Irgendjemand
Den Geruch ihres Parfüms in der Nase, saß er im Sessel.
Tap, Tap, Tap. Mit jedem Schritt kam sie näher.
Der Verstand riet ihm zu fliehen, doch seine Beine gehorchten nicht.
So saß er da, kreidebleich und starr vor Schreck.
Die Situation kam ihm so unwirklich vor. Sie konnte doch nicht ausgebrochen sein, unmöglich. Aber der schwache Lavendelgeruch ihres Parfüms und das stetige Tap, Tap, Tap ihrer näherkommenden Schritte ließen keinen Zweifel daran: es war wirklich!
Augenblicklich kamen die schreckliche Ehejahre wieder hoch, Erinnerungen, die er nach der Scheidung und ihrer Einweisung in eine Anstalt ganz tief begraben hatte. Doch jetzt kam alles wieder, die Demütigungen, das Leid.
Er war schon immer jemand gewesen, den andere herum kommandierten.
Jemand, der mit gebeugtem Rücken durch die Welt ging und sich immer mehr Belastungen aufhalsen ließ.
Jemand, der sich von anderen ausnutzen ließ. Ein Packesel.
Jemand, der zu allem ja und Amen sagte.
Jemand ohne Rückgrat.
Und mit dieser Kenntnis kam auch die Frage:
Warum hatte er sich immer ausnutzen lassen?
Warum hatte er sich nie durchgesetzt?
Heute, jetzt, würde sich das ändern.
Er war nicht nur irgendjemand.
Ja, es würde sich ändern.
Er musste sich nicht herum kommandieren lassen, schon gar nicht von ihr. Schließlich war er stärker.
Der ganze aufgestaute Frust entlud sich mit einem mal. Voller Wut und Tatendrang stand er auf, drehte sich um und ...
Der Spaten traf ihn genau am Hinterkopf. Sein Beine gaben nach und er kippte nach vorne.
Sofort wurde alles schwarz...
Diese Geschichte ist das Ergebnis der Schreibübung aus "Das Leben und das Schreiben" von Stephen King