Kei
Kei schlief. Zumindest hoffte er, dass das, was er erlebte, einem Traum entsprang, denn alles andere hätte für ihn bedeutet, sich bereits in der Hölle zu befinden.
Zitternd fuhr er aus dem Schlaf. Schweiß rann seine Stirn herunter und brannte in seinen Augen, während er schwer und unregelmäßig atmete. Es dauerte einen Moment, bis sich die Bilder, die ihn eben noch gepeinigt hatten, verflüchtigten und ihm bewusst wurde, wo er sich eigentlich befand. Ein Umstand, der seine Laune nicht gerade verbesserte.
Ächzend erhob er sich von seinem Nachtlager und trat an das schmutzige Waschbecken, das in einer Ecke des kleinen Zimmers hing, das er sein Heim nannte. Nein, nicht sein Heim, nur seine Bleibe. Er hatte die kleine Hütte vor drei Jahren entdeckt, kurz nachdem er aus der Wohnung geschmissen worden und, wie so viele andere, auf der Straße gelandet war.
Seit Jahren schon floss kein Wasser mehr aus diesem Hahn, weshalb er seinen Oberkörper nun hinunterbeugte, sich vorsichtig streckte und die Zähne zusammen biss, als jäher Schmerz zwischen seinen Schulterblättern aufflammte. Kein Wunder, sagte er sich und zog vorsichtig an dem dünnen Stück Stoff, das er sich über den Rücken geklebt hatte.
Die Blutung war wohl gestoppt, stellte er erleichtert fest als er den Schnitt im Spiegel begutachtete. Trotzdem sah es so aus, als hätte jemand versucht ihn hinterrücks aufzuschlitzen. Was ja auch stimmte.
Während er die mit Schorf bedeckte Wunde noch im Spiegel betrachtete, fiel sein Blick auf das Gesicht, das ihm da durch die schmutzverkrustete Oberfläche des Spiegels anstarrte.
Bin das wirklich ich?, dachte er ungläubig und betrachtete jede Stelle seines erst 17 Jahre alten Gesichts. Die knochigen Züge, die gebräunte Haut, die Stellenweise ausgefallenen Haare. Das alles schien einem anderen Menschen zu gehören. Doch besonderen Kummer bereiteten ihm die Augen, seine Augen, die seinen Blick matt und glanzlos erwiderten.
Was sollte sein Vater bloß sagen, wenn er heimkommen und seinen geliebten Sohn in einer solchen Verfassung vorfände? Dieser Gedanke beschäftigte ihn eine ganze Weile und erfüllte ihn mit Trauer und Selbstmitleid. Dann schnappte er sich sein Shirt und seine Jacke und zog sich an, wobei er sich innerlich einen Idioten schimpfte.
Tag für Tag sah er das Bild, sein Bild, das ihm da eben einen solchen Schrecken eingejagt hatte. Was sollte jetzt diese dumme Gefühlsduselei? Er tat was nötig war, um zu überleben. Und seinen Vater würde er, damit hatte er sich bereits abgefunden, wohl nie wieder sehen.
Damit verdrängte er diesen Gedanken und stopfte einen Lappen, den er als Füllmaterial für eines der Löcher in der Wand benutzt hatte, zurück in eben dieses. Dabei bewegte er sich so vorsichtig wie möglich, um weder Ayako noch einen der anderen zu wecken, mit denen er die Nacht eng aneinander gepresst überstanden hatte und die, wie er erleichtert feststellte, nicht aufgewacht waren. Die richtig kalten Monate hatten sie zwar hinter sich, doch sanken die Temperaturen nachts noch auf unter Null, weshalb sie sich so eng wie möglich aneinander kauerten.
Anschließend schnappte er sich einen weiteren Lumpen, ein Baby-Shirt mit süßen, aufgestickten Elefanten, zerriss es und verteilte die Überbleibsel auf zwei Löcher in der Decke, durch die Wasser herein tropfte.
Dann verließ er das Zimmer.
Nami war auch schon wach. Sie war damit beschäftigt ein wenig Reis zu kochen. Das provisorische Feuer, über dem der Kessel hing, glomm eher als das es brannte, verbreitete aber trotzdem Wärme und sogar einen Hauch von Gemütlichkeit in dem kargen kleinen Raum, in dem sich ansonsten nichts als ein kleiner Tisch befand.
„Morgen“, grüßte Nami und blickte kurz auf, bevor sie sich wieder dem Kessel zuwandte. Kei setzte sich neben sie und genoß die Wärme, die langsam seine verspannten Glieder hinaufwanderte.
„Morgen“, grüßte er zurück.
„Hast Du gut geschlafen?“
Sie nickte.
„Wie geht es deiner Wunde“, fragte sie dann, wobei sie den Kessel immer noch genau im Auge
behielt. Dann, als hätte sie nur auf ein Zeichen gewartet, nahm sie den Kessel vom Feuer, stellte ihn neben das Feuer und betrachtete die darüber gespannte Folie, auf der sich deutlich unzählige kleine Wassertröpfchen abzeichneten. Zufrieden nickte sie, während er antwortete.
,,Es wird langsam besser, danke.“
Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, als ihm der köstliche Duft von gekochtem Reis in die Nase stieg. Voller Vorfreude leckte er sich über die Lippen, was Nami nicht entging. Leise lächelnd, aber trotzdem mit größter Vorsicht, füllte sie das gesammelte Wasser von der Folie zurück in den kleinen Kanister.
„Lass mal sehen“, forderte sie ihn auf, nachdem der Kanister unter ein paar Stofffetzen verborgen war.
Gehorsam zog Kei Shirt und Jacke wieder aus und erzitterte leicht, als Namis zarte Finger sanft über die Ränder der Wunde glitten. Einmal mehr nickte sie, zufrieden, wie ihm schien, und ließ sich neben ihm nieder. Geräusche aus dem Nebenzimmer ließen darauf schließen, dass die Anderen allmählich erwachten.
Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis sie alle um das kümmerliche Feuer versammelt waren und versuchten, so viel wie möglich von der Wärme abzukriegen.
Nacheinander musterte Kei alle sieben, mit denen er hier jetzt seit drei Jahren lebte. Da waren Yusuke, Daichi, Gaara, Ayako und die kleine Natsuki, die mit ihren neun Jahren das mit Abstand jüngste Mitglied der Gruppe darstellte.
Seine Aufmerksamkeit wandte sich jedoch schnell der Karotte zu, von der jeder einmal einen Bissen nahm. Der Rest verschwand in Natsukis Mund, die, soweit möglich, sowieso immer das meiste abbekam.
Anschließend trank jeder noch einen Schluck Wasser und das war's. 200 Gramm Reis, ein Stück Karotte und ein Schluck Wasser. Das musste für den Tag reichen.
Bekümmert dachte Kei für einen kurzen Moment an früher, als sich der Frühstückstisch unter den Bergen von Essen gebogen haben musste, wie es ihm jetzt im Nachhinein vorkam. Mit einem Kopfschütteln verscheuchte er den Gedanken und wandte seine Aufmerksamkeit dem Wasser zu.
Der Kanister war noch zur Hälfte voll, beinhaltete also noch gute 2.5 Liter. Bei ihrem derzeitigen Verbrauch würde das vielleicht noch 2, allerhöchstens 3 Tage reichen. Bis dahin mussten sie neues auftreiben. Aber woher? Sauberes Wasser war teuer und manche Angebote schlicht Betrug. Am ehrlichsten war bisher noch Yamamoto gewesen, doch der war teuer und Geld hatten sie keins. Also vielleicht stehlen? Nein, zu gefährlich, immerhin standen auf Wasserdiebstahl schwere Strafen und es war gerade erst eine neue Ladung Blauhelme angekommen. Außerdem verteidigten die meisten Leute das Wasser, das sie hatten, mit Zähnen und Klauen.
Also die übliche Vorgehensweise, entschied er innerlich.
Ein paar Worte Keis später verließen sie das baufällige Haus und machten sich auf den Weg gen Hafen. Die Stadt war bereits dabei aufzuwachen. Ein weiterer Tag voller Mühsal und Trostlosigkeit erwartete ihre Bewohner.
Kei und seine Truppe brauchten nicht lange bis sie ihr Viertel hinter sich ließen. Nicht, dass es einen
großen Unterschied gemacht hätte. Die Grenzen hier verliefen mittlerweile eigentlich nur noch auf dem Stadtplan, den Kei immer dabei hatte. Sie verließen ein Viertel, das aus baufälligen Häusern und Wellblechhütten bestand und betraten ein Viertel, das aus baufälligen Häusern und Wellblechhütten bestand. Öfters kamen sie an Orten vorbei, an denen sich Menschen Höhlen aus Karton, Pappe, kaputten Autos oder ähnlichem errichtet hatten. In vielen Gassen, manchmal aber auch direkt an der Straße, hatten sich kleine Dörfer aus Zelten gebildet, die immer unter Aufsicht mehrerer schwer bewaffneter Bewohner standen. Es war ein einziges Chaos aus Wohnräumen, die sich manchmal sogar an ganzen Häuserfassaden entlangzogen. Das einstige Stadtbild Tokios war einem neuen, ungleich wilderem gewichen.
Kei war das längst gewohnt und so bewegte er sich zielstrebig in Richtung Hafen. Dort gab es am wahrscheinlichsten was abzugreifen, weil dort immer die Hilfslieferungen eintrafen.
Sie trennten sich. Yusuke und Daichi wollten versuchen, sich durch die Menschenmasse am Dock vorzuarbeiten, während der Rest sich nach Chiyoda aufmachte.
„Muss ich wieder mitmachen?“, erkundigte sich Natsuki unwillig, die Hand in Hand mit Nami ging.
„Ja“, antwortete Kei kurz angebunden.
Natsuki nickte nur. Diese Frage war mittlerweile zu einer Art Ritual geworden, zu einem Stück Normalität in einer Welt, in der es Tag für Tag nur noch weiter bergab zu gehen schien.
„Nee-chan?“, fragte sie nach einer Weile wieder, diesmal an Nami gewandt, die quasi den Mutterersatz darstellte.
,,Können wir nicht mal was anderes machen?“
„Was denn zum Beispiel?“
,,Ich weiß auch nicht. Aber irgendwie will ich das nicht mehr.“
Nami dachte einen Moment nach.
,,Was genau meinst du?“
Die Straßen füllten sich nun allmählich. Natsuki presste ihren winzigen Körper enger an Namis Seite, als eine US-Patrouille an ihnen vorbei marschierte. Mit ihren gepanzerten Schutzanzügen, Gasmasken und schweren Waffen jagten sie ihr immer wieder eine Heidenangst ein.
Nami schaute ihnen hinterher.
,,Hast Du Angst?“, fragte sie dann, den Blick noch immer auf die gepanzerten Rücken gerichtet.
Natsuki vergewisserte sich kurz, dass die drei anderen immer noch vor ihnen gingen und sie nicht beachteten und nickte dann.
Nami ließ sich einen Moment mit der Antwort Zeit.
,,Natsuki, es ist vollkommen okay Angst zu haben. Das hat jeder von uns.“
Das kleine Mädchen hob überrascht die Augenbrauen. Trotz der harten und entbehrungsreichen letzten Jahre war sie immer noch ein Kind und hatte es tatsächlich geschafft, sich einen kleinen Teil kindlicher Unschuld zu bewahren.
,,Du auch.“
Nami lächelte gutmütig.
,,Ja, ich auch. Ich lasse es mir bloß nicht anmerken.“
„Man merkt, dass Du mal Schauspielerin werden wolltest.“
Namis Miene verfinsterte sich kurz, ausgelöst von den Gedanken an eine Zukunft, die ihr nicht mehr offenstand. Dann lächelte sie wieder.
,,Hör zu. Ich weiß, dass das hier schwer für dich ist. Doch es geht leider nicht anders. Und du weißt doch, dass die Ausländer kleinen Kindern wie dir nichts antun.“
„Ich bin nicht klein...“, entgegnete die Kleine trotzig.
,,...und schon 9 Jahre alt.“
„Weiß ich doch, weiß ich doch“, versuchte Nami sie zu beschwichtigen, wobei sie sich ein Lächeln nicht ganz verkneifen konnte.
,,Schau mal, jeder von uns muss Sachen tun, die ihm nicht leicht fallen. Nur so können wir am Leben bleiben. Auch du, meine Große, musst deinen Teil dazu tun. Bisher hat es ja immer geklappt. Das wird sich heute auch nicht ändern.“
„Meinst du?“
Nami nickte ermutigend.
,,Bist du denn bei mir?“, schniefte das kleine Mädchen an ihrer Seite.
,,Natürlich.“
Damit schien das Problem fürs erste gelöst zu sein.
Es dauerte nun nicht mehr lange, bis sie ihr Ziel erreichten. Hierbei handelte es sich um eine nur leicht belebte Kreuzung. Es schien noch diesiger und nebliger zu sein als sonst. Außerdem wirkten die Schatten länger. Perfekte Bedingungen, wie Kei fand.
Sie positionierten sich direkt an der Kreuzung. Zumindest taten das Nami und Natsuki. Kei, Ayako und Gaara zogen sich diskret ein Stück zurück. So blieben sie und warteten. Dabei stieß Kei mit den Füßen an eine Männerleiche.
,,Ist noch frisch“, meinte Gaara abschätzend, während er sich über die Leiche beugte.
,,Der liegt hier höchstens ein paar Stunden.“
Egal wieviel Zeit vergangen war, es hatte gereicht die Leiche professionell zu plündern. Nur die Unterwäsche war ihr geblieben. Kei zuckte nur mit den Schultern.
Sie warteten weiter.
„Mir ist kalt“, stöhnte Gaare nach einer guten Stunde.
,,Dir ist immer kalt“, erwiderte Ayako trocken.
„Und? Lust dich gemeinsam mit mir aufzuwärmen?“
Dafür erhielt er den obligatorischen Ellenbogen in die Seite.
„Was denn? Bin ich dir nicht gut genug?“, fragte er nicht ganz ernsthaft.
„Ha. Selbst ist die Frau. Wir können alles, was ihr auch könnt, und das Meiste davon sogar besser.“
„Träum weiter. Du hast doch nur noch nie erlebt, was ein Mann so kann.“
Geringschätzig spie sie aus.
,,Du meinst, außer Frauen zu vergewaltigen? Da hab ich tatsächlich noch nicht so viel erlebt. Bin aber auch nicht grad scharf drauf.
,,Mein Angebot steht noch.“
„Lass ma'. Oder soll ich dir deinen Schniddel auch abhacken.“
Ayako war mit 15 vergewaltigt worden und hatte sich auf recht unkonventionelle Art an dem Kerl gerächt.
,,Wenn du vorher mit mir schläfst.“
Gaara lächelte jungenhaft, ein immer seltenerer Anblick.
,,Mensch. Kei, sag mal was.“
,,Du kannst es auch mit mir tun.“
Gaara lachte und Ayako wollte schon zu einer ihrer Tiraden ansetzen als Kei ihr zuvorkam.
„Still jetzt. Es geht los.“
Nami hatte sich bereits hinter eine hausecke verdrückt. Natsuki stand ganz allein an der Kreuzung. Sie wusste genau, was sie zu tun hatte.
Es dauerte nicht lang, bis die fünfköpfige US-Patrouille die Kreuzung erreichte. Diese Männer und Frauen waren bei den Japanern gleichermaßen gehasst und gefürchtet. Gehasst, weil sie alle gut genährt und versorgt waren. Zumindest im Vergleich mit der hiesigen Bevölkerung. Gefürchtet, weil sie jeden, der die öffentliche Ordnung störte oder Lebensmittel klaute, häufig vor eine Wand stellten und ihm eine unfreiwillige Blei-Injektion verpassten.
Natsuki wankte nun langsam, den Blick auf den Boden gerichtet, über die Straße und stieß, wie durch Zufall, gegen einen der Soldaten. Ayako, Gaara und Kei verließen langsam ihr Versteck.
Langsam hob sich Natsukis Blick und begegnete der gesichtslosen Gasmaske. Schrecken trat in die kleinen, glanzlosen Augen, eingerahmt von einem dünnen Gesicht, das alles vermissen ließ, was irgendwie auf Gesundheit hindeutete. Stattdessen schien das Elend geradezu aus ihr herauszuleuchten. Sie wollte sich umdrehen und weglaufen, doch dazu fehlte ihr die Kraft. Ihr ausgemergelter Körper fiel zu Boden, unfähig, sich der Gravitation entgegenzustemmen.
Weinend blieb sie, mit dem Gesicht nach unten, liegen. Selbst ihr Schluchszen klang im höchsten Maße ungesund und verzweifelt.
Jemand kniete sich neben sie, drehte sie vorsichtig um, umfasste ihren Rücken und hob sie ein wenig an. Ein Schatten fiel auf ihr Gesicht. Einer der Soldaten beugte sich über sie, ob besorgt oder nicht, vermochte sie nicht zu sagen.
„Hey, little girl? What's up?“
Sie verstand kein Englisch. Und selbst wenn erweckte sie momentan nicht den Eindruck wirklich bei Bewusstsein zu sein.
Sie fühlte nur, wie ihr eine Flasche an die Lippen gesetzt wurde und köstliches, unbelastetes Wasser in ihren Mund zu fließen begann. Gierig schluckte sie so schnell wie möglich.
Die anderen drei näherten sich ihr nun. Zwar waren Natsuki und die Soldaten für sie hinter einer Ecke verborgen, doch ihr Gehör sagte ihnen alles was sie wissen mussten.
Einer der Soldaten begann nun, sie ein wenig mit etwas zu füttern, was schwer nach Soldatenfraß schmeckte. Langsam öffnete sie die Augen und erblickte die Gasmaske direkt vor ihr. Schwach lächelte sie ihn an.
Der Anblick schien etwas in ihm auszulösen. Zwar konnte sie seine Augen nicht sehen. Doch für einen Moment hielt er inne und betrachtete sie, wobei er ihr vorsichtig die verklebten Haarsträhnen aus dem Gesicht wischte.
,,You are a pretty strong girl“, sagte er dann.
In Erwartung des kommenden ballten sich Keis Fäuste bereits wie von selbst zusammen, als er, Ayako und Gaara in diesem Moment um die Ecke kamen.
Sie rannten voll in die Amis rein.
Diese waren sofort in Alarmbereitschaft und richteten ihre Gewehre unverzüglich auf die drei noch schwankenden Jugendlichen.
„Hey, hey, ganz ruhig Mann.“
Ayako war nicht so beherrscht wie Gaara. Lautstark beschimpfte sie die Amis, weil die hier einfach so im Weg rumstanden. Kei versuchte sie zu beruhigen.
„Reg dich ab, Mädel.“
„ICH MICH ABREGEN!? WIESO DENN?!“
„Hey, Kinder, verzieht euch.“
Einer der Soldaten schien ein wenig Japanisch zu beherrschen.
„Ja, wir gehen schon.“
Ungeachtet ihrer Proteste zog Kei sie langsam weg. Zwei Mündungen folgten ihnen. Die anderen Soldaten waren aber bereits wieder abgelenkt, weil Nami gerade aus der anderen Richtung auf sie zurannte. Wut und Freude rangen um die Herrschaft über ihr Gesicht, als sie, die Soldaten vollkommen ignorierend, Natsuki um den Hals fiel.
„Du kleine.... Wo hast du bloß gesteckt?! Ich hab' mir verdammte Sorgen gemacht!“
Zärtlich fuhr sie über das kleine Gesicht.
„Wie geht’s dir?“, fragte sie dann.
Natsuki lächelte nur schwach.
Erst jetzt bemerkte Nami die Soldaten richtig, die um sie herum standen und sie durch ihre Masken ansahen.
„Äh, Verzeihung.“
Sie schluckte.
„Ich bin ihre Schwester. Gestern ist sie uns verloren gegangen. Seitdem hab ich sie gesucht.“ Die Erleichterung über ihren Fund schien aus jeder Silbe zu triefen.
Der eine Soldat übersetzte, woraufhin der andere, der Natsuki gestützt hatte, nickte.
„Vielen Dank, dass sie sich um sie gekümmert haben. Thank you so much.“
Überschwänglich umarmte sie den Mann. Die Antwort verstand sie nicht, aber der Ton sagte ihr alles, was sie wissen musste.
Vorsichtig nahm sie Natsuki bei der Hand, die vorher den Soldaten auch nochmal dankbar umarmte und ging. Auf dem Weg machte sie Natsuki allerhand lautstarke Vorwürfe. Zumindest bis sie die nächste Gasse erreichte. Hier verstummten sie und nahmen die Beine in die Hand.
„Na, alles klar?“, fragte Kei ruhig als sie sich wieder trafen, nur einen Block von der Kreuzung entfernt. Nami nickte nur.
„Oscar-reife Leistung ihr beiden“, lobte er sie, woraufhin Nami lachen musste. Natsukis Gesicht hingegen zeigte nur Verwunderung.
„Warum lachst du? Und was ist ein Oscar“, fragte sie verwirrt.
„Ein Oscar ist ein Preis. Einer der größten Preise der Welt. Nur die besten Schauspieler kriegen einen.“
„Lachst du deshalb? Weil Kei dir einen Oscar geben würde?“
Nami dachte kurz nach.
„Glaub schon.“
Natsuki lehnte sich erschöpft gegen Nami.
„Verdient hast du ihn. Es gibt keine bessere Schauspielerin als dich.“
„Danke. Deine Leistung war aber auch echt gut. Die Kerle hast du um den Finger gewickelt.“
„Krieg ich dann auch einen Oscar.“
Unwillkürlich musste Nami lächeln.
„Warum nicht? Wir können sie ja zusammen abholen gehen.“
„Au ja, und danach essen wir ein großes Eis. Mit Erdbeere und Schokolade.“
,,Mein Gott, das ist so rührend. Ich glaub, ich fang' gleich an zu heulen“, feixte Gaara, während er sich an der Brieftasche, die er in Händen hielt, rumnestelte. Natsuki steckte ihm die Zunge raus.
„Ach Manno.“
„Was ist?“, fragte Kei.
„Nur 10 Dollar“, stöhnte Gaara.
„Genau wie bei mir.“
Ayako zeigte ihren Fang. Einen mageren 10 Dollar Schein hielt sie in der Hand.
„Verdammt. Und dafür haben wir stundenlang gewartet und diese Show abgezogen? Das ist ja nichts“, ereiferte sich Gaara.
„Beruhig' dich“, versuchte Kei die Wogen zu glätten. Doch auch ihm setzte die Sache zu. Für 20 Dollar konnten sie vielleicht einen Liter Wasser kaufen. Das war einfach zu wenig. Verdammt.
Sein Hirn arbeitete bereits auf Hochtouren, auf der Suche nach anderen Möglichkeiten und Wegen, irgendwie an Geld zu kommen. Doch er wurde jäh unterbrochen.
„Hey, ihr da.“
Alle fünf Köpfe wandten sich dem Neuankömmling zu, der ein paar Meter entfernt stand. Bei dem Anblick musste Kei schlucken, was auch kein Wunder war. Der Kerl musste um die zwanzig sein, hatte einen völlig kahlen Schädel und war so dünn wie alle anderen. Was ihn auszeichnete, war das Tattoo, das auf seiner rechten Wange prangte und das ihn als Mitglied der „Namenlosen“ auswies, was Referenz genug war.
Wie von selbst tat es Kei seinen Freunden gleich und griff nach dem in seiner Tasche verborgenen Messer.
„Was willst du?“, fragte er mit fester Stimme.
„Dieses Gebiet gehört den „Nachtfalken“. Wir haben einen Deal mit ihnen.“
Der Kerl lachte, was nichts gutes bedeuten konnte. Aus den Augenwinkeln bemerkte er drei weitere Schemen, die sich in den Schatten zu verbergen suchten.
„Tja, mein Freund, leider gab es einen Wechsel in der Geschäftsleitung.“
„Damit meinst du was genau?“
„Damit meine ich, das wir beschlossen haben zu expandieren und uns als erstes mal die „Nachtfalken geschnappt haben. Frag Kazuo hier.“
Eine der Gestalten trat aus dem Schatten. Es war tatsächlich Kazuo.
„Sorry, Kei“, sagte er entschuldigend.
„Warum?“, fragte Kei entgeistert.
„ihr habt doch immer so viel Wert auf eure Unabhängigkeit gelegt.“
„Stimmt schon. Aber die haben Kenjiro umgebracht und uns vor die Wahl gestellt. Und ich häng' an meinem Leben.“
Er zuckte mit den Schultern.
„Nimms nicht persönlich.“
„Würde ich nie tun.“
Ohne die „Namenlosen“ aus dem Auge zu haben nahm er Gaara und Ayako die Brieftaschen ab.
„Was hast du vor?“, flüsterte er.
Kei schnaubte..und gab damit das Stichwort für Ayako, die mit einem wuchtigen Fußtritt die Bretterwand hinter ihnen umwarf. Gleichzeitig verpasste Nami Kazuo einen Tritt zwischen die Beine, mit verheerenden Ergebnissen.
Dann gingen sie stiften.
Mit geübten Sätzen sprangen sie über die hölzernen Überreste und rannten die Gasse entlang. Ein Glück, dass sie diese Gegend wie ihre Westentasche kannten. Es lohnte sich nämlich immer, ein paar Fluchtwege in Petto zu haben.
Das sahen die „Nachtfalken“ wohl etwas anders. Jedenfalls stürzten sie ihnen mit wütendem Geheul hinterher. Genau in die Arme von Kei, Gaara und Ayako, die ihnen am Gassenende auflauerten und zwei von ihnen eine kostenlose Druckbehandlung mit Holzbohlen zukommen ließen.
Dann gaben auch sie Fersengeld, rannten jedoch in eine andere Richtung als die zwei Mädchen. Wütendes Kreischen und ein Panoptikum derbster Flüche, zeigten ihnen, dass die „Nachtfalken“ ihnen folgten.
„Wohin?!“, brüllte Gaara, dessen Füße in wild trommelnd auf rissigen Asphalt schlugen.
„Nach Shinjuku!“, brüllte Kei zurück, gleichzeitig darum bemüht, den Menschen auszuweichen.
„Bist du verrückt?! Um diese Uhrzeit?! Mann, das ist die Rush-Hour! Da ist alles voller Amis und Blaumeisen!“
„Hast du 'ne bessere Idee.“ Kei wurde mehrmals beinahe von fahrenden Autos überrollt, als sie über die Straße hasteten. Das anhaltenden Hupkonzert machte Kei klar, dass ihnen ihre Verfolger noch an den Fersen hingen.
Dann erreichten sie Shinjuku und rannten weiter, vorbei an Militär-Patrouillen, die ihnen misstrauisch hinterherstarrten. Vorbei an Bettlern, die jede Gelegenheit ergriffen, sich einem potenziellen Finanzier weinend an den Hals zu werfen. Vorbei an spielenden Kindern, die das ganze für ein Spiel zu halten schienen und sogar noch die „Nachtfalken“ anfeuerten.
Kei warf einen Blick über die Schulter, als er in das Gewühl eintauchte: Ihre Verfolger waren dicht hinter ihnen. Gaara, Ayako und er schoben und drängelten sich noch aggressiver durch die Menge und fanden letztlich ihr Ziel. Einen freiliegenden Schacht in die Kanalisation. Vor ein paar Jahren war hier einmal eine Leitung explodiert und das Loch war nie geschlossen worden.
Unglaublicher Gestank schlug ihnen entgegen, als sie weiter in Richtung von Tokios schwarzem Herzen steuerten.
Ungefähr 5 Minuten waren sie so im Dunkeln unterwegs, begegneten Horden von Ratten und mehreren Gruppen halbdegenerierter Untergrundbewohner, die die Ratten verzerrten.
Sie erreichten dann einen der größeren Kanäle, sprangen in den seichten Matsch(hier und war nur bei Regen Wasser unterwegs) und wateten weiter. Irgendwo neben ihnen rauschte es. Etwas machte Platsch. Es war stockdunkel.
„Wo sind wir jetzt eigentlich?“, fragte Ayako atem- und orientierungslos in die Schwärze hinein. Sie erhielt keine Antwort.
„Hey, ich hab dich was gefragt, Kei.“
Immer noch nichts. Ihre Hände tasteten sich auf der Suche nach Kei durch die Dunkelheit. Sie fanden nur leere Luft.
„Hey, Gaara?“
„Ich hab' keinen Dunst wo der Kerl ist.“
„Kei?“
Nichts.
„KEI?!“
Der erste Gedanke, der Kei in den Sinn kam, war, dass er dem Gestank nach noch in der Kanalisation sein müsste. Der zweite war, dass in der Kanalisation eigentlich keinerlei Licht schien. Benommen versuchte er sich zu erinnern. An die Flucht. Und wie er da unten mit Schmackes gegen einen Vorsprung gerannt war. Okay, das erklärte immerhin die Bewusstlosigkeit und die Kopfschmerzen. Benommen versuchte er sich aufzusetzen. Was nicht funktionierte, da ein paar Leichen auf ihm lagen.
„Was...zum...?“
Erst jetzt betrachtete er seine unmittelbare Umgebung genauer. Nicht nur die Leichen auf ihm lagen. Er selbst war ebenfalls auf einer ganzen Wagenladung weich gebettet. Stinkenden, nassen Leichen, die von ganzen Geschwadern summender Fliegen belagert wurden.
O nein, dachte er nur, als ihm bewusst wurde, wo er sich hier befand.
Panik stieg in ihm hoch, als er begann, die Leichen von sich herunterzuheben. Als das nicht funktionierte, wühlte er sich durch den Berg, stieß seine Finger in tote Gesichter und arbeitete sich langsam durch. Der Brechreiz wurde langsam überwältigend, während seine Gedanken von einer kalten Stumpfheit erfasst wurden. Immer schneller stieß er sich voran, erreichte die hintere Begrenzung, zog sich mit tauben Fingern hoch, fiel plötzlich vorwärts....und landete mit voller Wucht auf hartem Asphalt.
Mühsam stemmte er sich hoch, nur um kurz darauf seinen gesamten Mageninhalt keuchend auf die Straße zu spucken.
So blieb er, noch vollkommen unter dem Einfluss des Erlebten, einen Moment liegen und atmete die Luft, die ihm plötzlich unendlich köstlich erschien.
Bei allen Göttern. Ein schwarzer Wagen.
Schwarze Wagen nannten die Bewohner Tokios die Leichentransporter, die die Toten wegbrachten. Die Ausländer hatten irgendwann gemerkt, dass vielmehr Menschen starben, als irgendwie beerdigt werden konnten.
Anfangs versuchten sie noch, die Leute vernünftig zu begraben. Doch irgendwann waren sie dazu übergegangen, die Leichen einfach stapelweise auf Lkws zu schmeißen. Die toten Körper wurden dann in den Norden der Stadt gebracht und dort verbrannt. An manchen Tagen konnte man die Rauchsäulen sogar noch im Süden Tokios beobachten.
Langsam erhob er sich, immer noch ächzend und keuchend. Der Anblick der toten Augen und der Gestank hatten sich tief in sein Gehirn gegraben. Wäre noch was drin gewesen, hätte er sich die ganze Zeit übergeben müssen.
So lehnte er sich kraftlos gegen die Wand, genoß die wärmende Sonne und atmete einfach. Dann straffte er sich und setzte ziellos einen Schritt vor den anderen. Sein Gedächtnis sagte ihm, dass er sich hier immer noch in Shinjuku befand. Dennoch wusste er nicht wohin. Vielmehr war er damit beschäftigt, sich Sorgen um die anderen zu machen. Und sich um die kommenden Tage zu sorgen, weil er einfach keinen Schimmer hatte, wie sie jetzt an Wasser und Nahrung kommen sollten.
Die Ablenkung kam wie auf Bestellung. An ihm vorbei fuhren zwei Humvees und ein Lkw, randvoll geladen mit Soldaten.
Innerhalb von Sekunden war die Straße leer. Die Leute wussten, was gleich passieren würde und verzogen sich schnellstens von der Straße. Kei wusste es auch, weshalb er vorsichtshalber in eine Gasse einbog, sich an einem Vorsprung hochzog, über das nahe Dach zum nächsten Gebäude, einer kleinen, ehemaligen Boutique, lief, und an das Dachfenster klopfte. Ein Plan hatte vor seinem inneren Auge Gestalt angenommen.
„Kei du Pisser. Was willst du hier?“
Für Gus war das noch echt höflich gefragt. Aber er hatte den Lauf seiner Uzi auf Keis Brust gerichtet, also beschwerte er sich lieber nicht.
„Ich muss den Big Boss sprechen.“
„Ach ja? Und warum musst du das?“
Gus wirkte noch bekiffter als sonst. Schon mal sehr schlecht.
„Ich habe wichtige Infos für ihn.“
„Ach ja? Warum erzählst du es nicht mir?“
„Weil du mich nicht bezahlen kannst.“
Gus lachte kurz und meckernd. Der Kerl war wirklich hackedicht.
„Kei, Kei, ich erzähl dir jetzt ma...“
Kei stieß ihn einfach zur Seite und rannte in das Gebäude. Flüche flogen ihm hinterher, doch war Gus wohl nicht in der Lage präzise zu schießen. Zwei Kugeln flogen an Kei vorbei bevor er die Treppe runterstürmte.
Beim Hauptsaal handelte es sich um einen hohen, langgezogenen Raum mit mehreren gefliesten Säulen. An der Wand zogen sich zu beiden Seiten Emporen entlang. Vor ein paar Jahren noch war dieser Laden wahrscheinlich noch voller billiger Klamotten und freundlicher Verkäuferinnen gewesen. Jetzt lagen hier überall fleckige Matratzen oder standen Tische.
„Was ist hier los?!“
Okay, das war der Bis Boss, der da unten stand und eine Waffe auf ihn richtete. Und er war nüchtern.
„Was stürmst du hier so rein, Kei?“
„Ich muss dich warnen“, stotterte Kei im Angesicht von einem halben Dutzend auf ihn gerichteter Waffen.
„Ach? Und wovor genau?“
„Vor den Amis, die gleich deine Bude hier stürmen werden.“
„Wie kommst du darauf?“
„Ich hab' sie gesehen.“
„Ach Kei.“
Der Big Boss schüttelte den Kopf.
„Kein Ami und Regierungstypie weiß, dass wir hier sind. Meine Leute kommen nur durch die Kanalisation. Und jeder weiß, dass ich Verräter persönlich umlege?“
Sein Zeigefinger zuckte, während seine Augen sich misstrauisch verengten. Das war schlecht. Sehr schlecht. Keis Kehle wurde trocken. Ob es weh tat, wenn man von einem so kleinen Stück Blei durchlöchert wurde? Wahrscheinlich schon.
Die Szene wurde jäh unterbrochen, als einer der Gangster hereingestürmt kam.
„Boss, die Amis kom...“
Weiter kam er nicht. Die Wand explodierte, Betonbrocken sausten durch die Luft und trafen den Unglücklichen am Kopf. Kei wurde von den Füßen gerissen und landete in einem Nebenzimmer.
Was wohl sein Glück war, auch wenn sein malträtierter Körper da etwas anderes behauptete. Jedenfalls schien im Hauptraum mittlerweile ein echte Schlacht zu toben. Die Luft war erfüllt vom Geräusch gellender Schüsse, explodierender Granaten und vor Schmerzen schreiender Verwundeter.
Die Yakuza waren, von Kei aus links, auf den Emporen und hinter Säulen in Deckung gegangen. Von rechts kamen die Amerikaner.
Kei wusste sofort, dass sie gewinnen würden. Das taten sie immer. Er wandte sich um, zu dem Loch in der Wand, das wohl eine Gewehrgranate gerissen hatte und praktischerweise ins Nebengebäude führte.
Doch dann hielt er inne: In der Mitte des Raumes, von Keis Position aus gut sichtbar, hatte es einen Ami, der sich zu weit vorgewagt hatte, erwischt. Der Kerl lebte noch, wand sich jedoch vor Schmerz. Von seinen Leuten kam ihm keiner zu Hilfe. Dafür war der Kerl zu ungedeckt.
Kei sah seine Chance und beschloss, sie zu ergreifen.
So flach wie möglich presste er sich auf den Boden und begann, zu dem schreienden Kerl hinüberzurobben.
Kugeln sirrten über ihm durch die Luft, von links nach rechts und rechts nach links. Putz rieselte von den Decken, während dumpfes Waffengedonner den Raum erfüllte. Fehlschüsse rissen ganze Brocken aus Säulen und Decken. Treffer ließen Menschen zusammensacken oder schickten sie im hohen Bogen durch die Luft. Einmal verfehlte ein Yakuza-Leib Kei nur um Haaresbreite.
Erfüllt von Todesangst, die ihn so schnell wie möglich vorwärts robben ließ, näherte er sich seinem Ziel.
Schmerzen durchzuckten seine Schulter, als ein Querschläger sie streifte. Ein fehlgegangene Granate landen neben ihm und begrub ihm unter einen Schauer kleiner Steinsplitter. Trotzdem machte er weiter. Aufgeben kam nicht in Frage.
Schließlich, nach Stunden, wie es ihm vorkam, erreichte er den Mann. Von ihm Notiz nahm niemand. Yakuza und Amis waren immer noch dynamisch miteinander beschäftigt.
Durch die Gasmaske konnte er undeutlich die Augen sehen, die sich ihm hoffnungsvoll zuwandten.
Kei streckte die Hand aus....und schnappte sich das M4-Sturmgewehr, das in neben dem Soldaten lag. Dann plünderte er dem Mann so schnell wie er konnte. Munition, Wasserflasche, Messer, alles wanderte in seine Taschen, während um ihn herum die Kugeln flogen.
Er wollte sich schon umdrehen und zurückkrabbeln, als der Soldat seinen Fuß packte und anfing, daran zu reißen. Mist, für einen Halbtoten war der Kerl aber noch recht kräftig.
Kei rannte seinen anderen Fuß in das Gesicht des Kerls, woraufhin der Griff nachließ. Dann robbte er schnellstmöglich weiter.
Verdammte Amis, sagte er sich. Das aufkommende Mitleid wischte er beiseite. So lief das hier nun mal.
Heilfroh noch in einem Stück zu sein erreichte Kei das Nebenzimmer, rappelte sich hoch und stürmte durch das Loch ins Nebengebäude, welches verlassen war, schnappte sich dort eine praktischerweise herumliegende Plastiktüte, stopfte seine Beute hinein, trat die vernagelte Tür auf und stürmte aus dem Gebäude und wurde nicht langsamer, bis er sich weit genug entfernt hatte.
Schwer atmend ließ er sich auf eine Bank sinken. Es dauerte einen Moment, bis er seine Atmung wieder unter Kontrolle hatte.
Und schon wieder war er um ein Bild, das er so schnell nicht vergessen würde, reicher. Die Augen des Mannes, der einzig sichtbare Bereich hinter der Maske, schienen ihn die ganze Zeit anzustarren.
Wütend hieb er sich gegen den Kopf und versuchte dann gleichmäßig zu atmen, wie sein Vater es ihm gezeigt hatte. Doch es half nichts. In seinem Kopf vermischten sich das Geräusch der Schüsse mit dem Stöhnen des Soldaten und dem Gestank der Toten auf dem Schwarzen Wagen, welche ihn die ganze Zeit anzustarren schienen.
Lasst mich in Frieden, brüllte er innerlich, packte die Tüte und rannte in Richtung des Zentrums von Shinjuku.
Er brauchte einen Moment, um sein Ziel zu erreichen, das er angesteuert hatte, ohne wirklich darüber nachzudenken. Den Bahnhof von Shinjuku. Der hatte zwar, wie die ganze restliche Stadt, seine besten Zeiten hinter sich. Doch war hier immer noch ordentlich was los. Im gefühlten Minutentakt trafen Züge ein, entließen Unmengen zerknautschter Menschen, nahmen die nächste Fuhre auf und machten sich wieder auf den Weg.
Der Bahnhof erinnerte Kei irgendwie immer an die alten Tage, als er hier gestanden und sich über die in der Bahn zusammengequetschten Leute lustig gemacht hatte. Auch diese Erinnerung ließ er hinter sich, während er einen Fuß vor den anderen setzte.
Langsam betrat er den Bahnhof, wobei er die Augen wachsam durch die Hallen und über die Gesichter wandern ließ, welche seinen Blick nicht erwiderten, sondern meist nur trüb gen Boden starrten.
Dann bog er unauffällig ab, stieg mehrere Treppen hinab und öffnete die halb im Dunkeln verborgene Wartungstür. Dahinter erwartete ihn ein feuchter, dreckiger Gang, der nur vom Licht einer einzigen, schief von der Decke hängenden Neon-Röhre erhellt wurde.
Kei durchquerte ihn, bog um die Ecke....und lief beinahe Gaara über den Haufen, der ihm mit Karacho entgegen kam.
„Kei?“, fragte Gaara ungläubig.
„Kei!“
Freudestrahlend fiel Gaara ihm um den Hals, wich allerdings schnell wieder zurück. Angewidert rümpfte er die Nase.
„Mann, was ist denn mit dir passiert? Du riechst, als wärst du durch verrottendes Fleisch gewandert.“
„Du ahnst nicht wie recht du hast.“
„Hallo Kei.“
Ayako lächelte nur dünn, ließ sich ansonsten nichts anmerken.
„Wo hast du gesteckt?“
Kei schnaubte.
„War auf 'ner Sightseeingtour. Was denn sonst?“
„Und was ist das?“
Sie deutete auf die Tüte, die er immer noch in seinen verkrampften Fingern hielt.
„Beute.“
Dabei leuchteten ihre Augen.
„Hör dir das an, Gaara. Wir machen uns größte Sorgen und er will bloß allein auf Raubzug gehen. Brauchst du uns nicht mehr? Sind wir dir nicht mehr gut genug?“
Ayako Stimmung schwankte manchmal wie die Glaubwürdigkeit von Politikerin.
„Halt den Rand“, herrschte er sie an.
„Ich hab' nur das beste aus meiner Situation gemacht.“
Damit schob er sie einfach zur Seite und trat vor den kleinen Tisch, der Yamamoto-sama als Verkaufstresen diente. Yamamoto-war ein älterer Herr, dessen Äußeres Kei des öfteren an den Weihnachtsmann erinnerte. Wären da nicht das heimtückische Glitzern hinter den gutmütigen Augen und die Angewohnheit, seine Kunden abzuzocken, gewesen, hätte er ihn sogar gemocht. So blieb es bei einer Geschäftsbeziehung.
„Ah, Kei. Ich sehe dir geht es gut. Deine beiden Kollegen waren schon hier, um sich nach dir zu erkundigen. Ich gab ihnen den Rat, hier im Bahnhof nach dir Ausschau zu halten.“
„Ich bezahle nur für Ratschläge, um die ich gebeten habe, Yamamoto-sama.“
Yamamoto neigte sich belustigt vor. Fett war aufgrund der Lebensmittelknappheit ein seltener Anblick bei Japanern geworden. Keis Augen hingen kurz auf Yamamotos dickem Bauch.
„Warum vermutest du gleich das schlimmste, Kei?“
„Weil ich dich kenne.“
Yamamoto lehnte sich zurück und tat, als würde er resignieren. Dann schaltete er um auf Geschäftsmodus.
„Was bringst du mir?“
Kei öffnete die Tüte und legte seine Beute nach und nach auf dem Tisch. Ayako und Gaara machten Stielaugen, als er 2 Granaten, 3 Magazine, eine Pistole und das Sturmgewehr auf den Tisch legte. Sogar Yamamoto nickte anerkennend.
„Woher hast du das?“
Kei blieb stumm.
„Verstehe. Und was willst du dafür?“
„15 Liter sauberes Wasser, 6 Kilo Reis und 5 Kilo Gemüse.“
Yamamoto prustete los.
„Dafür? Vielleicht wenn du 10 Liter leicht belastetes Wasser nimmst?“
„Vergiss es.“
Kei hatte von Anfang an gewusst, dass es dazu kommen würde. Die Handelsschlacht begann. Angebote und Ablehnungen flogen verbalen Kanonenkugeln gleich hin und her.
Am Ende einigten sie sich auf die 15 Liter Wasser und den Reis, strichen dafür aber das Gemüse. Yamomoto, sein Kopf erinnerte an ein Radieschen mit Sonnenbrand, lehnte sich schwer atmend zurück.
„Du lernst dazu, Junge.“
„Vielleicht. Bis demnächst.“
Yamamoto hatte ihnen ein paar Taschen und Rucksäcke mitgegeben, in die sie die Lebensmittel stopften. Sie hatten schwer zu schleppen, obwohl sie nur die Hälfte mitnahmen. Alles mitzunehmen wäre einfach zu gefährlich gewesen.
Dann verließen sie den Bahnhof.
Es dämmerte bereits als sie sich auf den Heimweg machten. Kei und Gaara schritten einfach wortlos voran. Doch Ayako hatte in ihrer Tasche einige alte Zeitungen entdeckt und überflog lautstark die Schlagzeilen.
„15. März 2011. Katastrophe in Fukushima. 4 Reaktoren explodiert. Unglaubliche Mengen Radioaktiven Materials entwichen. Meine Güte, die sind echt auf dem neusten Stand.“
Sie entpackte die nächste Zeitung.
„17. März 2011. Massensterben im Norden. Aufgrund der enormen Strahlung haben bereits hunderttausende Menschen den Tode gefunden. Millionen sind auf der Flucht und strömen nach Tokio oder weiter in den Süden. Amerikaner schicken Einsatztrupps zur Unterstützung der Regierung.“
Die nächste Zeitung wurde hervorgekramt.
„21. März 2011. Das Ökologische Institut rechnet man der Kontamination von über 90 % aller Lebensmittel und Trinkwasserreservoirs durch radioaktive Partikel. Vereinte Nationen schicken massive Hilfslieferungen. Ordnung in vielen Teilen des Landes zusammengebrochen.“
Betrübt ließ sie die Zeitung sinken. Mit einem mal wirkte sie ungewohnt traurig
„Ist das wirklich schon so lange her?“, fragte sie leise, so als könnte sie es kaum glauben.
Kei und Gaara antworteten nicht. Den Blick stumpf nach vorne gerichtet setzten sie einfach einen Fuß vor den anderen.
Das änderte sich auch nicht, als sie an den Lagerhäusern vorbeikamen, in welchen die Lazarette der Hilfsorganisationen residierten. Hier und da lagen Menschen auf Tragen, die dort platziert worden waren, wo Platz war.
Ansonsten war es derselbe Anblick wie sonst auch. Ärzte die zwischen den Kranken hin und her liefen. Andere Ärzte, die, die weißen Anzüge blutig verschmiert, nach Material riefen, um irgendein armes, bei einer Bandenschlägerei angestochenes, Schwein zu verarzten.
Dasselbe Bild wie sonst auch. Kei ging einfach vorbei und trat mechanisch über ein paar auf dem Weg liegende Leichensäcke.
Sie setzten ihren Weg fort, auch als es anfing zu nieseln und sich die Straßen schlagartig leerten. Sie nahmen bloß eine andere Route und betraten einen ehemaligen Metro-Tunnel. Als sie ihn, schon recht nahe an ihrem Heim, wieder verließen hatte der Regen bereits aufgehört.
Was blieb war die Stille. Und die Leere auf den Straßen. Die Leute trauten sich erst langsam wieder nach draußen.
Sie umschifften die Pfützen auf dem Boden, und versuchten möglichst wenig Kontakt mit dem Wasser zu haben. Jeder von ihnen war auf die eine oder andere Art und Weise strahlenkrank. Also lieber vorsichtig sein.
„Leute?“
Fragte Ayako dann irgendwann in die Stille hinein.
„Ja?“
„Es ist plötzlich so still?“
Kei horchte. Sie hatte recht. In den letzten Minuten hatten die Straßen sich langsam wieder gefüllt und dabei ein gewisses Hintergrundrauschen beherbergt. Hier war es plötzlich wieder totenstill. Ein ungutes Gefühl beschlich Kei, wanderte durch seinen Körper, erreichte das Hirn und löste Großalarm aus. Sie befanden sich wieder einmal in einer Gasse. Und zwar ziemlich in der Mitte. Der ideale Ort für einen Hinterhalt.
Ob nun aus Paranoia oder Erfahrung, wurden die drei langsam schneller und schneller bis sie rannten. Das helle Quadrat des Gassenausgangs wurde langsam größer. Doch es reichte nicht mehr.
Kollege Nachtfalke mit lockerem Messer trat in ihren Weg. Zusammen mit einem anderen. Auch der Rückweg war versperrt, wie Kei mit einem Blick über die Schulter zerknirscht feststellte.
Er, Gaara und Ayako bildeten langsam ein Dreieck.
„Na, wen haben wir denn da?“, fragte der Nachtfalke im Tonfall eines Showmasters, der dem Publikum die nächste Kuriosität präsentiert.
„Unsere alten, gierigen Freunde, die nicht mal mit uns teilen wollen. Was habt ihr da eigentlich?“
Das hatte ja so kommen müssen.
„Das geht dich einen Dreck an.“
Der Kerl lachte.
„Oho, die kleine Schabe zeigt Mut. Bist du auch noch so mutig, wenn mein Freund deinen Panzer aufschneidet?“
Bei dem Wort Freund, deutete er auf seinen Kumpanen, der hinter ihm stand. Bei dem Anblick schnürte es Kei die Kehle zu. Der Kerl war auch schon über zwanzig, hatte einen Irokesenschnitt, dunkle Augen und überall rote, sehr kunstvoll wirkende Streifen im Gesicht. Genießerisch fuhr er mit der Zunge über ein großes, schon sehr benutzt aussehendes Messer.
Keis Rückenwunde schmerzte, als er sich der letztem Begegnung mit diesem Kerl entsann.
„Also, gib uns deinen Kram, oder du wirst es bereuen.“
Kei, Gaara und Ayako rückten noch näher zusammen. Sie wussten, wenn sie ihn an ihr Zeug ließen, würden sie nichts davon behalten. Wahrscheinlich nicht mal ihr Leben.
„Keine Antwort ist auch eine Antwort.“
Der Nachtfalke tat glatt so als würde es ihm Leid tun.
Dann stürmte er plötzlich vorwärts. Sein Freunde taten es ihm gleich.
„Auseinander!“, brüllte Kei, warf in einer fließenden Bewegung seinen Rucksack zu Boden und sprang Glatzkopf entgegen. Ihre Körper prallten aufeinander, verkeilten sich und entließen einander wieder. Fäuste und Tritte flogen hin und her. Kei bekam einen Schlag in die Magenkuhle, revanchierte sich jedoch mit einem Schlag ins Gesicht. Die ganze Gasse war erfüllt vom Geräusch wütenden Grunszens und kurzen Schmerzensschreien. Ayako und Gaara standen Rücken an Rücken und hielten sich bisher recht wacker, hatten allerdings schon einiges abbekommen. Mittlerweile waren sie über das Fäustestadium hinweg. Messer wurden gezogen und mit großem Enthusiasmus zum Einsatz gebracht.
Blut spritzte. Gaara ging kurzzeitig zu Boden und wurde nur gerettet, weil Ayako seinen Angreifer mit einem Tritt zwischen die Beine zu Boden schickte.
Doch die Kräfte wurden knapp. Die Nachtfalken waren allesamt über 20 und weder stärker noch ausdauernder als Keis Truppe. Aber sie waren stärker.
Kei hatte bereits roten Dunst vor den Augen, als er sein Gegenüber abermals attackierte, ohne Schaden anzurichten. Er selbst war dagegen schon mehrfach getroffen worden. Zahlreiche Schnitte zeugten davon. Seine Kräfte gingen zur Neige.
Dann hörte er hinter sich Ayako schreien. Sie war zu Boden geschickt worden und Gaara....starb. Aus seinem Leib ragte der Schaft eines sehr großen Messer, dessen Griff der Irokese hielt. Ein siegessicheres, irres Lächeln spielte um seine Lippen, während Gaaras Züge bloß ungläubige Verwirrung zur Schau stellten. Er schien es nicht fassen zu können.
Mit einem heftigen Schlag wurde Kei zu Boden geschickt. Glatzkopf trat ihm ein paar mal gegen die Rippen, die sich anfühlten, als wäre die Hälfte gebrochen.
„Mann, Mann, wann kapiert ihr es endlich. Mit den Nachtfalken legt man sich nicht an.“
Er hob die Tasche auf, schaute hinein und pfiff laut.
„Himmel, da haben wir heute wohl den Hauptgewinn gezogen, Jungs.“
Die anderen lachten. Keis Blick klebte an Gaara und den Blutflüssen, die langsam aus ihm herausquollen. Gaara rang mit dem Tode und stöhnte mehrfach.
„Halt's Maul.“ Der Irokese trat ihn. Gaara verstummte...und bewegte sich nicht mehr.
„Und als Zusatz noch eine Frau. Was für ein schöner Tag.“
Ayako wurde hochgerissen. Einer der Nachtfalken öffnete ihre Jacke und zerriss ihre Bluse. Die vier versammelten sich jetzt um sie. Glatzkopf öffnete seinen Reisverschluß. Niemand achtete mehr auf Kei. Was ein Fehler war.
Mit einem dunklen Schmatzen durchdrang Keis Messer Jacke, Haut, Fleisch und Herz des Glatzkopfes, der gerade sein Glied freilegte. Er begriff nicht wie ihm geschah.
Als Kei das Messer aus dem erschlafften Leib zog, sah er nur noch Rot. Das Gehirn beschloß, das bewusste Denken einmal sein zu lassen und alle momentanen Aufgaben an die Urinstinkte weiterzureichen.
Und diese teilten Kei mit, dass die drei Typen vor ihm tot viel besser dran wären.
Irre lachend zog der Irokese sein Riesenmesser und sprang auf Kei zu. Seine Welt verengte sich auf diesen einen Gegner, als die beiden Kombattanten anfingen, mit unnachgiebiger Härte aufeinander loszugehen.
Kei steckte mehrere Treffer ein, spürte jedoch nichts. Sein Gegner spürte dafür umso besser, als Keis Messer seine Haupthand fand und drei Finger abtrennte. Ein grotesker Schrei entrang sich der Kehle des Irokesen. Kei aber ließ nicht locker. Er warf sich auf den Gegner, presste ihn zu Boden und fing an, mit urzeitlicher Wut auf ihn einzustechen. Blut spritzte aus dem Körper in Keis Gesicht und über seine Kleidung.
Dann stand er langsam auf. In seinem Kopf drehte sich alles. Ein endloses Fanal roten Todes erblühte vor seinen Augen, als er sich den beiden übrigen zuwandte und unartikuliert brüllte. Panisch flohen sie. Der rote Teufel hinter ihnen folgte ein paar Schritte, blieb stehen und fiel einfach um.
Es dauerte einen Moment, bis sich Keis Blick klärte und er begriff, dass Ayako versuchte ihn zur Besinnung zu bringen.
Mühevoll rappelte er sich auf.
„Gaara?“, fragte er nur.
Sie schüttelte den Kopf...Und fing an in kurzen heftigen Schüben zu weinen. Mit seinen schmerzenden Armen presste er sie an sich. So blieben sie ein ganze Weile und versuchten, gegenseitig ihren Schmerz zu lindern.
Es war bereits Nacht, als Kei noch einmal überprüfte, ob die Vorräte sicher verstaut waren. Yusuku und Daichi waren erfolglos geblieben. Trotzdem würde es eine Weile reichen. Auch Nami und Natsuki waren wohlauf, auch wenn die Kleine sich ob Gaaras Verlust in den Schlaf geweint hatte.
Nun versorgte Nami so gut es ging seine Wunden.
„Es war nicht deine Schuld“, meinte sie dann plötzlich zu ihm. Seit ihrer Rückkehr hatte er kein Wort gesagt. Auch jetzt drehte er sich wortlos weg.
„Kei.“
Sie umarmte ihn. Mit einem Mal fühlte er, wie die Dämme, die er unbewusst errichtet hatte, brachen. Tränen strömten über seine Wangen, während die Kraft aus seinen Beinen wich und er fast zusammenbrach.
Stumm hielt Nami die Umarmung, bedachte ihn nur mit all ihrer Wärme und Nähe. Irgendwann, es fühlte sich nach Tagen oder Wochen an, gingen sie zu Bett.
Kei schlief. Zumindest hoffte er, dass das, was er erlebte, einem Traum entsprang, denn alles andere hätte für ihn bedeutet, sich bereits in der Hölle zu befinden.
Zitternd fuhr er aus dem Schlaf. Schweiß rann seine Stirn herunter und brannte in seinen Augen, während er schwer und unregelmäßig atmete. Es dauerte einen Moment, bis sich die Bilder, die ihn eben noch gepeinigt hatten, verflüchtigten und ihm bewusst wurde, wo er sich eigentlich befand.