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Jemand ertrank letzte Nacht in meinem Pool

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28.07.2016
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Jemand ertrank letzte Nacht in meinem Pool

Mein Name ist Eugen Hartwig, geboren am 4.7.1963. Nur eine kurze Version meines Lebenslaufes; damit sie verstehen wo ich jetzt stehe und was ich bin: ich durchlief, aus meiner Sicht, eine normale Kindheit, behütet, finanziell abgesichert und somit angstfrei. Meine Eltern waren vermögend, Vater starb an einem zu schwachen Herzen. Relativ zeitnah Mutter durch einen Unfall beim Fallschirm-
springen. Da war ich fünfzehn, meine Treuhänder verwalteten viel Geld und die besten Rechtsanwälte ersetzten die starke Hand meines Vaters. Meine schulische Laufbahn verlief reibungslos, Abitur im Internat, Uni - alles summa cum laude. Ich vergrößerte den adelig anmutenden Landsitz meines Vaters, der immer mehr zu meinem wurde. Freunde brauchte ich eigentlich nicht, ein - zwei (die meine Mutter schon zu Jugendzeiten schmallippig mit ihrem um zwei Millimeter angehobenen rechten Mundwinkel als "treue Seelen" bezeichnete). Besonders einer bereitete mir viel Vergnügen: Holger "Holli" Schneider. Der große Zweifler, ständig auf der Suche nach Alternativen, neuen Lebenswegen, unterschwellig aggressiv in seiner Rhetorik - amüsant eben, hauptsächlich aufgrund seines überhöhten Frauenbildes. Er entführte Engel, die sie auf Erden auch bleiben sollten. Was natürlich nicht eintrat - ich kann das bestätigen, da ich aus sportiven Gründen mit allen geschlafen habe.
Am "Tag der Deutschen Einheit " 2013 lud ich Holli zu unserem traditionellen herbstlichen Umtrunk auf meinem Anwesen ein. Es war ein warmer Abend, und so entschloss ich mich, etwas am Pool vorbereiten zu lassen. Mediterrane Leckereien, viel Alkohol (Holli legt in dieser Beziehung eine gewisse Maßlosigkeit an den Tag), Musik aus verlorenen Tagen...das halbe Programm, er war ja nicht einer meiner Geschäftspartner. Ich bevorzugte den kleinen Pool nahe der Grundstücksgrenze, nicht ganz so schön wie der große am Haupthaus, jedoch die massive Mauer aus importiertem finnischen Granit machte auch was her. Er kam pünktlich um 20.00 Uhr (und wenn ich sage pünktlich, meine ich auf die Sekunde, eine weitere Macke seinerseits). Er sah aus wie immer, zerschlissene Jeans, schwarzes verblichenes T-Shirt vom Discounter, Turnschuhe aus Indonesien (nicht die teuren). Ich kam nie dahinter, ob das jetzt Lebensstil, vorgetäuschte Armut oder Gleichgültigkeit war. Anzüge waren seine Sache nicht.
Nun gut, das war Holli. Umarmung, Schulterklopfen - "Mensch Eugen, du alte Nazisau" - "Ach Holli, du blödes Marxistenschwein". Rituale. Essen, Trinken, Austauschen alter Geschichten, friedliche Atmosphäre. Kurz bevor es hitziger wurde beim Austausch neuer Geschichten. Holli hatte seinen vierten Wodka auf Eis in Arbeit ,wurden wir durch unerwartete Geräusche abgelenkt.
Ein Schaben, Kratzen, Keuchen durchsetzt von unverständlichem Fluchen kam vom oberen Ende der Granitmauer, auf der ein Mensch versuchte, sich durch den oben liegenden Natodraht (ich weiß, ein Stilbruch, aber aus versicherungstechnischen Gründen nicht zu umgehen) zu kämpfen. Ich konnte mich ob der Unmöglichkeit dieses Unterfangens und der Situation einer eigentümlichen Faszination nicht erwehren, während Holli rund- und rotäugig seinen Wodka in den Pool spuckte.
Wohl begünstigt durch einen enormen Adrenalinspiegel und/oder anderer Substanzen, schaffte es die Person, sich zu befreien, was nur zur Folge hatte, dass ein drei Meter tiefer Sturz in den unbeheizten Pool folgte.
Nach dem finalen Platsch und der Abregnung des verdrängten Wassers in Form von feinem Niesel bis Schlagregen verschwanden die letzten Wellen leise gurgelnd in der Überlaufrinne des Pools. Der Körper unseres Überraschungsgastes trieb kopfunter mit abgespreizten Extremitäten im azurblauen Wasser meines Beckens, die halblangen schwarzen Haare umspielten wie im tänzerischen Wettstreit mit roten Schlieren medusenartig den Hinterkopf. Die Musik passte…
Ich musste dieses fast perfekte Arrangement gedanklich verlassen, da Holli akustische Störungen von sich gab. Habe ich das schon erwähnt? Er gehört zu der Sorte Mensch, dessen Grundumsatz von einem Brei unpassender Geräusche kommentiert wird. Wie ich ihn manchmal hasse…Letztendlich kristallisierte sich der Brei zu dem Satz: “Der Mann braucht Hilfe!“ Nachdem ich ihm erklärt hatte, dass mir diese
Notwendigkeit auch schon in den Sinn gekommen sei (was gelogen war) und das dem nicht unbedingt so ist, weil die Person ja schon tot sein könnte, versuchte Holli doch tatsächlich auf eigene Faust, etwas zu unternehmen. Mit einer heftigen Linksdrehung entriss er sich meinen beschwichtigenden Händen (ich habe schöne Hände) und wollte sich in das Wasser stürzen. Absprungwinkel und die Einschätzung seines Gleichgewichtsinnes waren schlecht gewählt. Mein linker Fuß besorgte den Rest und seine hehre Tat nahm ein abruptes Ende. Nachdem der Körper sich ausgekreiselt hatte und zur Ruhe kam, beugte ich mich zu ihm herab (zu nah, sein stinkender Atem nahm mir fast den letzten Rest Selbstbeherrschung) und flüsterte in sein Ohr: „Wir werden ihm helfen, aber das ist mein Pool. Ich werde jetzt in mein Haus gehen, meinen Anwalt anrufen und dann werden wir tun, was zu tun ist.“
Als ich nach dem Telefonat wieder zum Pool kam, war Holli weg. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Die Musik erzählte immer noch von verlorenen Zeiten und meine Augen, Gedanken suchten und fanden den Punkt oberhalb der Schädeldecke unseres Gastes, wo Haare und Blutfäden in vollkommener Harmonie ihren Tanz tanzten.

 

Danke Chutney. Lampedusa habe ich gänzlich rausgenommen. Die Geschichte funktioniert auch so.
Liebe Grüße Martin

 

Hallo Martin

Hallo Martin,
mich erinnert deine Geschichte an eine Szene aus der Dick Maas Trillerkomedie „Killer Babes“. Die Szene endet auch so im Nichts. Wünsche auch was anderes für das Ende deiner Geschichte. So was, wie z.B., wurde fest gestellt, nach dem der Anwalt Notdienst gerufen hat, dass der Typ eigentlich gerettet sein konnte. Und dann ein zweispaltiges Verhalten der Hauptfigur: Außen authentisch gespielten Schock, na seiner „Natur“ passend, und dabei irgendein krasser, zynischer Gedanken Monolog.
Sonst, kenne persönlich solche Typen, so „Nazi-Narzissten“: Distanziert, kalt, zynisch, aber sehr leicht und amüsant in der Unterhaltung. Als mitfühlender Mensch kann man kaum vorstellen so ein Verhalten in eine Situation, wo es um das Menschenleben geht. Aber es ist tatsächlich war. Ich kenne solche Typen nicht nur unter den Deutschen, kenne die Russen, die genau so sind.
Sorry, mein Deutsch ist nicht perfekt.
Alles Liebe
Lana

 
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Vielen Dank Lana. Schön, da8 die Geschichte etwas auslöst. Ich denke der Schluß muss so sein. Gleichgültigkeit, Macht durch Geld, die Macht der Jurisprudenz vermischt mit pathologischen Verhaltensweisen. Es ist keine schöne Geschichte und verdient kein aufklärendes Ende.Wenn du so weitermachst ist dein Deutsch bald perfekt. Liebe Grüße Martin

 
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Hallo Maria. Ich denke, gerade für eine Kurzgeschichte funktioniert es. Es sind genug Interpretationsmöglichkeiten da, was mit ihm nicht stimmt. Der Leser kann es sich aussuchen/mixen. Borderline, krankhafte Selbstüberschätzung, völlige Empathielosigkeit u.s.w....

MfG Martin

 

Allgemein zur Textkritik

Es scheint ein Grundproblem bei mir zu sein, in der ersten Person zu schreiben, oder es ist unüblich, den Protagonisten von der Person des Schreibenden zu trennen. Das meine ich in Stil, Wortwahl und Handlungsweise.

Ex. „Ich mag deinen Erzählstil nicht“, „ dieses aufgesetzte intellektuelle Getue“.
Wenn das so rüberkommt, dann war das richtig. Ich schreibe/erzähle das, was ein anderes Ich erlebt hat.

„ Die Kante ist ein seltsam´ Ding - lebst du nicht mit ihr, ist sie das Letzte, was du spürst.“

Ich meine nicht die Mauerkante.

„Am 3.10.2013…“ Datumsangaben in dieser Form sind sehr unschön. „Er kam pünktlich um 20.00 Uhr“ Zeitangaben in dieser Form sind sehr unschön.

Natürlich, stimme ich voll zu.

„Ich konnte mich ob der Unmöglichkeit dieses Unterfangens“. Als Unmöglich würde ich das niemals bezeichnen.

Soll man auch nicht.

Ebenso

„Diese Notwendigkeit? Wtf? Wer denkt so was? Wer denkt das in so einem Moment? Alter, vor seinen Augen ist gerade der Kopf eines Typens geplatzt, und der denkt sich wirklich das Wort Notwendigkeit aus? Das ist seine Art so zu denke? Bullshit! In so einer Situation erklärt man einer anderen Person nicht die Notwendigkeit (schon gar nicht mit so einem Wort), sondern man wird irrational und vielleicht auch panisch. Und wie kann er wissen, dass die Person schon tot ist? Hellseher?“

Er weiß es nicht, aber er weiß, je länger er liegt ist er es.

„(Ich habe schöne Hände)“ Wie schön für ihn.

Ja, findet er auch.

Interview mit einem Massenmörder : „Ich habe nichts empfunden.“ Eine Vorwegnahme der Kritik: Nicht alle Massenmörder denken so. Die Geschichte hat kein richtiges Ende? Hat sie schon, aber wohl kein „richtiges“. Ich bedanke mich bei allen für die Kritik und entschuldige mich für die nicht zeitnahen Kommentare und deren Kürze. Wie schon festgestellt, war es nicht der beste Einstieg.

 

Wie schon festgestellt, war es nicht der beste Einstieg.

Stimmt - war es nicht. Aber was erwartest du? Deine eigenen Ansichten, Ideen und Erklärungen walzt du lang und breit aus und für die Kommentare deiner Leser hast du im Schnitt gerade mal zwei Zeilen übrig, die dann auch noch relativ hochmütig rüberkommen.
Sei's drum, kommentier viellleicht erstmal ein paar andere Geschichten, gib dir ein bisschen mehr Mühe mit deinen Antworten in Punkto Ausführlichkeit und Sachlichkeit - dann wird dir hier auch über kurz oder lang ein anderer Wind um die Nase wehen.

 
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Ein Hoch auf das Feuilleton


Ermöglicht doch gerade das Schreiben eine Kritik mit feiner Klinge. So ist das im Internet nicht. Da wird geklotzt über die kurze Entfernung von Hand und Hirn, so schnell, dass das Auge, welches ja bekanntlich ein Teil des Gehirns ist, nicht mehr mitkommt. Das geht so schnell, dass man nicht auf die Idee kommt, es ein zweites Mal zu lesen, bevor auf die Enter - Taste gedrückt wird.
Ein Beispiel wäre die Krise in der Schweinebucht. Sieben Tage zähe Verhandlungen über das Ende der Erde reduziert auf siebzig Sekunden Tastaturgeklapper. Über den Ausgang kann jeder spekulieren wie er will. Ich sehe es eher düster.
Ich verwöhn da lieber mein Karzinom bevor ich drücke. Die weniger schädliche Version wäre Bonbon, Schokolade oder Grünzeug. Aber es nützt nichts, erstmal den Vorschlaghammer rausholen und begutachten, was übrig bleibt. Bei Unsicherheit den Freund aktivieren, der mit Sicherheit Absolution erteilt. Oder besser gar nicht lesen, sich auf andere Verlassen und dann humoristisch verkünden, man hätte nach dem ersten Absatz aufgehört zu lesen. Oder das Schimpfen wie die Waschweiber (besser in Englisch, das täuscht eine Weltgewandtheit vor).
Querlesen, Verwechseln von Fakten, den Sprachstil des Protagonisten mit dem des Schriftstellers vertauschen. Das Internet ist nur ein Werkzeug, welches abhängig von der Fähigkeit des Bedienenden ist.

 

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