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In einem besseren Leben.
In einem besseren Leben.
Nun, wo wir gemeinsam in der Blutlache stehen, ist es sehr überflüssig darüber nachzudenken, wie man es hätte verhindern können. Gewiss hätte es Wege und Möglichkeiten gegeben, alles anders ausgehen zu lassen. Oder zumindest woanders. Sollten wir uns stattdessen Gedanken darüber machen, ob das Blut aus unseren teueren Echt-Leder-Schuhen jemals wieder rausgeht? Sicher ist es ein etwas zynischer Gedanke angesichts der zwei Leichen vor uns. Für unsere Zukunft sehr viel entscheidender ist wahrscheinlich die Antwort auf die noch ungestellte Frage, wie wir das Blut und die Leichen aus dieser Wohnung bekommen. Schuhe können in die Waschmaschine gesteckt und bei Misserfolg entsorgt werden, aber dieser 35 Quadratmeter große Raum stellt ein anderes Kaliber an Herausforderung dar. Sicher ist nur, dass wir schlecht einen Reinigungsservice anrufen können. Denn wie Tomatensaft sieht dieses rote Meer nun wirklich nur bei einem goldenen Schuss Phantasie aus. Und diese Hirnmassespritzer an der Wand, zum Beispiel dort auf dem Aktfoto über der Designer-Couch lassen sich auch einem dummen Menschen kaum als „Essensreste“ verkaufen.
Oh ja, wir haben uns diesen Augenblick fragend angesehen, am Kopf gekratzt und still vor uns hin überlegt. Worte sind keine gefallen. Nach zehn gedankenreichen Minuten war uns allerdings durchaus bewusst, dass ein wenig mehr Eile unserem Leben gut tun würde. Hektisch begannen wir nach Utensilien zu suchen, die sowohl das Blut als auch die, wenn ich unserem Zynismus einmal Ausdruck verleihen darf, Spender desselbigen weniger auffällig sein ließen. Krimis hatten wir alle viele geschaut, wussten aber, dass die dort gezeigten Handlungen (Leiche zerschneiden und die Tiefkühltruhe legen, Leiche im nahegelegenen Baggersee versenken, im Garten vergraben, verbrennen, liegen lassen) allesamt, zumindest im Fernsehen, dazu führten, dass die Mörder, in der Realität also wir, entdeckt wurden. Wenn im Krimi jemand entkam, waren das immer Menschenhändler, um auch im Schluss des Filmes eine ordentliche Portion Sozialkritik unterbringen zu können.
Zuerst kümmerten wir uns mit Lappen, Eimer und Wasser um das Blut. Mit einer Pinzette und Haushaltspapier kümmerte ich mich zeitgleich um das verstreut an der Wand klebende Gehirn der als intelligent geltenden, nunmehr aber toten Frau. In der Stunde, wo aus Dämmerung so langsam Tageslicht wurde, sah das Zimmer fast wie neu aus. Unser Glück war, dass es Parkettboden und nicht Teppich war, der gereinigt werden musste. Trotz sehr viel scheuern sah dieser zwar immer noch etwas dunkler aus als zuvor, aber das fiel wohl nur auf, wenn man wusste, wonach man zu suchen hatte. Blieb noch das Problem der beiden nur aus Reinigungsgründen in den Flur verschobenen, mittlerweile erkalteten Körper. Wir waren uns einig, dass sie hier nicht liegen bleiben konnten. Und so blieb eigentlich nur meine Wohnung als temporärer Lagerungsort übrig, da sich diese ein einem abgelegen Viertel der Stadt befand, groß und geräumig war und über einen eigenen Zugang in einen eigenen Keller verfügte. Die Chance also, dass sie dort eine Weile liegen bleiben konnten, so lange nämlich, bis uns die rettende Entsorgungsidee kam, ohne entdeckt zu werden, war größer als in den Altbauwohnungen in der Innenstadt. Es gelang uns, die beiden Körper, zum Glück waren beide nicht sehr groß, ungesehen ins Auto zu hieven und so fuhren wir versucht unauffällig in die Randbereiche der Stadt. Auf einem Plakat, an dem wir vorbeifuhren stand „Er sah den Mädels hinterher, was dumm war im Berufsverkehr“. Das war Werbung für eine Serie im Privatfernsehen. Für einen kurzen Augenblick musste ich grinsen, genau solang, bis ich plötzlich merkte, dass der Schulbus, der eine Weile schon vor uns fuhr, anhielt. Und unser Aufprall war echt und vor allem heftig. In einem besseren Leben hätte mir mit Sicherheit irgendjemand gesagt, dass ich verdammtes Glück gehabt habe, diesen Unfall überlebt zu haben. In einem besseren Leben.
mnnn