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Jupp und Jüppchen

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03.11.2015
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Jupp und Jüppchen

Jupp und Jüppchen-Ein Tag in Wipperfürth

Eine olfaktorische Symbiose aus Kölnisch Wasser und Mentholgeruch entfleuchte durch den unteren Türschlitz der ersten Wohnung im Erdgeschoss des Hausmannsplatzes in der oberbergischen Stadt Wipperfürth. Abgerundet wurde dieser besondere Eindruck des Schülers Josef Floßbach durch ein Porträt eines braunen Jagdhundes an der Eingangstür, der in majestätischer Pose einen leblosen, blutenden Kaninchenkörper in seinem Maul hielt.

Nervös scrollte Josef auf seinem neuen iPhone 71 nach den Profilen von diversen Senioren, die in dem Onlineportal mit dem Namen „Old Friends“ von Familienmitgliedern oder Bekannten registriert worden waren. Es handelte sich dabei um eine Internetplattform für vereinsamte Rentner, für die auch Kinder und Jugendliche eine Patenschaft übernehmen konnten. Einige Paten waren ehrenamtliche Helfer, die lediglich eine kleine finanzielle Aufwandsentschädigung bekamen, andere waren Schüler und Studenten, die sich in diversen Begegnungsprojekten um die älteren Menschen im Alltag kümmerten und sie dadurch besser kennenlernten. Somit sollte eine Parallelgesellschaft, die aus jungen und alten Bürgern bestand, verhindert werden, hieß es von Seiten der Bundesregierung.
Josef hatte sich bewusst für die Person mit dem griesgrämigen und zerknautschten Gesicht auf der Webseite entschieden, da er für seinen Aufsatz zum Thema „Begegnung im Alter“ eine spannende Geschichte benötigte. Der graue Rauschebart und das von tiefen Falten geprägte Gesicht, das ein bisschen an einen niedlichen Rentnerzombie erinnerte, erregten Josefs Aufmerksamkeit. Josef erinnerte sich an die Worte seines Großvaters und dass sich hinter jeder Falte ein besonderer Mensch mit einer einzigartigen Geschichte verbarg, den man würdigen und ernst nehmen sollte.

Auch die Tatsache, dass viele ehemalige Paten vor Herrn Küster deutliche Warnungen aussprachen und der Rentner bei den Ratings lediglich einen halben von fünf Sternen erhielt, steigerte Josefs Interesse.
Als Josef vor der Türe wartete, verstand er, was die meisten Jugendlichen mit „fürchterlichem Alkohol- und Zigarettengestank“ meinten, als sie Herr Küster in den Kommentaren näher beschrieben, aber Josef empfand diesen Geruch als nicht so intensiv. Er hätte sich schon früher um Herrn Küster gekümmert, doch dieser fiel aufgrund einer akuten Pankreatitis, vermutlich durch hohen Bier- und Nikotinkonsum verursacht, für einige Wochen aus. Nun war er wieder halbwegs fit und Josef war bereit für diese spezielle Begegnung.
Es begann an jenem Sonntagvormittag leicht zu nieseln und nur Josefs rotes Käppi schützte ihn vor den ersten Regentropfen. Als ein lautes Gebrüll aus der Wohnung zu vernehmen war, vergewisserte Josef sich, ob er sich nicht bei der Adresse geirrt hatte. Er blickte auf das Display seines iPhones. Es war 10:45 Uhr am 3. Oktober 2099. Die Uhrzeit stimmte. Auch das Datum war korrekt.
Josef atmete einmal tief ein und aus. Dann drückte er auf die Klingel. Die Schreie aus der Wohnung verstummten. Niemand öffnete. Josef klingelte erneut. Nichts. Gar nichts. In dem Moment, als er sich von der Tür entfernte, schlug diese plötzlich auf. Der ältere Mann, dessen Gesicht auf dem Internetprofil zu sehen war, stand vor ihm. Dieser versuchte sich aufzubäumen, doch es gelang ihm nicht. Der Körper des Mannes zitterte stark und es wirkte so, als hätte er große Mühe das Gleichgewicht zu halten. In seiner rechten Hand hielt er einen schwarzen Spazierstock, auf den er sich stützte.
„Wer stört?!“
„Mein…mein Name ist Josef Floßbach“, stotterte der Schüler.
„Schön für dich! Ich kauf‘ nichts!“, sagte der Mann schnippisch. „Was kann ich gegen dich tun?“
Der dürre Mann trug einen blauen, leicht verdreckten Trainingsanzug sowie schwarze, löchrige Sandalen. Seine langen, zotteligen Haare wirkten ebenso ungepflegt wie sein grauer Bart, in dem sich Reste von Erdbeermarmelade und diverse Brotkrumen verfangen hatten.
„Ich bin ihr Pate.“
„Was bist du? Nein! Das ist unmöglich. Mein Pate ist schon seit über 50 Jahren tot!“
„Nein. Sie verstehen mich falsch. Ich komme aus Hückeswagen und bin hier weil…“
„Ach, du lieber Himmel! Ein Wittschessack! Ich als Baulemann will mit euch nichts zu tun haben!“
Josefs Gesicht lief nach diesem vermeintlichen Affront rot an.
„Sack? Ich? Ey, was soll das denn?! Sie müssen mich hier nicht so beleidigen! Ich bin doch nur hier, weil…“
„Beleidigen? Ich dich? Wer steht denn hier mit seinem Hirnfresser und seinem Handy wie ein unverschämter Smombie vor mir? Hmpff, diese Jugend von heute!“, unterbrach ihn der alte Mann. Nachdem Herr Küster argwöhnisch auf Josefs Käppi und dessen Smartphone gestarrt hatte, knallte er mit voller Wucht die Tür zu und ließ Josef verblüfft zurück.
Dieser justierte seine auffällige Kopfbedeckung und verstaute sein Mobiltelefon in seiner Hosentasche. Durch die Tür vernahm man den Lauf einer Diskussion. Josef hörte eine weibliche Stimme mit osteuropäischem Dialekt heraus, die sich lautstark an den alten Mann richtete.
„Herr Küster. Der junge Mann ist Ihre Verabredung. Bitte benehmen Sie sich endlich und seien Sie nicht so frech! Sonst bleiben Sie für immer allein. Er ist Ihre letzte Chance!“
Die Türe öffnete sich erneut und eine breitgebaute Frau in weißer Montur lächelte Josef an.
„Ja bitte?“
„Ich bin Josef Floßbach. Ich bin hier, weil ich Herrn Küster abholen soll.“
„Ah. Ich verstehe. Es geht um dieses Projekt mit älteren Menschen?“
Der spezielle osteuropäische Akzent der Frau kristallisierte sich nun noch deutlicher heraus.
„Jo“, antwortete Josef.
„Ah. Das ist sehr gut. Ich bin Halina. Ich bin die Pflegerin für Menschen hier am Hausmannsplatz. Es ist schön, dass du dich kümmerst. Herr Küster ist…“ Sie pausierte kurz. „Ja, er ist etwas speziell und sehr allein. Warte einen Moment. Ich werde ihn schon mit meinen Methoden überzeugen!“
Halina kehrte zurück in die Wohnung. Die Tür blieb einen großen Spalt geöffnet. Josef verstand nur einige winzige Brocken der folgenden, lautstarken Diskussion.
„Nein! Ich brauche keine Hilfe. Mir geht es gut!“, war die einzige Äußerung von Herrn Küster, die Josef exakt herausfiltern konnte. Es herrschte anschließend wieder minutenlanges Schweigen.
Dann vernahm er nach wenigen Sekunden ein kleines Summen, das immer näher kam.
„Halt‘ mal die Tür auf!“, rief der ältere Mann.
Als Josef der Aufforderung nachkam, schoss Herr Küster bereits auf einem schwarzen, matten Luxus-Elektrorollstuhl an ihm vorbei. Dieser bestand aus Rückscheinwerfen, grauen getunten Felgen, genügend Stauraum unter dem Sitz sowie aus äußerst breiten Armlehnen.
„Wenn du mich begleiten willst, dann beeil‘ dich, wir haben nicht mehr viel Zeit.“
„Wieso? Was ist denn?“
„Heute ist der eine Sonntag im Monat, an dem es in der Pfarrkirche in Wipperfürth noch eine katholische Messe gibt. Da muss ich hin.“
„Aha“, sagte Josef. „Kirche ist also wichtig für Sie?“
„Ne. Ich greif nur gerne in den Klingelbeutel!“
Josef schaute Herrn Küster irritiert an.
„Was für ne blöde Frage. Natürlich ist das wichtig für mich! Kommst du nun mit in die Messe oder spielst du lieber auf deinem Smartphone?“
„Klar komme ich mit. Das ist Teil des Projekts!“, erwiderte Josef.
„Na gut, aber dann nimm deinen Hirnfresser ab! Zeig‘ etwas Respekt!“, sagte Herr Küster ein wenig imponiert.
Die anderen Paten hatten Herrn Küster bis jetzt nur wie ein Paket in der Kirche abgeliefert, sich selber aber nie einen Gottesdienst angeschaut. Sie gaben ihm daher das Gefühl, dass sie sich nicht für ältere Menschen und deren Gefühle interessierten.
Herr Küster wurde in diesem Moment selber an seine Jugend erinnert und auch daran, dass er solche überdimensionalen Käppis in seiner Freizeit trug, bis er 70 Jahre alt war. Aber das Alter und die Spießigkeit hatten auch ihn irgendwann eingeholt, auch wenn er sich lange erfolgreich dagegen wehren konnte.
Der alte Mann starrte erneut skeptisch auf Josefs Käppi, bis dieser sich seiner Kopfbedeckung entledigte. Beide begaben sich daraufhin in die Kirche.

*****
Nach der Messe zog Herr Küster direkt vor dem Eingangsbereich an einer E-Zigarette, die er zuvor aus einem Fach unter dem Sitz seines modernen, geräumigen Rollstuhls genommen hatte.
„Und was sagste dazu?“
„Ich fand‘s ok!“ Josef zuckte mit den Achseln. „Ich war ja schon ein paar Mal mit meinem Opa in der Kirche in Hückeswagen, allerdings in der evangelischen, aber auch dort wird es immer leerer. Ich war aber auch schon lange nicht mehr da, muss ich zugeben!“
„Kein Wunder. Wer geht denn heute noch? Wenn ich richtig gezählt habe, waren wir gerade mal 40 Leute, obwohl die Messe nur noch alle vier Wochen stattfindet“, schluchzte Herr Küster wehmütig. „Damals waren es jeden Sonntag noch mehrere hundert Menschen und den Pastor hat man auch noch verstanden und nicht aus Indien eingeflogen. Kaum ein Wort habe ich verstanden. Aber es kommt halt nichts mehr aus Deutschland nach! Wenn sie dieses dämliche Zölibat endlich mal abschaffen würden- dann vielleicht…“
„Ja!“, sagte Josef beschwichtigend.
Herr Küster nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette, ehe er stark zu husten begann.
„Der Glaube ist den Leuten nicht mehr wichtig!“
„Kann sein“, entgegnete Josef. „Ich fand es dennoch irgendwie interessant!“
Herr Küsters Interesse an dem Jungen stieg durch diese Aussage ein wenig.
„Jung, wie heißt du eigentlich?“
„Jay“, sagte Josef.
„Jay? Was ist das denn für ein Name?“, fragte Herr Küster.
„Eigentlich heiße ich Josef. Meine Eltern wollten einen traditionellen Namen, aber Jay gefällt mir besser! So nannte sich mein Opa immer. Nach dem bin ich nämlich benannt.“
„Jay? So habe ich mich selber vor 70 Jahren auch einmal genannt, fällt mir gerade ein. Jay… eigentlich totaler Quatsch. Du bist ein Jüppchen und kein Jay!“
„Was bin ich?!“, fragte konsterniert. „Beleidigen Sie mich wieder?“
„Ein Jüppchen bist du!“
„Jüppchen? Was bedeutet das?“
„Das ist das Diminutiv von Jupp und Jupp ist eine Koseform für Josef.“
Herr Küster verlor sich einen Moment in seinen Gedanken, während Josef ihn immer noch fragend anschaute. Er dachte daran, wie er bis vor einigen Jahren den Vorsitz des Heimats- und Geschichtsvereines in Wipperfürth innehatte und wie er als einer der letzten Bürger das Wipperfürther Platt sowie andere Bergische Dialekte beherrschte. Sprachen lagen ihm einfach. Sie waren seine Leidenschaft. Doch sie starben nach und nach aus.
„Jupp?!“, fragte Josef nach.
„Jupp, genau!“
„Jupp wie jo, eine Kurzform von ja?“
„Nein. Jupp wie Jupp. Die Kurzform von Josef! Das hat man früher so gesagt“, entgegnete Herr Küster leicht genervt. „So hat mich Youssra immer genannt. Sie fand den Namen immer lustig. Du kannst mich gerne auch so nennen. Das förmliche Siezen geht mir nämlich auf den Zeiger. Ich bin der Jupp und nicht Herr Küster. Klar?“
„Youssra? Wer war das denn?“, erkundigte sich Josef.
„Das war die Mutter meines Sohnes, mit der ich über 50 Jahre zusammengelebt habe, aber verheiratet waren wir nie. Youssra war, wie mein Sohn, nie sehr gläubig.“
„Ist sie…?
„Ja, ist sie! Aber darüber möchte ich nicht sprechen“, fauchte Herr Küster ihn an.
„Ok! Ok!“, sagte Josef leicht eingeschüchtert.

*****
Plötzlich ertönte der Song I am sexy and I know it aus dem High-Tech- Elektrorollstuhl von Herrn Küster. Dieser tippte mit seinem Finger auf dem Tablet des Gefährts, das in seine Armlehne integriert war. Das Gesicht eines glatzköpfigen Mannes poppte plötzlich in einem Videochat auf.
„Hi Joe!“
„Hi Jeff. Sorry, dude. I am busy right now. Gonna call you later!“, sagte Herr Küster in akzentfreiem Englisch.
„No worries, Joe. See you later.“
„Yeah, see ya“, erwiderte Herr Küster.

*****
Verdutzt blieb Josef vor Herrn Küster stehen.
„Was war das denn?“
„Wie? Was? Du bist doch jung und kennst dich hoffentlich mit Technik aus. Ich sollte dir nicht mehr erklären müssen, was das war!“
„Ja dieser Chat halt! Es wundert mich ein bisschen, dass Sie Bekannte haben. Auf der Pinnwand Ihres Profils haben die anderen Paten geschrieben, dass Sie ein verbitterter, alter Mensch sind, der sich in seinem Rentnerbunker verschanzt hat. Und dass Ihre einzigen Freunde, die vier Flaschen Bier sind, die Sie jeden Abend als Guten-Nacht-Trunk zu sich nehmen.“
Herr Küster lachte.
„Das stimmt ja auch. Dennoch habe ich in vielen Ländern Freunde. Nur weil ich alt bin, heißt das nicht, dass ich nicht connected bin. Ich bin früher oft gereist, war mit Youssra fast auf der ganzen Welt unterwegs. Wipperfürth war nur eine Art Zwischenstation, aber eine richtig schöne.“ Der alte Mann seufzte wehmütig. „Im Alter ist das alles nicht mehr so einfach, vor allem seitdem fast das ganze Geld für Halina und das schicke Baby hier draufgeht.“ Herr Küster streichelte seinen Rollstuhl. „Nun fühle ich mich hier wie in einem Gefängnis.“
Herr Küster tätschelte erneut liebevoll über sein Elektrogefährt.
„Und wo gehen wir jetzt hin?“, fragte Josef, während er auf seinem iPhone nach Alternativen recherchierte. „Wie wär‘s mit dem Kesselpalast? Da findet von zwölf bis achtzehn Uhr die Ü80 Party statt.“
„Kesselpalast?“ Herr Küster öffnete einen kleinen Minikühlschrank, der unterhalb seines Sitzes befestigt war und entnahm eine Dose Bier. „So nennen sie das jetzt also?“
„Jo.“
„Und was spielen die da?“
„Also hier steht, dass es da drei verschiedene Floors gibt, plus Treppenlift und Fahrstuhl! Wenn ich das richtig verstehe, spielen die da nur noch Schlager, Jazz und Klassik.“
„Oh mein Gott!“, bemerkte Herr konsterniert.
Schlager. Eine der schlimmsten Krankheiten, die seiner Meinung nach im Alter aufkamen. Ein Nebeneffekt des Alterns war laut Herrn Küster neben einer schwachen Blase und einem gebrechlichen Rücken vor allem der eintönige Musikgeschmack. Irgendwann holte einen das Alter ein und Menschen, die einmal cool waren, wurden zu Senioren. Natürlich hatte Herr Küster nicht immer so klischeehaft gedacht. Eigentlich war er lange ein ziemlich toleranter und aufgeschlossener Mensch. Es war auch nicht das Alter, sondern eher seine eigene machtlose Lage, die ihn so pessimistisch denken ließ.
„Zu meiner Zeit hieß der Schuppen noch Kesselhaus und war ein Ort für junge Menschen mit oft relativ gutem…ok….mit einem suboptimalen, aber nicht katastrophalen Musikgeschmack. Zumindest liefen da auch noch Charts. Ne lass mal, auf diesen Gammelfleischcontainer habe ich wirklich keine Lust. So ne Driete brauch ich nicht.“
„Aber Bingonachmittage gibt es dort auch!“
„Lass mich bloß damit in Ruhe!“
„Hier auf dem Handy steht aber auch, dass heute auch Rollator-Zumba stattfindet!“
„Sehe ich so aus, als ob ich zumben würde? Nein danke!“
„Und morgen, sehe ich gerade, kann man sich alte unförmige und ausgeleierte Tattoos korrigieren lassen.“
Herr Küster lachte. „Das kann ich mir gut vorstellen… Wenn aus einem Stern aufgrund der Hautausdehnung später ein ganzes Sonnensystem wird. Dann ist so etwas schon manchmal notwendig.“
„Sprechen Sie da aus Erfahrung?“
„Na ja, so halb. Tätowiert bin ich nicht.“ Herr Küster zog seine langen zotteligen Haare zur Seite und präsentierte ein münzgroßes Loch in seinem Ohrläppchen, durch das er seinen Zeigefinger steckte.
„Flesh-Tunnel? Nicht schlecht, leider aber out!“
„Ich weiß, aber ich hatte keine Lust es mit - was auch immer- stopfen zu lassen!“
„Kann ich verstehen.“
Herr Küster sprach nicht gerne darüber, dass er sein Ziel verfehlt hatte, ein moderner und hipper Senior zu werden, wie es so viele von ihnen gab. Einige waren berühmte Youtube-Stars und noch im hohen Alter einflussreiche Teile des gesellschaftlichen Lebens. Er selber hätte nie damit gerechnet, dass diverse Schicksalsschläge ihn daran scheitern lassen würden. Doch seine Welt war nicht heil und dies wollte er auch nicht vorgaukeln. Er versuchte das Thema wieder auf Josef zu lenken.
„Und in welcher Bar triffst du deine Leute so, Jüppchen?“
„Eigentlich in keiner. Fast alle Bars in der Stadt werden von älteren Menschen überbevölkert. Die nehmen den Jugendlichen die Treffpunkte weg. Das behaupten zumindest viele in meinem Alter. Aber ich finde es nicht schlimm. Ich mag alte Menschen und treffe mich gerne mit ihnen. Ich komm eher mit Gleichaltrigen nicht so klar.“
„Es gibt keine Bars für Junge mehr?“
„Jein. Irgendwie habt ihr uns die letzten wenigen Bars geklaut. Ihr seid ja auch in der Überzahl“, ergänzte Josef und schaute auf seinem Handy nach. „Hier bei Wikistats steht, dass 50% Prozent der Einwohner in Wipperfürth über 65 Jahre alt sind und der Anteil der Jugendlichen unter 18 Jahre ist auf neun Prozent gesunken.“
„Oha. Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Wärst du dann eigentlich auch lieber einfach nur ganz weit weg? Ich meine, wir leben hier in WIPPERFÜRTH. Schau dich doch einmal um.“
„Weiß nicht. Find` es eigentlich schön hier. Es gibt hier zwar nicht viele Kids in meinem Alter, aber hier ist es nicht so voll wie in der Großstadt. Dennoch fehlt hier manchmal jemand zum Rumhängen. Meine Brüder sind zu klein, um etwas mit ihnen zu unternehmen und in der Schule meidet man mich.“
“Wieso? Verkaufst du dich da auch so blöd wie hier?“
„Ich weiß nicht. Die anderen reden schlecht über meine Eltern, weil sie vier Kinder haben.“ Josef hielt kurz inne. „Die sagen wir seien perverse Hippies!“
„Damals als ich jung war, war das noch vollkommen normal, dass man…“
„Ich weiß, aber das ist fast 100 Jahre her. Die Zeiten haben sich geändert. Man hat maximal zwei Kinder pro Familie, vielleicht auch in seltenen Fällen mal drei, aber ich kenne keine Familie mit vier Kindern.“
„Woher kennst du denn mein Alter?“, fragte Herr Küster verdutzt.
„Na, über die Rentnerbörse. Da steht alles, was man wissen muss.“
„Aha. Und was steht da sonst noch?“
„Dass die Leute Angst vor Ihnen haben und Sie alle nur beleidigen. Das steht zumindest in den Reviews. Einer schrieb sogar als Warnung: Lauf so schnell wie du kannst, ehe er dich komplett zuqualmt.“
Herr Küster grinste.
„Da hamse Recht.“ Herr Küster nahm einen weiteren Zug von seiner E-Zigarette und hielt die Bierdose trinkbereit vor seinen Mund. „Und was machst du dann so den ganzen Tag? Gibt es einen Ort, den wir Zombie-Omas und Zombie-Opas noch nicht eingenommen haben?“
„Es gibt einen neuen Skatepark, oben an der Weststraße. Da gucken zwar manchmal noch ein paar 60-jährige zu, die sich mit uns messen wollen, aber vor den ganz Alten hat man dort Ruhe.
„Skaten? Das habe ich früher auch gerne gemacht! Worauf skatest du?“
„Auf meinem Longboard!“
„Cool, das habe ich auch oft ausprobiert.“
„Kaum vorstellbar! Das würde ich mir gerne mal angucken“, sagte Josef.
„Ich muss sowie dort in die Richtung. Begleitest du mich?“
„Klar“, sagte Josef.

*****
Auf dem Weg zur Weststraße erhielt Josef eine Sprachnachricht. Eine ältere Dame, um die 70, erschien auf dem Display und fragte Josef, ab wann sie mit ihm rechnen könne und erklärte ihm, dass sie am nächsten Tag früh zur Arbeit müsse. Nach dem Gespräch versuchte Herr Küster, der einen kurzen Blick auf den Videochat ergreifen konnte, ein wenig das Eis zu brechen.
„Ist das eine weitere Frau, die du betreust?“
„Nicht ganz!“, sagte Josef etwas abweisend.
„Oh sorry. Ich verstehe. Ich war etwas zu langsam im Kopf. Das liegt am Alter“, ergänzte Herr Küster lächelnd.
„Schon gut! Kein Ding“, beschwichtigte Josef.
Eigentlich wollte Josef über diese Angelegenheit nur ungerne reden. Es war ihm ein bisschen peinlich wie alt seine Mutter in Wirklichkeit war und dass sie oft für seine Großmutter gehalten wurde. Dies war auch ein Grund dafür, warum er in der Schule derartig gehänselt wurde. Außerdem tat es Josef leid, dass seine Eltern noch mit über 70 Jahren arbeiten mussten, aber durch eine gesunde Ernährung und die fortschrittliche Medizin waren sie immer noch arbeitstauglich und schließlich mussten sie so lange wie möglich Geld verdienen, da die Renten sehr unergiebig ausfielen.
Die Situation war Josef sichtlich unangenehm. Doch als die beiden sich der Skateanlage näherten, verschwanden die negativen Emotionen schnell.

*****
Der Skatepark war gut besucht und beide mussten eine gute Stunde warten ehe Josef loslegen konnte.
Nachdem Josef Herrn Küster ein paar Moves mit einem ausgeliehen Longboard auf der Anlage gezeigt hatte, stieg er ab und ging auf Herrn Küster zu. Denn dieser verfiel zusehends in eine Stimmung aus Wehmut und Nostalgie, während er in die Ferne starrte. Dort, unweit des Parks befanden sich dutzende dieser neuen modernen Werbe-Hologramme, die aus dem Boden schossen.
Als die beiden sich in Richtung dieser Hologramme begaben, fuhr Herr Küster mit seinem Rollstuhl durch beinahe alle Werbetafeln, die er erwischen konnte, hindurch und brachte deren digitale Bilder zum Flackern.
„Blasphemie, so etwas. Ein Ding der Unmöglichkeit, so etwas an so einem heiligen Ort aufzubauen“, grantelte er vor sich hin, während sie ihren Spaziergang fortsetzten. Josef bemerkte, dass mit Herrn Küster etwas nicht stimmte. Nach einigen Metern erreichten sie einen kleinen abgesperrten Bereich, in dem sich keine Hologramme mehr befanden. Es dauerte eine Weile bis Josef verstand, dass sie sich auf den alten Friedhof der Stadt begeben hatten. Obwohl, war es wirklich ein Friedhof? Es waren doch nur noch einige wenige Grabsteine zu finden; die meisten von ihnen verwaist und mit Moos überwuchert.
Josef und Herr Küster hielten vor einem der wenigen gepflegten Gräber. Es handelte sich um ein Baumgrab mit einem schwarzen Grabstein mit goldener Gravierung, den Josef näher betrachtete.
Hier ruhen Youssra und Louis Küster.
Genaue Geburts- und Sterbedaten waren nicht zu erkennen. Schlicht wie der Grabstein war, waren auch keine weiteren Informationen eingraviert. Josef blickte auf Herrn Küster, der in diesem Moment nicht zu sprechen vermochte und in Gedanken versunken war. Irgendetwas war anders, als er nun auf den alten kauzigen Mann blickte. Es war nicht nur die Ruhe, auch die obligatorische Zigarette und das Dosenbier fehlten.
„Sind das Ihre Eltern?“
„Nein!“, sagte Herr Küster leicht eingeschnappt.
„Oh Entschuldigung.“
„Das sind mein Sohn und dessen Mutter, meine Lebensgefährtin!“ Herr Küster schnappte kurz nach Luft. „76 Jahre ist er nur geworden, mein Louis. Das ist doch kein Alter, heutzutage!“, brummte er.
„Das stimmt“, sagte Josef betroffen.
Herr Küster dachte an seinen Sohn, der vor 17 Jahren an Lungenkrebs verstarb. Ausgerechnet Lungenkrebs. Dabei rauchte Louis doch nur E-Zigaretten. Nichts Lebensbedrohliches. Einfach nur Zigaretten. Viele Menschen rauchten doch. Shishas, Zigarren, legalisiertes Gras oder ganz normale Kippen. In einem Zeitalter, in dem der erste Mensch auf dem Mars Fuß fassen konnte und die erste Hologramme die Städte überfluteten, gab es immer noch kein endgültiges Heilmittel gegen Krebs.
Aufgrund der modernen Technik lag die durchschnittliche Lebenserwartung im Jahre 2099 bei ungefähr 105 Jahren. Ein Großteil der Krankheiten wie AIDS, Malaria und Ebola waren seit Jahrzehnten ausgestorben. Künstliche Hüften und Knie konnten im Stundentakt eingesetzt und ausgetauscht werden. Auch die meisten Eingriffe am menschlichen Herzen waren nur noch schiere Routineoperationen. Das einzige, was man überhaupt nicht bekämpfen konnte, waren Drogen, Süchte und tiefverborgene Ängste.
Herr Küster verstand diese Absurdität nicht. Louis trieb doch viermal die Woche Sport, war Vegetarier, trank keinen Alkohol. Es war doch nur dieses eine kleine Laster, das er hatte. So viele rauchten und ihnen passierte nichts. Herr Küster konnte es nicht ertragen und schämte sich dafür, dass er Louis nicht gewarnt hatte, nicht einmal versucht hatte, es ihm auszureden. Er hätte es verhindern können. Dieser Gedanke quälte ihn. Aber dies wäre für einen modernen Vater doch uncool gewesen.
Es waren aber nicht nur die Gewissensbisse, die just in diesem Augenblick in Herrn Küster aufkamen. Voller Stolz, dachte er an Louis, der wie sein Vater, die ganze Welt bereist hatte und auch Lehrer für Englisch und Spanisch wurde.
Bis zu seinem Ableben waren Youssra und Herr Küster selber sehr oft gereist. Mindestens einmal im Jahr waren sie bei Youssras Verwandtschaft im wunderschönen Homs. Syrien hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten gut erholt und war zu einem beliebten Reiseziel gereift.
Seit Louis nicht mehr da war, traten Youssra und er aber nicht mehr so oft vor die Tür. Sie hatte den Tod ihres einzigen Sohnes nicht verkraftet. Dabei dachten sie lange, dass sie keine Kinder bekommen könnten, ehe eine In-Vitro-Fertilisation ihnen das so lang herbeigesehnte Glück doch noch bescherte.
Youssra verstand nicht wie sie ihren eigenen Sohn überleben konnte, auch wenn dies schon lange kein Einzelschicksal in der immer älter werdenden Gesellschaft war. Alptraum geplagte Nächte, stundenlanges Anschweigen und der fehlende Kontakt zu den Enkeln, die über Costa Rica und Irland verstreut lebten, verbesserten die Lage nicht. Ein Skype-Chat zu Weihnachten ersetzte in ihren Augen noch lange keine innige Umarmung. Von dem fröhlichen Flüchtlingsmädchen mit den leuchtenden Augen, das sich trotz des Krieges nie ihres Lebensmutes hatte berauben lassen und in die Herr Küster sich Hals über Kopf verliebt hatte, war nicht mehr viel übrig geblieben. Er hatte alles versucht, um Youssra aufzumuntern, doch zu dem fast schon verbindlichen Glas Cabernet Sauvignon gesellten sich schnell zwei, drei weitere Flaschen jeden Abend dazu, um sich bloß von den traurigen Gedanken abzulenken.
Eines Abends muss Youssra zudem vermutlich ein oder zwei Schlaftabletten zu viel genommen haben. In Kombination mit ihren blutverdünnenden Medikamenten, die sie aufgrund ihres Bluthochdrucks nahm, war dies vermutlich eine zu hohe Dosis. Einen Abschiedsbrief fand man nicht, auch wenn Herr Küster vermutete, dass Youssra ihren Sohn zu sehr vermisste und dem Zufall keine Chance ließ. „Ab einem gewissen Alter hingegen hinterfragt man Dinge nicht mehr und wahrt den Anschein.“ Schließlich kannten viele Wipperfürther die wunderschöne, ewig strahlende Youssra. Und so sollte sie auch in Erinnerung bleiben. Da störten unnötige Recherchen und Nachfragen zu ihrem Ableben nur.
Auf eine ähnliche Art und Weise hatte Herr Küster schon ein paar seiner Freunde Abschied nehmen sehen. Nach dem Verlust seiner Familie und dem Schwinden seines Bekanntenkreises, wurde zusätzlich die Immobilität sein größtes Problem. Er liebte es zu reisen und noch mehr liebte er es, nach seinen Reisen in seine Heimat Wipperfürth zurückzukehren. „Das Schönste am Reisen ist, wenn man nach Hause kommt und mein zu Hause ist Wipperfürth“, pflegte Herr Küster stets euphorisch zu rezitieren. Doch seitdem er alleine war und er aufgrund seiner Arthritis nicht mehr reisen konnte, wirkte Wipperfürth wie ein Gefängnis; wie eine Justizvollzugsanstalt voller Rentner. Für ihn war es ein Ort voll mit sensiblen Erinnerungen, die er so gerne hinter sich lassen wollte, aber nicht konnte.
„Ich habe nicht immer geraucht, weißte! Und Alkohol konnte ich eigentlich nie ausstehen“, sagte er zu Josef, während ihm eine Träne über sein faltiges Gesicht rollte und diese von einem Brotkrumen, der sich in seinem Bart befand, gestoppt wurde.
„Und wieso machen Sie das dann?“
„Um sie zu verstehen und zu spüren, was sie gefühlt haben, bevor sie mich verlassen haben. Es ist ein Experiment. Ich will ihnen nahe sein.“ Herr Küster vergoss weitere Tränen. „…und um bald bei ihnen zu sein. Alleine tut es so weh, verstehst du? Aber irgendwie stelle ich mich zu dumm an“, sagte er leise mit einem erzwungenen Lachen.
Josef wusste nicht wie er mit der Situation umgehen sollte und versuchte das Thema zu wechseln. Doch ihm fiel nichts ein. Mit der Situation überfordert zückte er sein Handy, das ihm neue Ideen liefern sollte.
„Ey, du Smombie! Kannst du auch mit mir reden?“, fragte Herr Küster in Rage.
Es war jedoch nicht eine fehlinterpretierte Respektlosigkeit, die Herr Küster wütend werden ließ. Er konnte Josefs Reaktion gut nachvollziehen. Viel eher wurde er durch Josef daran erinnert, wie handysüchtig er selbst als Jugendlicher war. Zudem musste er an Louis denken, der ebenso abhängig von seinem Mobiltelefon war. Nur die tägliche Zigarette stand in dessen Ranking von Alltagssünden vor der Handysucht. All diese Erinnerungen schmerzten.
„Ich wollte nur schauen, was wir essen könnten. Haben Sie keinen Hunger? Es ist doch schon 14 Uhr“, rechtfertigte Josef sich nach einiger Zeit. „Sollten Sie nicht etwas essen?“
Herr Küster blickte nun etwas milder auf Josef. Er war ein wenig erschrocken, wie er zu einem der nervigen und spießigen Rentner mutierte, die er selber als Kind nicht ausstehen konnte. „Das Alter holt dich irgendwann ein“, brabbelte er vor sich her. Aber es war nicht das Alter, sondern eigentlich nur die letzten 17 Jahre, die ihn so verbittert werden ließen.
„Was ist hiermit?“ Josef hielt ihm sein Smartphone entgegen, auf dem Onlinegutscheine für eine Fast-Food-Filiale im Ort erhältlich waren.
„Mäcces? Dein Ernst? Nennt man das eigentlich noch so?“
„Jo. Mäcces.“
„Aber heute ist doch Sonntag. Ne, das geht nicht! Da kocht man für die Familie.“
In Erinnerungen schwelgend dachte Herr Küster an den traditionellen Sonntagsbraten seiner Eltern. Sauerbraten mit Kartoffeln und Rotkohl. Das war sein Leibgericht. Auch Youssra und er versuchten jeden Sonntag zu kochen. „Der Sonntag gehört der Familie.“ Das pflegte er immer zu sagen. Selbst als seine Freunde oft aushäusig speisten, war dies nie eine wählbare Option für ihn. Die gemütlichen Sonntagmittage mit einer Mischung aus deutschen und syrischen Spezialitäten waren der Höhepunkt einer jeden Woche für ihn. Das absolute kulinarische Highlight. Da traf sich die kleine dreiköpfige Familie. Mäcces konnte da nicht mithalten.
„Nein danke. Das ist nichts für mich! Heute Abend kocht Halina für alle Bewohner und bringt etwas vorbei. Selbstgemachte polnische Bigos. Die Polinnen taugen was. Sie sind immer noch gläubig, sie kochen gut und kümmern sich um uns!“
„Ok. Ok. Schon gut“, sagte Josef.
Es war nicht so, dass Herr Küster nicht schon bereits hungrig war, aber durch die Finanzierung seiner Wohnung und den neuen High-Tech-Elektrorollstuhl blieben nur wenige Ersparnisse zurück. Die kleine Rente reichte kaum aus, um stets einen vollen Kühlschrank zu haben, und auch wenn er Josef besser als die anderen Paten leiden konnte, wollte er sich nicht bei einem Schüler Geld leihen. Das wäre würdelos. Das kleine Grummeln im Magen würde er bis heute Abend schon aushalten.
„Na gut. Aber wohin geht es nun als nächstes?“, fragte Josef.
„Ich hab‘ da eine Idee. Folg‘ mir!“, sagte Herr Küster mit einem Grinsen. Ehe Josef sich versah, startete der alte Mann mit einem astreinen Blitzstart und brachte durch die Geschwindigkeit seines Rollstuhles direkt einige Meter zwischen ihn und Josef.
„Jüppchen? Wo bleibst du?!“, rief Herr Küster, als er wie ein kleines Kind vor Freude schrie. Es war das erste Mal nach langer Zeit, dass er für einen kurzen Moment wieder richtig lachen konnte.
„Nennen Sie mich nicht so!“, rief Josef ihm hinterher trottend zu.

*****
Beide führten ihre Spazierfahrt durch Wipperfürth fort. Zuerst ging es durch die Innenstadt. Am Marktplatz angekommen waren überall ältere Menschen zu sehen. Während Kirchendörfer wie Thier und Kreuzberg beinahe zu ausgestorbenen Geisterstädten verkamen, blühte das Leben am Marktplatz vollkommen auf, auch wenn die dort pulsierenden Herzen teilweise auf zahlreiche künstliche Ersatzorgane, Schrittmacher und Stents zurückzuführen waren.
Herr Küster blickte sich um. Ein Großteil der Gebäude aus seiner Jugend stand bereits nicht mehr. Lediglich die Penne, das Haus am Markt, das Brauhaus und das Rathaus waren noch vorhanden. In den Kneipen hielten sich vermehrt ältere Menschen auf. Nur die Penne schaffte es halbwegs, ein Ort für jüngere und ältere Menschen zu sein. Viele andere Gebäude um den Markt herum wurden zu altersgerechten Wohnanlagen saniert. So prägten diese mehrstöckigen, klobigen Hochhäuser für Rentner, mit ihren geräumigen Fahrstühlen, das Panorama des Stadtkerns.
Auch Josef schwelgte im selben Augenblick in Erinnerungen. Er dachte daran, wie oft er mit seinem Großvater in der Penne saß, dieser Josef das Kartenspielen beibrachte und Geschichten von früher erzählte. Zu gerne hätte Josef das Wipperfürther Platt erlernt, allerdings beherrschte auch sein Großvater diesen Dialekt bereits nicht mehr. „Ich vermisse Opa“, dachte Josef im Stillen. Auch wenn er sich mit seinen Eltern und drei Brüdern gut verstand und er aus einer der letzten wirklich intakten Familien stammte, fehlte ihm eine Vertrauensperson.
Josef wurde oft kritisch beäugt, da seine Eltern eine der wenigen waren, die ein Leben lang monogam lebten und sich nicht wenige Jahre nach der Eheschließung trennten. Er verstand nicht, dass es der Neid der anderen war, der dafür sorgte, dass seine Mitschülerinnen und Mitschüler ihn ärgerten, da diese oft kein heiles zu Hause voller Geborgenheit vorfanden. In der Schule wurde Josef zudem auch noch aufgrund seiner Noten, aber auch aufgrund seiner roten Haare, seines großen Wortschatzes und seiner eloquenten Ausdrucksweise gehänselt. Ein gutes Ausdrucksvermögen wurde unter jüngeren Menschen immer mehr zu einer Rarität. Eine rötliche Haarpracht kam im Jahre 2099 ebenso nur noch selten vor, so dass Josef unter 300 Schülern seiner Schule deutlich auffiel. Sein Großvater hatte ihm erzählt, dass es vor vielen Jahren noch zwei verschiedene Gymnasien in der Stadt gegeben hatte, doch dass diese aufgrund des Schülerschwundes zusammengelegt worden waren. So wurde aus dem Engelbert-von-Berg- und dem St. Angela-Gymnasium „Die Wipperfürther Schule“, auch „DWS-Gymnasium“ genannt.
Wie aus dem Nichts riss eine schrille, weibliche Stimme, die sich an Herrn Küster richtete, Josef aus seinen Gedanken.
„Tach Jupp, alles jut bei dir?“, fragte eine Dame, die etwas jünger wirkte als diejenigen fünf älteren Herren, die sie in diesem Moment wie ein Harem umgarnten und nicht von ihrer Seite wichen. Einige der Männer zogen die Augenbrauen hoch als die Frau Herrn Küster begrüßte. Es wirkte so, als ob diese adrett gekleideten Gentlemen nicht verstehen konnten, warum so eine Frau einen Mann wie Herrn Küster, der in einem blauen Trainingsanzug und zerrissenen Sandalen gekleidet war, begrüßte.
„Ja, muss und bei dir?“, fragte er, während die Frau weiterlief.
„Ja muss. Muss ja irgendwie“, sagte sie, ohne sich zu Herrn Küster umzudrehen.
Schnell war die Situation wieder passé.
„Wer war das denn?!“, fragte Josef entgeistert.
„Das war Mia. Mia Burghoff…Sie war meine erste Freundin.“
„Was? Ihre was?!! Wie alt ist die denn? Die sah höchstens aus wie 70!“
„Tja. Das sind die meisten ihrer Bauteile auch“, spaßte Herr Küster. „Aber die Wahrheit ist, dass sie nur ein Jahr jünger ist als ich. 101 müsste sie also sein.“
„Krass!“, rief Josef fassungslos.
„Die Frau ist so echt, wie die Begrüßung eben! Ich bin froh wenn wir hier weg sind!“, sagte Herr Küster leicht genervt.
Josef verstand warum andere Menschen von dem Zigarettenduft und der Alkoholfahne Herr Küsters angeekelt waren, doch aus irgendeinem Grund fand Josef das nicht schlimm. Er mochte ältere Menschen, ihre Geschichten, ihre Werte, oft auch ihre Ruhe und vor allem die Tatsache, dass jeder ihrer Falten eine Geschichte erzählte, auch wenn man dank diverser Schönheitsoperationen nicht mehr jeder Person ihr Alter ansah. Und Herr Küster war für ihn besonders spannend, gerade weil er so direkt und offen war.

*****
Gerade als Herr Küster den nächsten Ort auf ihrer Reise vorschlagen wollte, wurden die beiden nun von mehreren kichernden Frauenstimmen unterbrochen.
„Jay, du Freak! Hast du endlich jemanden gefunden, der genauso lahm ist wie du?“, fragte eine aufgetakelte junge Dame mit langen schwarzen Haaren und großzügigem Dekolleté. Sie wurde von drei anderen Mädchen begleitet, die das ungleiche Paar abfällig anschauten und besonders Josef auffällig angrinsten.
Herr Küster merkte wie unangenehm Josef diese Situation war. Verlegen schaute der Junge zu Seite. Er zitterte leicht.
„Ist das dein uralter Vater? Du bist so peinlich, Alter!“, fuhr das Mädchen fort.
In diesem Moment platzte Herrn Küster der Kragen.
„Mag sein, aber wenigstens ist er nicht so fett und hässlich wie du, du alte Bratze!“, sagte Herr Küster trocken.
Das Lachen des Mädchens verstummte. Sekundenlang herrschte Stille. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Sprache wiederfand.
„Schnauze, du alter Penner, fuck you!“, schrie sie Herrn Küster an.
„Gerne gerne, viel, viel lieber mich als DICH!“
Der Konter hatte gesessen. Das Mädchen verstummte gänzlich und zog beleidigt mit ihrer Clique, die entsetzt auf das ungleiche Duo blickte, von dannen.
„Aber Jupp, die ist doch gar nicht fett. Die ist doch eigentlich eine richtige Bombe“, flüsterte Josef leicht verschämt in sein Ohr.
„Ich weiß das, aber sie weiß es ja nicht“, feixte Herr Küster. „Eines wird sich leider nie so schnell ändern. Die meisten Frauen werden immer an ihrer Optik zweifeln, obwohl keine es jemals nötig hat. Aber die dumme Kuh da hat es einfach verdient. Die soll mein Jüppchen bloß in Ruhe lassen.“
Josef lächelte zufrieden.
„Danke Jupp!“, sagte Josef leicht verschämt.
Kurz danach blickte Herr Küster auf sein Tablet in seiner Armlehne.
„So, es ist 15 Uhr. Mach` dich vom Acker. Du hast deine Pflicht erfüllt und du hast dich gar nicht mal so scheiße geschlagen, wie die anderen.“
„Danke! Sie waren auch gar nicht so scheiße, wie alle so schreiben!“, konterte Josef.
Beide lachten.
„Und was machen Sie jetzt?“
Herr Küster sah Josef missbilligend und prüfend an.
„Öhm ich meine, was machst du jetzt, Jupp?“
„Schon besser! Bevor es dunkel wird habe ich noch einen Punkt auf meiner To-Do-Liste für heute abzuhaken.“
„Das klingt interessant. Darf ich mitkommen?“
Herr Küster wirkte perplex.
„Dein Ernst?“
Josef nickte.
„Ok, Jüppchen. Dann kommste halt mit.“
„Aber kannst du bitte aufhören mich Jüpp…“
„Nein, kann ich nicht, Jüppchen!“, unterbrach ihn Herr Küster. Josef runzelte mit der Stirn, ehe er nachgab.

*****
Beide begaben sich in Richtung der Alten Sanderhöhe. Vor einem großen Fachwerkhaus mit Balkon zur Straßenseite gelegen und einem breiten Garten hielt Herr Küster an. Zögerlich blickte er auf die Eingangstür des Hauses.
„Wohnt da ein Bekannter?“, fragte Josef.
Herr Küster schüttelte mit dem Kopf. „Nein. Das…das war unser zu Hause.“
Der alte Mann dachte in jenem Moment an die glückliche Zeit mit Youssra und Louis; vor allem an Youssras endlos schimmernden Rehaugen, die ihn jedes Mal vom Balkon aus anstrahlten, wenn er aus der Schule kam. Diese Augen, diese wunderschönen Augen. Und dieses Gefühl von Heimat, auch wenn sie nur wenige Monate im Jahr, und zwar zu Schulzeiten, zu Hause lebten.
„Ein komisches Gefühl, dass niemand die Tür öffnen wird, wenn ich dort schelle… wirklich niemand“, blubberte Herr Küster.
Er griff in die Tasche seiner Strickjacke und entnahm ein kleines Röllchen.
„Was ist das?“, fragte Josef.
„Also eines kann ich dir verraten, Kaugummis sind das nicht“, sagte Herr Küster mit ernster Miene.
Nach kräftigem Schütteln landeten vier runde, weiße Pillen auf seiner Handinnenfläche. Ohne langes Zögern schluckte er die Tabletten herunter und spülte mit einem Schluck Bier, das sich noch im Dosenhalter seines Rollstuhls befand, nach. Den skeptischen Blick von Josef ignorierte er gekonnt.
„Schon praktisch so‘n Teil“, sagte Herr Küster.
„Solltest du das nicht besser unterlassen? Tabletten und Alkohol sind eine tödliche Kombination. Und du hattest ja schon diese Pankrea…titis.“
„Ach wirklich? Was für eine Überraschung. Ich weiß ja gar nicht, was du willst. Du hast dir doch Sorgen gemacht, dass ich nicht vernünftig zu Mittag esse. Das habe ich nun erledigt.“
Josef versuchte das Thema zu wechseln.
„Was ist passiert? Warum wohnst du nicht mehr dort?“
„Ich bin Rentner. Ich verdiene nicht so viel Geld. Ich muss die Wohnung am Hausmannsplatz abbezahlen, der Flitzer hier war auch teuer und schließlich… schließlich ist da ja auch noch…“ Er hielt kurz inne und nahm einen weiteren Schluck. „Da ist ja auch noch die Grabpflege. Das läppert sich alles.“ Herr Küster nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. „Und außerdem: Was soll ich denn alleine in so einem großem Haus? Ne, da kommen nur zu viele Erinnerungen hoch. Es hat sich gelohnt, das Haus zu verkaufen. Lass uns nach Hause fahren, Jüppchen!“
Herr Küster starrte noch zehn weitere Minuten auf das Haus, ehe er merkte, dass Josef ihn die ganze Zeit beobachtet hatte. Anschließend begaben sich Herr Küster und Josef auf den Rückweg.

*****
Kurz bevor die beiden am Hausmannsplatz angekommen waren, vernahm Josef ein seltsames Geräusch. Es handelte sich um eine Art Plätschern. Die Wipper war es nicht. Die war noch zu weit entfernt. Er blickte in den Himmel, doch dieser war sogar für einen kleinen Moment wolkenfrei. Als er hinter den Elektrorollstuhl blickte, bemerkte er plötzlich eine auffällige Spur auf dem Boden. An den Seiten des Rollstuhls strömte eine braune Flüssigkeit auf den Fußgängerweg. Josef blickte auf Herrn Küster, der einen knallroten Kopf bekam, aber schwieg. Josef tat so, als wäre nichts geschehen. „Das waren bestimmt die Nebenwirkungen der Tabletten…und dazu noch der Alk“, dachte er sich.
Am Hausmannsplatz angekommen blieben viele Menschen stehen, als sie die beiden erblickten. Einige gafften nur, andere flüsterten heimlich und zeigten auf Herrn Küster. Wiederrum andere hielten sich überspitzt die Nase zu, obwohl sie dutzende Meter von beiden entfernt standen. Herr Küster ließ seinen Kopf hängen.
Josef aber war es gewohnt, dass die Leute auf ihn zeigten. Er machte sich nichts daraus. Viel eher spürte er, wie peinlich Herrn Küster die Situation war. Er hatte Mitleid, aber er wusste ganz genau, dass dies das Letzte war, was sein Jupp in diesem Augenblick hören wollte. Deshalb schwieg er.
Kurz vor der Eingangstür blieb Josef stehen.
„Eine letzte Frage habe ich noch, Jupp.“
„Ja?“
Was soll eigentlich dieses Bild mit dem Jagdhund? Das passt doch gar nicht zu dir.“
„Das ist richtig scheußlich, oder?“, sagte Herr Küster, leicht vor Stolz lächelnd.
Josef nickte.
„Ich hasse es auch, aber es schreckt nervige Besucher ab! Bei dir hat es leider nicht geklappt. Schönen Tag noch!“
Von seinem Tablet aus öffnete Herr Küster die elektrische Tür seiner Wohnung, in die er verschwand, ohne sich umzudrehen. Es wirkte wie eine hastige, unüberlegte Flucht. Herr Küster atmete hektisch als die Tür hinter ihm zugefallen war.
Josef ließ er völlig überrascht vor der Wohnung stehen. Als nach mehreren Minuten keiner die Tür öffnete und Herr Küster auch nicht auf Josefs Klingeln reagierte verschwand dieser enttäuscht.
Mit letzter Kraft entledigte sich Herr Küster in seiner Wohnung seiner Klamotten und ließ sich erschöpft in sein Bett fallen.

*****
Als es dunkel geworden war, kehrte Halina in die Wohnung zurück. Sie wusste durch Aussagen der anderen Anwohner, was passiert war und kümmerte sich liebevoll um den alten Mann, der wimmernd in seinem Bett lag. Auch sie versuchte Herr Küster nicht bloßzustellen, sondern ihn zu beruhigen.
„Ich hab‘s einfach verkackt. Total verkackt! Im wahrsten Sinne des Wortes“, fluchte er vor sich hin. Herr Küster wirkte sehr niedergeschlagen. „Ich werde den Jungen nie wiedersehen, dabei mochte ich ihn irgendwie!“, dachte er.
Nachdem Halina ihn gewaschen, die Wohnung gesäubert und das Abendessen in der Mikrowelle aufgewärmt hatte, präsentierte sie Herrn Küster einen kleinen Kasten Malzbier auf der Küchentheke.
„Herr Küster, Gucken Sie hier!“
„Was soll das?“, schrie Herr Küster in Rage.
„Das ist nicht von mir!“, sagte Halina in stoischer Ruhe.
„Von wem dann?“
„Ich soll Ihnen sagen, dass das Bier von Jüppchen ist. Er bestellt Ihnen schöne Grüße. Er hat mir das Malzbier gegeben, nachdem er den ganzen Eingangsbereich vor Ihrer Tür sauber gemacht hat. ‘Ab morgen kein Bier mehr‘“, hat er gesagt. Nur noch Malzbier! Alkohol und Zigaretten sind nun tabu. Hören Sie auf den Jungen!“
Herr Küster wirkte verlegen.
„Und er fragt, ob er morgen wieder kommen darf“, fuhr Halina fort.
Herr Küster nickte mit einem fröhlichen und erleichterten Grinsen, wissend, dass er sich in seinem Jüppchen nicht getäuscht hatte.


ENDE

 

Hallo maria.meerhaba,

danke für deine inhaltliche Kritik. Du hast bestimmt Recht damit, dass es in der Zukunft keine Displays mehr geben wird. Daran habe ich gar nicht gedacht.
Mit die beste Kritik, die ich bis jetzt bekommen habe. Das sollte ich überarbeiten. Danke für diesen tollen Hinweis.

Schade, dass du dich von virtuellen Vorurteilen mir gegenüber und deiner ohnehin negativen Einstellung hast leiten lassen und der Geschichte keine Chance gegeben hast. Hättest du weitergelesen, so wäre dir aufgefallen, dass sich viele deiner Vorurteile und Vorahnungen nicht bestätigen.

Hallo Eleni,

ich danke, dir dafür, dass du so viel Zeit in die Geschichte investiert hast und sie bis zum Ende gelesen hast. Das ist nicht selbstverständlich.
Auch du hast Recht, dass der Einstieg nicht so gelungen ist.

Ich danke, dir auch dafür, mir vor Augen zu führen, dass nur einige wenige Teilnehmer hier "besorgte Leser" sind, die als übertrieben nachtragend einzustufen sind und eine Geschichte schon hetzerisch zerreißen, bevor sie diese zu Ende gelesen haben.

Es war sehr erfrischend deine lange Kritik zu lesen und du kannst echt nicht ahnen, wie danke ich dir für diese Chance bin.
Danke.

 

Hallo @Jizzle ,

mir hat deine Geschichte gut gefallen. Der Blick in eine Zukunft, diese allerdings nur um Nuancen anders als die Gegenwart, ist interessant.

Eine olfaktorische Symbiose
Okay, dass ich gleich zu Beginn eine Vokabel nachschlagen musste, hat mich ein bisschen gestört.
niedlichen Rentnerzombie
Hm, die Kombination aus niedlich und Zombie überzeugt mich nicht.
Auch die Tatsache, dass viele ehemalige Paten vor Herrn Küster deutliche Warnungen aussprachen und der Rentner bei den Ratings lediglich einen halben von fünf Sternen erhielt, steigerte Josefs Interesse.
Schöne Idee, dass gerade das für andere Negative ihn interessiert!

Dieser versuchte sich aufzubäumen, doch es gelang ihm nicht.
Wieso hier 'aufbäumen'?
„Halt‘ mal die Tür auf!“, rief der ältere Mann.
Der ist doch richtig alt, nicht nur älter?
Die anderen Paten hatten Herrn Küster bis jetzt nur wie ein Paket in der Kirche abgeliefert, sich selber aber nie einen Gottesdienst angeschaut. Sie gaben ihm daher das Gefühl, dass sie sich nicht für ältere Menschen und deren Gefühle interessierten.
Der zweite, erklärende Satz ist meiner Meinung nach überflüssig 'wie ein Paket' sagt das schon, und zwar prägnanter.
Wenn sie dieses dämliche Zölibat endlich mal abschaffen würden- dann vielleicht…“
Da bin ich mir doch ziemlich sicher, bis 2099 hälter der sich nicht mehr ;-).
Da findet von zwölf bis achtzehn Uhr die Ü80 Party statt.“
Auch ein netter Einfall, so eine Ü80 Party!
Natürlich hatte Herr Küster nicht immer so klischeehaft gedacht. Eigentlich war er lange ein ziemlich toleranter und aufgeschlossener Mensch. Es war auch nicht das Alter, sondern eher seine eigene machtlose Lage, die ihn so pessimistisch denken ließ.
Zuviel erklärt - und das passiert in der Folge häufiger: Du streckst die Geschichte, und sie wird daduch phasenweise zäh, durch zu viele Erklärungen. Dabei zeigen die Aktionen und Erzählungen deiner Prots da durchaus genug.
und in der Schule meidet man mich.“
Das würde er wohl eher anders formulieren.
Die Situation war Josef sichtlich unangenehm. Doch als die beiden sich der Skateanlage näherten, verschwanden die negativen Emotionen schnell.
Bisschen geschraubt geschrieben. ... näherten, fühlte er sich leichter/besser oder näherten, war das schnell vergessen.
Es war nicht nur die Ruhe, auch die obligatorische Zigarette und das Dosenbier fehlten.
Dass er die ganze Zeit das Zeug weiter konsumiert, hast du zuvor nicht geschrieben.
Herr Küster verstand diese Absurdität nicht. Louis trieb doch viermal die Woche Sport, war Vegetarier, trank keinen Alkohol. Es war doch nur dieses eine kleine Laster, das er hatte. So viele rauchten und ihnen passierte nichts. Herr Küster konnte es nicht ertragen und schämte sich dafür, dass er Louis nicht gewarnt hatte, nicht einmal versucht hatte, es ihm auszureden. Er hätte es verhindern können. Dieser Gedanke quälte ihn. Aber dies wäre für einen modernen Vater doch uncool gewesen.
Meiner Meinung nach zu viel erklärt, zu viel innerer Dialog.
Auch Josef schwelgte im selben Augenblick in Erinnerungen. Er dachte daran, wie oft er mit seinem Großvater in der Penne saß, dieser Josef das Kartenspielen beibrachte und Geschichten von früher erzählte. Zu gerne hätte Josef
zu oft 'Josef': Er dachte daran, wie oft er mit seinem Großvater in der Penne gesessen hatte, dieser ihm das Kartenspielen beigebracht und ihm Geschichten von früher erzählt hatte.
Manchmal hast du die Vergangenheitsformen in deiner Geschichte nicht so klar getrennt.

Ich finde den Ansatz sehr interessant und habe die Geschichte gerne gelesen, würde sie aber straffen.

Viele Grüße Eva

 

@Eva Luise Groh
Vielen Dank für dein Feedback. Du hast recht, die Geschichte müsste ich nochmal überarbeiten und straffen. Müsste sie mir dafür selber nochmal durchlesen, da sie schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und gefühlt so alt wie Jupp ist ;)

Trotzdem vielen Dank :)

 

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