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Inna, Ikarus und ich

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19.05.2015
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Inna, Ikarus und ich

Vor einiger Zeit tauchte in Bad Homburg vor der Höhe eine Frau auf, die jeden Nachmittag - immer zur selben Stunde - mit einem Hündchen durch den Park spazierte. Peter erzählte eines Abends während unserer wöchentlichen Männerrunde im ‚Chez George‘ von ihr. Er sagte, sie sei außergewöhnlich. Die anderen nickten lebhaft und ein Lächeln huschte über die Mienen der Freunde. Peter beschrieb sie mit ausladendenden Gesten. Sie habe eine strahlende, ganz eigentümliche Anmut und einen schwarz-weiß gefleckten Terrier, der wie ein König durch den Park stolziere und tobe. Alle witterten ein Geheimnis, weil sie länger blieb als die anderen Kurgäste.

Ich interessierte mich für sie und vergaß sie dennoch bald, beansprucht von meiner Arbeit. Es dauerte lange, bis ich sie selbst zu Gesicht bekam. An einem hellen Tag im Mai, ging ich zum Park, ließ Sonne auf meine Haut brennen und Wind durch die Gedanken blasen. Ich war schon eine Weile unterwegs, da kam ein Hund auf mich zugeschossen und rannte an mir vorbei auf die Parkwiese mit dem kurzgeschorenen Rasen. „Ikarus!“, hörte ich aus der Ferne eine Stimme rufen. Schritte knirschten über den Kies. Ich wandte den Blick vom Rasen mit dem vergnügt rennenden Hund ab und sah Augen, die sich in mich bohrten. Bis heute ist es dieser Blick, der sich in meiner Erinnerung festgesetzt hat, den ich jederzeit aufrufen kann, wenn ich die Augen schließe und an sie denke, fühlte sich wie ein züngelndes Feuer an, das mit den Atem raubte und jegliche Aufmerksamkeit erforderte. Der Terrier bellte ausgelassen, als er zu ihr gerannt kam, beobachtete mich und sprang an mir hoch. Es war ein hübscher Hund, mit spitz zulaufendem Maul, kurzem Fell, langen Beinen, zierlicher Gestalt und einem nervösen Blick, von dem man sich nicht vorstellen konnte, dass er still und apathisch neben seinem Frauchen her trottete. Später erfuhr ich von ihr, dass er aus einer reinrassigen Zucht stammte und einen adeligen Nachnamen führte.

Sie sprach mit einer hohen und hellen Stimme, die sich manchmal überschlug. Sie machte Pausen beim Sprechen, um nach den richtigen Wörtern zu suchen. Für mich klang sie wie die Netrebko, die in Baden-Baden eine Arie gesungen hatte und mein Ohr erzittern ließ, obwohl ich am Abend vor der Aufführung meinen besten Kunden verloren hatte, nachdem er mit dem von mir entwickelten Roulette-System eine hohe fünfstellige Summe verloren hatte.

„Entschuldigung, mein Hund stört Sie vielleicht“, sagte sie mit russischen Akzent.
„Nein, keineswegs. Ich mag Ihren Hund.“
„Danke. Ikarus ist manchmal anstrengend.“
„Der braucht eine Menge Auslauf, oder?“
„Ja, stimmt.“
„Sind Sie schon lange in der Stadt? Ich habe Sie bisher nie gesehen.“
„Nicht so lange.“

Sie war schlank, ohne mager zu wirken. Ihre Haare glänzten und hatten ein Schwarz, das im Licht der Sommersonne bläulich wirkte. Ihr Tatarenblick traf mich und sie strahlte eine Energie aus, als wolle sie sich ohne Sattel auf ein Pferd schwingen und über die Steppe reiten.

„Ich muss weiter“, sagte ich völlig grundlos.
„Ich bin jeden Tag hier“, sagte sie und es hörte sich wie eine Einladung an.
Sie nahm den Hund an die Leine und entschwand. Ich blieb noch eine Weile stehen und schaute ihr nach, unentschlossen, wohin ich gehen sollte.

Wenige Tage später war ich erneut im Park. Die russische Kirche war verschlossen, aber den buddhistischen Tempel schaute ich mir an diesem Tag genauer an. Mit all den Buddha-Figuren passte er nicht zu Europa. Die Unbekannte mit dem Hund sah ich zunächst nicht und ging weiter. Ich befand mich an den Blumenbeeten mit der überlebensgroßen Statue des deutschen Kaisers und setzte mich auf eins der Bänkchen. Tulpen und Rosen verströmten einen aufdringlichen Duft.

Ich holte das schmale Bändchen mit Tschechows Novellen aus der Jackentasche. Ohne dass ich es bemerkte, war das Hündchen wieder da und schnupperte zwischen meinen Beinen. Sie tauchte kurz danach auf. In einem enganliegenden blauroten Sommerkleid. Ich stand auf, um sie zu begrüßen:
„Aha, die Unbekannte mit dem Hündchen ist da“, sagte ich grinsend.
„Ich bin jeden Tag hier. Wegen Ikarus. Und Sie, was machen Sie?“
„Ich genieße die frische Luft. Gefällt es Ihnen in unserer Stadt?“, frage ich sie.
„Oh ja, sehr schön.“
„Darf ich nach Ihrem Namen fragen?“
„Ich heiße Inna Iwanovna.“
„Freut mich! Mein Name ist Viktor Sänger.“
Wir lächelten beide, ich streckte ihr die Hand entgegen und spürte ihre kühle, weiche Haut.
„Was lesen Sie da, Viktor Sänger?“
„Novellen von Tschechow. Bin gerade bei einer Geschichte über eine Irrenanstalt. Ist ein wenig traurig.“
„Ich liebe Tschechow.“
Sie rief den Hund, der uns alleine gelassen hatte, mit ihrer Sing-Sang-Stimme. Ikarus lugte unter einem Busch hervor, blieb aber, wo er war. Ein zweiter Ruf in schärferer Tonlage, mehr wie ein schriller Pfiff, und er kam angerannt.
„Darf ich Sie ein Stückchen begleiten?“
Sie nickte und schaute mich dabei nicht an.
„Warum sind Sie ausgerechnet nach Bad Homburg gekommen?“
„Ich war vor vielen Jahren mit meinem Großvater da. Erinnert mich an Opa, die Stadt.“
Dann zeigte sie zum Feldberg und den Wäldern davor.
„Diesen Blick mag ich, sieht aus wie eine Wand aus Wald.“
Ich schaute hin und sie hatte Recht. Warum hatte ich das nie bemerkt? Als könne man hinlaufen und darin verschwinden.
„Machen Sie eine Kur?“
„Nein, nicht richtig. Einfach ausruhen und nachdenken.“
„Aha, und worüber denken Sie nach?“
„Alles Mögliche.“
Die letzten Worte sagte sie leiser. Eine Sackgasse, ich wusste lange nichts zu sagen.
„Haben Sie Lust, mit mir ins Café zu gehen?“
„Ich trinke keinen Kaffee, aber wir können abends essen gehen.“
„Gute Idee. Wann?“

So kam ich zu meiner ersten Verabredung mit Inna. Sie wartete vor dem Restaurant auf mich, kam mir mit diesem Schmollmund wie Angelina Jolie in Tomb Raider entgegen. Ich musste mich konzentrieren, nicht allzu lange ihren Körper zu scannen und spürte den Sommerwind, der über Haut und Herz strich.

Das Restaurant bot gehobene italienische Küche. Die pomadigen Haare des Kellners sahen aus wie ein nasser Reifen, als er uns mit durchgedrücktem Rücken süßlich begrüßte. Wir bestellten Prosecco, lächelten uns an.
„Wir können uns mit den Vornamen nennen, oder? Du hast einen russischen Vornamen. Wir sagen Vitja sagen, nicht Viktor.“
„Vitja, okay, klingt gut.“
„Kannst du dir vorstellen, Vitja? Seit ich in der Stadt bin, esse ich alleine. Hast du die Geschichten von Tschechow weitergelesen?“
„Ja.“
„Da lernst du was über die Russen.“
„Ich stelle mir dann Tataren vor, die mit wildem Blick über die Steppe reiten“, sagte ich grinsend.
„Haha. Ein wilder Blick und du denkst an Tataren. Und warum Tataren? Es gibt nicht viele Tataren mehr. Warst du schon in der Steppe? Da siehst du bis zum Horizont.“
„So einen Blick gibt es bei uns nicht.“
„Dafür gibt es Wald. Schade, dass nicht Herbst ist. Wir könnten Pilze oder Beeren sammeln.“
„Oder Baumhäuser bauen und uns als Waldmenschen verkleiden“, sagte ich lachend.

Inna roch nach Lavendelfeldern und allen möglichen Blumen, nach den Frauen und Mädchen, die an mir vorbeigezogen waren, und die ich nie angesprochen habe. Wir aßen Nudeln mit Trüffeln. Ich fragte sie nicht nach ihrem Leben vermied die Routinefragen, das Abklappern der Fakten.
Anschließend brachte ich sie zum Hotel. Sie hakte sich bei mir ein und ich nahm kurzentschlossen ihre Hand und ließ sie nicht mehr los. Vor dem Hotel umarmten wir uns. Ich spürte die Hitze ihres Körpers, als sie sich an mich drückte, schrieb ihr meine Telefonnummer auf und verschwand in der Nacht.

Am nächsten Tag fuhren wir zum Feldberg. Sie wartete vor dem Hotel. Ich packte den Hund mitsamt Box in den Kofferraum und wir fuhren los. Es fühlte sich wie ein Familienausflug an. Oben auf dem Bergplateau atmeten wir würzige Luft. Die faulige Sommerschwüle lag hinter uns. Ikarus rannte über die Wiese. Wir liefen eine Weile hinter ihm und setzten uns dann auf einen Findling, von dem aus wir über die Wipfel der Wälder hinweg bis weit in die Ebene schauen konnten.
„Inna, erzählst du mir heute, warum du nach Bad Homburg gekommen bist?“
„Ach, ich musste eine Zeit lang weg aus Sankt Petersburg. Die Luft dort macht mich traurig.“
„Die Luft?“
„Nicht nur das. Ich habe jung geheiratet, zwei Kinder bekommen. Mein Mann betrügt mich mit einer jüngeren Frau. Er hat sogar ein Baby mit ihr, stell dir das vor. Ist eine lange Geschichte, sehr lang.“
Ich wollte nachfragen, die Details wissen, erstickte die Fragen jedoch, als ich ihre Augen sah, das erloschene Strahlen, den Blick, der starr in die Ferne gerichtet war, zum Himmel hin. Sie wirkte, als wäre Luft aus ihr entwichen, über die Wipfel hinweg zum Himmel. Nach einer Weile sackte sie in sich zusammen und schaute zum Boden.
„Scheiß Geschichte. Entschuldige den Ausdruck“, sagte ich.
„Ja. Ich weiß nicht, wie ausgeht es. Aber jetzt bin ich erstmal hier und atme die gute Luft.“
„Ich war auch verheiratet. Lange her. Wir hatten keine Kinder. Mittlerweile lebe ich wie ein Nomade.“
„Du siehst nicht aus wie ein Nomade. Die sind schmutziger.“
Sie lachte über ihren eigenen Witz.
„Was machst du im Leben?“
„Na ja. Ich war mal im Internetgeschäft, hab ein Unternehmen gegründet. Eine App, mit der man in Restaurants Plätze buchen und bezahlen kann. Nach zwei Jahren bin ich ausgestiegen. Mein Pech, denn danach ist es gut gelaufen. Mein Partner hat eine Menge Geld damit verdient.“
„Und jetzt?“
„Ich sammle Geld sammeln, um was Neues anzufangen, hab paar Ideen.“
„Interessant. Du siehst kreativ aus und musst bestimmt viel arbeiten.“
„Manchmal.“

Wir standen auf. Unsere Schritte passten sich aneinander an. Ich zeigte ihr Waldmeister und wir machten Fotos von Steinen, die mit Moos bedeckt waren. Ich versuchte über den Job zu reden, wollte mich ihrem Zauber entziehen, vielleicht hatte sie Geld übrig. Sie schwieg, schaute sich die Bäume an und sagte gelegentlich ‚Mm‘ oder ‚Aha‘.
Nach dem Spaziergang fuhren wir die Serpentinenstrecke nach Kronberg. Auf den Altstadtgassen stapfte Ikarus missmutig über das Kopfsteinpflaster, als liefe er auf High-Heels.
„Das ist eine Puppenstadt. Alles sauber. Ein unsichtbarer Besen kehrt bestimmt hinter jedem Fußtritt.“
„Hast du in die Gärten der Häuser geschaut?“
„Wie gemalt, ich weiß. Sagt man Idylle dazu, oder? Wie gemalt. Vielleicht wohnen gar keine echten Menschen hier, nur Roboter und Puppen, in die Gärten und Häuser gesetzt und dann vergessen.“
Wir kicherten und unsere Stimmen hallten über das Pflaster. Ikarus schaute verlegen zu uns empor.
„Komm, essen wir ein Eis!“
Wir kauften uns eine Eistüte und liefen weiter. Sie nahm Erdbeereis und schleckte das Eis mit weit herausgestreckter, rosa Zunge. Die Sonne brannte auf uns herab und ein Schweißtropfen floss ihr in den Mund.
„Jeder sagt, dass Sankt Petersburg eine besondere Stadt ist.“
„Wegen der Museen, der Paläste, der Brücken, der schönen Frauen und der weißen Nächte. Ich liebe die Stadt, obwohl es viel regnet, schneit, die Luft ungesund ist.“
Ich dachte an das Dorf, in dem ich aufgewachsen war, den Wald, der wenige Schritte von unserem Haus entfernt begann, den Vorhang in eine andere Welt, wenn unter dem Dach der Bäume, dem Moosboden spielte.
Als das Tageslicht sanft und unmerklich wie ein Dimmer, den man langsam dreht, versank, fuhren wir zurück. Der Nordstern leuchtete über der Stadt.
„Hast Du Wein und Tee zu Hause?“, fragte sie mich.
„Ja.“
„Ich bringe Ikarus auf das Zimmer und gebe ihm Futter, dann nehme ich ein Taxi und komme zu Dir.“

Inna roch nach Waldmeister und einem Hauch Zimt, als ich sie begrüßte. Ich zeigte ihr die Wohnung, hoffte, dass sie die benutzten Gläser und Teller übersähe, die ich wegzuräumen vergessen hatte. Ihr Blick glitt über die Schwarzweißfotos an der Wand, die Familienbilder, Hochzeitsfotos, lachende, glückliche Gesichter der Frauen, mit denen ich glücklich war. Paula mit dem Nofretete-Profil beim Lesen eines Buches, Dominique braungebrannt neben mir am Strand.

„Möchtest Du lieber Wein oder Tee?“
Sie schaute mich verwirrt an, als dächte sie an etwas anderes.
„Beides.“
Ich zündete Kerzen an. Sie war es, die mich zuerst küsste. Sie reckte sich mir entgegen, schmeckte nach Wein, nach Quitten und Gras. Wärme, Hitze zwischen uns. Sie ließ mich ihr Verlangen spüren, presste sich an mich. Ich sog ihren Duft ein und leckte ihn mit meiner Zunge auf. Flüstern und Seufzen. Während ich hastig mit den Händen über ihr Gesicht strich, kniete sie vor mir, entknotete langsam die Schnürsenkel, streifte meine Schuhe ab, schälte mich aus der Kleidung, sorgfältig, konzentriert, Stück für Stück, bis ich nackt vor ihr stand. Innas Hände glitten über meine Haut. Nirgendwo allzu lange. Bauch, Rücken, Beine, den empor ragenden Beweis meiner Lust. Während all dem blieben ihre Augen in meinen gefangen. Ich erwachte aus einer Art Verzückung, knöpfte ihre Bluse auf, ließ mir Zeit mit ihrer Haut, spürte wie heiß sie sich anfühlte, als wir uns aneinander pressten. Sie flüsterte mir Worte auf Russisch ins Ohr, die ich nicht verstand, und öffnete ihre zur Decke gestreckten Beine auf dem Bett. Spitze Schreie, Keuchen. Ich liebte ihr versunkenes Bei-sich-selbst-bei-mir-sein.

Am frühen Morgen erinnerte sie sich an Ikarus, stand auf und schloss leise die Tür. Unser Geruch lag in der Luft, unsere Wärme durchströmte das Zimmer. Ich träumte von einem Bootsauflug, bis sie zurückkam. Das Hündchen raste durch meine Wohnung, schnüffelte in den Ecken, legte sich schließlich auf das Bett und rollte sich ein.
„Weißt du, Viktor, ich fliege heute nach Pieter zurück.“
Sie hielt eine Flasche Champagner in der Hand. Ich wunderte mich nicht, der Moment hielt mich gefangen, gaukelte mir unerschütterliches Glück vor. Wir tranken gierig, als wäre es Wasser, während draußen die Stimmen des Tages erwachten.
„In fünf Stunden geht der Flug.“
Ich küsste sie und fragte: „Bist du glücklich?“
Ihre Augen zuckten und sie sagte: „Ja.“, mit einer Stimme. die aus ihrem Inneren kam. Die Kirchenglocke schlug, verkündete die verronnene Zeit. Inna schmiegte sich an mich, lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Wie blass ihre Haut war, die Adern schimmerten durch.
Irgendwann traf mich ihr Blick mit einem Ausdruck, den ich nicht entschlüsseln konnte, prüfend, nachdenklich, als wolle sie herausfinden, ob sie mir vertrauen könne.
„Ich muss Einiges erledigen und dann komme ich zurück und bleibe hier. Verstehst Du das, Vitja?“
„Ja.“
Mehr fiel mir nicht ein. Es fühlte sich an, als meinte sie es genauso, wie sie es gesagt hatte. Als unsere Zeit angelaufen war, brachte ich sie ins Hotel und wartete, bis sie gepackt hatte. Während der Fahrt zum Flughafen streichelte sie die Innenseite meines Schenkels. Ich dachte nach, kam mir vor wie in einem Film, dessen Ausgang ich nicht kannte. Wer seine Sehnsucht erfüllt, verliert sie.

In der Halle des Terminals herrschte Betriebsamkeit und Hektik. Wir gaben die Box mit Ikarus zusammen mit dem Gepäck ab. Ein seltsamer Anblick, ihn mitsamt dem Koffer auf dem Laufband zurückzulassen. Wir setzten uns in ein Café. Sie erzählte von ihrer Heimatstadt, von den Tagen und Nächten, in denen die Sonne nicht richtig unterging. Warum sie mir von dem Frosch erzählte, den sie getötet hatte, verstand ich nicht. Ihre Eltern hatten ihr verboten, ihn in die neue Wohnung mitzunehmen. Sie brach ihm das Genick und begrub ihn im Garten begraben. Kurz nachdem ihre Worte verklungen waren, lachte sie wieder, gutgelaunt und mitreißend.
Auf dem Weg zum Gate drehte sie sich um und warf mir einen langen Blick zu.

*****

Sie schrieb mir. Ich hörte ihre Stimme am Telefon. Anfangs täglich, dann nahmen die Abstände zu. Tage, Wochen vergingen und nie kam ich auf die Idee, sie zu fragen, wann sie zu mir käme. Ich wartete geduldig. Vielleicht war das ein Fehler. Ab und zu ging ich im Park spazieren und einmal glaubte ich in der Ferne Inna und Ikarus zu sehen. Der Fluss wurde zum Rinnsal und die Nachrichten versiegten.

Ich kehrte zu meinem alten Leben zurück, versuchte etwas auf die Beine zu stellen, pflegte mein Netzwerk und erstellte den Businessplan für eine innovative App, mit der Geschäftsleute ihre Reisen planen konnten. Eines Tages meldete sich ein Hedge-Fonds-Manager und bot mir eine respektable Summe für die Details der Idee an. Ich musste darüber nachdenken, ob ich mich für das schnelle Geld oder die Perspektiven entscheiden sollte. Ich beschloss, ein paar Tage Urlaub zu machen, und buchte einen Flug nach Sankt Petersburg. Ich kannte die Stadt nicht und vielleicht gelänge es mir, Inna zu finden. Ihre Adresse fand ich ohne Mühe im Internet. Einen genauen Plan hatte ich nicht. Irgendetwas werde ich in Sankt Petersburg finden, sagte ich mir.

*****

Als der Flieger auf dem Airport Pulkovo landete, war es so grau und regnerisch, wie es Inna beschrieben hatte. Die Stadt lag unter Dunst. Ich sah den Nebel sogar auf den Gesichtern der Männer, die den Sicherheitscheck durchführten, der Polizisten, die überall postiert waren, und selbst in den Mienen der jungen Frauen, die in der Abfertigungshalle arbeiteten und ausnahmslos entrückte Puppen-Model-Erscheinungen waren. Sie waren mürrisch und abweisend und dennoch hatte ich das Gefühl, dass sie in unbeobachteten Momenten in hemmungsloses Lachen ausbrechen konnten. Im Taxi zum Hotel lief russische Popmusik. Die Straßen waren verstopft und ich hatte den Fahrer im Verdacht, mich absichtlich durch den größten Stau zu fahren. Er erklärte mir in gebrochenem Deutsch, dass der am Flughafen vereinbarte Preis nicht ausreiche.
„Zu viele Staus. Preis geht nicht. Musst mehr zahlen oder mit Fuß gehen.“ Ich bezahlte den doppelten Preis.
Mein Hotel hieß „Europa“ und unterschied sich von außen kaum von all den Mittelklassehotels irgendwo auf der Welt. Ein paar Fahnen draußen aufgehängt, eingefügt in eine Häuserreihe von Gebäuden aus dem späten 19. Jahrhundert. Es roch muffig und nach 80er-Jahre. Ein Standardzimmer, funktionell, Doppelbett, winziger Schreibtisch, Bar und eine Badewanne.

Ich beschloss, nach dem Weg zu der Adresse zu fragen, die ich von Inna hatte. Mein Hotel lag nicht weit von der Newa, an einer Biegung des Flusses, in der Nähe der weitläufigen Gebäude der Universität. Die Lage hatte mir gefallen und auch die Schwimmhalle mit den Kronleuchtern über dem Pool. Mein Plan bestand darin, die Stadt zu besichtigen, zu schwimmen und nach Inna zu suchen. Der Portier war glatzköpfig und sprach Londoner Englisch, jedes Wort glasklar dahingeschmettert, wie er es vermutlich von einem anglophilen Lehrer mit dicker Brille und kariertem Oxford-Tweed gelernt hat. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Als ich ihn nach dem Schwimmbad fragte, rief er einen jungen Mann in schlecht sitzender Hoteluniform mit Schulbubengesicht. Ich folgte ihm durch die Lobby und einen langen Flur. Da war es, das Schmuckstück des Hotels. Die Halle mit dem Becken und den Kronleuchtern, die ich auf den Bildern gesehen hatte, An den Wänden hingen mannshohe Spiegel. Im Wasser zogen ein paar Leute ihre Bahnen, Kinder planschten schreiend und lachend. Bevor mein Begleiter wieder verschwinden konnte, zeigte ich ihm den Zettel mit der Adresse.
„Das ist auf der anderen Seite der Newa. Am Kanal. Ich zeige es Ihnen auf der Karte. Eine halbe Stunde zu Fuß“, antwortete er mir. Ich bedankte mich und markierte mir den Weg auf der Karte.

Im Freien wehte mir Seewind entgegen. Ich schlug den Kragen meines Mantels hoch. Der Wind ging mir durch und durch. Ein vermummter Menschenstrom kam mir entgegen. Ich lief an den verzierten Hausfassaden glänzender Jahrhunderte vorbei. Der fahle Himmel tauchte die Stadt in ein eigenartiges Licht, das Häuser, Fluss und Betrachter veränderte. Morgen werde ich die Spur aufnehmen, sagte ich mir.

Zurück im Hotel beschloss ich, schwimmen zu gehen. Nur wenige Leute waren da. Zwei ältere Damen, die sich im Wasser treiben ließen und Badeanzüge mit Blümchen trugen. In der Halle war es still, ich hörte die Schwimmzüge, die Wellen, die meinen Kopf durcheinander wirbelten. Die Kronleuchter sahen wie Tropfen aus, die eine Wasserkaskade bildeten. An den Wänden illuminierten kerzenförmige Lampen den Saal. Am Beckenrand standen Plastikstühle und die Fliesen hatten ein unbestimmtes Beige, brüchige Stellen und Risse. Ich vergaß die Zeit, war allein und fühlte mich entspannt. Beim Abendessen schaute ich durch das Fenster zum düsteren Himmel und zu den Lichtpunkten auf den Straßen und den Häusern und spürte darin den Puls der Stadt. Ich schlief traumlos, obwohl ich dachte, ich müsse mir den ersten Traum in der fremden Stadt unbedingt merken.

Im Frühstückssaal herrschte Betriebsamkeit. Männer in dunklen Anzügen, Frauen in Kostümen, eilten zum Buffet. Touristen, Ehepaare, wenige, die allein am Tisch saßen. Stimmengewirr, russisch, englisch und deutsch. Ich mag den Klang der russischen Sprache, ist für mich wie eine Melodie, eine energische Aufforderung, ein Befehl, wenn es von tiefen Männerstimmen gesprochen wird. Bei Frauen klingt russisch wie ein Säuseln, ein Vogelzwitschern.

Nach dem Frühstück packte ich mich in meine wärmsten Kleider, um mir die Stadt anzusehen. Diese besondere Kälte, kannte ich nicht, fühlte sich in Sankt Petersburg anders an, als ich es gewohnt war. Sie drang mir durch die Kleidung, als könne sie nichts aufhalten. Es dauerte nicht lange, bis ich zu der stählernen Fußgängerbrücke kam, die ich suchte. Beim Überqueren schlug mir der faulige Abfallgeruch des Wassers entgegen, das wie eine unbewegliche graue Brühe aussah. Ich erreichte die Straße, in der Inna wohnte. Nach einigen hundert Metern war ich vor dem richtigen Haus. Eine klassizistische Fassade. Ich vermutete hohe Räume und stellte mir den nach Wachs riechenden Parkettboden vor, die Leuchter, den Kamin, den Stuck und die schmalen Fenster, die bis zum Boden reichten. Ich schaute hoch. Im Dachgeschoss glaubte ich Licht zu sehen. Was hatte ich erwartet? Der Mut, an der Tür zu klingeln, fehlte mir. Ich durchmaß die Straße bis zum Ende und kam wieder zurück zu dem Haus. Nichts bewegte sich. Ich dachte an die Tage mit ihr in Bad Homburg. Als ich auf dem Weg zurück zur Brücke war, hörte ich einen Hund bellen, wandte mich um und sah Ikarus. Ein älterer Mann, der gebeugt lief, als suche er nach etwas auf dem Pflaster, hielt ihn an der Leine. Seine Schritte waren unsicher und schlurfend, und er ließ sich von dem Hund ziehen. Mein Blick folgte den beiden eine Weile, dann setzte ich den Weg zur Brücke fort.

Ich beschloss, mir die Stadt anzuschauen. Vielleicht begegnete ich Inna zwischen den Passanten. Eine zahnlose Frau schlich am Rand des Gehwegs an mir vorbei. Als ich sie anschaute, hob sie den Kopf und öffnete ihren Mund zu einem scheuen Lächeln, dann drehte sie sich wieder weg und schaute starr nach vorne. Ich verbrachte den Tag in der Eremitage, versuchte, mir das Strahlen der Nachtbilder Rembrandts, zu erklären, die pastellfarbenen Flächen der Tizians und die winzigen Kleinigkeiten, die ich auf den Bildern der Renaissance-Meister entdeckte. Ich setzte mich auf die Kanapees vor den Bildern, um sie aufzusaugen.

Nach zwei Tagen, die ich mit Besichtigungen, Museen und Spaziergängen in der Stadt verbrachte, hatten sich Gewohnheiten eingeschlichen. Der tägliche Schwimmbadbesuch gehörte dazu. Die Rentner, die dort schwammen, grüßten mich mit einem gemurmelten ‚Priwet‘ und grinsten mich dabei an. Morgens und abends machte ich einen Spaziergang zum Haus Innas. Oft sah ich den alten Mann mit dem Hund. Einmal kam er mir entgegen, der Hund hob seinen Kopf, schaute an mir hoch, als würde er mich wiedererkennen, und lief an mir vorbei, Nach Inna suchte ich in den Gesichtern der Frauen, denen ich auf der Straße, in den Kirchen, den Backsteingebäuden, den Cafés und Restaurants, den Museen, in meinen Tagträumen und den Schatten der Nacht. Sie war überall und nirgends. Einmal entdeckte ich die Schwingung ihrer Augenbrauen auf dem Gesicht einer der Frauen, die an mir vorbeischwebte, ein anderes Mal glaubte ich, den Glanz ihrer Augen bei einer Frau zu erkennen, die in einem cremefarbenen Designerkostüm neben mir ein Gemälde betrachtete und aussah wie Penelope Cruz, oder ich fand die Art wie sie ging, dieses energische Ausschreiten, als wolle sie der Straße Ohrfeigen verpassen, bei einer Frau mit Pelzmütze, die auf einer Brücke vor mir davoneilte.

Die Zeit in Sankt Petersburg verging, ohne sie gesehen zu haben. Meine Augen waren müde und ich beschloss, einen Tag ohne Sightseeing zu verbringen. Schwimmen, Sauna, flanieren, irgendwo etwas essen. Im Schwimmbad tobten Kinder laut lachend und Wasser spritzend. Am Rand des Beckens saßen einige Frauen. Die dazugehörigen Mütter und Großmütter wahrscheinlich. Ich suchte mir einen Platz auf einem Liegestuhl, legte das Handtuch ab und blickte mich um. Da sah ich sie. Mein Herz pochte wie ein Motor, der plötzlich höher gedreht wurde. Sie war damit beschäftigt, einem Jungen etwas zu erklären. Unter ihrem Badeanzug erahnte ich die Hüftknochen, die ich geküsst hatte, ihre Seufzer. Anstatt zu schwimmen, setzte ich mich auf den Liegestuhl, beobachtete sie aus dem Augenwinkel und wartete. Es dauerte lange, bis sie für einen Augenblick in meine Richtung schaute. Mit einem Ausdruck, der ins Nichts gerichtet war, sich nirgendwo festmachte. Ich wusste nicht, ob sie mich bemerkt hatte, und war nicht in der Lage, mich zu bewegen. Als ich darüber nachdachte, aufzustehen und zu ihr zu gehen, ergriff sie die Hand des blonden Jungen und zog ihn hinter sich her zu den Umkleidekabinen. Ich sank auf die Liege zurück und starrte zu der Tür, hinter der sie verschwunden war. Sie war es. Inna. Ich hatte sie gefunden. Ich schwebte durch das Wasser und beruhigte mich. Morgen wäre ich wieder zur selben Zeit hier. Wie damals im Park.

*****

Zwei weitere Tage vergingen. Ich wartete vergeblich auf sie, reduzierte meine Spaziergänge, schaute mir Antiquitätenläden an und überlegte, eine der gefälschten Ikonen zu kaufen, die dort überteuert angeboten werden. Über die Brücke zu ihrem Haus wagte ich mich nicht. Als ich gar nicht mehr damit rechnete, sah ich sie beim Schwimmen zusammen mit dem Jungen aus den Umkleidekabinen kommen. Ich stieg aus dem Becken und spürte ihren Blick. Ich drehte mich nicht gleich um, konnte es aber nicht lange aushalten. Sie schaute mich in einer Mischung aus Verwunderung und Freude an, als bräche die Erinnerung erst nach einigem Zögern aus ihr hervor. Dennoch blieb sie stehen, flüsterte dem Jungen etwas zu und zeigte zu mir. Ich fing seinen neugierigen Blick auf. Er sprang ins Wasser, tauchte prustend wieder auf und winkte seiner Mutter zu. Sie blieb stehen und ich ging auf sie zu. Wir schauten uns an, sprachen im ersten Augenblick nichts.
„Du bist in Pieter?“
„Ja, ich habe Urlaub, weißt du.“
„Hast du meinen Sohn gesehen? Er heißt Boris.“
„Hübscher Junge.“
„Komm mit, Vitja, lass uns schwimmen.“
Wir glitten ins Wasser, der Junge kraulte uns entgegen und erzählte ihr etwas, das ich nicht verstand. Sie lachte und schaute zu mir.
„Ich habe ihm gesagt, dass du ein Freund aus Deutschland bist.“
Boris übergoss seine Mutter, ich bespritzte ihn und bald darauf rollte und schob ich den schmächtigen Körper durch das Wasser, bis er genug hatte, sich aus dem Becken stemmte und begann, vom Rand ins Wasser zu springen. Er johlte jedes Mal laut auf, wenn er auf die Oberfläche klatschte.
„Ich habe nicht viel Zeit jetzt. Bist Du später noch hier?“
„Ja, natürlich.“
„Ich bin in drei Stunden wieder da. Dann treffen wir uns, okay?“
„Ich warte an der Lobby.“

*****

Ich beschloss, nach unserer Begegnung abzureisen. Das wusste ich, als ich sah, wie sie ihren Sohn anschaute, wie glühend und zärtlich ihr Blick war, wie sehr sie bei sich selbst war. Widersinniges Glück durchströmte mich.

Der Wind hatte aufgefrischt, als ich ziellos durch die Stadt schlenderte. Es nieselte und am Himmel zeigten sich zwischen dem hellen Grau schwarze Einsprengsel wie ein Muster, eine Ablagerung, die sich auf Elfenbein bildete. Ohne auf den Weg zu achten, fand ich mich vor einer kleinen Kapelle mit einer Kuppel aus stumpfen, verblichenen Gold, eingeklemmt von Häuserfassaden. Von innen schimmerte es hell. Die Tür ächzte beim Öffnen. Kerzen, die auf einer verwirrend großen Zahl von Ständern aufgestellt waren, erleuchteten sie und die Wände, an denen hölzerne Ikonen mit goldenen Rahmen hingen. Frauen knieten oder standen mit geschlossenen Augen, murmelten ihre Gebete und ein Priester in weißem Ornat, der etwas vor sich hin murmelte, schwenkte ein Weihrauchfass, das einen süßlichen Harzgeruch verströmte. Rauch füllte mir Nase und Mund. Einige der Frauen standen mit geschlossenen Augen und murmelten ihre Gebete. Das vom Rauch durchsetzte Licht tauchte den Raum in einen Traum. Die Gesichter wirkten wie braune, goldene Schatten. Lange stand ich still in einer Ecke, fragte mich, ob ich beten solle und überlegte mir, wie die Worte des Vaterunsers lauteten. Die Verzückung der betenden Frauen tröstete mich, als hätten sie Zugriff auf meine Gedanken. Eine alte Frau löste sich aus der Gruppe der Betenden und kam zu mir. Sie war klein und schmal, mit lederner Haut und weißen, fliegenden Haaren. Ich wusste nicht, ob sie mich aus Hexen- oder Engelsaugen anschaute, während sie mir eine Kerze entgegenstreckte und etwas sagte. Sie drängte mich, die Kerze zu nehmen, zeigte auf eine Ikone, die ich verschwommen als die Umrisse der Mutter Gottes wahrnahm. Ich zündete die Kerze an, stellte sie auf einen Ständer, beobachtete, wie sie flackerte, und gab mich der Illusion hin, die Augen Marias wären lebendig und durchbohrten mich, als gäbe es keine einzige der Masken, die ich mir aufgesetzt habe. Die alte Frau war verschwunden und ich verließ die Kirche, ohne mich umzuschauen.

Auf meinem Zimmer packte ich den Koffer. Inna versank in einem Sessel, als ich zur Lobby kam. Ikarus neben ihr, ausgestreckt auf einem dicken Teppich. Ich setzte mich neben sie. Der Hund schnüffelte an mir. Sie hatte die Beine übereinander geschlagen.
„Ich war heute in einer Kirche, Inna. Da brannten hunderte Kerzen.“
„Hast du eine Kerze aufgestellt?“
„Ja, eine alte Frau hat mir eine gegeben.“
„Du musst die Augen schließen und dir etwas wünschen, das geht dann in Erfüllung.“
„Ja?“
„Hast du?“
„Ja!“
Sie lachte laut auf, beugte sich zu mir und berührte vorsichtig meine Hand, strich darüber. Es fühlte sich wie eine Feder an.
„Für Ikarus ist es besser in Bad Homburg. Hier ist es zu kalt. In der Wohnung liegt er vor dem Kamin und schläft.“
„Und dir? Ist es dir warm genug?“
„Ich bin es gewohnt, ziehe mich warm an. Sag mir, Vitja: Gefällt dir unsere Stadt?“
„Ja, Licht und die Atmosphäre sind etwas Besonderes. Gefällt mir sehr. Ich fliege morgen zurück.“
„Schade. Ich hätte dir mehr gezeigt.“
„Nächstes Mal.“
„Ja.“
„Du bist wegen mir gekommen, oder?“
„Wollte deine Stadt sehen.“
„Mein Vater hat dich gesehen, Vitja. Ein fremder Mann spaziert jeden Tag in unserer Straße auf und ab, hat er erzählt.“
„Ich habe deine Adresse gefunden.“
„Ist gut für Papa mit Ikarus spazieren zu gehen. Schön, dass du mich gesucht hast, Vitja.“
„Du wolltest zurückkommen nach Bad Homburg.“
„Ist kompliziert. Wenn der Frühling kommt, kann ich besser denken. Ich kann jetzt nichts planen.“
Sie legte mir den Finger auf die Lippen und küsste mich. Zart, wie ein Vögelchen. Später stand sie auf und ging los. Ich folgte Innas Silhouette, neben ihr das Hündchen, bis sie außer Sicht war.

(nach einer Novelle von Anton Tschechow)

 
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In Bad Homburg vor der Höhe war vor einiger Zeit eine Lady aufgetaucht, die jeden Nachmittag, immer zu derselben Zeit, mit einem Hündchen durch den Park spazierte. Peter erzählte eines Abends während unserer wöchentlichen Männerrunde im ‚Chez George‘ von ihr.

Keine Bange,

liebe Isegrims,

in der Einleitung ist nix Falsches.

Gleichwohl würd ich die Raum-Zeit-Konstruktionen

… Bad Homburg vor der Höhe … einiger Zeit … jeden Nachmittag, immer zu derselben Zeit, … den Park ... erzählte eines Abends …. im Chez George‘ von ihr ...
- drei Orte, viermal Zeit - auseinanderziehen. Allein, um die doppelte „Zeit“, die sich durch den Nachmittag auf drei Nennungen erhöht, zu lockern, würd ich eine Umstellung der ersten Sätze Vorschlagen, etwa

„ Vor einiger Zeit tauchte in Bad Homburg vor der Höhe eine Lady auf, die immer zur selben Stunde nachmittags mit einem Hündchen durch den Park spazierte. Eines Abends erzählte Peter während unserer wöchentlichen Männerrunde im ‚Chez George‘ von ihr."

Hier würd ich mittels Absatz, ab wann‘s um, „mich“ geht, von den Gästen zu trennen

Alle witterten ein Geheimnis, weil sie länger blieb als die anderen Kurgäste.

Ich interessierte mich für sie und vergaß sie dennoch bald, beansprucht von meiner Arbeit.


Kleinere Vorschläge:

An einem hellen Mai[en]tag, …
oder „Tag im Mai“

Wie ein Feuer, das mich umzüngelt, ...
Vllt. eleganter „das um mich züngelte, ...“

Jetzt geht's schon mit Flüchtigkeit los -

Da kennst doch das elfte Gebot: Du sollst dich nicht hetzen, vor allem nicht hetzen lassen. Bist doch kein Objekt der Jagd ...

... mit spitz zulaufendem Maul, kurzem Fell, langen Beine[n], ...

..., die in Baden Baden eine Arie gesungen hatte und mein Ohr erzittern ließ, obwohl ich am Abend vor der Aufführung meinen besten Kunden verloren hatte, nachdem er mit dem von mir entwickelten Roulette-System eine hohe fünfstellige Summe verloren hatte.
Mannoman, die haben-Invasion, vielleicht „die zu Baden-Baden sang und mein Ohr … erzittern ließ, obwohl ich am Abend zuvor den besten Kunden verloren hatte, nachdem er mit dem von mir entwickelten Roulette-System eine hohe fünfstellige Summe verlor.

„Entschuldigung, [wenn] mein Hund sie vielleicht gestört hat“, sagte sie mit ihrem russischen Akzent.
„Nein, keineswegs. Ich mag Ihren Hund.“
„Danke. Ikarus manchmal anstrengend ist.“
Hm, muss das gemäßigte Pidgin ernstlich sein? Lass Viktor als Erzähler doch ein bisschen mäßiger da vorgehn. Er will doch keine Parodie auf seine Liebe ... Oder frönt er dem bürgerlichen Naturalismus?

„Sind sie schon lange in der Stadt? Ich habe ie bisher nie gesehen.“

Sie war schlank, ohne mager zu wirken. Ihre Haare glänzten und hatten ein Schwarz, das [in] bestimmten Lichtverhältnissen bläulich wirkte.

„Vielleicht sehe ich ie und Ikarus bald wieder.“
(Musstu die folgenden Dialoge weiter durchsuchen. Manchmal gelingt‘s selbst der Russin ...)

Mit all den Buddha-Figuren passte er nicht [zu] Europa. Die Lady mit dem Hund[...] sah ich zunächst nicht und ging weiter.

Der Kellner mit den nassglänzenden Haaren …
fettige Haare - oder hat er Zeit, den Kopf immer untern Wasserhahn zu halten und das Haar neu zu sortieren.

„Macht keinen Spaß[,] alleine, kenne ich.“
Komma wird mittels einfachem Möbelrücken vermieden, verlangt dann aber nach einem Pronomen. Ewa so: "Alleine macht's keinen Spaß, kenne ich."

„Ich stelle mir Tataren [vor], die über die Steppe reiten“[,] sagte ich grinsend.

„… wir Pilze oder Beeren sammeln könnten[.]“

Inna roch nach Lavendelfeldern und allen möglichen Blumen, nach den Frauen und Mädchen, die an mir vorbeigezogen sind[,] und die ich nie angesprochen habe.

Wir tauschten die Telefonnummern [aus] und ich verschwand in der Nacht.

Mann mich mit jüngere Frau betrog[...].

Sie sackte in sich zusammen und schaute zu[...] Boden.

... und sagte gelegentlich ‚Mm‘ oder ‚Aha‘[.]

Sie musste sich Parfüm aufgetragen haben.
(Besser ohne Reflexivpronomen)

Ich zeigte ihr die Wohnung und hoffte, dass sie die benutzten Gläser und Teller übers[sähe], die ich wegzuräumen vergessen hatte.

Ich erwachte und begann[,] ihre Bluse aufzuknöpfen, ...

Sie flüsterte mir Worte [...auf] russisch ins Ohr, die ich nicht verstand[,] und öffnete ihre zur Decke gestreckten Beine auf dem Bett. Spitze Schreie. Keuchen. Ich liebte ihr versunkenes Bei-sich-selbst-bei-mir-sein.

Das Hündchen raste durch mein[e] Wohnung, …

Ein seltsamer Anblick[,] ihn mitsamt dem Koffer auf dem Laufband zurück zu lassen.
Besser "zurücklassen" als ein Wort

Ich beschloss[,] ein paar Tage Urlaub zu machen[,] und buchte einen Flug nach Sankt Petersburg.

Als der Flieger auf dem Airport Pulkovo landete, war es so grau und regnerisch[,] wie es Inna beschrieben hatte.
..., der Polizisten, die überall postiert waren[,] und selbst in den Mienen der jungen Frauen, die …

Ich bezahlte den doppelten Preis[…]

… aus dem späten 19….[]Jahrhundert.

..., an einer Biegung des Flusses, in der Nähe der weitläufigen Gebäude[...] der Universität.

Am Fluss angekommen[,] atmete ich durch. Morgen werde ich die Spur aufnehmen, sagte ich mir.
, Frauen in Kostümen, eilten zum Bffet. Touristen, ...

Hier

Ehepaare, wenige, die allein am Tisch saßen. Stimmengewirr, russisch, englisch und deutsch. Ich mochte den Klang der russischen Sprache. Es klingt wie eine Melodie, eine energische Aufforderung, ein Befehl, wenn es tiefen Männerstimmen gesprochen wird. Bei Frauen ist es ein Säuseln, ein Vogelzwitschern. Nach dem Frühstück packte ich mich in meine wärmsten Kleider.

Die Kälte fühlt sich in Sankt Petersburg anders an, als ich es gewohnt bin. Der Wind dringt durch die Kleidung, als könne ihn nichts aufhalten. Es dauerte nicht lange, bis ich zu der schlichten, stählernen Fußgängerbrücke kam, die ich suchte. Beim Überqueren schlug mir der faulige Abfallgeruch des Wassers entgegen, das wie ein unbewegliche graue Brühe aussah.


solltestu das Präsens im Marum Präteritum umwandeln, so weit nötig! Ein einfaches Beispiel: Statt „Es klingt wie eine Melodie ...“ besser „Es klang mir wie eine Melodie ...“ Behutsam also anpassen!

…., den Stuck und die schmalen Fenster, die bis zum Boden reich[t]en.

Der Mut[,] an der Tür zu klingeln, ...

Mein Blick folget den beiden eine Weile, dann setzte ich den Weg zur Brücke fort.

Einmal kam er mir entgegen, der Hund hob seinen Kopf, schaute an mir hoch[,] als würde er mich wiedererkennen, und lief …

Ich wusste nicht, ob sie mich bemerkt hatte[,] und war nicht in der Lage, mich zu bewegen.

Ich stieg aus dem Becken, das Wasser perlte an meiner Haut ab[,] und spürte ihren Blick.
(das Wasser wird ja nicht den Blick spüren)
Jetzt hastu's mit dem Wasser
... schob ich den schmächtigen Körper durchs Wasser, bis es genug hatte, sich aus dem Becken stemmte und …
(Hatte das Wasser genug?)

... anschaute, während sie mi[r] eine Kerze entgegenstreckte und etwas sagte.

Sie drängte mich, die Kerze zu nehmen. Die alte Frau zeigte auf eine Ikone, die verschwommen die Umrisse der Mutter Gottes zeigte. Ich zündete die Kerze an, stellte sie auf einen Ständer, beobachtete[,] wie sie flackerte[,] und gab mich der Illusion hin, die Augen Marias [wären] lebendig und erk[e]nnten mich, als gäbe es keine einzige der Masken, die ich mir aufgesetzt [hätte].

Die alte Frau war verschwunden und ich verließ die Kirche[,] ohne mich umzuschauen.
Sie hatte die Beine übereinander geschlagen[.]

„Du wolltest zurück kommen nach Bad Homburg.“
besser "zurückkommen" (solltestu auch noch weiter vorne drauf achten auf Ähnlichkeiten)

Ikarus und ich sind beeindruckt!

Gruß aus'm sonnigen Pott

Friedel,
der noch einen schönen Vorabend vorm Reformationsjahr wünscht!

 
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Hallo Isegrims,

und noch einen nach-nachträglichen Glückwunsch für den Moderatorenposten!

Ich habe nur kurz Zeit, möchte aber trotzdem schnell ein paar Dinge loswerden ;)

Sie habe eine strahlende, ganz eigentümliche Ausstrahlung
Hier hat sich das erste 'e' aus dem Staub gemacht!
An einem hellen Maitag, den ich nach einer Erkältung zur Erholung nutzte, ging ich zum Park,
Hm, dieser Satz ist irgendwie nicht ganz im Rhythmus, finde ich. Die Erkältung kommt da eher wie eine Erklärung rüber.
Nach dem meiner Meinung nach ziemlich gelungenen Anfang hat mir der zweite Abschnitt aber allgemein nicht so gefallen wie der erste. Du springst da zu oft zwischen den verschiedenen Anschauungen hin- und her; wie, als müsste der Hund bis ins Detaill beschrieben werden. Liegt vielleicht aber auch daran, dass ich bis vor vier Jahren einen Riesenrespekt vor Hunden hatte und deshalb immer mehr das Tier an sich, als die zierlichen Beine und das Fell sehe :rolleyes:

Sie sprach mit einer hohen und hellen Stimme, die sich manchmal überschlug und Pausen machte, um nach Wörtern zu suchen. Für mich klang sie wie die Netrebko, die in Baden[schreibt man das nicht mit Bindestrich?]Baden eine Arie gesungen hatte und mein Ohr erzittern ließ, obwohl ich am Abend vor der Aufführung meinen besten Kunden verloren hatte, nachdem er mit dem von mir entwickelten Roulette-System eine hohe fünfstellige Summe verloren hatte.
Neene, das passt nicht ganz, finde ich. Der erste Satz ist top (auch wenn ich kurz überlegt habe, ob eine Stimme sprechen kann. Normalerweise 'ist', bzw. in diesem Falle 'hat' man eine Stimme ja eher, oder?). Die Anekdote mit der Arie ist gut, vielleicht braucht es sie sogar, um sich mehr in die Situation der Person hineinzuversetzen. Ich finde sie aber an dieser Stelle zu weit ausgeholt.

„Ich muss weiter“, sagte ich völlig grundlos.
Cool! Diese Situation wird sicher so manchem bekannt vorkommen.
„Vielleicht sehe ich sie und Ikarus bald wieder.“
„Warum nicht? Ich bin jeden Tag hier.“
Beim letzten Satz läuft die Sache ein bisschen aus dem Ruder. Man könnte auch ganz fies sein und sagen: Chance vertan! Wenn die Beiden später mal näher zusammenkommen, wäre hier meiner Meinung nach nämlich ein guter Moment, um das Gespräch in Gang zu bringen. Aber Überraschungen sind auch immer gut...
„Und sie, was sie machen?“
Müsste man 'sie' hier nicht großschreiben? Ihr 'sie' bezieht sich ja in diesem Falle auf das Höflichkeits 'Sie', oder?

„Darf ich sie ein Stückchen begleiten?“
Die Dialoge haben es mir nicht mehr so angetan, wie noch in deinen letzten Geschichten (in 'Mächtige - Selfie' hatten sie für meinen Geschmack richtig viel Stil). Ich glaube jedenfalls nicht, dass ein Mann das so sagen würde - außer er hat enorm viel Selbstvertrauen. Huiui, mir schwant Übles...!

„Ich stelle mir Tataren, die über die Steppe reiten“.[Huhu! Komma!] sagte ich grinsend.
Wir Pilze oder Beeren sammeln könnten,“
„Na ja. Ich war mal im Internetgeschäft, hab ein Unternehmen gegründet. Eine App, mit der man in Restaurants Plätze buchen und bezahlen kann. Nach zwei Jahren bin ich ausgestiegen. Mein Pech, denn danach ist es gut gelaufen. Mein Partner hat eine Menge Geld damit verdient.“
Och nee, schon wieder ein Mann, der prahlt und von Technik-Krams redet :hmm:

Ich versuchte, mich ihrem Zauber zu entziehen und über meinen Job zu reden, Vielleicht hatte sie ein wenig Geld übrig.
Der Moment hielt mich gefangen, gaukelte mir ein unerschütterliches Glück vor. Wir tranken gierig, als wäre es Wasser, während draußen die Stimmen des Tages erwachten.
„In fünf Stunden geht der Flug.“
Ich küsste sie und fragte: „Bist du glücklich?“
Wieder eine sehr coole Stelle, finde ich :thumbsup: Für mich der Anfang für einen sehr gelungenen Teil.

(...) den Museen, in meinen Tagträumen und den Schatten der Nacht, Sie war überall und nirgends.
als wolle sie der Stra0e Ohrfeigen verpassen
Ein bisschen weiter oben bin ich noch auf diese Stelle gestoßen:
Die Tulpen und Rosen verströmten ihren aufdringlichen Duft [hier schreit es nach einem Pünktchen!]

Pah! Jetzt habe ich deinen Text ja fast schon in Einzelteile zerlegt :aua: Eigentlich fies, weil mir das Lesen Spaß gemacht hat. Vor allem, da ich gefühlt nie wusste, was in der nächsten Szene passiert. Gern gelesen, es fehlt meiner Meinung nach stellenweise nur an Feintuning.

Allgemein würde ich vielleicht drüber nachdenken, ob es für den Leser einfach wäre, wenn du ihm den Hinweis gibst, ob es sich bei deiner erzählenden Person um eine weibliche, oder männliche Person handelt. Ich hing beim Lesen streckenweise etwas in der Luft ;)

Achso, eine Sache noch:

Er sagte, sie sei eine außergewöhnliche Frau. Die anderen nickten lebhaft und ein Lächeln huschte über die Mienen der Freunde.
Geht das überhaupt? Eine Miene ist doch selber ein bestimmter Gesichtsausdruck, oder?

liebe Grüße,
SCFuchs

 
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Hi Isegrims

deine Tschechow-Variation hat mich schnell zum Freund gewonnen, eine Art Copywrite nach etwas anderen Regeln. Der erste Absatz - da will ich mich gleich dem geschätzten Friedel entgegenstellen - hat mich eingefangen, ich habe ja ohnehin ein gefährlich unbekümmertes Verhältnis zum Plusquamperfekt, aber hier finde ich ihn nicht nur nicht störend, sondern schön. Klingt der Einstieg dadurch nicht geheimnisvoller? Mir erschient es so. Und da wäre dann allerdings gleich ein kleiner Kritikpunkt, den ich einschiebe: Das anfängliche Geheimnis wird mir zu schnell aufgelöst. Es heißt zwar

Es dauerte lange, bis ich sie selbst zu Gesicht bekam.
Aber für den Leser geht es dennoch (zu) schnell.
Dabei kommt mir gar nicht mal die erste Begegnung zu schnell, sondern die Entwicklung: Sie treffen sich und schwups, geht es auch schon zielgerichtet auf ein Stelldichein zu. Da hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn du mich länger hättest zappeln lassen.

Ja, und dann noch einmal zurück zum ersten Absatz und zu Friedels Kommentar: "vor einiger Zeit" und "zu derselben Zeit" ist nicht ideal. Mich allerdings hattest du so eingelullt, dass ich es von selbst gar nicht bemerkt habe.

Aus der Ferne hörte ich eine Stimme: „Ikarus“, rufen
Mir gefallen ja in dieser Art eingebundene wörtlich Reden nicht besonders, vielleicht, weil es dann so klingt, als sei der Wortlaut ein Ding? Schöner fänd ich z.B.: "Aus der Ferne hörte ich eine Stimme rufen: „Ikarus!“"

Später erfuhr ich von ihr, dass er aus einer reinrassigen Zucht stammte und einen adeligen Nachnamen führte.
Für mich ist diese Info unwichtig. Sag ich nur so nebenbei, kann natürlich trotzdem bleiben.

„Entschuldigung, mein Hund sie vielleicht gestört hat“, sagte sie mit ihrem russischen Akzent.
Dieser verkehrte Satzbau hat mich auf die länge der Geschichte hin schon ziemlich gestört, das muss ich sagen. Falls du dich entschließen solltest, den aufzugeben, wäre das ja keine schwierige Sache, bzw. war es für ich auch nicht besonders schwierig, ihn mir wegzudenken.

Ihr Tatarenblick traf mich und sie strahlte eine Energie aus, als wolle sie sich ohne Sattel auf ein Pferd schwingen und über die Steppe reiten.
Das fand ich ganz hübsch. Im weiteren Verlauf fände ich es dann aber noch besser, wenn sie mit der Assoziation, wenn sie dann unten wieder auftaucht, gar nichts anfangen könnte. Da heißt es ja:

„Da du was lernst von Russen.“
„Ich stelle mir Tataren, die über die Steppe reiten“. sagte ich grinsend.
„Haha. Nicht viele Tataren gibt es noch. Warst du schon in Steppe? Da siehst du bis Horizont.“
Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie gar nicht versteht, was er meint. Er hängt an dieser Assoziation, das sieht man ja daran, dass sie nicht nur einmal auftritt, und wenn hier so ein kleines bisschen mehr Reibung wäre, wäre das doch gar nicht schlecht, oder?

„Ich muss weiter“, sagte ich völlig grundlos.
Das ist hübsch. Die Stelle könnte mir allerdings noch besser gefallen, wenn sie etwas knapper wäre, etwa so:
" „Ich muss weiter“, sagte ich völlig grundlos.
„Ich bin jeden Tag hier.“
Sie nahm den Hund an die Leine und entschwand."
Naja, vielleicht ist das zu knapp, aber halt in etwa so, etwas weniger direkt.

Mit all den Buddha-Figuren passte er nicht nach Europa.
Das klingt mir zu abweisen. "... sah er fremd aus hier in Europa" gefiele mir besser. "Passt nicht" klingt wie: er stört.

„Novellen von Tschechow. Bin gerade bei einer Geschichte über eine Irrenanstalt. Ist ein wenig traurig.“
Feines Detail, dass er eben nicht die Geschichte liest, die du gerade bespielst.

„Sie unbedingt weiter lesen. Ich Erzählungen von Tschechow liebe.“
Der erste Satz könnte aus meiner Sicht gerne weg. Anders wäre es, wenn sie ihn mi diesen Worten alleine lassen wollte. Aber sie hält ihn dann ja doch vom Lesen ab.

„Machen Sie eine Kur?“
„Nein, nicht richtig.
Mehr von solchen ungewöhnlichen Formulierungen, die aber nicht falsch sind, wären doch eigentlich viel schöner, um anzuzeigen, dass sie deutsch nicht völlig perfekt spricht, als es die umständlich falsch gebauten Sätze sind...

„Ich keinen Kaffee trinke, aber könnten wir essen gehen.“
Find ich als Antwort auch nicht so toll. Sie kann ja was anderes bestellen. Warum nicht einfach: "Wir können essen gehen"?

Draußen war es warm und ich spürte einen frischen Wind, der über meine Haut strich.
Der Wind zeigt sich in der Geschichte immer wieder in verschiedener Gestalt. Gefällt mir eigentlich, aber man muss vielleicht ein bisschen aufpassen, dass es nicht zu viel wird bzw. dass es auch wirklich durchgehend gut gesetzt wirkt.


Sie hatte diesen Schmollmund wie Angelina Jolie in Tomb Raider.
Aus
irgendeinem Grund gefallen mir solche Vergleiche mit Figuren aus dem Film meistens nicht. Etwas anderes wäre es, wenn sie zusammen ins Kino gingen oder so, dann hätte der Vergleich einen Aufhänger. Aber so aus dem Nichts - ich weiß nicht, warum ausgerechnet Angelina Jolie und ausgerechnet dieser Film? (Dazu kommt, dass ich mit den meisten Vergleichen kein Bild verbinde, weil ich die Filme dann alle immer nicht kenne...)

Ich musste mich konzentrieren, nicht allzu lange ihren Körper zu scannen.
"Scannen" - schon ziemlich technisch, könnte aber passen, weil er sich doch auch sozusagen automatisch mit den Augen angezogen fühlt.

„Du einen russischen Vornamen hast.
Stimmt ja eigentlich nicht, aber das macht nichts, für sie ist es ein russischer Name, er ist vertraut.

Wir tauschten Erinnerungen, erzählten uns Geschichten. (...) und habe sie nicht nach ihrem Leben gefragt.
Nicht direkt widersprüchlich, aber nah dran...

Wir tauschten die Telefonnummern und ich verschwand in der Nacht.
Ist das nicht zu passiv für die Ich-Perpektive? Er verschwindet ja aus ihrem Blick, nicht aus seinem. Anders z.B. "und ich zog mich in die Nacht zurück" - nicht gerade das Gelbe vom Ei, aber nur um ein Beispiel zu geben.

„Scheiß Geschichte. Entschuldige den Ausdruck.“
J, schon, mir geht sie aber nicht so richtig nahe. Eventuell zwischendurch etwas Erzählung einfügen? Der Dialog ist so kurz, das reicht mir nicht, um mitgerissen zu werden. Durch mehr Erzählung könntest du die verstereichende Zeit dichter werden lassen.

Sie schwieg, während ich erzählte und erzählte, schaute sich die Bäume an und sagte gelegentlich ‚Mm‘ oder ‚Aha‘
Das finde ich gut, wie das einfach so stehen bleibt. Aber da fällt mir auf: "erzählte und erzählte" - so sagt man doch eher, wenn es dem Zuhörer lästig wird, oder nicht? Könnte "und erzählte" nicht einfach weg?

Die Sonne brannte auf uns herab und ein Schweißtropfen floss ihr in den Mund.
Iiiiih! Klar, ihn ekelt das nicht, das kann ich schon nachvollziehen. Aber den Leser vielleicht? Eis mit Schweiß - klingt irgendwie nicht so lecker.

Die Dämmerung brach an. Wir fuhren zurück. Das Tageslicht versank sanft und unmerklich wie ein Dimmer, den man langsam dreht.
Eigentlich doppelte Info, der erste Satz könnte weg.

„Du hast Wein und Kaffee zu Hause?“, fragte sie mich.
Aber sie trikt doch keinen Kaffee!!

Inna roch nach Waldmeister und einem Hauch Zimt, als ich sie begrüßte. Sie musste sich Parfüm aufgetragen haben.
Zweiter Satz kann weg, würde ich sagen. Versteht man auch so. Wenn nicht - auch Wurscht, wichtig ist, wie sie riecht, nicht, woher das kommt.

„Was möchtest du? Kaffee oder Wein?“
Sie schaute mich verwirrt an.
„Beides.“
Mir nicht klar, warum sie verwirrt schaut. Mit der Frage kommt sie ja offensichtlich klar.

Sie kniete vor mir und entknotete langsam Schnürbändel meiner Schuhe, streifte sie ab.
Ich sehe ihn bisher noch nach ihrer Haut suchen, das ist in der Position schwierig. Vielleicht sollte sie mit einem anderen Kleidungsstück anfangen?


Es roch muffig und nach 80er-Jahre.
Sowjetische Jahre also - könnte man vielleicht behutsam ausbauen.

Sein Kopf war fast waagrecht zur Straße
Das kapier ich nicht ganz. Der Kopf ist doch rund. Ja, ok, rund auch wieder nicht, aber du verstehst, was ich meine?!

Vielleicht begegnete ich Inna zwischen den Passanten. Eine zahnlose Frau schlich am Rand des Gehwegs an mir vorbei. Als ich sie anschaute, hob sie den Kopf und öffnete ihren Mund zu einem fratzenhaften Lächeln, dann drehte sie sich wieder weg und schaute starr nach vorne.
Der Auftritt der Frau gefällt mir gut, gerade hier, wo er nach Inna sucht. Allenfalls finde ich "fratzenhaft" etwas zu grob.

Drei Tage war ich da, ohne sie gesehen zu haben.
Etwas viele genaue Zeitangaben, finde ich. Die zwei Tage weiter oben braucht's vielleicht nicht?

Da sah ich sie.
Im Schwimmbad vom Hotel? Ws macht sie da? Oder ist es ein anderes?

Ich sank auf die Liege zurück und starrte zu der Tür, hinter der sie verschwunden war. Sie war es gewesen. Inna. Ich hatte sie gefunden.
Gefällt mir gut, wie er nicht zu ihr hingeht, sondern wartet.

Ich beschloss, nach unserer Begegnung abzureisen. Das wusste ich, als ich sah, wie sie ihren Sohn anschaute, wie glühend und zärtlich ihr Blick war, wie sehr sie bei sich selbst war. Widersinniges Glück durchströmte mich.
JA, stimmt, eigentlich schon merkwürdig, widersinnig. Aber passt.

Eine alte Frau löste sich aus der Gruppe der Betenden und kam zu mir.
Wieder so eine etwas rätselhafte Alte, diesmal nachdem er Inna wiedergefunden hat. Mit dem Motiv kann ich gut mitgehen.


„Du wolltest zurück kommen nach Bad Homburg.“
„Kompliziert ist. Wird neues Frühjahr kommen, dann denken. Nicht sprechen jetzt.“
Sie legte mir den Finger auf die Lippen und küsste mich. Zart, wie ein Vögelchen. Später stand sie auf und ging los. Ich folgte Innas Silhouette, neben ihr das Hündchen, bis sie außer Sicht war.

Schönes offenes Ende, finde ich. Es ist nicht das Typische Er-kommt-sie-will-nichts-mehr-von-ihm-wissen, aber es ist auch nicht geradezu rosig. Auch er klammert nicht verzweifelt, sondern geht immer wieder das Risiko ein, an ihr vorbeizugehen. Schöne Sache, insgesamt.
Teilweise zieht sich die Story allerdings, finde ich. Ich habe den Eindruck, das liegt hauptsächlich in den Dialogen. Die bringen nicht an jeder Stelle etwas vorwärts, finde ich. Für meinen Geschmack könnte man die raffen (und vielleicht ruhig stattdessen zwischendurch auch da mal was Atmosphärisches erzählen).

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
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Hallo,

also ich hab das wirklich gerne gelesen. Der Text hat viel Stimmung, viele schöne Details, die das Ganze authentisch machen, v.a. auch das Russische und die Beschreibungen von Petersburg fand ich schön, da hatte man wirklich das Gefühl, mit dort zu sein. Für mich ist dieser Text auch "russisch" - ich habe jetzt länger drüber nachgedacht, wieso ich das so empfinde, mhm, die Erzählart, die Art, wie die Welt beschrieben/gezeigt wird, dann auch die Themen: Im Park flanieren, diese Frau kennenlernen. Das erinnert mich an so klassische russische oder skandinavische große Schriftsteller, die ähnlich erzählt haben.

Also Sprache, Feeling, das fand ich alles super, einzig, was mich etwas gestört hat, also wirklich nur so ein klitzekleines bisschen, war die Inaktivität oder Passivität deines Prots. Also das passt schon zu 95%, er ist halt so jemand, der nie einen gewagten Schritt ggü. einer Frau machen würde oder sich trauen würde, selbst wenn seine Chancen nicht schlecht stehen würden. Aber er macht ja eigentlich fast nie etwas - er wagt nie etwas, da ist diese Frau, und sie lernen sich im Park kennen, und das passt noch alles, aber danach ist er mir irgendwie einfach ein bisschen zu lasch muss ich sagen, er fährt extra in diese andere Stadt und traut sich dann nicht zu klingeln ... ich hätte mir einfach gewünscht, dass dein Prot (er kann ja ein bisschen zurückhaltend und das alles sein) in bestimmten Situationen einfach mal etwas wagt, oder ein bisschen mehr wagt. Ich denke da v.a. die Zeit, in der er in Petersburg ist und so um ihr Haus rumschwänzelt und sie sogar beim Schwimmen sieht, aber dann auch nur winkt - so ein kleines bisschen mehr Biss hätte ich deinem Prot gewünscht, dann hätte es mir beim Lesen noch mehr Spaß gemacht :D Und diese Schwimmbadszene, diese Reaktion von seiner Angebeteten darauf, dass sie ihn dort liegen sieht, und es ist offensichtlich, dass er wegen ihr hierher gefahren ist, und er ist schon Tage vor ihrem Haus rumgelaufen ... ehrlich gesagt fand ich es ein bisschen unnachvollziehbar, wieso sie eigentlich ganz positiv darauf reagiert? Ich hätte von einer Frau wie ihr eher erwartet, dass sie es liebt und auch braucht, dass der Mann in bestimmten Situationen einfach mal Klartext redet oder die Sache in die Hand nimmt, und nicht so ... ja "feige" ist. Findet sie das wirklich okay oder sogar attraktiv?

War natürlich ohne herzzerreißendes Ende oder großem Drama mit großen Emotionen, aber ich möchte noch mal betonen, dass ich dein Geschichte wirklich gerne gelesen habe und ich fand die Beziehung der beiden, wie sie agieren, sich kennenlernen, das fand ich wirklich sehr schön. Nichtsdestotrotz hätte mir etwas mehr Biss deines Prots gut gefallen - hätte ihn für mich als Figur einfach interessanter gemacht, und die Handlung evtl. etwas aufgepeppt. Aber das ist bloß eine Kleinigkeit, so ein Gefühl, das ich beim Lesen hatte und dir mitteilen wollte. Ist ein sehr schöner Text, Isegrims.

Viele Grüße
zigga

 

Lieber Isegrims,

deine Geschichte liest sich wirklich, als hätte ein Autor des 19. Jahrhunderts sie geschrieben: diese ruhige Atmosphäre, die sich Zeit lassenden Beschreibungen, die Langsamkeit und Betulichkeit des Handlungsablaufs. Das hast du gut hinbekommen und dein Text erinnert mich so an viele Geschichten aus dieser Zeit.

Und doch gibt es ein paar Sachen, die mich gestört haben:
Zuerst ist es die Sprache Innas. Muss das wirklich sein, dass sie ein so gebrochenes Deutsch spricht? Für mich wäre es angenehmer, wenn sie nur wenige, kleine Fehler machen würde. Diese harten syntaktischen Brüche mögen ja irgendwie authentisch sein, stören für mein Empfinden aber den Sound und die Melodie des gesamten Textes. Im RL wird so etwas ja immer durch Stimme, Mimik und Gestik gemildert. Aber hier wirken diese Aussprüche für sich genommen für m.E. disharmonisch und verstärken nicht die Atmosphäre, sondern zerstören das ansonsten von Inna gezeichnete Bild. Zumindest empfand ich das beim Lesen so.

Und dann natürlich: Du begibst dich ja selber in den Vergleich zu Tschechow. Und da ist mir dein Plot dann doch am Ende zu simpel gestrickt: Sie lernen sich kennen, verlieben und lieben sich, sie reist ab, der Kontakt wird weniger, er reist ihr nach und sie treffen sich wieder. Doch sie kann/möchte nicht mit ihm kommen.
Da ist kein Haken im Verlauf, da ist keine Spannung im Geschehen, kein wirklich spürbarer Konflikt, alles plätschert so dahin, wirkt letztendlich auf mich noch betulicher als eine Novelle des 19. Jahrhunderts. Bei Tschechow steckt ja die Brisanz darin, dass der gelangweilte Gutrow erst nach der Trennung der beiden bemerkt, wie sehr ihn die Begegnung bewegt, wie sehr er sich verliebt hat und Anna deshalb nachreist. Und am Ende deutet Tschechow gegen die Konvention seiner Zeit und anders als Tolstoi oder Fontane (‚Anna Karenina’, ‚Effie Briest’) einen optimistischen Schluss an. Bei ihm ist außerdem viel Psychologie im Spiel. Diese Dimension fehlt deiner Geschichte, fast alles spielt sich an der Oberfläche ab. Über Innas Innenleben erfahre ich nichts und auch die Gedanken und Gefühle deines Protagonisten bringst du mir – wenn überhaupt – nur sehr indirekt nahe.

Eine typische Stelle daür:

Sie schrieb mir. Ich hörte ihre Stimme am Telefon. Anfangs täglich, dann nahmen die Abstände zu. Tage, Wochen vergingen und nie kam ich auf die Idee, sie zu fragen, wann sie zu mir käme. Ich wartete geduldig. Vielleicht war das ein Fehler. Ab und zu ging ich im Park spazieren und einmal glaubte ich in der Ferne die Silhouette von ihr und Ikarus zu sehen.

Es mag ja sein, dass er leidet, aber, wenn du es andeuten möchtest, so deutest du es wirklich nur sehr zart an.

Ich kehrte zu meinem alten Leben zurück, …Ich beschloss ein paar Tage Urlaub zu machen und buchte einen Flug nach Sankt Petersburg. Ich kannte die Stadt nicht und vielleicht gelänge es mir, Inna zu finden. … Einen genauen Plan hatte ich nicht. Irgendetwas werde ich in Sankt Petersburg finden, sagte ich mir.

Das ist mir zu glatt. Die Personen agieren für mein Empfinden zu gelassen, fast emotionslos, akzeptieren alles, wie es eben ist, leiden möglicherweise unter der Oberfläche, die du aber nur ganz selten aufbrichst.

Mal kurz zum Original und wie es da aussieht:

Er (Gutrow) glaubte, daß die Erinnerung an Anna Ssergejewna nach drei, vier Wochen in einem Nebel verschwinden würde; daß sie ihm mit ihrem rührenden Lächeln nur ab und zu im Traume erscheinen würde, wie ihm auch alle die andern erschienen. Es vergingen aber vier Wochen und mehr, man war tief im Winter, aber die Erinnerung an sie war noch immer so klar und stark, als ob er Anna Ssergejewna erst gestern verlassen hätte. Und die Erinnerung wurde immer glühender und leuchtender. Wenn in der Abendstille zu ihm ins Arbeitszimmer die Stimmen seiner Kinder, die ihre Lektionen machten, drangen, wenn er irgendein Lied singen oder das Orchestrion in einem Restaurant spielen hörte oder wenn im Kamin der Sturm heulte, so lebte in seiner Erinnerung sofort alles wieder auf: die Mole, der Morgen, der Nebel in den Bergen, das Schiff aus Feodosia, alle ihre Küsse und Umarmungen; er ging in seinem Zimmer auf und ab und erinnerte sich an jede Kleinigkeit, und lächelte vor sich hin, und die Erinnerungen wurden zu Wünschen, und das Vergangene vermengte sich in seiner Vorstellung mit dem Kommenden.

Solche Innensichten fehlen deiner Geschichte. Mag sein, dass du reduzieren wolltest, nur das äußere Tun deiner Personen beschreiben, dem Leser die Deutung überlassen. Dann aber würde ich gerne in oder aus den Handlungen der Personen ihre Befindlichkeit erkennen. Ich kann nicht erfassen, wie stark die Begegnung mit Inna in ihm nachwirkt, weiß noch nicht einmal genau, warum er sie eigentlich sucht. Er scheint ja akzeptiert zu haben, dass sie sich immer weiter von ihm entfernt.

Der Fluss wurde zum Rinnsal und die Nachrichten versiegten.

Einmal verlässt du diese glatte Oberfläche der beiden Personen:

Warum sie mir von dem Frosch erzählte, den sie getötet hatte, verstand ich nicht. Ihre Eltern hatten ihr verboten, ihn in die neue Wohnung mitzunehmen. Sie hatte ihm das Genick gebrochen und im Garten begraben. Kurz nachdem ihre Worte verklungen waren, lachte sie wieder, gutgelaunt und mitreißend.

Hier konfrontierst du den Leser mit einer anderen Inna. Aber das verliert sich wieder, verschwindet, als hätte sie es gar nicht gesagt. Oder möchtest du hier einen Schlüssel zum Verständnis von Innas Handeln am Schluss liefern?

„Du wolltest zurück kommen nach Bad Homburg.“
Kompliziert ist. Wird neues Frühjahr kommen, dann denken. Nicht sprechen jetzt.
Sie legte mir den Finger auf die Lippen und küsste mich. Zart, wie ein Vögelchen. Später stand sie auf und ging los. Ich folgte Innas Silhouette, neben ihr das Hündchen, bis sie außer Sicht war.

Ich verstehe nicht, was mit dieser Inna los ist – aber das tut ja dein Protagonist wohl auch nicht. Und leider verstehe ich auch ihn nicht wirklich. Er bleibt mir fremd.

Isegrims, du hast mit viel Akribie so etwas wie eine Adaption einer Novelle des 19. Jahrhunderts versucht. Sprachlich ist dir das über weite Strecken wirklich gut gelungen. Die inhaltliche Ausgestaltung hat mir wegen der genannten Punkte und auch wegen der Isegrims-typischen Zutaten leider nicht immer gefallen (z.B., wenn Inna ‚nach Lavendelfeldern und allen möglichen Blumen’, nach ‚Waldmeister und einem Hauch Zimt’ duftet, und an einer anderen Stelle nach ‚Wein, Quitten und Gras’ schmeckt). Mir gerät da manches sprachlich und inhaltlich ein bisschen zu opulent, zu sehr zur Glanzpapierwelt, über die man zudem mit einem Weichzeichner gegangen ist. Eine typische Isegrims-Geschichte eben.

Und weil wir schon dabei sind: Beim Lesen habe ich eine Reihe von kleinen Fehlern (Rechtschreibung, Flüchtigkeit, Logik, usw.) gefunden. Ich vermute aber, dass einer meiner Vorkommentatoren schon auf manches hingewiesen hat, und erspare mir deshalb meine recht lange Liste.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Lieber Friedrichard

ich freue mich wie immer sehr über deinen Kommentar :)
by the way: was beeindruckt euch beide denn?:Pfeif:

Ja, die Flüchtigkeit, der Wunsch, die Geschichte fertig zu machen, treibt mich meistens, obwohl ich intensiv daran gearbeitet habe... vielleicht liegt ja mein Fokus oftmals nicht ausreichend auf der Form, mehr auf der Gestaltung...

Den Anfang habe ich ein wenig geändert, damit die Zeitliche Verortung sich nicht so sehr wiederholt... Die von dir genannten Stellen habe ich ausgebessert... vielen Dank für deine akribische Hilfe... :thumbsup:

Ich muss jetzt schlafen, bisschen träumen und mich morgen den anderen Kommentaren widmen

viele Grüße aus dem kälter werdenden Taunus mit den goldenen Blättern an den Bäumen
Isegrims

@SCFuchs zigga erdbeerschorsch barnhelm: Mürder.Kommentare, lieben Dank für eure Zeit und alles, morgen mehr

 

hey, Isegrims!,

und ich wunderte mich schon, warum mir das Szenario so bekannt vorkam. kenne ja Sankt Petersburg ein wenig, vor allem durch Literatur und Erzählungen, aber Bad Homburg ist nur ein leerer Begriff für mich. dann dachte ich, vielleicht liegt es an der Parkatmosphäre, die dort geschildert ist, an der Art, wie der Mensch lebt, Tschechow lesen und im Park lustwandeln, die Artgenossen in ihrer Vielfalt betrachten, so verbringe ich meine Zeit ja auch gern, und Gärten und Parks haben ja viel Gemeinsamkeiten, so besonders jeder einzelne für sich auch ist.

dann wunderte ich mich über die Vielzahl von russischen, russisch-kirchlichen Erinnerungen, Ideen, Assoziationen. noch in Bad Homburg bekommt das Läuten einer Glocke eine Bedeutung, die sie nicht mehr in vielen Ländern hat, die bei den russischen Meistern aber immer wieder auftaucht.

das fällt schon auf, die liebevoll und überlegt in den Text gestreuten Details, teils schon fast barocke Ausstattung, aber nicht zu viel. diese Beschreibungen haben den Text für mich ein wenig aus der Realität herausgehoben, in der er eigentlich spielt und so einen leichten Flor über alles gelegt, einen weichen Filter, der wiederum sehr gut zu den verhandelten Themen und der Erzählstimme passt.

am Ende also so was wie die Auflösung (für meine kleinen Verwunderungen beim Lesen: nach einer Novelle von Anton Tschechow! :D die muss ich vor zehn, fünfzehn Jahren gelesen haben, vielleicht habe ich sie in den Grundzügen wiedererkannt, kann sein, ich wüsste es nicht sicher zu sagen. manche Szenen kommen mir sehr bekannt vor. im Rückblick die Szene mit der Lady und dem Hündchen im Park, das System beim Roulette. Weiße Nächte auch, aber die werden ja immer wieder thematisiert, ein Text von Dostojevski heißt so, also das kriege ich nicht eindeutig zugeordnet.

aber es spielt auch keine echte Rolle für mich, außer dass es spannend ist, zu sehen, was du daraus gemacht hast. eine famose Geschichte, mit ganz eigenem Leben gefüllt, nem tollen Titel als Eintrittskarte in diese hervorgehobene Alltäglichkeit, diese edle Liebesgeschichte ohne echten Schmerz, voller Respekt für sich und das Leben. hat für mich insgesamt fast was Märchenhaftes, und dazu kontrastieren und harmonieren die tatsächlich möglichen Alltäglichkeiten, die du beschreibst. gefällt mir sehr gut, ich habe aber auch viele russischen Bekannte und Freunde, teils enge, hier in Leipzig gibt es ja auch eine slawische Lesebühne, und dieses besondere Flair, diese sehr eigene Welt des Russischen ist gut eingefangen, viel, aber mir nich zu viel, und das gefällt mir halt sehr gut. ich liebe Tschechow und Dostojevski, Gogol und Puschkin. die Erzählungen und Novellen der alten Meister.

ein paar Textstellen sind mir noch aufgefallen, aber ich muss los, wollte das aber noch loswerden.

Kubus

 
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, ließ die Sonne auf meine Haut brennen und Wind durch meine Gedanken blasen.

Ikarus,

liebe Isegrims,

ist schon von den ersten Worten nebst Inthronisierung begeistert

Sie habe ein strahlende, ganz eigentümliche Ausstrahlung und einen schwarz-weiß gefleckten Terrier, der wie ein König durch den Park stolziere und tobe.
, obwohl er ja vom Adel seiner Abkunft weiß wie ich um meine proletarische. Dennoch hat der dürchgehaltene bürgerliche Realismus, der jetzt so aus der Entfernung nicht einmal in Naturalismus überschwappt, angetan (weshab ich Gottfried Keller verehre und gerne mit Jean Paul - der sich keiner Schublade zuordnen lässt und nach Schiller wohl aus dem Mond gefallen sein muss - würze, obwohl der eine wie der andere es gar nicht nötig hat.) und dass es gelingt, alte Geschichten nicht nur aufzuwärmen, sondern zu einer anderen, späteren, sich fortschrittlicher nennenden Zeit auferstehen zu lassen. Ich hab mir jetzt den Text nochmal ins Eingabefeld kopiert und geh ihn abermals durch mit der Nagelfeile, was sicherlich nicht schaden kann. Schau'n wir mal und sieh das Meiste bestenfalls als Vorschlag an.

„Ikarus“, rufen und eilige Schritte, die auf dem Kies knirschende Geräusche hervorriefen, ...
Der Aus-Ruf - Du weißt, dass ich ihn hör (wenn auch mit anderen Namen), wird streng und ernst-gemeint klingen. Ein Ausrufezeichen würd den Ruf verstärken. Und warum so umständlich "Geräusche hervorriefen", wenn der Kies schlicht und einfach unter den Schritten "knirscht"?

„Entschuldigung, mein Hund Sie vielleicht gestört hat“, sagte sie mit russischen Akzent.
Erweiche Dein Hez und lass die Dame korrekt reden, der "Akzent" lässt doch dem Leser Freiraum, seine eigene Erfahrung (selbst mit Russlanddeutschen geht das und mein polnischer Freund kommt wie ich aus einfachsten Verhältnissen und radebricht gelegentlich, die Satzstellung ist aber überwiegend in Ordnung.) einzubringen und den Klang selbst erzeugen. Da bin ich bei barnhelm. Warum soll es denn nicht gehen, wenn's kurz darauf weder "ich jeden Tag hier bin" noch sonstwie holpert und koorekt heißt
„Warum nicht? Ich bin jeden Tag hier.“

Die Lady mit dem Hund, sah ich zunächst nicht und ging weiter.
Komma weg!

Die Tulpen und Rosen verströmten ihren aufdringlichen Duft[.]

„Ich genieße die frische Luft. Gefällt es Ihnen in unserer Stadt?“
Hier wird der Sprecher nicht nahtlos von Höcksken auf Stöcksken kommen. Besser eine Pause anzeigen durch Gedankenstrich "... Luft. - Gefällt ..." oder gar neue Zeile für den zwoten Satz.

Der Kellner mit den Haaren, die wie ein nasses Riefen aussahen, ...
k. A. "Riefen" - Oberflächenunvollkommenheit? Singulär wäre das "Riefe" ...

Und wieder der Sprachschock, erst korrekt und dann zur Schau gestellt

„Wir können uns mit den Vornamen nennen. Das macht man doch so, oder?“, sagte sie.
„Ja, sollten wir, Inna.“
„Du hast russischen Vornamen. Wir Vitja sagen, nicht Viktor.“

Ich stelle mir Tataren vor, die über die Steppe reiten“[,] sagte ich grinsend.

„Haha. Nicht viele Tataren gibt es noch. Warst du schon in Steppe? Da siehst du bis Horizont.“
„So einen Blick gibt es bei uns nicht.“
„Wald es gibt. Schade, dass nicht Herbst ist. Wir Pilze oder Beeren sammeln könnten.“
„Oder Baumhäuser bauen und uns als Waldmenschen verkleiden“, sagte ich lachend.
Was sich liebt, das neckt sich.

Wir tauschten Erinnerungen, erzählten uns Geschichten. Inna roch nach Lavendelfeldern und allen möglichen Blumen, nach den Frauen und Mädchen, die an mir vorbeigezogen sind, und die ich nie angesprochen habe. Ich erinnere mich nicht an das Menü, und habe sie nicht nach ihrem Leben gefragt. All das, was ich sonst mache, wenn ich jemanden kennen lerne.
Anmerkung für zigga: Der Mann ist schüchtern, scheut wie ein Reh. Und wer hätte je gesehen, dass ein Reh zur Attacke bliese? Die Funktion des Hundes als Vermittler (als Hundehalter lernt man jede Menge Leute kennen, die einen oder die man selber nie unter anderen Bedingungen angesprochen hätte.) Da passt dann wie die Faust aufs Auge
l..., mehr fiel mir nicht ein.
Die Initiative geht von der Frau aus
Sie hakte sich bei mir ein. Kurzentschlossen nahm ich ihre Hand und ließ sie nicht mehr los. Vor dem Hotel umarmten wir uns. Inna drückte sich an mich. Wir tauschten die Telefonnummern aus und ich verschwand in der Nacht.

Ich spürte[,] wie heiß ihre Haut war, als wir uns aneinander pressten.

Sie flüsterte mir Worte in ihrer auf Russisch ins Ohr,
(Da hastu zwo Gedanken im Kopf, "in ihrer Sprache" und "auf Russisch", wobei die unterlegene Konstruktion ihre Spuren hinterlässt. Du musst Dich da entscheiden ... Ertseres kann nicht mal das bisher eigentümliche Deutsch auch meinen ...

Ich erreichte die [...] Straße, in der Inna wohnte.
Ein die reicht
Im Dachgeschoss des dreistöckigen Hauses[...] glaubte ich Licht zu sehen.
Komma weg!

... versuchte, mir das Strahlen der Nachtbilder Rembrandts[...] zu erklären ...
Komma weg, da der ganze Vorlauf zur Infinitigruppe gehört!

Nochmals zu zigga, denn das ist der typische Ausdruck des rumeiernden scheuen Rehs

Morgens und abends machte ich einen Spaziergang zum Haus Innas. ...i, Inna suchte ich in den Gesichtern der Frauen, denen ich auf der Straße, in den Kirchen, den Backsteingebäuden, den Cafés und Restaurants, den Museen, in meinen Tagträumen und den Schatten der Nacht, Sie war überall und nirgends.
Muss unterbrechen, denn da fehlt was, liebe Isegrims
Inna suchte ich in den Gesichtern der Frauen, denen ich auf der Straße, ....in meinen Tagträumen und den Schatten der Nacht,...
"begenete", wäre mein Tipp. Und weiter für zigga, denn nun sieht, besser "liest" Viktor in den fremden Personen, die ihm begegnen, seine Liebe hinein
Mal entdeckte ich die Schwingung ihrer Augenbrauen auf dem Gesicht einer der Frauen, die an mir vorbeischwebte, all der Frauen, die jede Woche ihre Schönheit bei ihrer Kosmetikerin pflegten, mal glaubte ich, den Glanz ihrer Augen bei einer Frau zu erkenne, die in einem cremefarbenen Designerkostüm neben mir ein Gemälde betrachtete und aussah wie Penelope Cruz, mal fand ich die Art wie sie ging, diesen energische Gang, als wolle sie der Stra0e Ohrfeigen verpassen, bei einer Frau mit Pelzmütze, die auf einer Brücke vor mir davoneilte.
Dazu passt dann im folgenden Abschnitt, dass er sie nur beobachtet, nicht sofort anspricht, um Puls und Starre zugleich wieder runterzukriegen.

Ich sank auf die Liege zurück und starrte zu der Tür, hinter der sie verschwunden war. Sie war es gewesen. Inna.
Lass das "gewesen" weg, denn sie ist es in der Geschichte immer noch!

Ich stieg aus dem Becken, das Wasser perlte an meiner Haut ab, und spürte ihren Blick.
Lass das perlende Wasser weg. Nennenswert wäre es, wenn es nicht runterliefe, das Wasser.

„Ich in drei Stunden wieder da. Dann treffen ohne Sohn, okay?["]
„Ich warte an der Lobby.“

Ohne auf den Weg zu achten, befand ich mich vor einer kleinen Kapelle mit einer Kuppel aus stumpfen, verblichenen Gold, eingeklemmt von Häuserfassaden.
Lass die Vorsilbe be... vorm finden weg. "sich befinden" wird meistens eingesetzt, wenn man nichts bessere findet, und das bedeutsamere sich finden hat da eine ganz andere Wirkung.

Frauen knieten oder standen mit geschlossenen Augen, murmelten ihre Gebete und ...
Rauch füllte mir Nase und Mund. Einige der Frauen standen mit geschlossenen Augen und murmelten ihre Gebete.
Ich hatte vor kurzem wg. Todesfall im kath. Zweig der Familie, dreimal innerhalb von sechs Wochen den kath. Ritus mitzuerleben und hatte dabei den Eindruck - Kirche und Leichenhalle waren immer gut gefüllt - dass es manchem Katholiken die einzige sportliche Betätigung ist ...

Lange stand still ich in einer Ecke
jetzt hat Dich Dein Russian Sound eingeholt ...

So, jetzt bistu wieder dran, liebe Isegrims!

Tschüss

Friedel

 
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Lieber SCFuchs

du hast ganz schön tief in dem doch recht langen Text gewühlt und es freut mich sehr, dass er dich dazu angeregt hat, mir beim Feintuning zu helfen. :thumbsup: und offenbar hat der Text dir was gegeben, das ist gut :)

Ich habe nur kurz Zeit, möchte aber trotzdem schnell ein paar Dinge loswerden
dafür, dass du nur kurz Zeit hast, sind es ziemliche viele Anmerkungen :)

und noch einen nach-nachträglichen Glückwunsch für den Moderatorenposten!
haha, einen Posten habe ich nun, ein Amt, ein Ehrenposten, hochdotiert und voller Freuden,danke dir für den Glückwunsch:eek:

An einem hellen Maitag, den ich nach einer Erkältung zur Erholung nutzte, ging ich zum Park,
Hm, dieser Satz ist irgendwie nicht ganz im Rhythmus, finde ich. Die Erkältung kommt da eher wie eine Erklärung rüber.
ich habe den Erklärungsversuch jetzt einfach weg gelassen...

[QUOTEDu springst da zu oft zwischen den verschiedenen Anschauungen hin- und her; wie, als müsste der Hund bis ins Detaill beschrieben werden. Liegt vielleicht aber auch daran, dass ich bis vor vier Jahren einen Riesenrespekt vor Hunden hatte und deshalb immer mehr das Tier an sich, als die zierlichen Beine und das Fell sehe ][/QUOTE]der Hund ist schon wichtig, auch seine Beschreibung, ist er doch gewißermassen auch das alter ego des Erzählers...

Sie sprach mit einer hohen und hellen Stimme, die sich manchmal überschlug und Pausen machte, um nach Wörtern zu suchen. Für mich klang sie wie die Netrebko, die in Baden[schreibt man das nicht mit Bindestrich?]Baden eine Arie gesungen hatte und mein Ohr erzittern ließ, obwohl ich am Abend vor der Aufführung meinen besten Kunden verloren hatte, nachdem er mit dem von mir entwickelten Roulette-System eine hohe fünfstellige Summe verloren hatte.
Neene, das passt nicht ganz, finde ich. Der erste Satz ist top (auch wenn ich kurz überlegt habe, ob eine Stimme sprechen kann. Normalerweise 'ist', bzw. in diesem Falle 'hat' man eine Stimme ja eher, oder?). Die Anekdote mit der Arie ist gut, vielleicht braucht es sie sogar, um sich mehr in die Situation der Person hineinzuversetzen. Ich finde sie aber an dieser Stelle zu weit ausgeholt.
gerade diese kleinen Details, da habe ich mir was bei gedacht, da wollte ich sie indirekt beschreiben... ein Stilmittel, das ich neu für mich entdeckt habe und glaube ich einiges bringt...


„Darf ich sie ein Stückchen begleiten?“
Die Dialoge haben es mir nicht mehr so angetan, wie noch in deinen letzten Geschichten (in 'Mächtige - Selfie' hatten sie für meinen Geschmack richtig viel Stil). Ich glaube jedenfalls nicht, dass ein Mann das so sagen würde - außer er hat enorm viel Selbstvertrauen. Huiui, mir schwant Übles...!
ich glaube, dass das ehr gut für diesen Erzähler passt, gerade auch, weil sie ja gar nicht so gut deutsch kann...

Allgemein würde ich vielleicht drüber nachdenken, ob es für den Leser einfach wäre, wenn du ihm den Hinweis gibst, ob es sich bei deiner erzählenden Person um eine weibliche, oder männliche Person handelt. Ich hing beim Lesen streckenweise etwas in der Luft
echt, war doch klar, dass da ein Typ spricht, obwohl es auch zwischen Frauen funktionieren könnte...

[QUOTEEr sagte, sie sei eine außergewöhnliche Frau. Die anderen nickten lebhaft und ein Lächeln huschte über die Mienen der Freunde.
Geht das überhaupt? Eine Miene ist doch selber ein bestimmter Gesichtsausdruck, oder?][/QUOTE]mm, für mich hört sich das richtig an, eine Miene als ein Gesichtsausdruck, der sich mit einem Lächeln überzieht...

viele Grüße in den Süden
Isegrims

später mehr zu den anderen Kommentaren

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber erdbeerschorsch

während ich das schreibe trinke ich die letzten Tropfen des russischen Wodkas, den ich seit zwei Jahren im Gefrierschrank verborgen habe. So ein richtiger Wodka, kein Industriezeug. Der schmeckt süßlich, wie Sirup und die winzigen Eisbröckchen schmelzen um Mund und verstärken noch die Wärme, die er in meinem Bauch hervorruft. Dieser Wodka ist aus Pieter. :)

Ich empfinde diese Geschichte gar nicht in erster Linie als eine Tschechow-Variation. Klar, da ist der Hund, die Frau und am Ende reist er ihr hinterher. Aber kein doppelter Ehebruch, stattdessen eine Geschichte über die verpasste Liebe, zart gehalten und wie ich meine, mit erzählerischen Mitteln geschrieben, die unserer Zeit besser entsprechen.

Jetzt zu deinen Anmerkungen. Du hast dich auf den Text eingelassen, das ist super, das freut mich und gibt mir etwas, fast wie der Wodka in meinem Bauch.

Der erste Absatz - da will ich mich gleich dem geschätzten Friedel entgegenstellen - hat mich eingefangen, ich habe ja ohnehin ein gefährlich unbekümmertes Verhältnis zum Plusquamperfekt, aber hier finde ich ihn nicht nur nicht störend, sondern schön. Klingt der Einstieg dadurch nicht geheimnisvoller? Mir erschient es so. Und da wäre dann allerdings gleich ein kleiner Kritikpunkt, den ich einschiebe: Das anfängliche Geheimnis wird mir zu schnell aufgelöst.
ich habe den Anfang behutsam verändert, die Zeitangaben etwas reduziert... Plusquamperfekt ist normalerweise echt nicht elegant, da hast du absolut recht, aber hier finde ich passt es gut... und die schnelle Auflösung: ich hatte das in der ersten Version viel langsamer, da war der Text 1/3 länger, war mir aber zu episch (wozu ich ohnehin neige) und deshalb habe ich radikal gekürzt...

Da hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn du mich länger hättest zappeln lassen.
siehe oben ;)

Aus der Ferne hörte ich eine Stimme: „Ikarus“, rufen
Mir gefallen ja in dieser Art eingebundene wörtlich Reden nicht besonders, vielleicht, weil es dann so klingt, als sei der Wortlaut ein Ding? Schöner fänd ich z.B.: "Aus der Ferne hörte ich eine Stimme rufen: „Ikarus!“
habe ich geändert, stimmt, was du sagst...

[QUOTEDieser verkehrte Satzbau hat mich auf die länge der Geschichte hin schon ziemlich gestört, das muss ich sagen. Falls du dich entschließen solltest, den aufzugeben, wäre das ja keine schwierige Sache, bzw. war es für ich auch nicht besonders schwierig, ihn mir wegzudenken. ][/QUOTE]mm, darüber habe ich lange nachgedacht... anfangs hatte ich korrekte Sprechsätze von Inna, habe das aber verworfen, weil es nicht authentisch ist und Inna trotz allem nicht dümmlich dadurch rüberkommt...

Ihr Tatarenblick traf mich und sie strahlte eine Energie aus, als wolle sie sich ohne Sattel auf ein Pferd schwingen und über die Steppe reiten.
Das fand ich ganz hübsch. Im weiteren Verlauf fände ich es dann aber noch besser, wenn sie mit der Assoziation, wenn sie dann unten wieder auftaucht, gar nichts anfangen könnte. Da heißt es ja:
super Hinweis; das habe ich geändert.

„Ich stelle mir Tataren vor, die mit wildem Blick über die Steppe reiten“, sagte ich grinsend.
„Haha. Ein wilder Blick, was du dir denkst. Und warum Tataren? Nicht viele Tataren gibt es noch. Warst du schon in Steppe? Da siehst du bis Horizont.“

Das ist hübsch. Die Stelle könnte mir allerdings noch besser gefallen, wenn sie etwas knapper wäre, etwa so:
" „Ich muss weiter“, sagte ich völlig grundlos.
„Ich bin jeden Tag hier.“
habe ich geändert

„Machen Sie eine Kur?“
„Nein, nicht richtig.
Mehr von solchen ungewöhnlichen Formulierungen, die aber nicht falsch sind, wären doch eigentlich viel schöner, um anzuzeigen, dass sie deutsch nicht völlig perfekt spricht, als es die umständlich falsch gebauten Sätze sind...
bisschen geändert habe ich die Dialoge, aber ganz ohne Verb kann ich das nicht wiedergeben und das spricht sie eher am Ende des Satzes...

Sie hatte diesen Schmollmund wie Angelina Jolie in Tomb Raider.
Aus
irgendeinem Grund gefallen mir solche Vergleiche mit Figuren aus dem Film meistens nicht. Etwas anderes wäre es, wenn sie zusammen ins Kino gingen oder so, dann hätte der Vergleich einen Aufhänger. Aber so aus dem Nichts - ich weiß nicht, warum ausgerechnet Angelina Jolie und ausgerechnet dieser Film? (Dazu kommt, dass ich mit den meisten Vergleichen kein Bild verbinde, weil ich die Filme dann alle immer nicht kenne...)
ja, da sagst du was... ich finde das ist ein gutes Stilmittel. Man kann ja Seiten damit füllen jemanden mit langweiligen inneren Monologen zu charakterisieren, wie es Tschechow noch gemacht, aber hier habe ich es mit einem Vergleich probiert, assoziativ, damit will ich einerseits die erotische Ausstrahlung und andererseits die Stärke Innas zeigen, Und das mit ein paar Wörtern. Ich finde das ich eine gute Möglichkeit, solange es nicht exzessiv genutzt wird. Gibt eine zweite Stelle im Text, die so ähnlich ist und sie mit der Netrebko vergleicht...

Zitat von Isegrims Beitrag anzeigen
„Scheiß Geschichte. Entschuldige den Ausdruck.“
J, schon, mir geht sie aber nicht so richtig nahe. Eventuell zwischendurch etwas Erzählung einfügen? Der Dialog ist so kurz, das reicht mir nicht, um mitgerissen zu werden. Durch mehr Erzählung könntest du die verstereichende Zeit dichter werden lassen.
habe ich geändert:
Ich wollte nachfragen, die Details wissen, schwieg aber, weil das Strahlen ihrer Erscheinung erlosch. Die Luft entwich aus ihr wie aus einem Ballon. Sie sackte in sich zusammen und schaute zu Boden.
„Scheiß Geschichte. Entschuldige den Ausdruck.“

Die Sonne brannte auf uns herab und ein Schweißtropfen floss ihr in den Mund.
Iiiiih! Klar, ihn ekelt das nicht, das kann ich schon nachvollziehen. Aber den Leser vielleicht? Eis mit Schweiß - klingt irgendwie nicht so lecker.
er findet das nicht eklig :D:Pfeif:

„Du hast Wein und Kaffee zu Hause?“, fragte sie mich.
Aber sie trikt doch keinen Kaffee!!
oh je stimmt, habe ich Tee draus gemacht
jetzt so:
„Was möchtest du? Kaffee oder Tee?“
Sie schaute mich verwirrt an, als dächte sie an etwas anderes.
ihr verstecktes Begehren verwirrt sie

Ich sehe ihn bisher noch nach ihrer Haut suchen, das ist in der Position schwierig. Vielleicht sollte sie mit einem anderen Kleidungsstück anfangen?
das mit der Hautsuche ist weg, aber sie fängt genau so an, ist sehr intim, und erotisch wie sie ihn entblättert...

Sein Kopf war fast waagrecht zur Straße
Das kapier ich nicht ganz. Der Kopf ist doch rund. Ja, ok, rund auch wieder nicht, aber du verstehst, was ich meine?!
Bechterew, aber den Satz ändere ich noch

Ich habe den Eindruck, das liegt hauptsächlich in den Dialogen. Die bringen nicht an jeder Stelle etwas vorwärts, finde ich. Für meinen Geschmack könnte man die raffen (und vielleicht ruhig stattdessen zwischendurch auch da mal was Atmosphärisches erzählen).
mm, muss ich drüber nachdenken... echt? noch mehr Atmosphäre

toller Kommentar:Pfeif:
lieben Dank und viele Grüße
Isegrims

geht bald weiter

 

viele Grüße in den Süden
... in dem es leider dieser Tage alles andere als südlich ist :sad:

dafür, dass du nur kurz Zeit hast, sind es ziemliche viele Anmerkungen
Ja, das stimmt. Ich hoffe, ich hab' dich nicht vollgelabert ;)

der Hund ist schon wichtig, auch seine Beschreibung, ist er doch gewißermassen auch das alter ego des Erzählers...
Ja, das stimmt natürlich. Ich hatte beim Lesen nur stellenweise das Gefühl, dass der Hund und dessen Beschreibungen (soll nicht böse klingen!) manchmal wichtiger sind als die Geschichte. Für den weiteren Verlauf sind sie natürlich superwichtig, ich dachte nur, vielleicht könntest du sie ein wenig auseinander ziehen und mal hier und da einfließen lassen, sodass man beim Lesen nicht das Gefühl bekommt, dass du erstmal alle Personen der Reihe nach vorstellen willst, um dann mit der Handlung zu beginnen. War aber nur ein klitzekleiner Gedanke... bekanntlich trägt ja auch nicht jede Änderung zu einem höheren Niveau bei.. Huhu:lol:

gerade diese kleinen Details, da habe ich mir was bei gedacht, da wollte ich sie indirekt beschreiben... ein Stilmittel, das ich neu für mich entdeckt habe und glaube ich einiges bringt...
Supi! Gleich eine Diskussion, das finde ich immer gut. / Für mich gibt es da immer einen gewissen Spielraum in dem man sich bewegen kann. Mir hat die Stelle auch gefallen, wahrscheinlich gerade weil es so indirekt beschrieben ist, nur kam es mir ein bisschen zu 'erzählt' vor. So im Nachhinein würde ich aber auch sagen: Lass sie drinn, das hat echt was!

So, diesmal war's wirklich nur kurz...
Viele Grüße,
SCFuchs

 

Oh je: ich bin etwas in Verzug mit der Beantwortung der Kommentare und will auch unbedingt ausführlich antworten...

Lieber zigga

hat mit gut getan, dein Kommentar :Pfeif: vielen Dank :thumbsup:
[QUOTEFür mich ist dieser Text auch "russisch" - ich habe jetzt länger drüber nachgedacht, wieso ich das so empfinde, mhm, die Erzählart, die Art, wie die Welt beschrieben/gezeigt wird, ][/QUOTE] ja, das wollte ich rüberbringen, diese russische Wehmut und Melancholie, da passt es im Park zu spazieren und Pieter sowieso, Sankt Petersburg ist die russische Sehnsuchtsstadt, viel mehr als Moskau...

Also Sprache, Feeling, das fand ich alles super, einzig, was mich etwas gestört hat, also wirklich nur so ein klitzekleines bisschen, war die Inaktivität oder Passivität deines Prots.
so ist der, so ein unentschlossener, einer, der irgendwie durch den Wind ist... wäre er "russischer", männlicher, hätte er Inna auch vielleicht bekommen können, so wie der ist, schafft er es grade mal so nach Sankt Petersburg zu reisen, um Inna zu finden, macht das aber nicht mit großer Energie, klingelt nicht an der Tür, besucht Museen und all das..

wieso sie eigentlich ganz positiv darauf reagiert? Ich hätte von einer Frau wie ihr eher erwartet, dass sie es liebt und auch braucht, dass der Mann in bestimmten Situationen einfach mal Klartext redet oder die Sache in die Hand nimmt, und nicht so ... ja "feige" ist. Findet sie das wirklich okay oder sogar attraktiv?
sie freut sich ihn zu sehen, mehr aber auch nicht, sie vertröstet ihn auf eine Zukunft, die es nie geben wird, sie weiß ja, dass er feige ist und es ist ihr ganz recht, glaube ich... sie könnte ihr Leben nur verändern, wenn einer mit mehr Mumm käme...

[ber das ist bloß eine Kleinigkeit, so ein Gefühl, das ich beim Lesen hatte und dir mitteilen wollte. Ist ein sehr schöner Text, Isegrims.
/QUOTE]:Pfeif:

viele Grüße
Isegrims

bald m ehr zu den anderen Kommentaren

 

Hallo Isegrims!

Ich muss noch schnell etwas loswerden, auch, weil Friedrichard mich noch mal darauf aufmerksam gemacht hat, dass dein Prot schüchtern ist. Ja, er ist schüchtern, das habe ich natürlich auch schon beim Lesen deiner Geschichte verstanden, ich finde ihn auch nicht unsympathisch oder banal, aber hätte dein Prot einfach ein bisschen mehr Biss, würde er ganz andere Handlungsstränge aufreißen, die für mich als Leser deine Geschichte noch interessanter gemacht hätten - das geht in die Richtung von barnhelms Kommentar, wenn sie sagt:

Und da ist mir dein Plot dann doch am Ende zu simpel gestrickt: Sie lernen sich kennen, verlieben und lieben sich, sie reist ab, der Kontakt wird weniger, er reist ihr nach und sie treffen sich wieder. Doch sie kann/möchte nicht mit ihm kommen.
Da ist kein Haken im Verlauf, da ist keine Spannung im Geschehen, kein wirklich spürbarer Konflikt, alles plätschert so dahin
Bei Tschechow steckt ja die Brisanz darin, dass der gelangweilte Gutrow erst nach der Trennung der beiden bemerkt, wie sehr ihn die Begegnung bewegt, wie sehr er sich verliebt hat und Anna deshalb nachreist.

Ich persönlich, für meinen Lesegeschmack, würde nicht sagen, dass dein Text konfliktfrei oder übermäßig dahinplätschernd wäre, aber meine Figurenkritik war in die Richtung gedacht, wie es auch barnhelm anmerkte: Hätte deine Figur mehr Biss, hätte der Plot auch mehr Tragik, es würde deinen Prot noch mehr zerreißen, als wenn sich die Beziehung einfach so "auseinanderlebt", und er hat ja eh nichts dagegen bzw. dafür getan.

Wollte ich nur noch mal klarstellen! :D

Nichtsdestotrotz ein schöner Text, hab ich ja schon gesagt.


Grüße
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe barnhelm

herzlichen Dank für die Zeit und die Auseinandersetzung mit dem Text ... und natürlich für die hilfreiche Kritik :Pfeif:

Diese harten syntaktischen Brüche mögen ja irgendwie authentisch sein, stören für mein Empfinden aber den Sound und die Melodie des gesamten Textes. Im RL wird so etwas ja immer durch Stimme, Mimik und Gestik gemildert.
mm, das haben die meisten gesagt und dein Argument ist gewichtig... ich fände es halt unglaubwürdig wenn eine Frau, die vor vielen Jahren zuletzt in Deutschland war, wirklich absolut korrektes Deutsch spricht, aber ich werde das, glaube ich, ändern, zumindest abmildern, das stört ja jeden bisher und druchbricht zu sehr den Sound der ganzen Gerschichte...

[Und dann natürlich: Du begibst dich ja selber in den Vergleich zu Tschechow. Und da ist mir dein Plot dann doch am Ende zu simpel gestrickt: Sie lernen sich kennen, verlieben und lieben sich, sie reist ab, der Kontakt wird weniger, er reist ihr nach und sie treffen sich wieder. Doch sie kann/möchte nicht mit ihm kommen.
Da ist kein Haken im Verlauf, da ist keine Spannung im Geschehen, kein wirklich spürbarer Konflikt, alles plätschert so dahin, wirkt letztendlich auf mich noch betulicher als eine Novelle des 19. Jahrhunderts. /QUOTE] mm, ich wollte mich keine Nachahmung Tschechows, die Npvelle von Tschechow dient mir als Folie und ich denke, dass moderne Menschen, man kann darüber denken wie man will, sich eher so verhalten, wie ich es beschreibe,..

[QUOTEÜber Innas Innenleben erfahre ich nichts und auch die Gedanken und Gefühle deines Protagonisten bringst du mir – wenn überhaupt – nur sehr indirekt nahe.]

ja, genau das mache ich, ich wühle nicht im Seelenleben der Protagonisten, mag auch diese ellenlangen inneren Monologe zhur Erklärung der Seelenzustände überhaupt nicht, da sind wir erzählerisch weiter als die Autoren im 19.Jahrhundert und ich versuche es mit anderen Mitteln, durch Handlung, durch Gesten, Dialoge...

Solche Innensichten fehlen deiner Geschichte. Mag sein, dass du reduzieren wolltest, nur das äußere Tun deiner Personen beschreiben, dem Leser die Deutung überlassen. Dann aber würde ich gerne in oder aus den Handlungen der Personen ihre Befindlichkeit erkennen. Ich kann nicht erfassen, wie stark die Begegnung mit Inna in ihm nachwirkt, weiß noch nicht einmal genau, warum er sie eigentlich sucht. Er scheint ja akzeptiert zu haben, dass sie sich immer weiter von ihm entfernt.
ich meine, der macht doch schon ziemlich viel für seine Verhältnisse, fliegt nach Pieter wegen einer Frau, die er dreimal getroffen hat, mit der er einen One-Night-Stand hatte, das wirkt alles nach... sie verspricht ihm, zu ihm zu kommen und kommt nicht, sein Leiden ist gedämpft, aber spürbar...

Warum sie mir von dem Frosch erzählte, den sie getötet hatte, verstand ich nicht. Ihre Eltern hatten ihr verboten, ihn in die neue Wohnung mitzunehmen. Sie hatte ihm das Genick gebrochen und im Garten begraben. Kurz nachdem ihre Worte verklungen waren, lachte sie wieder, gutgelaunt und mitreißend.
Hier konfrontierst du den Leser mit einer anderen Inna. Aber das verliert sich wieder, verschwindet, als hätte sie es gar nicht gesagt. Oder möchtest du hier einen Schlüssel zum Verständnis von Innas Handeln am Schluss liefern?
ja, so wie sie den Frosch tötet, löst sie sich auch von Viktor...

Mir gerät da manches sprachlich und inhaltlich ein bisschen zu opulent, zu sehr zur Glanzpapierwelt, über die man zudem mit einem Weichzeichner gegangen ist. Eine typische Isegrims-Geschichte eben.
bisschen Opulenz muss sein :hmm:, da kann ich mich nicht immer zurückhalten...

Toller Kommentar, vielen Dank:thumbsup:

liebe Grüße
Isegrims

wird fortgesetzt

 
Zuletzt bearbeitet:

hat's erkannt
Ja, er ist schüchtern, das habe ich natürlich auch schon beim Lesen deiner Geschichte verstanden, ich finde ihn auch nicht unsympathisch oder banal, aber hätte dein Prot einfach ein bisschen mehr Biss, würde er ganz andere Handlungsstränge aufreißen, die für mich als Leser deine Geschichte noch interessanter gemacht hätten
,

liebe Isegrims,

der/die Schüchterne (manche bringen sie mit Ängsten in Verbindung, i. d. R. anerzogenen, auf jeden Fall "erfahren") ob nun ängstlich, furchtsam oder nicht, er/sie ist auf jeden Fall kein Draufgänger und wirkt eher bedächtig. Denkt also mehr, als etwa der Sponti, dass man unterstellen kann, dass er/sie die Worte behutsamer wählt als andere, also auch mit Worten umgehen kann. Wäre es da verwunderlich, wenn Viktor - der Sieger - sich ein Fell aus Selbstironie überzöge und die Welt durch Ironie verzückte? Er muss ja nicht gleich den bissigen Hund abgeben und Ikarus beißen ...

Gruß von

Häuptling Schnauf- und Schniefnase,

der sehr traurig wäre, wenn der kleine Ikarus - dem Springinsfeld der Geschichte - gebissen würde, selbst wenn dem Chief Hunde erst ab 50 cm Schulterhöhe richtige Hunde sind, aus sehr persönlichen Gründen - weil er sich halt nicht gerne bückt und schon gar nicht buckelt

 

Hi Kubus

wenn ich deinen Kommentar so lese, spüre ich fast dasselbe, das ich auch beim Schreiben der Geschichte empfunden habe... drin sein, es fließen lassen, russische Wehmut und Melancholie... freut mich sehr, dass ich dir das vermitteln konnte, dass du das im Text gefunden hast...

[aber Bad Homburg ist nur ein leerer Begriff für mich. dann dachte ich, vielleicht liegt es an der Parkatmosphäre, die dort geschildert ist, /QUOTE]Bad Homburg liegt zwar hier in der Nähe, aber dort in der Spoielbank haben der deutsche Kaiser, der russische Zar und eben auch Dostojewski gezockt... insofern ist es genau der richtige Ort für diese Geschichte...

noch in Bad Homburg bekommt das Läuten einer Glocke eine Bedeutung, die sie nicht mehr in vielen Ländern hat, die bei den russischen Meistern aber immer wieder auftaucht.
ick hab ma inm Berlin jewohnt, neben einer Kirche, die habe ich och gehört... aber klar, Kirchenglocken haben eine Bedeutung, das ist eine Reminiszenz...

[QUOTEdiese sehr eigene Welt des Russischen ist gut eingefangen, viel, aber mir nich zu viel, und das gefällt mir halt sehr gut. ich liebe Tschechow und Dostojevski, Gogol und Puschkin. die Erzählungen und Novellen der alten Meister. ]

kann ich dir nur zustimmen

aber es spielt auch keine echte Rolle für mich, außer dass es spannend ist, zu sehen, was du daraus gemacht hast. eine famose Geschichte, mit ganz eigenem Leben gefüllt, nem tollen Titel als Eintrittskarte in diese hervorgehobene Alltäglichkeit, diese edle Liebesgeschichte ohne echten Schmerz, voller Respekt für sich und das Leben. hat für mich insgesamt fast was Märchenhaftes,
o my god, wie schön du das sagst :shy::Pfeif:

ganz lieben Dank
und viele Grüße nach Leipzig und an die slawische Gemeinde dort
Isegrims

bald geht es weiter

 

Lieber Friedrichard

schön, dass du noch mal reingeschaut hast :Pfeif:

und dass es gelingt, alte Geschichten nicht nur aufzuwärmen, sondern zu einer anderen, späteren, sich fortschrittlicher nennenden Zeit auferstehen zu lassen. Ich hab mir jetzt den Text nochmal ins Eingabefeld kopiert und geh ihn abermals durch mit der Nagelfeile, was sicherlich nicht schaden kann. Schau'n wir mal und sieh das Meiste bestenfalls als Vorschlag an.
die Nagelfeile also, okay, einige von deinen Vorschlägen machen den Text runder, glaube ich, und ich habe sie übernommen

Erweiche Dein Hez und lass die Dame korrekt reden, der "Akzent" lässt doch dem Leser Freiraum, seine eigene Erfahrung (selbst mit Russlanddeutschen geht das und mein polnischer Freund kommt wie ich aus einfachsten Verhältnissen und radebricht gelegentlich, die Satzstellung ist aber überwiegend in Ordnung.) einzubringen und den Klang selbst erzeugen.
da habe ich mich lange dagegen gewehrt, weil ich es für authentischer hielte, das gebrochene Deutsch wiederzugeben, aber ich hab es jetzt behutsam angegloichen, nicht jeden syntaktischen Fehler ausgebessert, aber doch vor allem die Satzstellung korrigiert, zB so:
„Ich Ihnen ja gesagt habe, dass ich jeden Tag bin hier. Ikarus braucht das.“
„Nein, nicht richtig. Einfach ausruhen und nachdenken.“
„Worüber denken Sie nach?“
„Alles Mögliche denken.“
„Ich trinke keinen Kaffee, aber können wir essen gehen.“
„Kannst du dir vorstellen, Vitja? Seit ich in der Stadt bin, ich esse immer alleine.“
besser so?

Anmerkung für @zigga: Der Mann ist schüchtern, scheut wie ein Reh. Und wer hätte je gesehen, dass ein Reh zur Attacke bliese? Die Funktion des Hundes als Vermittler (als Hundehalter lernt man jede Menge Leute kennen, die einen oder die man selber nie unter anderen Bedingungen angesprochen hätte.) Da passt dann wie die Faust aufs Auge
ja, ohne Hund hätte der sie gar nicht ansprechen könne, das ist klar.

Ich hatte vor kurzem wg. Todesfall im kath. Zweig der Familie, dreimal innerhalb von sechs Wochen den kath. Ritus mitzuerleben und hatte dabei den Eindruck - Kirche und Leichenhalle waren immer gut gefüllt - dass es manchem Katholiken die einzige sportliche Betätigung ist ...
na ja, spielen nicht auch manche Fußball? :lol:

viele Grüße aus dem düsteren Taunus
Isegrims

wird bald fortgesetzt, danke euch herzlich für die tollen Kommentare :thumbsup:

 

na ja, spielen nicht auch manche Fußball?
:( Nee, die nich'!, nicht weil's gerade mal nieselt (muss mal gucken, wie da die Verwandtschaft zum Niesen ist.

Ja, da hastu

behutsam angegloichen
Möglich wäre ja auch, die Freiheiten der dt. Sprache durch das schematische SPO zu ersetzen, Klammern auszuschließen.


Schöne Woche wünscht der

Friedel,
der nicht bange ist, noch mal durchzuschauen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo SCFuchs

noch mal was zu deinem zweiten Kommentar :D
ich finde es klasse wie intensiv du dich mit dem Text (und überhaupt mit allen Texten, die du kommentierst,) auseinandersetzt :thumbsup:

viele Grüße in den Süden
... in dem es leider dieser Tage alles andere als südlich ist
na ja, dafür gibt es bei euch bestimmt bald so weißen Staub

Ich hatte beim Lesen nur stellenweise das Gefühl, dass der Hund und dessen Beschreibungen (soll nicht böse klingen!) manchmal wichtiger sind als die Geschichte. Für den weiteren Verlauf sind sie natürlich superwichtig, ich dachte nur, vielleicht könntest du sie ein wenig auseinander ziehen und mal hier und da einfließen lassen, sodass man beim Lesen nicht das Gefühl bekommt, dass du erstmal alle Personen der Reihe nach vorstellen willst, um dann mit der Handlung zu beginnen.
mm, ich denke, dass eine längere Geschichte bisschen "Fleisch" braucht und man das Tempo schon durch Beschreibungen bewusst verlangsamen kann, den Blick des Lesers abwenden und wieder zurücklenken. Wobei der Hund schon eine wichtige Funktion in der Geschichte hat. Über die Anordnung denke ich nach, für mich passt das aber.

liebe Grüße und guten Start in die Woche
Isegrims

wird fortgesetzt

 

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