würden die Elfen in der Fabrik bis dahin niemals alles verpackt haben. Er beschloß deshalb, einfach ein wenig zu raten und machte hinter Willis Namen einen Haken.

...

„Wenn ich sage, ihr sollt Liegestütze machen, dann macht ihr gefälligst Liegestütze!“
„Aber... aber ich dachte, wir sollen nur... also, ich meine...“
„Oh... da will wohl jemand Extrarunden einlegen. Zehn Liegestütze dazu, junger Mann!“ Kurt war stolz auf sich. So langsam bekam er Schwung in diesen lahmen Haufen. Das Sackhüpfen, bei dem es darum ging, mit einem vollen Sack auf dem Rücken über Autoreifen zu springen, verlief ebenso positiv, wie der anschließende Geländelauf durch die weiten Schneewehen. Und die Tatsache, daß jetzt einer von ihnen aufmuckte, störte Kurt gar nicht. So konnte er seine Autorität gleich mal ein wenig unter Beweis stellen. Bis jetzt hatte er noch jeden Rekruten auf Vordermann gekriegt, dann würde er es dieses Jahr auch hinbekommen.
Kurt hörte ein Schnaufen hinter sich und als er sich umdrehte, blickte er in das vor Anstrengung verzerrte Gesicht des Hasen. Das Tier setzte sich erschöpft in den Schnee und japste nach Luft, wobei sich dichte Wölkchen aus Atemluft bildeten. Sein roter Mantel sah ein wenig albern aus, weil er mindestens zwei Nummern zu groß war, aber kleinere waren in der Materialausgabe nicht mehr vorhanden gewesen.
„Melde... melde mich gehorsamst zurück....“, keuchte der Hase.
„Ah, sehr gut. Wie ich sehe, hast du auch schon eine Uniform. Hier hast du noch eine Kopfbedeckung. Ohne die lasse ich niemanden ins Manöver.“ Kurt holte eine kleine Weihnachtsmütze aus seiner Umhängetasche und setzte sie dem Hasen auf den Kopf, der jetzt wirklich aussah, wie ein Weihnachtsmann in Miniaturausgabe.

„Kökönnte ich auauch eieine bebebekommen bitte?“, sagte eine stotternde Stimme hinter Kurt. Der brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wem sie gehörte.
„Ist dir wieder kalt, Peter?“
Der Schneemann deutete ein leichte Nicken an, was aufgrund seiner Anatomie gar nicht so einfach war. Er sah erbärmlich aus. Am ganzen Körper schlotternd, die Karottennase rot gefroren und der Mund, bestehend aus fünf Stückchen Kohle, brachte vor lauter Zittern kaum ein Wort heraus. Kurt zog eine weitere Mütze aus seiner Tasche und gab sie dem Schneemann, der dankbar lächelte, aber immer noch zitterte.
„Dadadanke. Aber es ist immer nonoch kakakalt.“
„Weißt du, was dein Problem ist, Peter? Du bist aus Schnee. Und der ist nun mal kalt. Du kannst dir soviele Decken um den Körper wickeln, wie du willst. Irgendwann schmilzt du.“
„Chef... Chef.“, sagte der Hase von unten und zupfte Kurt an der Hose. „Ich habe eine Idee, wie wir den Schneemann vielleicht trotzdem aufwärmen können.“

...

„Hertha! Ich geh mal eben in die Fabrik, den Dings... Elfen die Liste geben.“
„Ist gut Klaus. Aber nimm lieber den Schlitten. Ich will nicht, daß du dich wieder verläufst, wie beim letzten Mal.“ Klaus ärgerte sich sehr über die letzte Bemerkung seiner Frau. Obwohl das schon ein Jahr her war, mußte sie ihn immer wieder damit aufziehen, daß er sich damals auf dem Rückweg von der Fabrik verlaufen hatte und schließlich irgendwo in Norwegen gelandet war. Er war damals in einen Fjord gefallen und in der Folge eine ganze Woche erkältet gewesen. Mißmutig trat er aus dem Haus, bemerkte, daß er die Liste auf dem Schreibtisch vergessen hatte, ging nochmal zurück um sie zu holen und setzte sich dann auf seinen Schlitten.
„Rudolph, Manfred! Hü!“ Manfred war der Neue im Team der Rentiere, seit sein Vorgänger sich letztes Jahr böse den Fuß verstaucht hatte und seitdem den Schlitten nicht mehr ziehen konnte. Klaus wollte einfach verhindern, daß das arme Tier dabei unnötig gequält wird. Der Neue hatte sich gleich gut eingelebt und Rudolph schnell den Rang als Leitwolf abgelaufen.
Die anderen Tiere bewunderten den wilden Manfred, der sich mit jeder Faser seines Körpers gegen das System aufzulehnen schien. Die Haare grün gefärbt, ein Nasenring und eine Tätowierung in Form eines Hufeisens an der Schulter, so war er damals im Stall des Weihnachtsmannes angekommen. Und mit dieser Haltung steckte er seine Kollegen ziemlich schnell an. Sogar Rudolph fand immer mehr Gefallen daran, seinen Herrn das ein oder andere Mal ein wenig zu ärgern.
„Wird’s bald?“, sagte Klaus und zog an den Zügeln. „Hopp Hopp, ich muß zur Fabrik.“ Die Rentiere machten keinerlei Anstalten, sich auch nur einen Schritt weit zu bewegen. Zwei aus der hinteren Reihe kicherten sogar leise, was Klaus aber zum Glück nicht hören konnte.

...

„Hase, das war eine tolle Idee. Du machst dich langsam.“
„Danke, Chef.“ Kurt hatte den Schneemann in die Wohnung des Weihnachtsmannes gerollt, wo er ihn nun mit Hilfe des Hasen in dicke Wolldecken wickelte. Peters Gesicht erhellte sich immer mehr und sein anfänglich zitternder Mund verwandelte sich nach und nach in ein glückliches Lächeln.
„Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll. Zum ersten Mal seit... ach, seit ich denken kann, friere ich nicht mehr. Ich könnte euch knuddeln.“
„Damit solltest du dich besser beeilen.“
„Ja, ich weiß. Hoffentlich ist das Glas groß genug.“ Kurt nahm die Decke und wrang sie über einem großen Glas aus. Das geschmolzene Wasser aus dem Körper des Schneemannes tropfte hinein und nachdem sie das ein paar Mal wiederholt hatten, hatten sie Peter komplett in das Glas geträufelt. Der war nun zwar flüssig, aber dafür warm und zufrieden.
„Ihr seid wirklich die besten Freunde, die man sich wünschen kann.“, blubberte er glücklich.
„Kann... könnte ich vielleicht die Karotte... ich meine, die brauchst du doch nicht mehr, oder?“, fragte der Hase.
„Das kommt gar nicht in Frage. Wie soll der arme Peter denn ohne seine Nase riechen? Hier, knabber an diesem Spekulatius, wenn du Hunger hast.“

...

Müde und abgekämpft verließ Klaus am Abend wieder seinen Schlitten. Er hatte sich den ganzen Tag über mit seinen Rentieren herumgeärgert und mußte sich dann auch noch mit Herrn Zeisig, dem Leiter der Fabrik und Elf der zweiten Stufe, über die geplanten Budgetkürzungen streiten. Herr Zeisig hatte mit Streik gedroht, wenn er nicht mehr Geld zur Verfügung bekäme, um die Schokoladenmaschine endlich mal warten zu können. Der Krokantauswurf war schon seit Monaten defekt und ohne Krokant wäre Weihnachten irgendwie nicht Weihnachten, argumentierte er. Irgendwann konnten sie sich dann aber doch einigen, wobei Klaus inzwischen wieder vergessen hatte, worauf.
Der Weihnachtsmann füllte seinen Rentieren noch den Futtertrog mit frischem Heu auf und machte sich dann auf den Weg ins Haus. Nachdem er sich die Schuhe an der Fußmatte abgetreten hatte - er war sehr stolz auf sich, weil er diesmal daran gedacht hatte - seinen Gürtel gelöst und sich in seinen bequemen Sessel vor dem Kamin gesetzt hatte, entdeckte er auf dem Tisch ein Glas Wasser.
„Die gute Hertha... immer ist sie so gut zu mir.“, dachte er und leerte das Glas in einem Zug.

 

Tut mir leid... dies ist wohl die denkbar schlechteste Zeit, eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben, aber eher gings leider nicht. Das war nämlich mal wieder ein Beitrag zu einem kleinen Wettbewerb eines anderen Forums und durfte daher nicht früher veröffentlicht werden.
Naja, vielleicht kann diese kleine Geschichte dennoch ein wenig nachweihnachtliches Gefühl in die Herzen derer bringen, die sich dafür erwärmen können ;)

 

Hallo gnoebel,


eine solche Story gehört eher in die thematische Rubrik Weihnachten, ums mal als erstes rauszuposaunen.

Diese Geschichte ist zwar bedingt geeignet für eine gediegene Schenkelklopferpartie, so doch mehr als Langweil-Prophylaxe. Die Gags sind nicht sehr tief, daher auch für Nichtschwimmer geeignet. Amüsant sind sie aber allesamt. Vorsicht gnoebel, ein bisschen dicker aufgetragen und die Gags würden in meinen Augen, öhm, "falsch" wirken. Aber für diese Dezenz bin ich gerade noch zu haben ;).

Nur leider hab ich eine Schwäche für Verwobenes, und das habe ich in der Geschichte etwas vermisst.

Netter Schluss: "Weihnachtsmann säuft Schneemann" :lol:


FLoH.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin floh,

Du hast natürlich Recht, besonders tiefgründig ist die Geschichte wirklich nicht. Einfach eine heitere Geschichte, die den Leser ein wenig schmunzeln läßt - so sollte es auch sein. Wenn das bei dir funktioniert hat, bin ich mit diesem Text auch schon zufrieden. Große Ambitionen habe ich hier nicht verfolgt.

Vorsicht gnoebel, ein bisschen dicker aufgetragen und die Gags würden in meinen Augen, öhm, "falsch" wirken.
Hmm... den Satz hab ich irgendwie nicht verstanden. Was sind falsche Gags?

Zur Rubrik: Ich bin generell kein großer Freund der Weihnachtsrubrik, da ich Geschichten lieber nach Genres ordne - und vom Genre her paßt sie hier schon rein. Wenn seitens der Administration allerdings eine Verschiebung angeordnet wird, würde ich das auch in Ordnung finden.

Nachtrag:
Ich sehe gerade, Kollege Joh hat seinen Beitrag zu diesem Wettbewerb auch hier veröffentlicht (er ward übrigens zweiter, ich dritter):
Johs Text

 

"falsche" Gags wirken wie aus den Fingern gesogen. Man merkt genau, dass der Autor stundenlang darüber gebrütet hat, um sich hinterher auf die Schulter zu klopfen :dozey:.

FLoH.

 

Hey Gnoebel

Der Schreibstil hat mir gut gefallen, las sich gut. Warn auch einige Lacher drin.
Aber im ganzen könnte die Story ein wenig knapper sein, damit die Jokes besser rauskommen.
Also z. B."Und die Tatsache, daß jetzt einer von ihnen aufmuckte, störte Kurt gar nicht. So konnte er seine Autorität gleich mal ein wenig unter Beweis stellen" und "Abends war Klaus nämlich meistens zu müde, um sie ordentlich wieder in den Schrank zu stellen" könnte einfach rausfallen, weil sie die story zu langatmig machen meiner Meinung nach.
eigentlich könnte man die Gags versuchen offen zu lassen, so wie mit dem ausgesoffenen Schneemann, das steht da ja auch nicht weiter ausgemalt, sonst wäre der Joke totgelaufen irgendwie.

mfg Januley

 

Moin,

@floh:
Alles klar, jetzt weiß ich, welche Art Gags du meinst. Sowas mag ich auch nicht. Da ich beim Schreiben aber grundsätzlich nie nachdenke, mußte ich mir auch noch nie Gags aus den Fingern saugen ;)

@Januley:
Danke für deine differenzierte Kritik. Stimmt, ingesamt könnte da wohl wirklich ein wenig gekürzt werden - mal sehen, was sich machen läßt.

eigentlich könnte man die Gags versuchen offen zu lassen
Kannst du mir das an nem Beispiel verdeutlichen? Im Moment kann ich mir da nicht viel drunter vorstellen.

 

N'abend Gnoebel

leider bin ich selbst kein genie im Jokes reissen ... *verschämtschau* also wie beim dem Witz wo der Weihnachtsmann den Schneemann austrinkt, da steht ja nicht noch "er hatte den Schneemann getrunken", sondern es bleibt der Phantasie des Lesers überlassen, das zu kombinieren...

ich hoffe Du verstehst was ich meine, wenn nicht, versuch ichs nommal *g*

mfg Janu

 

Hallo gnoebel!
Mal wieder eine grandiose Geschichte. Ich bewundere es, wie Du so witzig Schreiben kannst und was für Einfälle Du hast.

„Ka... kann ich mich auch noch be... bewerben?“, fragte es, wobei es schüchtern mit dem Hinterlauf Kreise in den Schnee zeichnete und Kurt aus großen Augen von unten herab anstrahlte.
:lol: (könnte mich totlachen, wenn ich mir das alles bildlich vorstelle)

LG Joker

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom