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In Monets Garten

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08.08.2002
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In Monets Garten

Es war noch früh am Morgen. Das kleine schmiedeeiserne Tor stand offen und Leona konnte einfach nicht widerstehen. Sie betrat, vorsichtig jedes Geräusch vermeidend, den Garten. Beinahe ehrfurchtsvoll beschritt sie den schmalen Weg, welcher sich durch ein farbenfrohes Blütenmeer schlängelte. Lilien, Vergissmeinnicht und Margeriten streckten sich ihr entgegen. An manchen Stellen, des mit Kies bestreuten Weges, brach Löwenzahn ungeduldig durch den Boden. Leona tauchte mit allen Sinnen in diesen Garten ein, atmete den Duft der Rosen und berührte vorsichtig deren noch schlafende Knospen. Sonnenstrahlen umhüllten den aufsteigenden Morgentau und wärmte die zwitschernden Vögel, welche in einem kleinen Steinbrunnen ihr Morgenbad nahmen.

Leona ging auf die, in einem Bogen geschwungene Brücke zu. Sie fühlte wie einfach und leicht das Leben hier war. Ihre Gedanken schwebten mit den summenden Bienen über den Klee, wurden gleichsam von ihrer Schwere erlöst. Am höchsten Punkt des Brückenbogens hielt sie an und ihr Blick verlor sich in unzähligen Nuancen von Grün, warmen Gelb- und Orangetönen. Leuchtendes Lila, zartes Rosa und ein wenig Violett vollendeten das, von der Natur kraftvoll gemalte Bild.

Mit einer fast selbstverständlichen Klarheit betrachtete sie die Fülle um sich, wurde selbst Teil des Gemäldes indem sie sich im Wasser des Teichs spiegelte. Der sehnsuchtsvolle Blick in unendliche Weiten hatte hier jeden Sinn verloren. Beinahe liebevoll schwappten kleine Wellen in sanftem Gleichklang gegen einen alten Holzsteg. Weiße Seerosen und Wasserlilien schwammen im Teich, verbargen den Blick auf den dunklen, moosbedeckten Grund. Sie lehnte sich selbstvergessen über das Brückengeländer. Dem feuchten, von der Sonne erwärmten Holz entströmte der wundersame Geruch lieb gewordener Kindheitserinnerungen. Leona fühlte sich behaglich. Zu sein, war hier genug und sie sah, dass alles gut war. Die ganze Welt und sie selbst versanken in befreiender Bedeutungslosigkeit. Sie lauschte. Irgendwo verlor sich das Gurren einer Taube in der Stille des Gartens.

Von der Sonne ein wenig erhitzt, schlenderte sie in den milden Schatten eines Magnolienbaumes. Sie zog ihre Schuhe aus und berührte mit den nackten Füßen das kühle Moos. Ein behagliches Gefühl durchströmte ihren Körper. Sie lauschte der leisen Musik des Windes und dem Zirpen der Grillen. Im stillen Einklang mit der Natur legte sie ihre Kleider ab und fühlte sich behutsam in den harmonischen Rhythmus der Melodie ein. Alles Denken entglitt schwerelos wie zart schimmernde Seifenblasen. Die Sonne suchte den Weg durch das Blätterdach und streichelte ihre Haut. Welch ein Genuss, welch ungeahnte Freiheit. In diesem Moment wurde ihr bewusst bereits alles zu besitzen, nichts mehr zu begehren.

Behutsam spielte der Wind mit den hängenden Zweigen der Trauerweide, leise raschelten die zarten Blätter. Ein Reiher glitt auf den Teich hinab und ließ sich am Rand des Schilfs nieder. Leona bestaunte seine würdevolle Bewegungslosigkeit, die sanfte Wachsamkeit in seinen Augen und spürte worauf es ankam. Dieser kurze Augenblick der Demut vor dem Leben, befreite ihre Liebe, erlaubte ihr zu atmen, sich auszubreiten.

Ein leiser Windhauch strich über ihren Rücken, erinnerte sie sanft daran, dass sie in den Zauber eines fremden Gartens eingetaucht war. Ohne Eile spazierte sie durch ein Beet mit duftendem Wiesenlavendel, zerrieb seine Blüten zwischen den Fingern und atmete den Duft ein. Dann nahm sie lächelnd ihre Kleider auf, zog sie an, ohne auf deren angemessenen Sitz zu achten. Die Schuhe trug sie in der Hand und schlenderte gemächlich über die Brücke zurück zum Gartentor. Die schmiedeeiserne Türangel quietschte leise. Sie brauchte sich nicht nochmals umzusehen als sie hinaus in den Alltag trat. Das Bild intensiver Farben hatte sich bereits unauslöschlich in ihre Seele gemalt.

 

Ja, 13en, ähnlich sehe ich es auch.
,Man muß ja zeigen, dass man was von Kultur versteht.'
Der Satz steht für alles.
Die Meisten sehen es leider so.
Also braucht man Monet, um sich eine ,wirkliche' Blumenwiese vorstellen zu können. Die anderen Wiesen sind eh schon zubetoniert.

Schön, Eva, wenn du bei den Ameisen liegst, in deinem Park. Schreib was darüber. Ich bin neugierig.

Liebe Grüße - Aqua

 

Hallo Lord,

Weisst Du Ben, es fiele mir schwer, sagen zu wollen, was Monet in seinen Bildern wirklich WOLLTE(zumal er tot ist, und ich ihn nicht mehr darüber befragen kann)
Sicher ist aber für mich, dass alles was man sieht, eine innere Entsprechung auf Emotionaler Ebene hat, sei sie nun immanent oder kognitiv.
Wenn mich etwas zum Malen reizt, als Motiv, dann finden meine Betrachter oder Käufer darin meist viel mehr, als ich beabsichtigt hatte, als ich es malte... das liegt im Persönlichen Umgang mit einem Bild verborgen und hat mit Vergleichbarkeiten zu tun.

Klar, kann sein, dass Monet nur schöne Landschaften malen wollte, und überinterpretiert wird. Aber die Tatsache ist doch, daß seine Landschaften sehr viel anders, als vorherige aussehen. Ich behaupte mal, diese Unterschiede kommen nicht von ungefähr.
Daß Malen nicht "beschreiben" ist, müsste aber auch Dir klar sein.
Übrigens, wenn Du Monet nicht selbst zu seinen Werken befragen konntest, wie weißt Du dann überhaupt, das er mit seinen Bildern "Seelenzustände beschreibt"? (rhethorische Frage)

Das sollte man bei alledem niemals vergessen, dass Kunst in Auge des Betrachters entsteht und somit eine zutiefst SUBJEKTIVE Empfindung ist.

Die Auffassung, Kunst sei in der Rezeption in erster Linie emotional/persönlich, ist ein neuartiges Konzept, daß wir erst seit ungefähr Descartes und der evangelischen persönlichen Verbindung zu Gott kennen. Erst durch diesen Paradigmenwechsel wurde die Kunst von Monet, in der nicht nur Inhalt, sondern auch (persönlicher) Stil des Malers im Voredergrund stehen, überhaupt möglich. Nur weil es Kunst gibt, die unter so einem Verständniss der Rezeption geschaffen wurde, bedeutet das aber nicht, daß diese Art der Rezeption universell, oder die beste Art an ein Kunstwerk heranzugehen ist. Als Monet noch fleissig dabei war Wasserrosen zu malen, begann Marcel Duchamp schon Kleinholz aus diesem Kunstverständniss zu machen, indem er 1912 einfach ein Pissoir mit seiner Unterschrift ausstellte. Eine subjektive Ausseinandersetzung mit diesem Werk ist nicht möglich; man kann nicht einfach die Kloschüssel "auf sich wirken lassen". Man muss sich gezwungenermassen damit auseinandersetzen warum der Künstler sie ausstellt. Ob einem das Werk jetzt gefällt oder nicht, man muss interpretieren und argumentieren. Und genauso verhält es sich auch mit der meisten zeitgenössischen Kunst. Also nein, Kunst ist weder nur eine "Empfindung", noch entsteht sie nur im Auge des Betrachters, sondern auch da, wo jemand bewusste Entscheidungen trifft, entweder die Farbe blau, gelb, oder eine Kloschüssel auswählt.

Es ehrt Dich zwar, dass Du dir deiner Sache so sicher bist, aber eine gewisse, Besserwisserische Arroganz lässt sich da nicht leugnen. Also Vorsicht mit solcherlei Statements.
Besser wäre es zumindest klarzumachen, dass es sich hierbei nur um DEINE EIGENE Ansicht handelt.

Kann sein, dass ich mich anhöre, als wolle ich klugscheissen, aber ich kenne mich ganz gut in der bildenden Kunst aus, habe das auch mal studiert, und versuche wenigstens meinen Standpunkt schlüssig zu argumentieren, anstatt einfach zu behaupten Kunst wäre subjektiv.
Dass das, was ich schreibe ohnehin mein eigener Standpunkt ist, dürfte wohl eh klar sein. Wessen Standpunkt denn sonst?

Gruss,

I3en

 

@schnee-eule

Wenn es richtig sein sollte, dass Monet dies gar nicht wollte, sondern in wunderbarer Einfachheit die Menschen sehend machen wollte bis sie blind werden davon, dann müsste doch eine ganz bestimmte Stelle sehr konkret in dieses Gedankenbild passen:

" ... Mit einer fast selbstverständlichen Klarheit betrachtete sie die Fülle um sich, wurde selbst Teil des Gemäldes indem sie sich im Wasser des Teichs spiegelte. Der sehnsuchtsvolle Blick in unendliche Weiten hatte hier jeden Sinn verloren .... "

Eben weil die nahe Distanz alles zum Schauen bot, eine Farbintensität sondergleichen. Deshalb wurde es unnötig den Blick darüber hinaus in die Weite schweifen zu lassen.

Hallo,

Verstehe nicht ganz, was Du mit "nahe Distanz", etc. meinst. Klingt wiedersprüchlich.
Aber, dass Monets Bilder dem Betrachter den Prozess des Sehens bewusst machen, heisst eigentlich, dass das Bild fast dekonstruiert wird. D.h. Monet versucht nicht, wie viele Maler davor, eine Szene so perfekt und realistisch wie möglich abzubilden, sondern er "versteckt" durch dicke Pinselstriche gar nicht die Tatsache, dass er malt. Quasi als sage er nicht, "das ist ein Garten", sondern "das ist ein Garten, den ich gemalt habe". z.B. die Heuhaufen Bilden ergeben auch mehr Sinn, wenn man mehrere davon kennt, da es darum geht wie man die Dinge in verschiedenem Licht anders sieht. Gut, Deine Protagonistin hat Freude am sehen, und das ist auch alles schön und gut so. Natürlich soll man das auch bei Monets Bildern. Aber man kann eben noch weiter gehen. Das besondere an Monet, also dieser Zwiespalt Betrachtungsweise/Objekt der Betrachtung, kommt nicht zum vorschein. z.B.: der Satz

Leuchtendes Lila, zartes Rosa und ein wenig Violett vollendeten das, von der Natur kraftvoll gemalte Bild.
drückt das aus, was mich an deiner Monet Interpretation stört. Das Bild hat eben nicht die Natur, sondern Monet gemalt.

 

@ Ben.
da muss ich dir recht geben.
Ich hatte übrigens keine Ahnung davon, dass du dich soo gut mit Kunst(geschichte) auskennst.
Nee, für mich war bei Monet schon immer das faszinierende, dass er es schaffte, mit sienem Stil der bisherigen Schwere zu entfliehen und es schaffte das flirrende, lichte , oder auch schlicht das wesentliche einer solchen Bumenwiese einzufangen. das sprach mich schon immer an, und brachte innere vergleiche zum leben. Dies fand ich halt gut in Worten wiedergegeben.
Sorry, wenn meine Worte an dich bissel hart rüberkamen, als Klugscheisser sehe ich dich aber bestimmt nicht.
Es kam mir nur so unumstösslich absolut vor, was du da formuliert hast, und stimmte für mich halt nicht mit dem überein, was ich empfand, beim lesen.
l.G. Lord

 

Servus 13en!

Du verwendest ein Wort, welches erklären könnte,wo unsere zwar gleichwertige aber unterschiedliche Auffassung zum Geschriebenen herrührt, nämlich Interpreation. Ich habe nicht das Bild Monets zu interpretieren versucht, nicht einmal ansatzweise. Was ich mit Monets Bild gemacht habe, mache ich immer wieder auch mit meinen selbstgemalten Bildern.

Ich schau sie mir nach einer Zeit an, lass sie auf mich wirken und aus dem Hinschauen entstehen die Wörter. Diese Geschichten würden sich, schriebe ich sie Tage später neu, ebenso völlig verändern. Ich wollte überhaupt nicht auf den Maler selbst oder seine hinter dem Bild stehende Denkweise Bezug nehmen. Monet möge mir verzeihen - seine Person, das was er mit seinen Bilder bewirken wollte, war mir beim Schreiben egal. Er lieferte einen Griff in den Farbtopf und in meinem Hinsehen auf das Bild entwickelte es sich einfach, dass ein Mädchen den Garten betritt - aus, der Rest siehe Geschichte.

Meine einzige Bezugnahme war vielleicht die Zeit in der er lebte. Die hochgeschlossene Bürgerlichkeit und die Sehnsucht einer jungen Frau nach ein wenig Freiheit und Hingabe flossen vielleicht mit ein.

Kannst dich auf diesen Zugang zu einem Bild ein wenig einlassen?

Die nahe Distanz - damit meine ich folgendes: der Mensch ist manchmal verleitet, den Blick in die Ferne schweifen zu lassen, irgendwohin wo man real gar nicht lebt. Aber in diesem Garten, ist durch die Farbkraft und Intensität des Betrachtens der Blick auf das, in der nächsten Distanz liegende, das direkt Umgebende gelenkt. Es ist schon alles da was sie zum Atmen braucht.

Ich hätte große Freude, wenn du meinem Ansatz ein wenig näher kommen könntest. Vielleicht, wenn du Monet als Person rausnimmst und nur sein Bild selbst zurückbehältst als inspirierendes Rohmaterial. Wäre das eine Mölgichkeit für dich?

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Jetzt leuchtet dein Garten bitterrot, Eva.
Und nichts ist gesagt. Ich denke jetzt an den Mohn, der auch irgendwann verblüht. Ich muss mich sputen, zurück in meinen Park. Der will erzählen und ich will es zulassen.

Liebe Grüße, Freundin - Aqua

 

Servus Aqualung!

Der rote Mohn ermöglicht in seiner, sich in den Vordergrund drängenden Farbkraft, dem Landschaftsbild oft erst die tatsächiche Harmonie. Da braucht es keine Worte mehr, das Bild spricht für sich. Das Schweigen ermöglicht es manchmal dem Wind zuzuhören. Ich weiß nicht was danach kommen wird, denn Mohn verblüht sehr bald. Vielleicht Kornblumen oder der Weizen selbst? Ähren im Sonnenlicht? Es wird sich finden.

Lieben Gruß - Eva

 

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