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Der Text ist als Beitrag für einen Schreibwettbewerb zum Thema Krimi gedacht. Die Geschichte soll auf zwei Normseiten Platz finden. Aktuell besteht sie aus rund 3000 Anschlägen.
Kein Stümper
Das Teppichmesser glitt blitzschnell von einer Seite des Halses zur anderen und legte mit einem präzisen Schnitt die Kehle frei. Ein Blutschwall quoll aus der Wunde. Das »cazzo« war ein Gurgeln.
Salvatore Rizzi, Salvi genannt, wachte auf. Er hatte sich nicht sonderlich erschrocken ob des Traums. Sie waren alte Bekannte und trafen sich ein-, zweimal die Woche. Dass ein Messer zur Teppichbearbeitung die Hauptrolle spielte, war dem Umstand geschuldet, dass ihn ein solches Werkzeug bei seiner Arbeit begleitet hatte. Er war ein Meister in der Handhabung. Grund genug, dass ihm seine Auftragslage niemals Anlass zur Sorge gab. Dennoch blieb er unauffällig und lebte bescheiden. Sein Haus war von den anderen im Quartier nicht zu unterscheiden. Erst innen ließ sich dezenter Luxus erkennen.
Salvi starrte ins Dunkel, hielt den Atem an und lauschte. Da war nichts. Ob sich der Traum eines Nachts davonschleichen und nicht mehr zurückkehren würde? Es war Jahre her, seit er das Messer an den sprichwörtlichen Nagel gehängt hatte. Er schob das Laken beiseite, setzte sich auf und schlüpfte in seine Pantoffeln. Die hatte er, wie jeden Abend vor dem Schlafengehen, auf dem Teppich neben dem Bett drapiert. Er schlurfte zur Küche. Bevor er die Hand auf die Klinke legte, hielt er nochmals den Atem an und horchte. Eine kauzige Angewohnheit. Unnötig. Die Hunde schlugen an, sobald sich jemand seinem Grundstück näherte. Die Alarmanlage war für das Innere des Hauses zuständig.
Es war seine Tätigkeit, die von ihm verlangt hatte, aufmerksam und gleichzeitig diskret zu bleiben. Er bewegte sich zeitlebens wie ein Seiltänzer und vermied es bis heute, Rasierwasser aufzutragen oder parfümierte Seife zu verwenden. Zurückhaltung war seine Maxime. Salvi hatte seinen Beruf mit Sorgfalt ausgeübt. In frühzeitiger Pension war er, weil einer seiner Kunden sich zu exakt an die Regeln der Buchführung hielt. Dieser Pedant vermerkte neben Datum und Betrag auch Name und Telefonnummer derjenigen Person, die er entlohnte. Als jener Opfer einer Razzia wurde, fand sich Salvi im Sog dessen Geschäftstätigkeit wieder. Salvi hatte Glück im Unglück. Die Staatsanwaltschaft suchte seine Mitarbeit und entschädigte die Kooperation mit einem Zeugenschutzprogramm fernab der Heimat. Dank des Ersparten, das er sicher verwahrte und den Beamten vorenthielt, ließ es sich im Exil aushalten.
Salvi griff nach einem Glas, öffnete den Kühlschrank und goss sich Wasser ein. Er ging ans Fenster, drückte mit Daumen und Zeigefinger die Lamellen der Jalousie auseinander und spähte in den nächtlichen Garten. Es war eine schwüle Nacht. Seine beiden Hunde lagen reglos unter einem Baum.
Er setzte zu einem Schluck an. Im selben Moment quoll Blut aus Salvis Kehle. Ob es ihm gelungen war, ein »cazzo« auszustoßen, während die Klinge seinen Hals aufschlitzte, lässt sich nicht sagen. Ob der Mörder, wie Salvi einst, mit einem Teppichmesser zu Gange war, bleibt ebenfalls im Dunkeln.
Wenigstens kein Stümper, war Salvis letzter Gedanke.