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Karina
…und sie griff nach der Waffe.
Die Waffe, diese eine Waffe sollte es sein.
Ein letzter Schlag ins Gesicht ihrer Peiniger,
das letzte „Ihr kriegt mich ja doch nicht!“.
Schwer lag sie in der Hand, das Gewicht eines
Föhns, durchzuckte es ihre Gedanken.
Sie las den Schriftzug am Schlitten:
„Walther P99 RAM“.
Die Waffe ihres Vaters. Ihres 44-jährigen,
saufenden und prügelnden Vaters.
Es war immer schön gewesen; sie, ihre
Schwester und ihre Eltern.
Es war immer schön gewesen mit ihnen
in den Park zu gehen, dicht
zusammengekuschelt auf der Couch
zu liegen, mit einer Tasse
heißem Kakao in der Hand, während im Fernsehen
der Fehler gemacht wurde, kleine plüschige Wesen
nach Mitternacht zu füttern. Diese Wesen mutierten
dann zu widerwärtig aussehenden Monstern, denen
es ein Vergnügen war, die Menschen zu quälen.
Sie war damals erst 13 Jahre alt und drückte sich ganz
dicht an ihren Vater, weil die Gremlins zu schaurig
für ihren Geschmack waren.
Damals.
Das hatte sich geändert. Ihr Vater war anders geworden.
Es kam mit der Zeit, da wurde ihr Vater aggressiv und
zuweilen auch traurig.
Sie bekam nur so viel mit, dass ihr Vater mit einem ziemlich
hartem Fall betraut worden war.
Ein Serienmörder, wie sich im Laufe des Falles herausstellten.
Das war die Zeit, in der er angefangen hatte. Mit dem trinken.
Er kam oft erst spät Heim und war meistens betrunken.
Dann suchte er sich eine der drei Frauen aus.
Oft traf es ihre Mutter, die sich am Anfang noch gewehrt
hatte, doch als er sie dann ins Krankenhaus drosch, war
der Widerstand in ihr versiegt.
Er griff sich dann auch häufiger die beiden Kinder,
zwölf und 18 Jahre wahren sie alt.
Ihre Schwester weinte immerzu, wenn ihr Vater sie
schlug. Nicht wegen der Schmerzen, sondern weil sie nicht verstand
was sie falsch gemacht hatte. Sie fragte ihn immer wieder „Papa was
habe ich denn getan? Hast du mich denn nicht mehr lieb?“
Dann lies er meist ab von ihrer Schwester und prügelte auf
sie ein.
So vergingen zwei verfluchte Jahre.
Zwei Jahre voller Schmerz, Erniedrigung und Hass.
Der Hass war es der am Ende, der übrig blieb.
Purer Hass auf ihren Vater und auf seine Sucht.
Doch sie konnte ihm nichts antun. Nie hätte sie das gekonnt.
Ihre Mutter und ihre Schwester hingen immer noch an ihm.
Und außerdem: Was sollte ein 20-jähriges Mädchen denn
gegen einen gut Ausgebildeten Polizisten unternehmen?
Sie erinnerte sich an die alte Zeit, Gremlins schauen
mit Papa.
Gremlins.
Ja wie ein Gremlin fühlte sie sich.
Wie ein Monster, das aus einem kleinen,
13-jährigen Mädchen entsprungen war.
Sie sah die Pistole noch einen Augenblick an und
legte sie dann an die Schläfe.
„Was wird er jetzt machen? Wie will er das wegprügeln?“
Sagte sie sich. Sie weinte.
Sie hatte sich fest vorgenommen nicht mehr zu weinen.
Sie legte den Finger an den Abzug und drückte ab.