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Insekten und Arachniden
Man sagt, dass sich des Nachts kleine Spinnen an Fäden von der Decke hinablassen, um in den Mündern der schnarchenden Menschen zu verschwinden. Es sei ein Reflex des Menschlichen Körpers, auf das Kitzeln im Mund zu reagieren und das Insekt zu zerbeißen und zu schlucken.
Man wacht dann morgens auf mit einem üblen Geschmack auf der Zunge, den man mit einem Kaffee hinunterspülen möchte. Während Wasser in der Maschine sprudelt und Pulver überbrüht wird, erregt eine andere Insektenart die Aufmerksamkeit unseres Morgenmenschen. Eine Wespe ist in die Wohnung gelangt, denn es ist Spätsommer und das Fenster steht einen Spaltbreit offen.
Um diese Wespe loszuwerden, benötigt man zuallererst ein wenig Gelassenheit, denn das scheinbar aggressive Tier fliegt ständig einen Kollisionskurs zu dem genervten Morgenmenschen. Es wäre sinnlos, der Reaktion zu folgen, den Kopf wegzudrehn, immer wenn das Insekt heranschießt, bloß weil urzeitliche Instinkte so das Gesicht vor dieser lächerlichen Gefahr bewahren wollen. Denn dann verlöre man für einen Moment die Orientierung, was der Bestie erlaubte, zu einer weiteren Attacke Anlauf zu nehemen.
Man bewahre stattdessen lieber Ruhe und greife sich den erstbesten Bildband über Architektur (aller Epochen, 500 Seiten, DIN-A-3, 4kg), der dort zufällig herumliegt. Man genieße das knackende Geräusch im Handgelenk, wenn man schwungvoll zum wespenvernichtenden Schlag ausholt und wundere sich nicht, dass das ungeliebte Insekt vom Luftpolster vor dem Bucheinband nur ganz sanft weggeschoben wird. Man rühre der Situationskomposition eine weitere Lächerlichkeit unter, indem man mit einem kleineren, sicher tödlichen Buch, mehrmals an dem Flugobjekt vorbeischlage.
Sobald sich die Wespe am Küchenfenster niedergelassen hat, nehme man das große japanische Messer zur Hand, welches vom gestrigen Abendessen auf der Spüle liegt. Man kann das Insekt auf der Scheibe gut schneiden, denn diese ist eine harte und ebene Oberfläche. Die Wespe hat in der Mitte ihres Körpers einen etwas dünneren Teil, an dem man ansetzen kann. Im besten Falle fange man die beiden herabfallenden Hälften geschickt mit dem Buch auf, welches man einige Zentimeter unter der Schnittstelle senkrecht gegen die Fensterscheibe presse. Das Auffangen ist eher für Profis geeignet, aber vergessen sie nicht, dass ihre Sinne durch die vorherige körperliche Betätigung geschärft sind..
Falls sie noch wütend auf das nun tote Tier sind, können sie kreativ werden und noch weitere Schnitte setzen, während sie genüsslich beobachten, wie verschiedenfarbige Flüssigkeiten aus den Wespenstücken fließen und sich auf dem Buchdeckel mischen.
Beachten sie jedoch, dass sie mit dem scharfen Messer ihr Lieblingsbuch zerstören.