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Italienischer Cappuchino

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15.05.2002
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Italienischer Cappuchino

Leise säuselnde Musik durchglitt die warme Luft des kleinen Bistros und Victor blickte auf. Ein schepperndes Klirren hatte den alten Mann aus den brütenden Tiefen seines Geistes vertrieben und ließ ihn nun wieder die lauwarme Tasse zwischen seinen Handflächen spüren. Die zierlich gebaute Angestellte schüttelte sich verschämt die rotbraunen Locken aus dem Gesicht und blickte dem einzigen Gast ihres Etablissements flüchtig in sein zerknittertes Gesicht. Derweil breitete sich langsam eine dickflüssige Pfütze brauner Eisschokolade zu ihren Füßen aus und floss zielstrebig, aber ohne Hast, zwischen einigen blau emaillierten Porzellansplittern hindurch auf ein nahes Abflussgitter zu.
Victor beobachte für eine kurze Weile die Bemühungen der jungen Frau, wieder für Ordnung zu sorgen. Leicht amüsiert verfolgte er mit, wie sie mit spitzen, sauber manikürten Fingern die Scherben auf dem Boden einzusammeln begann. Ein Tropfen Kakaoflüssigkeit wagte es dann doch tatsächlich, sich dabei in ihren Hemdsärmel hinein zu saugen. Entnervtes Schnaufen kündete kurz darauf davon, dass das nun zweite Missgeschick auch ihrerseits bemerkt worden war. Einige Fältchen an Victors Augenwinkeln verrieten seine Gedanken während des folgenden Vorgangs, an dessen Ende sich schließlich der dunkle Invasor auf dem weißen Blouson seiner Trägerin durch eine Reihe energischer Reinigungsbemühungen in eine ausgedehnte ockerfarbene Fläche (von etwa doppelter Ursprungsgröße) verwandelt hatte.

Genüsslich leckte Victor sich die Sahne von der Oberlippe. Er stellte das Getränk wieder hin und ließ seinen verträumten, schwarzäugigen Blick über die Szenerie vor der großen Frontscheibe der Kaffeestube wandern. An einem Nachmittag im Spätsommer, wie jetzt, waren eine Menge Leute auf dem weitläufigen, runden Platz unterwegs, dessen Mitte ein aus weißem Stein gefertigter Brunnen zierte. Am Rande dieses gutbesuchten Ortes drückte sich ein kleines Cafe zwischen hohe Altbauten, in welchem ein betagter Beobachter in eben diesem Moment zwei auf dem gerade besagten Platz entlang flanierende Personen in das Zentrum seiner Aufmerksamkeit rückte.

Francoise hatte ihre schmale Hand fest mit der ihres Freundes verflochten. Ihren Augen war es einfach unmöglich geworden von seinem Profil loszukommen. Gerade eben, dort drüben am Brunnen, hatte er sie gefragt, worauf sie schon fast seit dem Moment ihres ersten Beisammenseins gehofft hatte. Deutlich spürte sie das noch kühle, silberne Metallband am Ringfinger ihrer freien Hand. Sie merkte, wie es sich langsam mit Wärme füllte, ganz so, wie ihr klopfendes Herz davon durchströmt worden war, als Antoine sich beim Geräusch plätschernden Wassers vor ihr hingebeugte und sie die Worte, welche dann wenige Momente später von seinen Lippen fließen sollten, schon in seinen Augen hatte lesen können.
Wie eine kristalline, klar herausgebildete Struktur lag die Zukunft nun vor ihr und durchpulste ihren Körper mit einer erregenden Gewissheit. ,Glück und Geborgenheit. An seiner Seite alt werden. Es war so schön. ’ Ein rosiges Lächeln teilte ihre Lippen.

Unsichtbar für die umhergehenden Spazierer beobachtete eine grau gekleidete Gestalt das Treiben auf dem Platz. Veränderung, die Vertraute und Weggefährtin des Schicksals, langweilte sich. Die Welt war nicht mehr wie zu Beginn ihrer gemeinsamen Zeit. Vergangene Epochen boten noch Überraschungen und Abwechslung. Grosse Umwälzungen in der Historie folgten den Handlungen einzelner, ihrer Meinung nach ansonsten unbedeutender, Personen.
Sie und ihre ewige Begleiterin hatten solche Wesen erst einen bedeutenden Teil in der Geschichte der Menschheit einnehmen lassen. Aber derart richtungsweisende Leute waren dieser Tage rar geworden. Politik und Gesellschaft waren in einer kulturellen, als auch geisteswissenschaftlichen Stagnation gefangen, die kaum Verwendung für außergewöhnliche Individuen besaß. Einfach nichts geschah, das dieser ideologischen Flaute einen kleinen, aber dennoch notwendigen Anstoß gab. Aufdiktierte Trivialitäten, wie die Planung des Todes dieser jungen Frau dort drüben, bildeten heute ihre täglichen Aufgaben. Schicksal, die nahebei stand, nickte ihr bestätigend (und in gewisser Weise aufmunternd) zu.
So nahm die Veränderung ihren unvermeidbaren Verlauf.

Sie litt keine Schmerzen. Die Umgebung wurde einfach schwarz und ihr Geist erlosch. Entsetzt nahm ihr Verlobter den zusammen gesunkenen Körper in die Arme. Seine Augen waren vor Unglauben und Entsetzen weit aufgerissen.

Victor studierte dies alles mit regungsloser Miene. Die Tasse vor ihm war leergetrunken und wartete darauf, neu gefüllt zu werden. Er nickte durch das Fensterglas flüchtig den beiden verschwommenen Frauen zu, die etwas außerhalb einer rasch gebildeten Menschentraube miteinander redeten. Sie erwiderten seinen stummen Gruß und verschwanden. Entspannt lehnte sich Victor auf seinem Stuhl zurück und winkte der (von dem Geschehen draußen teilweise abgelenkten) Kellnerin, um eine neue Bestellung aufzugeben.

 

Hallo Marcus,

du hast dich bemüht, vor allem den Beginn deiner kurzen Geschichte sehr detailgenau und ausgefeilt zu schildern. Dabei hast du vielleicht ein bisschen zuviel gewollt. An manchen Stellen kam mir die Geschichte "überkonstruiert" bzw. "überformuliert" vor, wenn du verstehst was ich meine.

Beispiel dazu:

Ein schepperndes Klirren hatte den alten Mann aus den brütenden Tiefen seines Geistes vertrieben und ließ ihn nun wieder die lauwarme Tasse zwischen seinen Handflächen spüren. Die zierlich gebaute Angestellte schüttelte sich verschämt die rotbraunen Locken aus dem Gesicht und blickte dem einzigen Gast ihres Etablissements flüchtig in sein zerknittertes Gesicht. Eine dickflüssige Pfütze brauner Eisschokolade breitete sich derweil langsam zu ihren Füßen aus und floss zielstrebig, aber ohne Hast, zwischen einigen blau emaillierten Porzellansplittern hindurch auf ein nahes Abflussgitter zu.
Victor beobachte für eine kurze Weile die Bemühungen der jungen Frau, wieder für Ordnung zu sorgen. Leicht amüsiert verfolgte er mit, wie sie mit spitzen, sauber manikürten Fingern die Scherben auf dem Boden einzusammeln begann.
Von den fettgedruckten Wörtern könntest du etliche streichen, ohne dass dem Text etwas Wichtiges fehlen würde. Vor allem die Adverbien könntest du weglassen. Das "mit" in "amüsiert verfolgte er mit" würde ich in jedem Fall streichen.

Den drittletzten Absatz hab ich trotz zweimaligem Lesen wohl nicht ganz kapiert. Da grüble ich immer noch. Beim ersten Satz in diesem Absatz würde ich den Satzbau umstellen, den musste ich dreimal lesen, bis mir der Sinn klar war. So klingt es überdies nicht gut, finde ich.

Dein Stil wäre meines Erachtens nicht schlecht, wenn du dich dazu durchringen könntest, die Details etwas zu "dosieren" und mit Adverbien etc. sparsamer umgehen würdest. Weniger ist manchmal mehr.

Das sind natürlich nur meine Überlegungen zu der Geschichte. Vielleicht kannst du damit ja etwas anfangen.

Viele Grüße

Christian

 

Hallo Marcus,

genau wie criss fielen auch mir beim Lesen die vielen Partizipien und Adjektive aus. Ich kann auch nur bestätigen, dass allzu viele Details eher störend wirken. So wie er jetzt ist, finde ich den Stil eher für Humor passend.
Klammern in Geschichten empfinde ich selbst als störend, ich denke auch nicht, dass die Zusätze so wichtig sind. Und wenn du sie doch reinbringen willst, schreib doch den Klammerinhalt zwischen Kommas oder so.
Inhaltlich habe ich nicht alles verstanden. Zumindest die Rolle Victors ist mir nicht ganz klar. Ich verstehe den Text so, dass sich von einem Moment auf den anderen alles verändern kann, mitunter ohne, dass man etwas dagegen tun kann. Veränderung kommt einfach, ohne zu wissen, warum. Aus Langeweile lässt sie die junge Frau tot umfallen. Einfach so. Meintest du das? Victor passt aber nicht dazu, er wird eher so dargestellt, dass er darauf "aufpasst", dass die Frau wirklich stirbt, dass die Veränderung ihre Aufgabe erledigt. Wenn das ausgedrückt werden sollte, handelt die Veränderung aber nicht mehr nur aus Langeweile, sondern weil ihr gesagt wurde, was sie tun soll. Also, du siehst, ich komme nicht ganz weiter. Was hast du wirklich gemeint? Ich hoffe, nicht total daneben zu liegen... :rolleyes:

Gruß,
Juliane

 

Hallo Marcus,

ich vermute, Du hast die etwas gestelzte Sprache bewußt für Deine Geschichte gewählt, um ihr einen historischen Touch und Distanziertheit zu geben. Trotzdem solltest Du einige Füllwörter streichen. Auch der Satz „Feine Fältchen ...“ ist ziemlich umständlich und bei „Unsichtbar die umhergehenden ...“ fehlt ein `für´.
Wenn Du erst „Getränk“ erwähnst, dann aber „Frontscheibe des Kaffees“ diesmal Kaffee aber im Sinne von Lokal, dann empfinde ich das seltsam. „Einzelindividuum“ ist eine nicht verstärkende Verdopplung, Individuum reicht.
Ich denke, Du spielt auf historische Attentate an, die der Weltgeschichte eine Wendung gaben. Aus Mangel an Opfern, in die es sich zu `investieren´ lohnt, muß die Frau sterben.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

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