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(Triggerwarnung: In dem Text werden die Themen Selbstmord und Schwangerschaftsabbruch angesprochen)
Im Glauben an eine bessere Zukunft
Schnell leere ich den letzten Rest aus meiner Bierflasche und stelle sie neben einen dieser orange-grauen Tonnen. Ich fresse alles.
Sie hat sich schon die blaue Sporttasche geschnappt und geht mit zögernden Schritten Richtung Hauptpforte. Ich hole sie ein und schaue ihr kurz die Augen - einen Blick auf die Angst des anderen. Noch bevor wir die Straße überquert haben, bekommen wir schon die ersten Beleidigungen entgegengeworfen. Sie hält die Augen gesenkt und läuft schnurstracks geradeaus weiter. Nicht, weil sie sich schämt, nicht erkannt werden möchte, oder weil sie Angst vor der Brutalität anderer Meinungen hätte, die sie nur allzu gut kennt. Sie hat ein völlig anderes Ziel. Aber ich muss einen Blick auf die Gruppe Demonstrierender werfen.
Höchstens zwei Dutzend Menschen. Die meisten von ihnen halten uns Schilder entgegen: Auch Föten wollen leben! oder Treibt endlich §219d ab! Auf einem Schild steht der Gruppen Name: Where’s Their Future. Ich lasse meinen Blick über ihre Gesichter schweifen; hoffe darauf, kein bekanntes zu entdecken - doch ein Paar Augen starrt mich erst aggressiv, dann erstaunt und schließlich wutentbrannt an.
„Emilia? Shawn???“
Emilia schnappt sich meinen Arm und reist mich nach vorne. Wir laufen zum Eingang der Klinik und stoßen dabei zwei, drei oder noch mehr Leute auf Seite.
Noch während sich hinter uns die Eingangstür schließt, höre ich Wiebkes laute Schreie: „Ihr Verräter! Ihr verdammten Verräter!“
„Da draußen ist ja wieder der Teufel los.“ Der Mann am Empfang schaut uns kopfschüttelnd an. „Man müsste meinen, nach 17 Jahren würde sich diese Gruppe endlich mal auflösen. Als ob die mit ihren Protesten etwas verändern würden… Soll ich euch beiden mal was sagen? Wenn es nach mir gehen würde, dann sollte man die DNA von Föten nicht nur nach den DP-Allen untersuchen, sondern auch nach Allelen, die Inkompetenz und Dummheit hervorrufen. Und dann sofort Abtreiben! Dann würden die wenigstens nicht noch Zuwachs bekommen… obwohl dann wahrscheinlich auch die Hälfte der Ärzte und Ärztinnen gar nicht existieren würden!“ Aus seinem Mund poltert ein tiefes Lachen und seine Hand klopft dazu den passenden Rhythmus am Tisch.
Ich versuche mir ein Lächeln abzuringen und presse dabei Luft au meiner Nase. Emilia spuckt ihm nur entgegen: SIE würden dann auch nicht mehr existieren. Zumindest sagt ihr Gesichtsausdruck das.
„Wir habe einen Termin!“ Sie legt ihre Hand auf den Scanner und ich folge ihrem Beispiel.
„Ohh, heute wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden deine Freundin?“ Er zwinkert mir zu, doch noch bevor ich Luft holen kann, um zu antworten, erwidert Emilia ihm:
„Ohhhh, heute wohl auf den Kopf gefallen, oder schon als Baby…“, und beugt sich vor, um sein Namensschild zu lesen, „… Maaark?!?“
Die beide starren sich einen Moment lang an; in ihren Augen liegt Abscheu, eine offene Herausvorderung. Mark blickt keine zehn Sekunden später nur noch auf den Bildschirm und schiebt sich in höchst anmutender, aber erzwungener Professionalität seine Brille hoch.
„Emilia Crépuscule und Shawn Aube?“ Er wartet auf keine Antwort. „Sie haben den Termin mit Frau Dr. Stimmer erst in einer halben Stunde. Sie beide können oben im Wartebereich auf sie warten. Mira begleitet sie hoch.“ Dabei winkt er eine weitere Pflegekraft herbei und schaut uns danach noch einmal an. Mit einem gekünstelten Lächeln verabschiedet er sich.
„Es tut mir leid, dass wir es dir nicht früher gesagt haben.“
Ich stehe in der Küche und versuche meinen Eltern zuzuhören. „Aber musstet ihr keinen Test machen lassen? Ich dachte, die DNA-Testungen sind Pflicht??“ Verwirrt blicke ich abwechselnd zwischen den beiden hin und her. Meine Atmung wird von Mal zu Mal schneller.
„Naja, eigentlich schon. Das stimmt… aber wir hatten den ein oder anderen guten Kontakt zu der ein oder anderen Person.“ Mein Vater lächelt mich gutmütig an.
„Und was jetzt? Die Regeln gelten doch nur für noch nicht geborene Kinder, oder?! Also nicht für mich, oder? Wer das Allel hat, aber schon geboren wurde, wird doch nicht auch…“
„Natürlich nicht!“ Er unterbricht mich und wird lauter; vielleicht aus Wut – oder aus Angst. „Das wäre doch Schwachsinn!“
„Das ganze Gesetz ist Schwachsinn!?“ Das weiß ich. Meine Stimme bricht kreischend ab und ich spüre das Blut in meinen Ohren pochen. Mir wird schwindelig – 13. Etage
Wie in Trance folge ich Mira aus dem Fahrstuhl, stolper über den ausgelegten Teppich und laufe beinahe in Emilia rein. Sie gibt mir einen festen Tritt gegen mein Schienbein.
„Reiß dich mal etwas zusammen!“, zischt sie.
„So da wären wir. Ihr könnt ruhig Platz nehmen oder draußen auf der Terrasse die Aussicht genießen. Frau Dr. Stimmer holt euch dann ab.“ Ein Lächeln und sie entlässt uns.
Wir stehen in einer großen Lounge, die gefüllt ist mit weichen Sesseln und Sofas. Eine große Fensterfront gibt den Blick auf die Terrasse frei, die eigentlich nur ein Balkon ist. Rechts und Links an den Wänden hängen große Plakate von bedeutenden Ärzten und Wissenschaftlerinnen:
Frau Dr. Stimmer, Chefärztin der Gynäkologie und Wegbereiterin für „Das Programm zur Vermeidung der Zeugung und Geburt von für Depressionen und ähnlichen Störungsbildern prädisponierte Kinder“
„Unsere Heldin.“ Emilia deutet auf das Plakat und geht dann ein paar Schritte darauf zu. Sie salutiert davor und verbeugt sich danach noch ironisch mit einer ausschweifenden Handbewegung.
Trotz meiner inneren Unruhe kann ich mir das Lachen nicht verbieten. „Ich denke, du solltest ihr noch einen Abschiedskuss von uns beiden geben.“
„Stimmt, ganz vergessen.“ Sie schaut sich einmal nach allen Seiten um – gähnende Leere – und gibt dem Papiermund dann einen herzlichen Kuss. Danach läuft sie zurück zu mir.
„Neidisch?“
„Neeiiin, ich doch nicht! Mein verkrampfter Magen kommt bestimmt nur vom Bier“, gebe ich neckend Antwort.
„Also…“ Es ist als hätte jemand ein Fenster geschlossen und die Sonne ausgesperrt, die Geräusche der Straße verbannt. Alles ist auf einmal so leer, vom einen auf den anderen Moment so ernst. „… wir halten uns ab jetzt genau an den Plan! Ich laufe rüber zur Toilette, deponiere die Tasche und bereite alles vor. Du wartest hier, sorgst dafür, dass mich keiner stört und falls Frau Doktorin und Heilsbringerin Stimmer kommt, beschäftigst du sie so lange, bis ich wieder da bin.“
Ich atme einmal tief ein und aus. „Ich weiß Emilia.“ Eigentlich würde ich sie gerne vorwurfsvoll anschauen und so etwas wie wir haben das doch schon tausendmal besprochen antworten. Sie würde augenrollend grinsen und… Aber ich kann nicht; weil mein Magen eben nicht nur wegen des verdammten Biers verkrampft ist. Noch einmal atme ich tief durch und umarme sie dann. Einfach so. Aus dem Nichts.
Die Sporttasche drückt sich wie ein Riegel zwischen uns.
Ich laufe in der Lounge auf und ab. Emilia ist erst seit zwei Minuten weg, aber ich werde jetzt schon wahnsinnig. Das Herz hängt mir in den Ohren und ich kriege keine Luft. Meine Füße tragen mich schließlich zur Balkontür. Dabei komme ich an einem Bildschirm vorbei, der an einer Wand befestigt ist und die nicht vorhandenen Wartenden unterhalten soll. Abwechselnd laufen News und Werbung:
11. September 53 n. CoV.: Heute vor 18 Jahren wurden die Depressionsprädispositionierten(DP)-Allele das erste Mal in Indien entdeckt // Das PVZGDP-Gesetz wurde vor 17 Jahren eingeführt - Doch die Selbstmordrate der 15-25 Jährigen sinkt nicht! Hat die Politik etwa doch einen Fehler gemacht? Wie schaffen wir es die Rate zu senken? // Stimmen in der Bevölkerung werden lauter: Sollte die radikale Gruppe „Where’s der Future“ verboten werden?
Meine Füße treiben mich weiter, raus aus der Lounge.
Draußen auf dem Balkon kann ich die Sonne auf der Haut spüren, wie sie mich langsam aufwärmt, in mir die Kälte zu lösen beginnt und mich endlich atmen lässt. Vor mir liegt die Innenstadt mit ihren riesigen Hochhäusern, in deren Fenster sich die Strahlen glitzernd spiegeln, während man die Menschen und das Getöse der Stadt so weit oben nicht wahrnehmen kann. Ich schlender zu einem Präteriskop, das an der Brüstung angebracht ist und vergesse für diesen einen Moment Frau Dr. Stimmer und die ganze Klinik. Genau dafür wurden die Dinger erfunden: Um das Hier und Jetzt zu vergessen. An der Seite befindet sich ein kleines Rädchen. Ich sehe durch das Okular und kann die Umgebung von vor 100 Jahren, 1000 Jahren, 500.000 Jahren… überblicken, sehe wunderschöne Felder und Bäche, wobei meine Gedanken noch viel weiter schweifen.
Neben mir sitzt Emilia auf einer Wiese. Wir planen mit den anderen von Where’s Their Future unsere nächste Demo. Alle meinen, die beste Idee zu haben, an welchen Plätzen man demonstrieren sollte, meinen, die Welt verändern zu können. Sie reden und reden. Dabei weiß ich jetzt schon, dass wir bis zum Sonnenuntergang wieder nichts hinbekommen haben werden. Das geht seit zwei Jahren schon so, seit ich dabei bin und wahrscheinlich auch schon davor. Emilia starrt irgendwo in die Leere, plant etwas geheimes. Während Wiebke wieder nur von der großen Revolution labert, aber eigentlich sogar Angst davor hat, von der Polizei beim Wildpicknicken entdeckt zur werden. Keiner versteht, dass man, um das System zu ändern, nicht nur die Möglichkeiten nutzen darf, die einem das System so nett an die Hand gibt… Außer Emilia vielleicht.
„Hey! Darf ich auch mal?“
Ich schrecke zurück. Vor mir nur noch die Betonriesen. Unfähig zu sprechen, reiße ich meinen Kopf herum und starre in die neugierigen Augen eines jungen Mannes. Kaum älter als ich.
Er kommt mit großen Schritten auf mich zu. Ich weiche zurück.
„Ich liebe diese Dinger! Hab bis heute keinen Plan, wie sie funktionieren.“ Schon presst er seine Augen an das Okular und dreht das Präteriskop in alle Richtungen. „Wow, einfach fantastisch. Ein Blick in die Vergangenheit. Manchmal bleibe ich extra stehen, nur um einen Blick zurück zu werfen.“
„Was…?“ Das ist das einzige, was ich aus meinem Mund bekomme.
„Ach, das ist nur so ein Zitat, das ich irgendwo mal aufgeschnappt habe. Sorry, ich bin Tristan.“ Tristan der Pseudophilosoph. „Und du bist…?“
„Shawn.“
„Shawn, und was bringt dich hier her?“
Ich starre ihn entgeistert an. „Na sicher nicht das schöne Wetter.“ Dabei hätte ich ihn am liebsten einmal fest geschüttelt.
Doch Tristan lacht nur und schaut nicht einmal auf. Er lässt seine Augen weiter ans Okular gepresst. „Sorry, dumme Frage. Was soll man schon in so einer Klinik. Meine Frau lässt gerade die Untersuchung unseres Babys bei Dr. Eggal machen. Wir hoffen natürlich beide darauf, dass das Ergebnis negativ ist, sonst… naja, aber man kann es ja wieder versuchen, ne? Eine spannende Phase.“
Doch die Wiesen durchs Präteriskop sehen für ihn anscheinend interessanter aus. Wie ein Roboter bewegt er es hin und her und scannt die Umgebung ab, in der ich nur hässliche Häuser aus Beton sehe. „Außerdem, wer will schon ein Kind bekommen, wenn’s mit hoher Wahrscheinlichkeit an Depressionen leiden und dann Selbstmord begehen wird. Da ist es ja auch meine ethische Pflicht als werdender Vater im Falle eines positiven Ergebnisses, die noch kommenden Leiden meines Kindes frühzeitig zu unterbinden.“ Mechanisch plappert er die Propaganda von Bresch’d nach. Der allgemein als größter Denker unserer Zeit gilt und natürlich Befürworter des Tötungsgesetzes ist, wegen ethischer Verantwortung.
Ich kotze in Gedanken und taumel zurück zur Tür. Versuche mich in der stickigen Luft der Lounge zu beruhigen. Ein aussichtsloser Versuch. Einmal ein- und tief ausatmen. Es hilft alles nichts.
Für nur 4999€ raus ins Weltall – denn dort draußen wartet mehr!
Ich springe zur Seite, stolper über meine eigenen Füße und falle längs auf den Boden… Reiß dich mal zusammen höre ich Emilias Stimme in meinem Kopf. Nur ein verdammter Bildschirm mit Werbung.
Während ich mich aufraffe, versuche ich meine Gedanken zu ordnen. Ein Blick durch das Fenster auf den Balkon verrät mir, dass Tristan nichts von meiner Balletteinlage mitbekommen hat. Er beobachtet immer noch die Wiesen mit Dinosauriern oder sonst was drauf; blendet beim Stehenbleiben und Zurückschauen die Realität aus – und die Zukunft.
„So da bin ich schon. Sie müssen Herr Aube sein? Ich hoffe, ich spreche ihren Namen richtig aus?“ Ein Herzinfarkt jagt den nächsten. Noch bevor ich etwas antworten kann, schüttelt mir Dr. Stimmer kräftig die Hand. Sie hat sich aus dem Nichts an mich herangeschlichen. „Und ihre Lebensgefährtin Frau Crépuscule…?“ Sie schaut sich irritiert in der Lounge um.
„Ja genau…“, stammel ich schnell. „Sie musste noch zur Toilette.“
„Ah, na gut. Was raus muss, muss raus, wie ich immer zu sagen pflege.“ Dabei lacht sie mir herzlich entgegen. Ihre Augen sind tot.
Ich kann es nicht. Kann den verstörten Ausdruck in meinem Gesicht nicht vermeiden. Das erste Mal empfinde ich keine Zweifel mehr an dem, was Emilia und ich hier tun.
„Das war nur ein kleiner Scherz.“ Sie klopft mir heiter auf den Arm – ich zucke zurück. Doch das bemerkt sie gar nicht und redet einfach weiter. „Am besten wir warten hier auf ihre Freundin. Der Weg zu meinem Büro ist nicht ganz einfach zu finden… Sind sie eigentlich beide aus Frankreich?“ Smalltalk, das kann Frau Dr. Stimmer. „Das soll gar nicht verurteilend klingen. Ich meine nur wegen ihrer Nachnamen.“ Unsere Nachnamen waren Emilias Idee gewesen. Ich fand sie von Anfang an zu auffällig. „Sie können mich übrigens einfach Andrea nennen. Das macht es etwas persönlicher.“
Na dann: „Sie könne mich auch ruhig…“
„…Shawn nennen. Mach ich gerne. Ein auch recht seltener Name, oder? Sie sind wie all meine Kunden wohl etwas ganz besonderes.“ Sie hat einen Schlaganfall oder so etwas, ganz sicher. Unsinnige Sprache, verkrampftes Gesicht, starrt halb an mir vorbei nach draußen ins Sonnenlicht.
„Patienten?“ Es ist mein letzter Versuch, aus dieser Klinik, aus den Personen hier etwas menschliches gepresst zu bekommen.
„Wie bitte?“ Sie schüttelt kurz den Kopf, als müsste sie die letzten Spuren des Menschseins abwimmeln. „Ich war kurz mit den Gedanken ganz wo anders. Was sagten sie, Shawn?“ Sie starrt mir direkt in die Augen.
Mein Stimme versagt und eine Kälte breitet sich aus. Ich halte es kaum noch aus. Jetzt oder nie.
Ihr Verräter! Ihr verdammten Verräter! Ich hätte Wiebke am liebsten zugeschrien: Wir verraten niemanden! Wir tun endlich mal etwas!
„Shawn?“ Sie geht einen Schritt auf mich zu. Sie weiß es.
„Dr. Stimmer. Da sind sie ja!“ Emilias Worte durchbrechen die Blase. Alle Luft entweicht aus meinen Lungen. Dr. Stimmer wirbelt herum.
„Ahh, Fr. Crépuscule! Endlich stoßen sie auch dazu. Wie schön sie zu sehen.“ Sie läuft ihr entgegen und schüttelt ihre Hand, als gäbe es kein morgen mehr. Meine Mundwinkel verziehen sich.
Emilia erwidert den Händedruck euphorisch und antwortet: „Ich bin eine absolute Bewunderin ihrer Arbeit!“ Dann blickt sie zu mir.
Mein Zeichen. Ich greife in meine innere Jackentasche. „Kunden oder Patienten, Frau Dr. Stimmer?“ Dabei schaue ich ihr zu, wie sie sich irritiert umdreht und ihre Stirn sich in Falten legt. Atme ein und aus.
„Wie bitte? Was sagen sie da, Shawn?“
Meine Hand zielt beinahe automatisch auf ihren Kopf und der Finger drückt ab.
Etwas menschliches hatte sie doch noch an sich.
„Ahhhhhhhhhhhhhhhhh…“
Ich wusste nicht, dass eine Leiche interessanter ist als ein Dinosaurier durch das Präteriskop. Aber es ist schließlich die Leiche von Frau Dr. Stimmer!
Tristan starrt abwechselnd Emilia und mich durch das Fenster an. Versteinert kommt nur der Schrei aus seinem Mund. Vielleicht hätte auch er es verdient, aber bevor ich reagieren kann, schnappt sich Emilia meine Hand, greift sie fest und schleift mich mit zum Fahrstuhl. Kurz bevor sich die Aufzugtür schließt, schaue ich ein letztes Mal in die Lounge und versuche, einen Blick auf ihn zu erhaschen. Ich glaube, er steht noch auf dem Balkon und schaut wieder durch das Präteriskop.
In der Eingangshalle probieren wir beide ruhig zu bleiben. Keine Anzeichen darauf, dass Tristan oben irgendetwas gemeldet hätte. Unser Weg führt uns an Mark vorbei, aber er würdigt uns nicht eines einzigen Blickes. Ich frage mich, ob Emilia das alles so geplant hat.
„Wir haben noch zwei Minuten“, flüstert sie mir zu und wir beide beschleunigen unsere Schritte durch die Hauptpforte.
„Was zum Teufel habt ihr da oben gemacht!?!“ Natürlich ist Wiebke nicht abgehauen. Sie hätte wahrscheinlich bis heute Nacht gewartet, nur um uns zur Rede zu stellen. Ihre Hand kommt meiner Schulter gefährlich nahe, doch Emilia schubst sie schnell genug weg.
„Wir haben endlich mal was gemacht im Gegensatz zu dir!“ Ich blicke dabei zurück und schreie sie an, während Emilia versucht, mich weiter zu zerren. „Du hast nie auch nur irgendetwas riskiert!“ Es ist wie eine Blockade, die sich endlich löst. Emilia und ich haben etwas bedeutendes erreicht; mehr als diese verkackte Gruppe. Nachdem wir die Straße überquert haben, verlangsame ich meine Schritte und drehe mich nochmal um. Genau in diesem Moment geschieht es.
Noch während die 13. Etage der Klinik in Flammen aufgeht, ich hypnotisiert erstarre, greifen zwei Hände meine Schulter.
„Was machst du denn da?!?“
„Manchmal bleibe ich extra stehen, nur um einen Blick zurück zu werfen.“