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Im Gewächshaus

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11.05.2019
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Im Gewächshaus

Wie Schmetterlingskokons warten die Knospen der Magnolie darauf, dass es Frühling wird. Als könnte es jeden Tag losgehen. Als gäbe es den langen, dunklen Winter nicht.
Helene steht im Gewächshaus und spürt ihn bereits in den Knochen. Sie setzt sich schwerfällig auf die Bank zwischen den Hochbeeten an der Stirnseite und zieht die hochhackigen Samtschuhe aus. Atmet tief ein. Genießt die Ruhe. Erholt sich von der Musik, den Umarmungen, den schmerzenden Zehen, dem Lachen Sigrids und der entsetzlich vertrauten Art, mit der sie Mels Krawatte zurechtgerückt hat.
Neben ihr liegt das Päckchen Kerzen, das sie vor kurzem zum Schutz gegen den Frost bereitgestellt hat. Die Streichhölzer liegen in einer Frühstücksdose mit ausgeblichenem Micky Maus Motiv, ein Geschenk ihres ältesten Enkels. Eine dünne Laubschicht zum Schutz der Erde liegt auf den Hochbeeten. Im Laufe der Jahre hat die Krone der Magnolie das ganze Gewächshaus ausgefüllt und es den Blumen darunter schwerer gemacht. Trotzdem hat Helene keinen Ast gekappt. Ihr Großvater hat das Gewächshaus als standesgemäßes Gegenstück zur Stadtvilla erbauen lassen und diese Magnolie als Erstes gepflanzt. Der Baum gehört hierher, so wie er ist und immer war. So wie der Koffer.

Dinge, die Helene über das Gewächshaus lernt:
Es ist Treffpunkt der zwei optischen Achsen im Garten.
Es schützt die Pflanzen vor dem strengsten Frost.
Es ist so weit weg vom Haus, dass niemand sehen und hören kann, wie eine sechzehnjährige Helene einem Schusterlehrling mit kommunistischen Eltern die ewige Liebe schwört, seine Hand hält, ihn küsst, verspricht, dass sie es ernst meint, einen gepackten Koffer unter der Bank hervorholt, es wirklich ernst meint, eine Träne aus seinem glücklichen Gesicht wischt, ihm hinterher sieht und wartet.
Wartet, weil er sie seine Helena nennt, weil er sich nur kurz verspätet, weil sie ihn vielleicht nicht in die Straßenbahn gelassen haben, weil es ihm bestimmt gut geht, weil er ganz sicher nicht auf einer Liste steht, weil sie sich lieben und das muss doch etwas wert sein.

Die Sache mit ihrer Mutter geht so:
Als Helene stundenlang gewartet hat, die verräterischen Tränen und den Schnodder ignorierend, steht ihre Mutter mit offenen Armen vor ihr und sagt: „Sei froh, der Junge hätte dich nur mit ins Unglück gerissen.“
Als ginge es hier um Glück.
Als Helene die Nächte wieder im Haus verbringt – es ist Ausgangssperre und auf den Straßen patrouillieren schwer bewaffnete Männer – steht ihre Mutter mit verschränkten Armen im Türrahmen und sagt: „Dein Vater glaubt noch an den Sieg. Du bist genauso stur. Es wird euch beide ins Unglück stürzen.“
Als ginge es hier um Glück.
Als Helene an ihrem fünfzigsten Geburtstag aus dem Gewächshaus tritt – nach all den Jahren erwartet sie ihn nur noch an solchen außerordentlichen Tagen – sagt ihre Mutter in Helenes beständiges Schweigen hinein: „Was für eine schöne Feier. Mel sieht im Anzug immer noch aus wie bei eurer Hochzeit. Und die kleine Paula läuft so gut, ich habe sie ja schon lange nicht mehr gesehen. Du kannst dich wirklich glücklich schätzen.“
Da wird Helene zum ersten Mal bewusst, wie traurig es sein muss, im Leben nur die Hoffnung auf Glück zu haben.
Ihre Mutter wird noch ein Jahr lang Glück haben, bevor ein Herzinfarkt sie tötet.

Helene und der Koffer warten, während in der Ferne Sirenen ertönen und einmal in gar nicht großer Ferne eine Bombe einschlägt und die Glasscheiben des Gewächshauses zum Klirren bringt. Sie zieht die Knie vor die Brust und denkt an seine Worte: Tanzen. Reisen. Kinder. Miteinander alt werden. Und an ihren Traum: Sich im Mondschein unter der Magnolie lieben.
Jahre vergehen, Helene wird älter und die Magnolie mit ihr. Die Baumkrone berührt beinah die gläserne Decke des Gewächshauses und ihre Mutter lässt die obersten Äste abschneiden. Noch eine Sache, die Helene nicht verzeiht.
Nachdem sie das Haus übernimmt, wird sie Jahr für Jahr darauf warten, dass die Äste durch das Glas brechen, aber es wird nicht passieren. Die Rinde wird rau, reißt hier und da auf, aber jeden Frühling blühen mehr Magnolien, mal begleitet von Narzissen, mal von Blausternchen und immer unter dem aufmerksamen Blick von Helene. In einem feuchten Sommer tauscht sie die morsche Bank aus. Der Koffer darunter bleibt.
Einer der Seitentriebe wird zu schwer und Helene bleibt ihrem Schwur treu. Ein umgedrehter Besen stützt den Ast und als sie nach einer Operation am Knie wieder vor ihrem Gewächshaus steht, grinst Mel sie an. „Könntest du die Krücke am anderen Arm tragen? Nur wegen der Symmetrie.“
Ja, Mel weiß ganz genau, wie er sie zum Schmunzeln bringt. Und er hat gelernt, worüber er nicht einmal sprechen darf.
Den Koffer zum Beispiel.

Die Sache mit Mel ist folgende:
Während Helene nach dem Krieg eine Ausbildung als technische Zeichnerin beginnt, teilt sich das Lokomotivwerk die Etage mit einer Druckerei. Das Zeichnen der Maschinenanlagen geschieht meist still und auch die Setzer sind leise, bis auf das gelegentliche Klackern der Schubfächer und Bleisätze. Von Zeit zu Zeit aber ertönt ein Rufen aus der unteren Etage: „Kunde sitzt auf der Treppe und weint.“ Dann läuft ein Junge durch die große Halle und übergibt einem der Setzer einen Zettel, der sich sofort an die Arbeit macht. Einer dieser Männer sitzt vor ihr, unsichtbar hinter einem hohen Regal, welches die sittliche Ordnung erhalten soll, aber offenbar braucht es mehr als ein Regal, denn besagter Mann hat die Angewohnheit, sein Bein zur Seite zu strecken und seinen wippenden Fuß neben dem Regal hervorragen zu lassen. Manchmal stellt sich Helene vor, dass hinter diesem Holzregal ein unheimlich leises Konzert stattfindet und sie malt sich die tollsten Dinge aus und niemand kann sie vom Gegenteil überzeugen, solange sie auf den wippenden Schuh schaut.

Eines besonders verwegenen Montags lernt sie:
Der wippende Fuß gehört zu einem jungen Mann, mit einer ganz gewöhnlichen Erscheinung und einem ganz und gar ungewöhnlich schönem Lächeln.
Kunde sitzt auf der Treppe und weint, meint, dass Eile geboten ist beim Verfassen einer Todesanzeige, denn Trauernde haben weniger Zeit als Tote.
Der Mann heißt Melvin, aber bitte nennen Sie mich Mel.

Später lernt sie:
Sein Vater hieß Melvin und war kein Mann, dessen Namen man mit Stolz trägt.
Mel hat nie beide Beine unter einem Tisch, weil er auf die nächste Fliegerbombe wartet und bereit sein will, um aus zusammenstürzenden Häusern durch brennende Gassen zu fliehen, und er wird sein ganzes Leben lang nicht damit aufhören.
Er wippt zu Ray Charles.
Er ist rastlos.
Er liebt Helene.
Er wird sie trotz allem lieben.

Helene geht mit ihm in den botanischen Garten, in rauchgeschwängerte Keller voller Musik, lädt ihn zu sich nach Hause ein, stellt Mel ihren Eltern vor und sagt Ja, weil sie es wirklich will. Sie ziehen in die Villa, Mel baut sie eigenhändig um, und die Kinder pflanzen Radieschen und Karotten ins Hochbett. Sie haben dreckige Finger, streiten und lachen und Helene liebt es. Aber immer wieder ertappt sie sich dabei, wie ihr Blick von der Arbeit hochschnellt, so als hätte sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel gesehen, so als hätte sie Schritte auf dem Weg gehört oder ihren Namen, gerufen aus weiter Ferne. Dann strömt Kälte über sie und sie blickt zum Koffer.
Ihre Kinder merken es nicht.
Mel schon. Er fragt nie. Es ist, als ahnte er, dass er nur verlieren kann.

Helene hebt den Kopf, mag es, wenn bleiches Mondlicht durch die Äste fällt, aber heute ist der Himmel bedeckt. Es hat fast zwei Tage nur geregnet und die Feier musste nach drinnen verlegt werden. Trotzdem hängen überall im Garten Lampions und Lichterketten und leuchten wie Sterne in den tropfenbehangenen Wänden des Gewächshauses.
Helena.
Ihre Ohrringe klimpern leise, als sie den Kopf zur Tür dreht. Nicht hoffnungsvoll, sondern voller Gewissheit. Es ist eine Bewegung zwischen den Lichtreflexen, dann ein Schatten, die Tür öffnet sich und da steht Béla mit feuchten Locken, schlaksig, in den zu großen Sachen seines Vaters, und keinen Tag älter als in diesem Frühling vor fünfzig Jahren. Er ist außer Atem, drückt die Hand gegen seine Seite und als er ihren Namen sagt, bebend und verzweifelt, ist sich Helene sicher, dass er nicht mehr daran geglaubt hat, sie hier zu finden.
„Ach Béla“, erwidert sie und steht auf. Die Kälte des Bodens prickelt an ihren Fußsohlen. Sie geht zwischen den Hochbeeten entlang und stellt sich zwischen die Magnolie und ihn, fühlt, wie seine Atemzüge über ihr Gesicht streichen und riecht die Pfefferminze, die er immer kaut, um den Geruch nach Leder und Schuhwichse zu überdecken.
„Helena.“ Sein Blick gleitet über sie, nicht scheu und sehnsüchtig wie damals, sondern mit unerschütterlicher Selbstverständlichkeit. Seine Hände umfassen ihren Kopf, greifen in ihr Haar, zärtlich, aber unnachgiebig. „Du hast gewartet.“
Sie will sagen: „Natürlich“, aber da beugt er sich auch schon zu ihr herab, um sie zu küssen, und sie glaubt das metallische Klicken der Kofferverschlüsse unter der Bank zu hören. Etwas fließt warm von ihren Wangen hinab in ihren Körper, macht Dinge ungeschehen, dreht die Zeit zurück, gibt ihr Recht mit allem. Sie seufzt, als sie sich voneinander lösen und da gibt es einen Moment, ein Warten, Lauern oder Zögern ... was immer es ist, der Moment endet und während Helene die Knöpfe seines Hemdes öffnet, nestelt Béla an den Verschlüssen ihrer Bluse. Keiner von ihnen sagt ein Wort, während Kleidungsstücke wie verblüht zu Boden sinken. Béla beugt sich herab. Sie spürt kaum, wie der Stoff des Rockes über ihre Hüften gleitet, denn Bélas Fingerspitzen hinterlassen ein Prickeln auf ihrer Haut, das tief in ihren Schoß sinkt und ihre Knie weich werden lässt. Sie gräbt ihre Hände in seine Locken und blickt hinaus in den von Sternen erleuchteten Garten. Wann werden die Gäste ihr Fehlen bemerken? Wann Mel?
Als Béla sich wieder aufrichtet, blickt sie ihm tief in die dunklen Augen, kohlenschwarz, wie beim Schneemann hatte sie immer gesagt, aber er hatte nur gelacht, siehst du sie glühen? und sie will jetzt nur an dieses Lachen denken und an das Toben in ihrem Magen und darunter. Sie schmiegt sich an seinen nackten Oberkörper, weich und fest zugleich, schiebt ihm die Hose herunter, fühlt das erregte Pulsieren seines Körpers an ihrem Oberschenkel, drückt das Bein sanft gegen ihn, spürt das heiße Keuchen in ihrer Halsbeuge und will ihn so sehr. Er öffnet ihren Büstenhalter, drückt sie behutsam von sich und schiebt ihr die Träger über die Schultern. Für einen Atemzug fragt sich Helene, was er wohl sieht: Den Busen der jungen Frau, auf die er – selbstverständlich Helena – noch drei Jahre warten will, oder den Busen der vierundsechzig jährigen Helene, die ein halbes Jahrhundert auf ihn gewartet hat, aber das ist plötzlich nicht mehr von Belang, denn seine Lippen schließen sich um die Spitze ihrer Brust und diese Empfindung erschüttert ihr Denken. „Oh“, haucht sie in die kalte Luft, spürt seine Finger heiß auf ihrer Haut und das Holz des Hochbeetes in den Kniekehlen. Béla löst sich von ihr, schiebt sie langsam nach hinten – es fühlt sich fast wie Tanzen an – eine Hand um ihren Nacken gelegt, die andere an ihrem Rücken, um sie behutsam auf das Laub des Hochbeetes zu legen. Seine Finger streichen über ihre Wange, das Kinn und den Hals hinab, so wie sie es sich immer gewünscht hat, damals, als ihre Haut straff war und leicht errötete. Damals, als sie nur ahnte, wohin es führen konnte, wenn ein Mann sie so berührte. Jetzt folgen Bélas Finger altbekannten Bahnen auf ihr, beschleunigen Helenes Atem, hinterlassen prickelnde Spuren und wecken das Verlangen nach mehr in ihr. Sie biegt den Rücken durch, hebt den Oberkörper gegen seine Hände und presst ihre Schenkel gegen seine Hüften.
Béla direkt über ihr, mit glühenden Augen und stockendem Atem.
Bitte. Ihr Stöhnen, als er mit der Hand zwischen ihre geöffneten Beine fährt. Sie strebt ihm entgegen, bitte, bitte ... spürt seine Lippen an ihrem Hals und endlich ... seine Finger in ihr. Seine Hand reibt gegen sie, ihre Hüften gehen mit jeder Bewegung mit, erst langsam, dann schneller. Sie verliert Ort und Zeit, blickt hoch und sieht die Magnolie über sich, in voller Blüte, karges Holz mit weißen Sternen.
Oh bitte ...
Hör nicht auf.
Hör nicht auf.
Hör nicht auf.

„Hör nicht auf.“ Ihr Wispern zwischen keuchenden Atemzügen. Er löst sich von ihrem Hals, beobachtet jede ihrer Regungen und hält schließlich inne. Ist das Wehmut in seiner Miene? Helene streckt die Arme aus, zieht ihn an sich, lass es etwas wert sein, schmeckt Minze und Salz auf seinen Lippen, will ihn trösten, spüren und lächeln sehen. Sie fühlt die Muskeln unter seiner Haut, als sie ihn noch dichter an sich drückt, winkelt ein Bein an und ist absolut verzaubert von dem Stöhnen aus Bélas Kehle, als er sich schließlich hart und heiß in sie versenkt.
Oh bitte ...
Er gräbt seine Hand in das Laub neben ihrem Kopf, mit der anderen Hand umfasst er ihr Bein und hält sie fest, während er zustößt. Seine Bewegungen sind nicht zaghaft, sind Echo ihrer Sehnsucht, ihrer nächtlichen Träume, ihrer heimlichen Fantasien. Es ist, als hätten sie das hier schon tausend Mal getan. Helene umfasst seinen Unterarm neben ihr, spürt die feinen Härchen, hält ihn und sich mit aller Kraft fest. Sie schmiegt ihr Gesicht gegen sein Handgelenk, schließt die Augen, stöhnt viel zu laut, aber es ist ihr egal. Bélas Bewegungen treiben sie weiter und weiter, lassen die Kälte an ihrem Rücken verblassen und alles andere auch.
Weiter.
Weiter.
Hör nicht auf.
Bitte hör nicht auf.

„Oh bitte ...“
Weiter.
Seine Stimme, ganz nah. „Helena.“
Und über den Punkt hinaus ...
Ihr Schrei verhallt zwischen Eisen, Glas und Magnolienästen.
Welle um Welle treibt es ihren Körper gegen seinen.
Ein tobendes Kreiseln in ihrem Zentrum.
Keuchende Atemzüge.
Und die Wirklichkeit, die langsam wieder in ihren Kopf tröpfelt. Béla. Sein Gesicht direkt vor ihr, hilflos, atemlos, während sich sein Körper noch immer unter Schauern krümmt, noch immer in ihrem Innersten pulsiert. Sein Mundwinkel zuckt und er schüttelt lächelnd den Kopf.

Sie liegt in seinen Armen und hört sich selbst, sechzehn Jahre alt und voller Träume. Béla spricht von ihrer gemeinsamen Zukunft und er klingt so zuversichtlich, so sicher, dass sie nicht einen Moment an ihm zweifelt. Sie lässt die Bilder auferstehen: Tanzen. Reisen. Kinder. Miteinander alt werden. Sich im Mondschein unter der Magnolie lieben. Helene blinzelt. Sie spürt noch immer so etwas wie Glut in ihrem Innersten, ihre weichen Knie, aber nicht die Schwere in den Gedanken und Gliedern, wie sonst nach einem Höhepunkt. Hellwach richtet sie sich auf.
Mel, mit wippendem Fuß zu I’ve Got a Woman.
Mel, unter kalifornischer Sonne.
Mel, nachts im Garten Kreise ziehend, den kleinen Jakob im Arm.
Mel summend in der Küche, bei der Beerdigung ihrer Mutter, bei unzähligen Weihnachtsfeiern der Firma, immer an ihrer Seite. Mel im Nadelstreifenanzug zu ihrem dreißigsten Hochzeitstag. Wartend vor dem Gewächshaus. In diesem Moment.
Helene atmet die kalte Herbstluft ein und fährt sich mit den Händen übers Gesicht. Sie streicht sich Bluse und Rock glatt, richtet ihre Ohrringe und steht auf. Ihr rechtes Knie summt und sie kann die Feuchtigkeit zwischen den Beinen spüren. Sie fühlt sich jung und alt zugleich, muss leise lachen und kann sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal in diesem Gewächshaus gelacht hat.

Das Streichholz entzündet sich mit einem hellen Fauchen. Beinah erlöscht das Feuer, verliert sich rauchend im trockenen Laub, doch dann leckt eine Flamme an den Blättern entlang und verzweigt sich. Helene könnte es mit einer Hand auf den Boden wischen und ersticken. Stattdessen wartet sie, bis sie Wärme und dann Hitze im Gesicht spürt. Das Feuer erreicht die Magnolie und Helene erwartet, dass es sich wie ein grauenhafter Fehler anfühlt, der ihr die Luft abschnürt oder in Panik mündet, aber nichts dergleichen geschieht. Ohne sich noch einmal umzudrehen, hebt sie ihre Schuhe auf und tritt aus dem Gewächshaus. Mit langsamen Schritten geht sie den gepflasterten Weg entlang, hört das Knistern hinter sich und sieht orangene Lichtreflexe im nassen Gras.
Mel erwartet sie. Kein Gartenschlauch in der Hand, keine Panik im Gesicht. Er steht in seinem Anzug da, breitschultrig, mit gebeugtem Rücken und wohlverdienten Lachfalten.
„Mel?“ Ihre Stimme ist belegt.
„Hm?“ Als hätte sie ihn gerade beim Frühstück angesprochen.
„Gab es mal eine andere?“
Sie kann sehen, dass er sofort antworten will, dann aber zögert und das passiert so selten, dass es sich für einen Moment wie Fallen anfühlt.
„Nun. Es gab die Arbeit. Das Haus. Es war viel zu tun. Aber nein, es gab keine andere Frau in meinem Leben.“ Er lächelt sie an. „Du warst genug“ und bestimmt bildet sie sich nur ein, dass sein Lächeln nicht jeden Winkel seines Gesichts erreicht.
Selbst jetzt wagt er nicht zu fragen und so tut es Helene für ihn im Kopf.
Sie sagt: „Die Sache mit dem Koffer ... Nein, die Sache mit mir geht so: Ich war verliebt in einen Jungen und habe auf ihn gewartet. Und ich hoffe so sehr, dass er aus freien Stücken nicht mehr wiederkam.“ Für einen kurzen Moment rechnet sie damit, dass ihr bei diesen Worten Tränen in die Augen steigen, aber auch das geschieht nicht. „Weißt du, es ist schwer, mit dem Warten aufzuhören.“
Mel sieht sie lange an. So als wüsste er es ganz genau. Er hält ihr den Arm hin und steht dann mit ihr vor dem brennenden Gewächshaus, als wäre es ein Feuerwerk. Die Flammen lecken an der Decke und platzende Glasscheiben regnen herunter.

 
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Liebe(r)@Huxley,

eine schöne romantische Geschichte hast du dir da ausgedacht: ein Koffer, der 50 Jahre in einem alten Gewächshaus steht, als Sinnbild des Wartens der Protagonistin auf ihren geliebten Béla. Erst als ihr der nach 50 Jahren in einem Wachtraum wiederbegegnet und es zur Vereinigung der beiden kommt, kann Helena sich von ihm und ihrem Warten befreien und sich nun endlich ihrem Mann Mel zuwenden. So meine Deutung des Textes.

Allerdings sind mir beim Lesen ein paar Plausibilitätsfragen gekommen, die mich stocken ließen.
Z.B.: Wie riesig muss ein solches Gewächshaus sein, wenn es einer 50 Jahre alten Magnolie Platz bieten kann?

Im Laufe der Jahre hat die Krone der Magnolie das ganze Gewächshaus ausgefüllt
Das ist wohl eher eine Orangerie, wie sie in manchen Schlossparks zu finden ist.
Und dieses riesige Gewächshaus, das wohl aus Eisen und Glas besteht,
Ihr Schrei verhallt zwischen Eisen, Glas und Magnolienästen.
brennt dann am Ende sehr schnell lichterloh:
Mel nickt, hält ihr den Arm hin und steht dann mit ihr vor dem brennenden Gewächshaus, als wäre es ein Feuerwerk. Die Flammen lecken an der Decke und platzende Glasscheiben regnen herunter.

Möglicherweise ist es ja nur die Magnolie, die da in kürzester Zeit lichterloh brennt? Aber:
Wie Schmetterlingskokons warten die Knospen der Magnolie darauf, dass es Frühling wird.
Die Magnolie ist also keineswegs ausgetrocknet, sondern steht in vollem Saft.
Außerdem muss es im Gewächshaus recht feucht sein:
Trotzdem hängen überall im Garten Lampions und Lichterketten und leuchten wie Sterne in den tropfenbehangenen Wänden des Gewächshauses.

Zeitlich und räumlich habe ich so meine Schwierigkeiten, deine Geschichte zu verorten. Béla hat bolschewistische Eltern, was ein Problem für ihn und vermutlich Helenas Eltern ist. Wo sollte das so gewesen sein? Ich denke hier natürlich zuerst an die Oktoberrevolution und Russland. Und auch Schusterjunge klingt nach Anfang des 20. Jahrhunderts, ebenso wie die Stadtvilla mit dem großen Gewächshaus.
Die beschriebene Kriegssituation erinnert mich mit ihren Fliegerbomben dann aber eher an den 2. WK, und Ray Charles gehört wohl in die frühen Fünfziger. Diese Einzelheiten der Vorgeschichte bringe ich nicht in Übereinstimmung.
Vielleicht solltest du die Bolschewiken-Eltern rauslassen, dann wäre der 2.WK und die Nachkriegssituation fassbarer.

Was mir sonst noch aufgefallen ist, benenne ich mal, indem ich durch deine Geschichte gehe:

Wartet, weil er sie seine Helena nennt, weil er sich nur kurz verspätet,
Die Sache mit ihrer Mutter geht so:
Als Helene stundenlang gewartet hat, die verräterischen Tränen und den Schnodder (Stilfrage) ignorierend, steht ihre Mutter mit offenen Armen vor ihr und sagt: „Sei froh, der Junge hätte dich nur mit ins Unglück gerissen.“
Als ginge es hier um Glück.
Als Helene die Nächte wieder im Haus verbringt – es ist Ausgangssperre und auf den Straßen patrouillieren schwer bewaffnete Männer – steht ihre Mutter mit verschränkten Armen im Türrahmen und sagt: „Dein Vater glaubt noch an den Sieg. Du bist genauso stur. Es wird euch beide ins Unglück stürzen.“
Als ginge es hier um Glück.
Als Helene an ihrem fünfzigsten Geburtstag aus dem Gewächshaus tritt – nach all den Jahren erwartet sie ihn nur noch an solchen außerordentlichen Tagen – sagt ihre Mutter in Helenes beständiges Schweigen hinein: „Was für eine schöne Feier. Mel sieht im Anzug immer noch aus wie bei eurer Hochzeit. Und die kleine Paula läuft so gut, ich habe sie ja schon lange nicht mehr gesehen. Du kannst dich wirklich glücklich schätzen.“
Da wird Helene zum ersten Mal bewusst, wie furchteinflößend es sein muss, im Leben nur die Hoffnung auf Glück zu haben.
Ihre Mutter wird noch ein Jahr lang Glück haben, bevor der Krebs sie tötet.
Diesen Abschnitt halte ich insgesamt für einen Streichkandidaten. Er bringt dem Thema der Geschichte, außer dass er die Ehe Helenas streift, nicht viel. Die Meinung der Mutter (wie auch die politische Einstellung des Vaters) scheint mir für die eigentliche Geschichte unwichtig.
Die Rinde wird rau, reißt hier und da auf, aber jeden Frühling blühen mehr Magnolien mal begleitet von Narzissen, mal von Blausternchen und immer unter dem aufmerksamen Blick von Helene. In einem feuchten Sommer tauscht sie die morsche Bank aus. Der Koffer darunter bleibt.

Einer der Seitentriebe wird zu schwer und Helene bleibt ihrem Schwur treu. Ein umgedrehter Besenstiel stützt den Ast und als sie nach einer Operation am Knie wieder vor ihrem Gewächshaus steht, grinst Mel sie an. „Könntest du die Krücke am anderen Arm tragen? Nur wegen der Symmetrie.“
Ja, Mel weiß ganz genau, wie er sie zum Schmunzeln bringt. Und er hat gelernt, worüber er nicht einmal sprechen darf.
Den Koffer zum Beispiel.

Sehr viel Magnolie. Der Koffer verblasst als Motiv neben der Magnolie, muss immer wieder recht künstlich ins Bewusstsein des Lesers gerückt werden.
Mir bleibt auch unklar, warum sie am Anfang schon mit dem Koffer im Gewächshaus ist, Béla dann aber wieder fortgeht, sie mit dem Koffer zurücklässt.
Möglicherweise habe ich eine Erklärung übersehen. (Ein bisschen kommt es mir so vor, als wäre dieser Koffer nachträglich in diese schöne Magnolien-Atmosphäre des Gewächshauses hineinmontiert worden.)
Die Sache mit Mel ist Folgende:
Während Helene nach dem Krieg eine Ausbildung als technische Zeichnerin beginnt, teilt sich das Lokomotivwerk die Etage mit einer Druckerei. Das Zeichnen der Maschinenanlagen geschieht meist still und auch die Setzer sind, bis auf das gelegentliche Klackern der Schubfächer und Bleisätze, leise. Von Zeit zu Zeit aber ertönt ein Rufen aus der unteren Etage: „Kunde sitzt auf der Treppe und weint.“ Dann läuft ein Junge durch die große Halle und übergibt einem der Setzer einen Zettel, der sich sofort an die Arbeit macht. Einer dieser Männer sitzt vor ihr, unsichtbar hinter einem hohen Regal, welches die sittliche Ordnung erhalten soll, aber offenbar braucht es mehr als ein Regal, denn besagter Mann hat die Angewohnheit, sein Bein zur Seite zu strecken und seinen wippenden Fuß neben dem Regal hervorragen zu lassen. Manchmal stellt sich Helene vor, dass hinter diesem Holzregal ein unheimlich leises Konzert stattfindet und sie malt sich die tollsten Dinge aus und niemand kann sie vom Gegenteil überzeugen, solange sie auf den wippenden Schuh schaut.
Dieser ganze Absatz soll Mel einführen. Ich erfahre allerdings über ihn nur, dass er – vermutlich zur Musik von Ray Charles – mit dem Fuß wippt. Das Markierte sind unwichtige Einzelheiten, die der Geschichte nmE nichts bringen.
Wie auch dieser Satz:
...
Kunde sitzt auf der Treppe und weint, meint, dass Eile geboten ist beim Verfassen einer Todesanzeige, denn Trauernde haben weniger Zeit als Tote.
Trotzdem hängen überall im Garten Lampions und Lichterketten und leuchten wie Sterne in den tropfenbehangenen Wänden des Gewächshauses.
Und dieses Gewächshaus brennt dann lichterloh?

Der nun folgenden erotischen Szene gibst du sehr viel Raum, beschreibst sie in allen Einzelheiten, gerätst dabei aber für mich manchmal in zu pingelige technische Details, die das Gefühlvolle der Traumsequenz zu sehr erden und fast zerstören:

Sie seufzt, als sie sich voneinander lösen und da gibt es einen Moment, ein Warten, Lauern oder Zögern ... was immer es ist, der Moment endet und während Helene die Knöpfe seines Hemdes öffnet, nestelt Béla an den Schnüren ihrer Bluse. Keiner von ihnen sagt ein Wort, während Kleidungsstücke wie verblüht zu Boden sinken. Béla bückt sich, um ihre Unterhose herunterzuziehen.
Vorschlag: ... während ihre Kleider wie verblühte Blätter ...
… und blickt hinaus in den von Sternen erleuchteten Garten.
Waren das nicht eigentlich Lampions?

Sie schmiegt sich an seinen nackten Oberkörper, weich und solide(?) zugleich, schiebt ihm die Hose über das Gesäß, spürt das erregte Pulsieren seines Körpers an ihrem Oberschenkel, drückt das Bein sanft gegen ihn, hört das heiße Keuchen in ihrer Halsbeuge und will ihn so sehr. Er öffnet ihren Büstenhalter
s.o.
als ihre Haut straff war und (sie immer) leicht errötete
Die Haut errötete ja nicht überall.
Mel, mit beachtlichem Hüftschwung zu I’ve Got a Woman.
Hier hätte ich mir auch vorstellen können:
Mel, mit wippendem Fuß zu I’ve Got a Woman.
… Stattdessen wartet sie, bis sie Wärme und dann Hitze im Gesicht spürt. Das Feuer erreicht die Magnolie und Helene erwartet, dass es sich wie ein grauenhafter Fehler anfühlt, der ihr die Luft abschnürt oder in Panik mündet, aber nichts dergleichen geschieht.
… Mel erwartet sie. Kein Gartenschlauch in der Hand, keine Panik im Gesicht. Er steht in seinem Anzug da, breitschultrig, mit gebeugtem Rücken und wohlverdienten (?) Lachfalten.
Und jetzt kommt noch so eine Erklärung, die Mel, so wie du ihn bisher charakterisiert hast, eigentlich nicht mehr braucht:

Helene sagt: „Die Sache mit dem Koffer ... Nein, die Sache mit mir geht so: Ich war verliebt in einen Jungen und habe auf ihn gewartet. Und ich hoffe so sehr, dass er aus freien Stücken nicht mehr wiederkam.“ Für einen kurzen Moment erwartet sie, dass ihr bei diesen Worten Tränen in die Augen steigen, aber auch das geschieht nicht. „Weißt du, es ist schwer, mit dem Warten aufzuhören.“
Mel nickt, hält ihr den Arm hin und steht dann mit ihr vor dem brennenden Gewächshaus, als wäre es ein Feuerwerk. Die Flammen lecken an der Decke und platzende Glasscheiben regnen herunter.
Helene wartet nicht mehr.

Im Verhältnis zu der recht langen Sexszene geht mir das Ende dann ein bisschen zu schnell: Helene erkennt, dass ihr Platz an der Seite von Mel ist, zündet das Laub an, löst den Brand aus, Mel erscheint, sie lassen das brennende Gewächshaus brennendes Gewächshaus sein und gehen zurück zur Party. Das ist mir dann doch ein wenig zu sehr mit der heißen Nadel gestrickt, worauf wohl auch die etwas nachlässige Wortwahl hinweist.

Insgesamt finde ich das eine schöne romantische Geschichte, deren Grundidee mir sehr gefallen hat. Ich fände es allerdings besser, wenn die Beziehung Mel-Helena noch stärker in den Fokus gerückt würde. Denn um sie geht es ja eigentlich. Das fortwährende Warten auf Béla (sinnbildlich dafür der über 50 Jahre aufbewahrte Koffer) belastet die Beziehung und lässt der Liebe zu Mel zu wenig Raum. Erst nachdem die Liebe zu Bela vollzogen ist, kann Helena sich von ihm lösen und sich ihrem Mann zuwenden. Um diese Aussage, wenn ich deine Geschichte denn richtig interpretiere, klarer herauszuarbeiten, müsstest du mMn auf einige unwichtige und verwirrende Nebensächlichkeiten verzichten. Dann könnte aus dieser schönen eine wirklich gute Geschichte werden.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Liebe @Huxley ,

:eek: wow, was ist das denn?

Ein unglaublich dichter, starker Text, und das hat nix mit unserer Plänkelei im Challenge-Thread zu tun, zumal das nur ein halber Satz war, aus dem all das hier entstand. Ich hoffe sehr, jemand findet sich, der deine Geschichte empfiehlt, sonst muss ich das machen, und das sieht vllt. befangen aus.

Zum einen ist das (Proofs Text hab ich noch nicht angesehen) der einzige Challengetext, der mir wirklich gut gefällt. Zum anderen zeigt er einen riesen Entwicklungsschritt - keiner der Nörgelpunkte aus deinem ersten Text taucht hier auf. Hast du zwischendurch was gechrieben, das nicht auf WK steht?

Was mir hier so extrem gut gefällt, ist:
Ich habe den Eindruck, dass du hier deine Geschichte wirklich im Griff hast, dass da eine wirklich spannende, unkonventionelle, aber eben weder beliebige noch chaotische Struktur vorliegt. Die Geschichte liest sich nicht, als hätte jemand reim-dich-oder-ich.schlag-dich versucht, ein paar Themen, Emotionen und Bilder unterzubringen und auch nicht, als ob die Geschichte quasi mit dem Autor duchgegangen wäre. Es ist zudem eine perfekte Mischung aus kühler Struktur (die Bemerkungen des Erzählers z.B, die sich wie Kapitelüberschriften lesen und viel Blabla ersparen) und durchaus - in positiven Sinne des Sublimen - romantischen Emotionen (die Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen, Verzweiflung und letztlich Befreiung der Prota).

Extra Punkt für mein Steckenpferd, eine große Zeitspanne in einer KG zu erzählen, und das auch ganz sauber und an den richtigen Stellen betont/ausgelassen.

Ich hatte eben grad @barnhelm s Komm überfolgen, und muss sagen, dass ich ihr in nahezu allen Punkten dezidiert widerspreche. V.a. was die Details zum Setting und ganz vor allem Erwähnung des kommunistischen Hintergrundes angeht, der mir gestern Nacht beim ersten Lesen extrem gut gefiel. Weil das einfach enorm Spannung aufbaut, man automatisch nach der nächsten Erwähnung (der Liebste wird verhaftet und im KZ ermordet) sucht, die aber so nicht findet, sondern zusammen mit Helene im Ungewissen bleibt - hat er sie einfach nur sitzenlassen? Ist er ins Ausland entkommen? Hat sich der Verdacht bestätigt? Da flechtest du sehr gekonnt eben einen Schrecken aus der Historie ein, der umso stärker wirkt, als dass du einem keine Klischeebilder zeigst oder erwartete Reaktionen vorkaust.

Ich finde die Struktur wirklich wunderschön und hoffe, dass du da keine Kürzungen vornimmst. Es gibt wenige Texte, die ich zwei- oder dreimal lesen muss (und diesen noch mehrmals lesen werde, weil ich sicher immer noch Details und evt. im Eifer Übersehenes entdecken kann) und sowas ist eben Literatur für mich.

Eine Sache möchte ich ohne Wertung anmerken: Der Text ist - egal, welche Zeitebene er erzählt - in einem Tempus gehalten. Ich werfe hier mit Steinen aus dem GewächsGlashaus, weil ich das auch gerade so in einem Text mache - allerdings gibt es bei mir einen 'paranormalen Grund' in der Erzählstimme dafür. Das liegt bei dir aber nicht vor. Einerseits ist das verwirrend, andererseits hat mir das auch extrem gut gefallen, weil man eben nicht nachlässig werden darf, sondern mit der Aufmerksamkeit wirklich im Text bleiben muss. Es entwickelt sich so eine Art Parallelwelt, in der Zeit nicht mehr existiert, und das verstärkt das Thema/Gefühl des Wartens (das auch eine Art emotionaler Lähmung für Helena bedeutet) sehr passend.

Ein paar Sachen hab ich noch zu bekritteln (und zu loben):

Oh Gott.
a) Das ist eine grauenvolle Phrase. Sagen Leute das wirklich beim Sex, oder erinnert das nur noch an bilige 70er Jahre Pornos? b) Ich habe einfach eine extreme Abneigung gegen Glaubensbekenntnisse, selbst wenn das in dieser Form passiert (und nicht als solches gemeint ist). Hat mich beide Male total rausgekickt. Und dachte auch: Mann, ist die doof.
Mel, mit beachtlichem Hüftschwung zu I’ve Got a Woman.
Mel, beschienen von der kalifornischen Sonne.
Mel, nachts im Garten Kreise ziehend, den kleinen Jakob im Arm.
Mel summend und fußwippend in der Küche, bei der Beerdigung ihrer Mutter, bei unzähligen Weihnachtsfeiern der Firma, immer an ihrer Seite. Mel im Nadelstreifenanzug zu ihrem dreißigsten Hochzeitstag. Wartend vor dem Gewächshaus. In diesem Moment.
Den fetten Teil finde ich toll, das davor war mir - besonders an dieser Stelle - zu viel, und vor allem zu thematisch anders. Da wäre ich gern noch in dieser Situation geblieben, und das klingt fast wie Infodump. Ich kapiere schon, was du da machst, und das finde auch auch wirklich gut. Frage ist, ob das vllt. weiter ans Ende dieses Abschnittes könnte? Und braucht es den Songtitel (den ich nicht kenne, da denke ich nach, und schon bin ich nicht mehr im Text), das 'kalifornisch' etc? Das sind so andere Eindrücke, ist mir zu abrupt,
Schnüren ihrer Bluse
Mieder haben Schnüre. Knöpfe wären weniger auffällig, sonst vllt. Bänder, Bändchen? Hm ...
Kunde sitzt auf der Treppe und weint, meint, dass Eile geboten ist beim Verfassen einer Todesanzeige, denn Trauernde haben weniger Zeit als Tote
Das Fette hab ich erst nicht kapiert. Klar, die Toten warten nicht mehr, aber Trauernde mit Eile zu kombinieren, den Satz finde ich seltsam, wie auch die Begründung.
Der Mann heißt Melvin, aber bitte nennen Sie mich Mel.
Bis dahin hatte ich Mel als Abkürzung zu Melanie gelesen, und dachte, sie sei nun mit einer Frau zusammen.
Dinge, die Helene über das Gewächshaus lernt:
All diese Überschriften finde ich zum Niederknien schön, und vor allem auch die letzte Auflösung, die auch passenderweise nicht extra, sondern mitten im Fließtext steht.
schiebt ihm die Hose über das Gesäß
Das liest sich eher, als zöge sie ihn an (i.e. die Hose hoch, nicht runter). Mir fällt grad keine Alternative ein.
Mel erwartet sie. Kein Gartenschlauch in der Hand, keine Panik im Gesicht. Er steht in seinem Anzug da, breitschultrig, mit gebeugtem Rücken und wohlverdienten Lachfalten.
Das fand ich klasse, und mit so wenigen Worten sehr viel umrissen - eigentlich fast ihre gesamte Entwicklung aus 50 Jahren umrissen, in der Beschreibung einer Nebenfigur. Das ist gekonnt gemacht, echt souverän. Es zeigt aber auch, wie Mel selbst tickt und wie gut er Helene kennt und ihr vertraut, und damit hattest du mich am Haken, den beiden ein Happy End zu wünschen.
Helene sagt: „Die Sache mit dem Koffer ... Nein, die Sache mit mir geht so:
:herz: Das ist so toll!
Helene liebt es
Hm, das ist glaube ich ein Werbespruch für eine TV Sendung oder was Süßes.
Er fragt nie. Es ist, als ahne er, dass er nur verlieren kann.
Klasse gemacht. Ich mag es, wenn eine Geschichte aus tatsächlich erzählt, und auch erzählend strukturiert wird, anstatt Tausend belanglose Dialoge aneinanderzureihen.
Der Baum gehört hier her, so wie er ist und immer war. So wie sie selbst. So wie der Koffer.
Würde ich kicken, weil man sich das doch genauso eh denken kann (soll). Es macht die Aufzählung auch um einen Punkt zu lang (von der Lesezeit her).

Puh, ein toller Text. Ich muss nochmal sagen, dass das eine absolut souverän erzählte Geschichte ist, die sich was traut, und dem Leser was zutraut, die emotional und sogar romantisch ist, ohne dumm und kitschig zu wirken, und die vielschichtige Charaktere hat, ohne, dass viel Aufhebens um sie gemacht wird. Die Erotikszene fand ich gut (da wird - herrje, endlich einmal! - show don't tell in einer Sexszene geleistet) und absolut nicht zu lang, Es geht ja hier um viel mehr, als nur den Sex, in der Szene steckt ja eine ganze Untererzählung/Charakterisierung.

Soviel erstmal, mit lieben Grüßen,
Katla

P.S. Schreib weiter, ich will mehr von dir lesen! :peitsch: :gelb:

 

Hallo,

2022 dann die Hollywoodverfilmung mit Charlize Theron, Bradley Cooper und Christian Bale, oder auch wahlweise Ralph Fiennes. Schon reichlich Kitsch, das Ganze. Und dann diese Tricks im Text, vor allem diese Erzählinstanz, die wie ein Kapitän durch den Text navigiert, aber allzu offensichtlich und allzu eindeutig die Rezeption steuern soll, und im Grunde nichts erzählt, sondern faktisch zusammenfasst, was die Figuren, der Text leisten sollte. Die Figuren werden ja auch nie echte Figuren, denen fehlt jegliche Plastizität, das sind cardboard characters, die hasten durch die Zeit, Raum und Erzählebenen, die werden dann abschließend für den letzten, kitschigen Effekt verheizt. Dafür brauchst du auch den historischen Hintergrund, um diese Fallhöhe zu erzeugen. Natürlich muss er ein Bolschewik sein, und natürlich ist auch diese Geschichte auserzählt, denn wer erwartet denn etwas anderes, als dass er irgendwo im KZ verreckt oder hingerichtet wurde? Doch nur Einfältige oder Dumme. Wenn jetzt Bela nach Jahren doch noch auftaucht, dann wäre es ja fast wie in den Texten von Relotius, wo zuerst die Bomben fliegen und dann der Hochbegabte Piano in den Trümmern spielt - natürlich alles vor den Augen der Weltpresse.

Du verwendest hier viel Zeit darauf, die Eckdaten der Geschichte abzusichern mit dieser Erzählinstanz, aber einen emotionalen Hintergrund finde ich da nie. Warum liebt sie Bela so sehr, dass sie ihn auch nach fünfzig Jahren nicht vergessen kann? Was ist das Außergewöhnliche? Ist das überhaupt Liebe, oder ist es Sehnsucht, Verlangen? Was ist das Existenzielle? Das wird mir nie gezeigt, ich soll einfach davon ausgehen, es ist eine Vorsprecherei der Empfindungen. Genau wie Mel, der gewöhnliche Trottel, der sie trotzdem liebt - warum nur? Was ist das für ein Mann, und warum erträgt er dieses Schicksal? Wie fühlt sie sich dabei? Was hat sie dazu bewogen, ihn zu heiraten - Sicherheitsdenken, Vertrauen, ist sie gedrängt worden, Zeitgeist? Das sind ja alles immens wichtige Momente, Entscheidungen, Emotionen, die ich aber nur erahnen kann, die der Leser schon irgendwie richtig verstehen wird, weil das im Grunde alles Versatzstücke sind, die wir schon tausendmal vorgekaut bekommen haben - Krieg, Drama, Familie, zerrissene Existenzen, nie eingelöste Versprechen. Das ist im Text aber alles bestenfalls Spekulation. Du brauchst diesen historischen Hintergrund, damit diese Fallhöhe überhaupt erst entsteht, damit diese Tragik entstehen kann, es ist aber eine falsche Tragik, und die gesamte Anlage der Geschichte, aus welcher Perspektive sie erzählt wird, ist höchst manipulativ.

Die Sache mit dem Koffer ... Nein, die Sache mit mir geht so: Ich war verliebt in einen Jungen und habe auf ihn gewartet. Und ich hoffe so sehr, dass er aus freien Stücken nicht mehr wiederkam.

Da baust du dieses Szenario auf. Sie hofft, dass er aus freien Stücken nicht wiedergekommen ist. Der Tod, die Ahnung, im Grunde die Gewissheit, schwingt immer mit. Das geht nur in der jetztigen Konstellation. Die Geschichte könnte gar nicht zwanzig Jahre später spielen, unmöglich. Und das ist auch der entscheidende Punkt - du benutzt hier dieses Setting, um genau diese Tiefe bewusst zu produzieren. Bei mir kommt die nicht an. Für mich liest sich der Text wie eine Melange aus zwanzig Jahren Hollywoodblockbuster und Best-Of Romcom. Die Tropen sind allesamt verortet, man weiß, was geschieht, ein befriedigendes Ende, Karthasis, ein Leben mit der Lüge ist möglich, manchmal nötig, so ist das Leben. Arme Frau. Arme Alle. Dieser Konflikt, das Verzehrende daran, das Individuelle, das wird einem gar nicht bewusst, es äußert sich nie, bleibt immer eine Leerstelle, und du lässt deinen Figuren auch nie den Raum, um da etwas zwischen den Zeilen zum Schwingen zu bringen.

Was mir hier fehlt: Was ist denn das auch für eine Frau? Eine gnadenlose Romantikerin, die aber auch eine recht narzisstische und opportune Person zu sein scheint, denn sie hat kein Problem damit, den guten Mel zu heiraten, ihn aber ganz offensichtlich wissen zu lassen, dass er immer an zweiter Stelle steht bzw stehen wird. Der Koffer bleibt da unter der Bank, und Erklärungen gibt es keine. Mir scheint diese Beziehung ja die zu sein, die viel interessanter ist; was ist das für eine Dynamik? Sind sie je glücklich? Im Grunde ist der Text so angelegt, dass ich für diese Person, für die Frau und ihr Schicksal, Empathie empfinden soll. Aber das kann ich nicht, weil ich diese Widersprüchlichkeit, die sie vereint, und auch diese Liebe, diese Sehnsucht, nie erfahre, die bleibt immer eine Behauptung.

Die Sex-Traum-Szene finde ich gut, aber sie wirkt halt leider auch wie ein Effekt, der gegen Ende besonders viel Raum einnimmt. Warum steht die da? Was bewirkt diese Szene? Wie ändert sie die Geschichte? Warum kann sie erst jetzt Abschied nehmen, fünfzig Jahre danach? Über den Zeitpunkt wird nie gesprochen, obwohl das ja ein Fixpunkt im Text ist. Warum gibt sie das Hoffen und Warten gerade jetzt auf?

Gruss, Jimmy

 

Gude @Huxley,

die Bildlichkeit des Gewächshauses gefällt mir sehr gut. Du erzeugst anhand der Location eine schöne Zeitreise. Auch die Erotikszene hat mir sehr gut gefallen. Ich konsumiere das meist nur im Vorbeigehen, aber ich würde sagen, wenn Erotik, dann doch eigentlich so, wie du das hier gemacht hast. Stärker hätte das vielleicht sogar noch wirken können, wenn im Text häufiger körperlich-lustvolle Reize angesprochen werden, ehe es zur Sexszene kommt. Ein Stück weit isoliert sie sich sonst etwas vom Text.

Aber im Kern würde ich mich Jimmy anschließen:

Warum liebt sie Bela so sehr, dass sie ihn auch nach fünfzig Jahren nicht vergessen kann? Was ist das Außergewöhnliche? Ist das überhaupt Liebe, oder ist es Sehnsucht, Verlangen?
Mir fehlt die "Motivation" für das Handeln von Helene. Das könnte entweder mehr zu ihrer von außen ungewünschten Beziehung sein oder - was ich noch plausibler fände - eine metaphorische Aufladung ihres Wunsches. Wofür steht Bela, was Helene in ihrem Leben ohne ihn nicht erreichen kann? Was ist dieses zentrales Element, das sie braucht, um vollständig zu sein - und ohne das sie ihr Leben verlebt ohne richtig da zu sein. Wenn es "nur" Liebe ist, dann würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass sie Mel und ihr Kind nie (richtig) geliebt hat. Uff.

Mir gefallen die deutlichen Erzählmarkierungen im Text nicht so gut.

Dinge, die Helene über das Gewächshaus lernt:
Die Sache mit ihrer Mutter geht so:
Die Sache mit Mel ist Folgende:
Das sind so Einleitungen, die es m.E. zunächst zum Textverständnis nicht braucht - ich fühle mich da an die Hand genommen und das mag ich nicht, weil ich da aus der Welt herausfalle. Am Schluss wird das ja von Helene aufgegriffen und ich vermute deswegen, dass diese Elemente auf eine aktive Erzählinstanz verweisen sollen. Helene könnte diese Rolle einnehmen und ich glaube, das würde stimmiger, wenn der Text in der Ich-Perspektive wäre.

Zum Abschluss ein paar Kleinigkeiten:

Neben ihr liegt das Päckchen Kerzen, dass sie vor kurzem zum Schutz gegen den Frost bereitgestellt hat.
-> Sind Kerzen als Frostschutz zumindest für Pflanzen geeignet, wenn man sie nahe ranstellt? Weil große Wärme strahlen die ja nicht gerade aus.

wie furchteinflößend es sein muss, im Leben nur die Hoffnung auf Glück zu haben.
-> Ich finde diese Aussage der Prota irgendwie besserwisserisch. Meinem Eindruck nach wird hier mit der Doppelbedeutung von Glück als Zufallsglück und Lebensglück gespielt und die Mutter verlacht, weil sie sich auf den Zufall verlasse. Das geht aber aus ihren Aussagen nicht hervor und ich habe den Eindruck, dass die Mutter hier aktiv falsch verstanden wird - und die Aussage daher sehr konstruiert auf mich wirkt.

mit einer ganz gewöhnliche Erscheinung und einem ganz und gar ungewöhnlich schönen Lächeln.
*gewöhnlichen / *schönem

Liebe Grüße
Vulkangestein

 

Hallo @barnhelm ,
ich freue mich, dass du dich meinem Gewächshaus gewidmet hast.

Allerdings sind mir beim Lesen ein paar Plausibilitätsfragen gekommen, die mich stocken ließen.
Z.B.: Wie riesig muss ein solches Gewächshaus sein, wenn es einer 50 Jahre alten Magnolie Platz bieten kann?
Ich habe durch diese Bemerkung erst bemerkt, dass ein Gewächshaus im herkömmlichen Sinne meist ziemlich klein ist. Ich hatte immer eine kleine Orangerie vor Augen, verbinde mit Orangerie aber wieder diese riesen Bauten, die ich in Paris gesehen habe.
Das ist wohl eher eine Orangerie, wie sie in manchen Schlossparks zu finden ist.
Und dieses riesige Gewächshaus, das wohl aus Eisen und Glas besteht,
brennt dann am Ende sehr schnell lichterloh:
Möglicherweise ist es ja nur die Magnolie, die da in kürzester Zeit lichterloh brennt? Aber:
Genau, der Baum brennt und zerstört durch die entstehende Hitze die Gläser. Bis hier her dachte ich noch: Läuft.
Die Magnolie ist also keineswegs ausgetrocknet, sondern steht in vollem Saft.
Hier dachte ich dann: Shit! ^^ Stimmt, darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich seh jetzt spontan nicht, wie ich dieses Logigloch stopfen kann. Der Baum soll ja nicht schon seit Jahren tot da stehen.

Zur Größe des Baumes: Da hast du Recht. Ich habe auch schon gigantische Magnolien gesehen. Aber: Die meisten Magnolien, denen ich über den Weg laufe, sind immer wieder so beschnitten worden, dass sie nicht mehr so hoch wachsen. Und da Helenes Mutter da auch schon tätig war, plädiere ich für eine Aus-Versehen-Bonsai-Magnolie.

Außerdem muss es im Gewächshaus recht feucht sein:
Auch hier bin ich erst durch deine Bemerkung drauf gekommen, dass es eher vorkommt, dass ein Gewächshaus gern auch innen beschlägt. Ich wollte eher auf Regentropfen von außen hinaus. Ehrlich gesagt habe ich den Regen auch nur drin, damit nicht der ganze Garten abfackelt.
Zeitlich und räumlich habe ich so meine Schwierigkeiten, deine Geschichte zu verorten. Béla hat bolschewistische Eltern, was ein Problem für ihn und vermutlich Helenas Eltern ist. Wo sollte das so gewesen sein? Ich denke hier natürlich zuerst an die Oktoberrevolution und Russland. Und auch Schusterjunge klingt nach Anfang des 20. Jahrhunderts, ebenso wie die Stadtvilla mit dem großen Gewächshaus.
Ja, ich sehe deinen Punkt. Stimmt, gesamtgeschichtlich betrachtet lenkt das Wort zu erst nach Russland (leider nicht bei mir, weil mein Geschichtswissen recht einseitig nationalsozialistisch interessiert ist/war). Ich hatte beim Schreiben die Bolschewisten im Nationalozialistischen Deutschland im Blick, in den 1920-30er, als der jüdische Bolschewismus als Schlagwort etabliert wurde.
(Ich war auf der Suche nach einer Alternative zu einem jüdischen Jungen).
Diesen Abschnitt halte ich insgesamt für einen Streichkandidaten. Er bringt dem Thema der Geschichte, außer dass er die Ehe Helenas streift, nicht viel.
Mir ist dieser "Als"-Abschnitt wichtig, um das Verhältnis Helene/Mutter zu etablieren und die Unversöhnlichkeit und Sturheit Helenes.
Außerdem soll er in einem schnellen zeitlichen Abriss zeigen, dass Helene das Warten nicht aufgibt.

Die Meinung der Mutter (wie auch die politische Einstellung des Vaters) scheint mir für die eigentliche Geschichte unwichtig.
ja, die Erwähnung des Vaters geschieht in erster Linie, damit die Mutter noch einmal den Glücksque geben und Helenes Sturheit ansprechen kann. Ich seh aber ein, dass der Vater den Text eher verwässert. Hm...
Mir bleibt auch unklar, warum sie am Anfang schon mit dem Koffer im Gewächshaus ist, Béla dann aber wieder fortgeht, sie mit dem Koffer zurücklässt.
Er kommt, um sie zu besuchen, was schon mit Gefahren verbunden ist, sie haben schon stundenlang darüber geredet, was sie tun sollen, Bela will sie nicht in Gefahr bringen, Helene ist aber schwer verliebt und will ihm zeigen, dass sie ihren Worten Taten folgen lässt und sie sogar schon den Koffer gepackt hat. Er sagt: "Wow, die ist es. Ok, dann wagen wir es. Ich hole nur schnell mein Zeug und wir reisen ab."
Das ist so mein Kopfkino dabei.
(Ein bisschen kommt es mir so vor, als wäre dieser Koffer nachträglich in diese schöne Magnolien-Atmosphäre des Gewächshauses hineinmontiert worden.)
Der Koffer im Gewächshaus waren die Ausgangsmotive. Dazu noch ein Techtelmechtel zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann.
Ich seh das echt als Kompliment, weil ich mich beim Schreiben oft gefragt hab, ob das Magnolienthema nicht blöd ist.
Dieser ganze Absatz soll Mel einführen. Ich erfahre allerdings über ihn nur, dass er – vermutlich zur Musik von Ray Charles – mit dem Fuß wippt. Das Markierte sind unwichtige Einzelheiten, die der Geschichte nmE nichts bringen.
Hm und ich mag die Stelle so, weil sie authentische Details in die Geschichte bringen sollte.

Waren das nicht eigentlich Lampions?
Stimmt, es sind eigentlich Lampions. Sie sieht mitten in der Nummer aber auch die Magnolie blühen, obwohl es Herbst ist. Koitale Brille würde ich es nennen.
Die Haut errötete ja nicht überall.
Hm, ja, das ist ungenau beschrieben. Grad fällt mir noch nichts besseres ein, weil ich den Flow des Satzes nicht kaputt machen möchte. Ich bin dran.
Hier hätte ich mir auch vorstellen können:
Mel, mit wippendem Fuß zu I’ve Got a Woman.
Da sollten unbedingt die Aufzählungen ihrer "Träume" mit Bela durch wirkliche Dinge von Mel repräsentiert werden. Aber, jetzt wo du das schreibst, frage ich mich, ob das Fußwippen nicht auch schon Zeichen genug für seine musikalische Ader ist.:naughty:
Im Verhältnis zu der recht langen Sexszene geht mir das Ende dann ein bisschen zu schnell: Helene erkennt, dass ihr Platz an der Seite von Mel ist, zündet das Laub an, löst den Brand aus, Mel erscheint, sie lassen das brennende Gewächshaus brennendes Gewächshaus sein und gehen zurück zur Party. Das ist mir dann doch ein wenig zu sehr mit der heißen Nadel gestrickt, worauf wohl auch die etwas nachlässige Wortwahl hinweist.
Jaaa, die Sexszene ist ein wenig ausgeufert, das habe ich auch schon befürchtet, aber wenn man erst mal drin ist (hust), ist's schwer aufzuhören.
Auch deine Hinweise zu den "pingeligen Details" stimmen. Da wollte ich technisch zu korrekt bleiben. Wenn man sich vornimmt nicht Penis zu schreiben, dann wollte ich wengisten nen Schlüpfer erwähnen, um es zu erden. :naughty: Beim Schreiben hat das total Sinn gemacht.
Da geh ich nochmal ran, danke.

Das Ende hat für mich ein schönes Tempo und wirkt hoffentlich nur wegen dem Porno davor so klein?

Mels Lachfalten sollen davon zeugen, dass er sein strahelndes Lächeln nicht verloren hat und ein schönes Leben hatte.

Insgesamt finde ich das eine schöne romantische Geschichte, deren Grundidee mir sehr gefallen hat.
Danke dir. Du hast keine Vorstellung, wie gut mir Sandwichfeedback tut. :schiel:
Ich fände es allerdings besser, wenn die Beziehung Mel-Helena noch stärker in den Fokus gerückt würde.
Ich hatte noch ein, zwei Abschnitte mit Interaktionen zwischen Mel-Helena, die dann rausgefallen sind. Der Fokus sollte schon eher auf dem Warten und der Sehnsucht liegen, wobei Mel (was andere ja auch angemerkt haben) da von mir recht platt als Quotenmann eingesetzt wurde, das kann ich nicht leugnen.

Nochmal, vielen Dank für deine Mühen.

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Alter Falter, @Katla ^^
"Vielen Dank für deinen Kommentar!" trifft es nicht mal ansatzweise, aber ich will nicht überschwänglich werden.

Ich hoffe sehr, jemand findet sich, der deine Geschichte empfiehlt, sonst muss ich das machen, und das sieht vllt. befangen aus.
Mir bricht hier gleich der Schweiß aus.
Zum anderen zeigt er einen riesen Entwicklungsschritt
Hast du zwischendurch was gechrieben, das nicht auf WK steht?
Ich habe tatsächlich soo viel gelernt, seit ihr ich hier lese und kommentiere und mein erster Text kommentiert wurde! Der Sprung kommt dir vielleicht so groß vor, weil der erste Text noch sowas wie Nullstellung war, ohne mal Feedback bekommen zu haben und ich auch noch nicht knietief in euren Texten steckte. Ich habe jedenfalls das Gefühl, sehr von diesem Ort hier zu profitieren und umso toller ist es natürlich, wenn sich das auch in den Kommentaren niederschlägt. (Allein, dass hier schon über Inhalt gesprochen wird und nicht mehr nur über Satzkonstruktionen und Erzählperspektiven ist ja ein win für mich^^)
Es ist zudem eine perfekte Mischung aus kühler Struktur (die Bemerkungen des Erzählers z.B, die sich wie Kapitelüberschriften lesen und viel Blabla ersparen) und durchaus - in positiven Sinne des Sublimen - romantischen Emotionen (die Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen, Verzweiflung und letztlich Befreiung der Prota).
Ich mag solche Einschübe sehr (auch Aufzählungen und Bilder und andere außergwöhnliche "Gimmicks" so, wie bei der Bücherdiebin oder Extrem laut und unglaublich nah) und möchte daran auf jeden Fall weiter arbeiten. Ist Geschmacksache, klar, aber ich steh drauf.

Der Text ist - egal, welche Zeitebene er erzählt - in einem Tempus gehalten.
Finde ich ein wichtiges Feedback, war nämlich eine große Sorge von mir. Versteht der Leser wo (bzw wann) er gerade ist?

Das ist eine grauenvolle Phrase. Sagen Leute das wirklich beim Sex, oder erinnert das nur noch an bilige 70er Jahre Pornos?
Ach Katla ...
EINE einzige authentische autobiografische Sache in dem ganzen Text und du kommst mit dem Zielfernrohr und Kopfschuss! ^^
Ja, ich gestehe hiermit öffentlich im Internet dass ich (ungläubig und heidnisch erzogen), wenn es richtig, richtig gut läuft, auch mal ein "Oh Gott" flüstere, keine Ahnung warum, aber ich dachte, ich bin nicht der Einzige. :lol:

Wie dem auch sei, ich finds auch doof und kümmere mich drum (also in der Geschichte, das andere krieg ich wohl nicht mehr weg ...)

Den fetten Teil finde ich toll, das davor war mir - besonders an dieser Stelle - zu viel, und vor allem zu thematisch anders
Hmhm, ja, ich schau mal, ob ich es woanders stimmig finde.
Knöpfe wären weniger auffällig, sonst vllt. Bänder, Bändchen?
Ja, ich wollte keine Knöpfe, weil das Hemd schon Knöpfe hat und habe faul das Erstbeste genommen.
Notiert.
Das Fette hab ich erst nicht kapiert. Klar, die Toten warten nicht mehr, aber Trauernde mit Eile zu kombinieren, den Satz finde ich seltsam, wie auch die Begründung.
Das war ein easteregg, das ich bei Wikipedia gefunden habe. In Druckereien ist das angeblich heute noch ein geflügeltes Wort, obwohl keiner mehr auf der Treppe sitzt. Es war früher so, dass Todesanzeigen immer Priorität hatten und so schnell wie möglich gemacht wurden.
Bis dahin hatte ich Mel als Abkürzung zu Melanie gelesen,
Ja, seien wir ehrlich, Melvin und Mel gehören beide nicht wirklich in ein Deutschland der 1930er.
Ich hatte noch gedacht, den Namen einzudeutschen, habe es dann aber vergessen, weil ich den Klang halt auch so mag. Einen Gefallen habe ich mir damit nicht getan, dass ich sehe ich auch.
Das liest sich eher, als zöge sie ihn an
Ist eines der "pingeligen Details", die schon angesprochen wurden und die ich mir nochmal ansehen werde.
Würde ich kicken, weil man sich das doch genauso eh denken kann (soll)
Stimmt.
und absolut nicht zu lang, Es geht ja hier um viel mehr, als nur den Sex, in der Szene steckt ja eine ganze Untererzählung/Charakterisierung.
Nicht, dass ich was davon kürzen würde, aber ich kann verstehen, dass es verglichen mit dem Rest recht "heavy" wirkt.
Und, puhh, schön zu lesen, dass der Sex das darunter und dazwischen nicht verdeckt.

Nochmal, vielen, vielen Dank für dein Feedback. Und wenn du mir jetzt sagst, dass du unter dem Eindruck von Sonnenschein und Achterbahnfahrten standest beim Kommentieren, ist mir das auch egal. :D

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Hallo @jimmysalaryman ,

als ich gesehen habe, dass du kommentiert hast, dachte ich erst: Scheiße, ich dachte ich wäre unter seinem Radar! Ahhhh....
Aber im Endeffekt freue ich mich total, dass du mir und dem Text ne Chance gegeben hast.

Und dann diese Tricks im Text, vor allem diese Erzählinstanz, die wie ein Kapitän durch den Text navigiert, aber allzu offensichtlich und allzu eindeutig die Rezeption steuern soll, und im Grunde nichts erzählt, sondern faktisch zusammenfasst, was die Figuren, der Text leisten sollte.
Ja, ich sehe deinen Punkt (im schlimmsten Fall sind es halt auch nur Krücken) und klar, es ist schwieriger, Sachen "nur" durch Text entstehen zu lassen. Aber, egal wie gut ich mal schreiben kann, würde ich nie auf Tricks verzichten. Ich mag diese ästhetischen Brüche und "Gimmicks" sehr gern. Meine liebsten Bücher haben sie. Wenn der Tod in der Bücherdiebin am Anfang jedes Kapitels beteiligte Personen und Stichworte des Kapitels aufzählt, wenn bei Extrem laut und unglaublich nah plötzlich eine Drehbuchseite steht oder bei Schwarze Zahlen ein Wikipedia-Beitrag. Absolutes guilty pleasure.

Schon reichlich Kitsch, das Ganze.
Ich unterstelle jetzt, ohne dich zu kennen, dass dein Kitschschwelle niedriger liegt als bei anderen.
Klar, hier gehts darum, romantische Gefühle auszulösen und so viel mehr auch nicht.
Die Figuren werden ja auch nie echte Figuren, denen fehlt jegliche Plastizität, das sind cardboard characters, die hasten durch die Zeit, Raum und Erzählebenen, die werden dann abschließend für den letzten, kitschigen Effekt verheizt.
Ich hatte versucht, authentische Details der Figuren darzustellen (Mel wippt, Helenes unversöhnliche Haltung ihrer Mutter gegenüber), um sie weniger Pappe und mehr Fleisch werden zu lassen.
Gerade der Hinweis, dass sie durch die Geschichte hetzen und verheizt werden, stimmt voll. Es ist kein raffinierter Blick mit der Lupe in eine einzelne Situation, der auch mal unterm Teppich nachguckt.
Aber, ehrlich: Das ist (momentan) auch nicht mein Anspruch. Ich bezweifle, dass ich sowas schreiben kann, rein vom Handwerklichen.
Ich weiß nicht, wie du deinen Anspruch ans Schreiben erklären würdest, aber ich bin grad schon zufrieden, wenn ich sagen kann, ich habe die und die Emotion hervorgerufen, ohne unfreiwillig komisch oder schräg zu klingen.
Warum liebt sie Bela so sehr, dass sie ihn auch nach fünfzig Jahren nicht vergessen kann? Was ist das Außergewöhnliche? Ist das überhaupt Liebe, oder ist es Sehnsucht, Verlangen?
Sie war um die fünfzehn, als sie sich in ihn verliebt hat, so wie andere sich in Nick Carter von den Backstreet Boys verlieben. Klar ist das nix Konkretes, sondern eine Idee, eine Schwärmerei, die aus pupertären Sehnsucht entfacht wurde. Und weil sie nicht konkret ist, kriegt man sie auch nicht ohne weiteres kaputt. Und nachdem Helene ja schon so einen Einsatz geleistet hat (ihm mit Sack und Pack folgen zu wollen) und sich danach das Scheitern der Sache nicht eingestehen wollte, wurde es dann schwieriger und schwieriger, von dem ganzen Gedankenkonstrukt wegzukommen.

Genau wie Mel, der gewöhnliche Trottel, der sie trotzdem liebt - warum nur?
Naja, jeder macht ja im Kopf eine Kosten-Nutzen-Rechnung, also wird auch Mel sich am Ende vom Tag sagen: Ja, passt schon.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass es für den Leser besser nachvollziehbar wäre, wenn angedeutet wird, dass Mel auch seine Ecken hat und "Kosten" verursacht?
Das sind ja alles immens wichtige Momente, Entscheidungen, Emotionen, die ich aber nur erahnen kann, die der Leser schon irgendwie richtig verstehen wird, weil das im Grunde alles Versatzstücke sind, die wir schon tausendmal vorgekaut bekommen haben
Stimmt. Das Rad habe ich nicht neu erfunden.
es ist aber eine falsche Tragik, und die gesamte Anlage der Geschichte, aus welcher Perspektive sie erzählt wird, ist höchst manipulativ.
Aber macht man das nicht mit jedem Text? Oder ist es hier einfach nur nicht raffiniert genug?
Ich versteht das grad so, dass meine Gewächshaustragik weniger wert ist.

Dieser Konflikt, das Verzehrende daran, das Individuelle, das wird einem gar nicht bewusst, es äußert sich nie, bleibt immer eine Leerstelle, und du lässt deinen Figuren auch nie den Raum, um da etwas zwischen den Zeilen zum Schwingen zu bringen.
Ja, ich erahne, was du meinst. Mehr konkrete Situationen, in denen man den Personen zusehen und sich ein Bild von ihn machen kann?

Die Sex-Traum-Szene finde ich gut, aber sie wirkt halt leider auch wie ein Effekt, der gegen Ende besonders viel Raum einnimmt. Warum steht die da? Was bewirkt diese Szene?
Im Endeffekt wollte ich sehr gern eine Sexszene schreiben, zum emotional porn also noch richtigen porn. Ja, sie ist verglichen mit dem Rest sehr ausführlich geworden (hat aber auch beim Schreiben so viel Spaß gemacht).
Sie soll neben dem Offensichtlichen aber auch die Sehnsucht zeigen, die Helene immer in sich trägt und wie sie schließlich aufgelöst wird. Und dabei sieht sich Helene selbst in diesem Körper, der so lange gewartet hat.
Und es ist der letzte Punkt ihrer Bucketlist vom Anfang.

Warum kann sie erst jetzt Abschied nehmen, fünfzig Jahre danach? Über den Zeitpunkt wird nie gesprochen, obwohl das ja ein Fixpunkt im Text ist. Warum gibt sie das Hoffen und Warten gerade jetzt auf?
Als ich das gelesen habe, war ich echt verblüfft. Fuck. Keine Ahnung. Da ist momentan nix angelegt für.
Zufall? Sehr unbefriedigend. Ich könnte noch einen SciFi-tag ranmachen, und einen Alien-experimentiert-Überbau ranschreiben.
Aber im Ernst: Spontan fällt mir grad kein Grund ein, warum gerade an diesem Tag der Knoten platzt, aber ich geh damit mal schwanger.

Danke nochmal für die Anregungen und den jimmyschen Blickwinkel
huxley
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to be continued

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Huxley nochmal,

EINE einzige authentische autobiografische Sache in dem ganzen Text und du kommst mit dem Zielfernrohr und Kopfschuss!
:sconf: :bonk::rotfl:Hahaha, SORRY! Das werd ich wohl in Zukunft etwas sanfter anmerken.
Das war ein easteregg, das ich bei Wikipedia gefunden habe. In Druckereien ist das angeblich heute noch ein geflügeltes Wort, obwohl keiner mehr auf der Treppe sitzt. Es war früher so, dass Todesanzeigen immer Priorität hatten und so schnell wie möglich gemacht wurden.
Ah, das kannte ich nicht. An sich finde ich es total klasse, wenn man Details findet, die zum Googeln einladen, aber hier sah mir das nur eigenartig aus. Mag aber nur mir so gehen ...
wenn du mir jetzt sagst, dass du unter dem Eindruck von Sonnenschein und Achterbahnfahrten standest beim Kommentieren
Nee, unter dem Eindruck eines tollen Films, aber ich mag einfach Geschichten mit schrägen Strukturen und gut kombinierten Themen (wenn sie für mich funktionieren, natürlich), und finde sie auch wirklich total schön erzählt.
Hier dachte ich dann: Shit! ^^ Stimmt, darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich seh jetzt spontan nicht, wie ich dieses Logikloch stopfen kann. Der Baum soll ja nicht schon seit Jahren tot da stehen.
Orangerie geht nicht, das ist kein Synonym für Gewächshaus, sondern ist eine nicht-überdachte Pflanzensammlung in Garten-/Parkform, wo in den allermeisten Fällen Stein- und nicht Glashäuser stehen; außerdem gehört das zum Barock (oder meinetwegen noch Neobarock). Ganz so hochherrschaftlich wird es bei Helene wohl nicht zugehen.
"Gewächshaus" ist ein Begriff, der nix mit Größe, sondern Funktion zu tun hat, vgl. Kew Gardens in London, das größte viktorianische Gewächshaus der Welt - das ist riesig (und auf jeden Fall einen Besuch wert).
Auch hier bin ich erst durch deine Bemerkung drauf gekommen, dass es eher vorkommt, dass ein Gewächshaus gern auch innen beschlägt. Ich wollte eher auf Regentropfen von außen hinaus. Ehrlich gesagt habe ich den Regen auch nur drin, damit nicht der ganze Garten abfackelt.
Hm, das kommt wohl auf die Pflanzen an. Ich gehe gern in Gewächshäuser, und davon war ich nur in einem, das so eine subtropisch-feuchte 'Landschaft' hatte. Die Luft in den anderen war von der draußen nicht zu unterscheiden. Vielleicht kann dazu Gärtnereibesitzerin Ms. Witch (@greenwitch ) was sagen, in einer ihrer Geschichten brennt auch ein Gewächshaus ab. Oops, EDIT: Brannte nicht ab, hatte ich aber so in Erinnerung.

Zum Feuer selbst: Nimm einfach einen Brandbeschleuniger (z.B. Benzin), lass sie zwei Türen öffnen und gut is. Vielleicht gibts da ja auch eine Ecke mit Gerümpel oder alten Zeitungen, wo sie das starten kann. Ich hab zwar nur ein 2-tägiges Feuerbekämpfungstraining gemacht, aber dort und mit den Basis-Übungen, die auch die Berufsfeuerwehr durchführt. Mit dem 'Feuchten' ist das relativ. Ein Brand entsteht durch: Brennbare Stoffe + Hitze + Sauerstoff. Was aber ein brennbarer Stoff ist, entscheidet der Flammpunkt, an dem er sich entzündet. Ist die Temperatur hoch genug, kann sich selbst Metall entzünden (z.B. Aluminium). Mit Brandbeschleuniger, der etwas Brennbares in der Nähe entzündet, können schnell Temperaturen erreicht werden, in denen deine 'feuchten' Pflanzen lichterloh brennen. Wenn es dann zu einer Rauchgasdurchzündung kommt (Flashover), ist das Feuer selbst durch einen Feuerwehreinsatz schwer unter Kontrolle zu bekommen. Eine Rauchgasdurchzündung (= es entsteht eine so große Hitze, dass der Qualm selbst zu brennen beginnt) kann in Innenräumen wie auch im Freien (z.B. Dachstuhlbrand mit schon offenem Dach) stattfinden. Dieses Viktorianische Gewächshaus brannte - trotz Löschversuchen der Feuerwehr, die eintraf, als das noch ein Feuerchen war - aufgrund eins Kabelschmorbrandes, einer Zigarette (!) oder nach Brandstiftung ab: Reicht dir das? (Video)

So schnell kann das in Räumen mit trockenen Brennstoffen gehen: Alter Weihnachtsbaum quasi als Brandbeschleuniger = Feuer kann nach wenigen Sekunden nicht mehr ohne professionelle Ausrüstung gelöscht werden, an der Decke herrschen dann Temperaturen weit über 1000°C, Flashover nach 40 Sekunden. Wenn brennbares Material, das gleichzeitig Brandbeschleuniger ist, ausläuft, kann es sogar auf Wasser brennen (wie beim Crash des Tankers Vector mit der Fähre Doña Paz, bei dem ein 1 km² großer 'Teppich' aus Ölen + Treibstoffen auf dem Meer brannte und über 4000 Menschen tötete).

Den Regen würde ich drinlassen, das ist ein guter Punkt, denn sonst müssten sie ein Übergreifen der Flammen aufs Wohnhaus befürchten, und würden wohl nicht so abgeklärt zusehen, wie das Gewächshaus abfackelt.

Ich hatte beim Schreiben die Bolschewisten im Nationalozialistischen Deutschland im Blick, in den 1920-30er, als der jüdische Bolschewismus als Schlagwort etabliert wurde. (Ich war auf der Suche nach einer Alternative zu einem jüdischen Jungen).
Hm, das war mir auch nicht aufgefallen, weil ich fast alle Bücher zum Faschismus und 2. Weltkrieg von (nichtstalinistischen) russischen Autoren gelesen habe. Aber mach doch aus ihm einfach einen Kommunisten (so hatte ich das auch gelesen). Selbst wenn man die Zahlen der Parteimitglieder und nicht nur der vormaligen Wähler nimmt, haben mehr überlebt, als von den Faschisten ermordet wurden. Damit hast du sogar statistisch jede Interpretationsfreiheit für deine Geschichte. Einige, die ins Ausland, v.a. Übersee, flüchteten, nahmen auch nach dem Krieg keinen Kontakt mehr zu Familie/Freunden im Heimatland auf. Oder er starb im Widerstand, oder floh in die Sowjetunion und wurde dort (unschuldig) als Spion im GULAG ermordet - es gibt dann ziemlich viele mögliche anzunehmende Schicksalsentwürfe für deine Figur.

Als tag könntest du übrigens Seltsam nehmen, das ist ja eigentlich Magischer Realismus, wobei das Phantastische als selbstverständlicher, nicht-erklärungsbedürftiger Teil des Alltags erzählt wird. Dann solltest du aber Alltag kicken, das beisst sich.

Liebe Grüße nochmal, Katla :kaffee:

 

Vielleicht kann dazu Gärtnereibesitzerin Ms. Witch (@greenwitch ) was sagen, in einer ihrer Geschichten brennt auch ein Gewächshaus ab.
Gute Frage! Aber ich bin über die Stelle ohne Hacker hinweg beim Lesen, kein dummes Gefühl, denn natürlich würde eine ausladende Magnolie viel Feuchtigkeit verbrauchen, Lüftungen gibt es in alten Gewächshäusern tolle .... Also ich glaube das Setting sofort, etwas Papiermüll und trockene Blätter bringen da bestimmt ein Feuerchen hin.

Allerdings, in meiner Geschichte ist überhaupt kein Feuer, die Folie löst sich durch eine chemische Reaktion auf, nur meine Beschreibung ist anscheinend so doof, dass alle Feuer sehen. Ich lern´s noch irgendwann ... hoffe ich.
Schöne Geschichte übrigens, im Dezember komme ich zum kommentieren vorbei ...
Beste Wünsche
witch

 

Hallo @Vulkangestein ,
ich freue mich, dass du alles in allem Spaß beim Lesen hattest. Danke für deine Eindrücke, im Guten wie im Schlechten.

Mir fehlt die "Motivation" für das Handeln von Helene. Das könnte entweder mehr zu ihrer von außen ungewünschten Beziehung sein oder - was ich noch plausibler fände - eine metaphorische Aufladung ihres Wunsches. Wofür steht Bela, was Helene in ihrem Leben ohne ihn nicht erreichen kann?
Ja, ich habs ja zu Jimmy schon geschrieben. Es wurmt mich echt, dass ich das in meiner Planung des Plots nicht für eine Sekunde bedacht habe. Ich denk da zwischendrin immer mal wieder drüber nach. Hatte schon so Schnappsideen, wie dass sie zum Hochzeitstag eine Spirituose geschenkt bekommt, die sie mit Bela getrunken hat, oder ein Schmuckstück, dass sie an Bela erinnert, aber das sind alles noch so billige Schundideen.

Was ist dieses zentrales Element, das sie braucht, um vollständig zu sein - und ohne das sie ihr Leben verlebt ohne richtig da zu sein. Wenn es "nur" Liebe ist, dann würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass sie Mel und ihr Kind nie (richtig) geliebt hat. Uff.
Ja, ich muss zugeben, dass ich mir das nicht bis zu Ende überlegt habe. Und die Schlussfolgerung, die man natürlich so ziehen kann, (wie du es ja schreibst) ist nicht, was ich mir vom Text wünsche.
Ich hoffe, ich habe da noch eine kluge Idee, um da was für eine andere Interpretation zu sähen.

Helene könnte diese Rolle einnehmen und ich glaube, das würde stimmiger, wenn der Text in der Ich-Perspektive wäre.
Dass die Überschriften bei einem Ich-Erzähler mehr wirken könnten, habe ich so gar nicht bedacht, danke für diese spannende Bemerkung. Mir fällt der Ich-Erzähler recht schwer, darum habe ich das gar nicht bedacht.
Andererseits mag ich den sachlichen Ton des jetzigen Erzählers ganz gern, halt auch als Kontrast zu dem emotionaen Thema.

-> Sind Kerzen als Frostschutz zumindest für Pflanzen geeignet, wenn man sie nahe ranstellt? Weil große Wärme strahlen die ja nicht gerade aus.
Och, auf einschlägigen Internetseiten heißt es, dass Kerzen ein Gewächshaus um 1-4 Grad hochbringen können. Man nennt sie auch Frostwächter. Wie viel Kerze man für wieviel Gewächshaus braucht, weiß ich aber nicht.
Ich finde diese Aussage der Prota irgendwie besserwisserisch.
ich habe den Eindruck, dass die Mutter hier aktiv falsch verstanden wird - und die Aussage daher sehr konstruiert auf mich wirkt.
Jaaaa, ich hatte es schon so angelegt, dass Helene stur in ihrer Abneigung gegen ihre Mutter ist und unversöhnlich in ihrer Haltung, aber ich kann das Gefühl auch nicht abschütteln, dass bei diesem letzten Satz der Glückskekszettelgenerator in mir lief. Vielleicht schwäche ich das noch ab, so dass es nur noch nach überheblichem Mitleid klingt, gegenüber der glücksergebenen Mutter.
*gewöhnlichen / *schönem
Man eye, wie lange ich an dem Satz saß und rumprobiert hab und überlegt und dann hau ichs doch falsch raus ... und so offensichtlich falsch!
Danke. :sick:

Nochmal, danke für das aufmerksame Lesen und Gedankenteilen.

-----------------
Hey ho @Katla ,
ach, alles gut. Ich war ja auch nicht so glücklich mit den Gottesanbetungen. Habs jetzt geändert.

Aber mach doch aus ihm einfach einen Kommunisten (so hatte ich das auch gelesen)
ja, habe ich jetzt gemacht.
Also ich glaube das Setting sofort, etwas Papiermüll und trockene Blätter bringen da bestimmt ein Feuerchen hin.
Danke für die Zweitmeinung. An was man so denken muss/könnte ...
Und wie schön, dass es hier geballte Expertise für so ziemlich alles gibt. :)

man liest sich
huxley

 

Sie war um die fünfzehn, als sie sich in ihn verliebt hat, so wie andere sich in Nick Carter von den Backstreet Boys verlieben. Klar ist das nix Konkretes, sondern eine Idee, eine Schwärmerei, die aus pupertären Sehnsucht entfacht wurde. Und weil sie nicht konkret ist, kriegt man sie auch nicht ohne weiteres kaputt.

Das wäre aber eine pubertäre Schwärmerei, die sich irgendwann in den Zwanzigern verliert, außer sie ist eine psychotische Stalkerin. Das kann kein Grund sein, bzw ist der für mich zu schwach, die Motivation der Figur reicht nicht aus. Ich sehe die Frau eher sehnsüchtig, sie sehnt sich nach etwas, dass sie mit Mel eben nicht haben kann. Hier spielt doch auch die sexuelle Komponente eine große Rolle: Vielleicht hatte sie mit Bela so umwerfenden Sex, waren seine Berührungen so einzigartig, dass sie sich davon nicht lösen kann. Mel hat vielleicht andere Talente. Er kann eine Familie umsorgen. Aber Bela ist der leidenschaftliche Lover, der ihr immer im Gedächtnis bleibt. Das impliziert ja auch die Frage, was wäre wenn? Was wäre wenn Bela jetzt tatsächlich auftaucht? Für was entscheidet sie sich? Für die Leidenschaft oder den grauen, aber sicheren Alltag? Dann wäre das ein existenzieller Konflikt. Für mich würde diese Masturbationsszene dann auch mehr Sinn machen, weil sie sich an Belas Berührungen erinnert, als abschließender Ritus sozusagen, ein letztes Mal, aber dann ... so würde diese gut geschrieben Szene nicht so alleine dastehen. Es wäre mehr aus einem Guss.

Gruss, Jimmy

 

Hallo liebe Huxley,

deine Geschichte gefällt mir total gut. Ich konnte mich problemlos in die Figuren und die Handlung mit den Zeitsprüngen einfühlen. Die Detailtiefe ist gut dosiert. Durch den Hinweis mit dem keinen Tag älter aussehenden Béla war auch klar, dass das Wiedersehen nur in Helenes (schöne Namen btw.) Fantasie stattfindet. Die Magnolie ist als Sinnbild ziemlich stark. Aber der Koffer bekommt noch genug Auftritte.


„Die Sache mit dem Koffer ... Nein, die Sache mit mir geht so:
"Die Sache mit ...:" Da habe ich erst die Nase gerümpft. Aber ab dem zweiten Einschub, mochte ich es immer mehr. Ist irgendwie ganz fresh.


Eines besonders verwegenen Montags lernt sie:
Der wippende Fuß gehört zu einem jungen Mann, mit einer ganz gewöhnliche Erscheinung und einem ganz und gar ungewöhnlich schönen Lächeln.
Ein bisschen schnulzig, aber in der Gesamtstimmung des romantischen Textes passend, finde ich.


beim Verfassen einer Todesanzeige, denn Trauernde haben weniger Zeit als Tote.
Der Mann heißt Melvin, aber bitte nennen Sie mich Mel.
Der letzte Satz ist zu verstehen, aber perspektivisch etwas verworren.


Er wippt zu Ray Charles.
Er liebt sie.
Er wird sie trotz allem lieben.
Anstelle von "sie" im zweiten Satz, vllt. besser Helene/Heli. Ich dachte erst, lach nicht: hä, Ray Charles ist doch ein Er.


einmal in gar nicht großer Ferne eine Bombe einschlägt und die Glascheiben des Gewächshauses zum Klirren bringt.

Sie schmiegt sich an seinen nackte Brust,

„Weißt du, es ist schwer, mit dem Warten aufzuhören.“
Schön. :)

Sehr gern gelesen. :thumbsup:
Liebe Grüße
wegen

 

Hallo @Huxley,

schon viel kommentiert! Deine Geschichte steht nicht auf der Spitze der Normalverteilung. Entweder, man mag die romantisch-magische Art oder man mag sie eben nicht. Man merkt es auch an den Kommentaren, die von Kitsch zu wunderschön-romantisch reichen.

Es ist nicht mein Genre. Und ich kann jimmysalarymans Punkt zu Kitsch und suggerierter Tiefe über den historischen Background auch nachvollziehen. Andererseits: Du hast eine, denke ich, schöne, kleine romantische Geschichte verfasst, die ihre Wirkung über einige schöne Elemente erzeugt: Gewächshaus, Erinnerung, Zeitsprung, Koffer, Magnolie. Nostalgisch, deine Geschichte. Eher Sepia als volle Farbsättigung. Passt auch besser.

Ein paar Punkte, die mir aufgefallen sind:

Sie setzt sich schwerfällig auf die Bank an der Stirnseite, zwischen die beiden Hochbeete und zieht die hochhackigen Samtschuhe aus.

Vielleicht "zwischen Hochbeeten und [Pflanzenkübeln, Kräuterbeeten, Tomatenpflanzen]" oder "zwischen Hoch- und Kräuterbeeten" ?

Trotzdem hat Helene keinen Ast gekappt. Ihr Großvater hat das Gewächshaus als standesgemäßes Gegenstück zur Stadtvilla erbauen lassen und diese Magnolie als Erstes gepflanzt. Der Baum gehört hier her, so wie er ist und immer war. So wie der Koffer.

Dinge, die Helene über das Gewächshaus lernt:
Es ist Treffpunkt der zwei optischen Achsen im Garten.


Ein schöner Kontrast zwischen Erinnerung, Emotion, Dahinschmelzen und der kühlen, mathematischen Präzision. Generell gefällt mir dein Rhythmus in der Geschichte, vor allem die Einleitung per Satz und Doppelpunkt. Das schafft Tempo und drückt mehr die Zwangsläufigkeit aus, mit der die Protagonisten sich ausgesetzt fühlen.

Da wird Helene zum ersten Mal bewusst, wie traurig es sein muss, im Leben nur die Hoffnung auf Glück zu haben.

Nun, so einen Satz kann man lieben oder hassen. Kitsch? Romantik? Es liegt im Auge des Betrachters und seiner, hüstel, perzeptuellen Wahrnehmung. Aber er passt in deine Geschichte gut herein.
Ihre Mutter wird noch ein Jahr lang Glück haben, bevor der Krebs sie tötet.

Helene und der Koffer warten, während in der Ferne Sirenen ertönen und einmal in gar nicht großer Ferne eine Bombe einschlägt und die Glasscheiben des Gewächshauses zum Klirren bringt.


Das ist die einzige Stelle, an der ich dachte: Etwas zu dick für deine Leser aufgetragen. Erst der Krebs, dann die Bomben. Erst das Glück, dann schlägt in geographischer Nähe die Bombe ein. Aber das (Hör-)-Bild mit dem Glasklirren gefällt mir gut, weil es ja so einen deutlichen Kontrast anbietet, Glas und Bomben, Gewächshaus und Bombenkrater.

Während Helene nach dem Krieg eine Ausbildung als technische Zeichnerin beginnt, teilt sich das Lokomotivwerk die Etage mit einer Druckerei. Das Zeichnen der Maschinenanlagen geschieht meist still und auch die Setzer sind, bis auf das gelegentliche Klackern der Schubfächer und Bleisätze, leise.

Ich will nicht böse klingen, aber Lokomotivbau und Zeichenstelltische in einer Etage? Warum nicht Panzerbau und Floristik nebeneinander? Ohne blöd zu klingen, aber "die Eisenbahn ist das Verkehrsmittel schwerer Massen auf schweren Schienen." Kleiner Hinweis auf Fleischgewicht und Überfettung der Normalbevölkerung. Okay, ich höre auf. Nein, ich will nicht sarkastisch sein, ich will nicht Auslachen, aber ich nehme dir den Ort nicht ab. Kleinigkeit.

leuchten wie Sterne in den tropfenbehangenen Wänden des Gewächshauses.

Vielleicht "...wie Sterne. Die Feuchtigkeit kondensiert [schon] am Glas."?

Sie will sagen: „Natürlich“, aber da beugt er sich auch schon zu ihr herab,

Hier beginnt die zentrale Szene und der Verweis auf diese allgemein grassierende Sexualität, pfui! :-D Nein, Pfui beiseite. Ja, gut, wieder der Rückgriff auf die Normalverteilung. Entweder man mag es oder eben nicht. Ich finde, du hast die Szene stimmungsvoll und detailreich geschildert, am besten hier:

lass es etwas wert sein, schmeckt Minze und Salz auf seinen Lippen,

Seine Bewegungen sind nicht zaghaft, sind Echo ihrer Sehnsucht, ihrer nächtlichen Träume, ihrer heimlichen Fantasien.

Vielleicht: "sind Echo einer Sehnsucht ihrer nächtlichen Träume, ihrer heimlichen Fantasien. Nichts schien mehr wert zu sein als der Augenblick, hier, unter der weißen Magnolie des Großvaters.

Mel, beschienen von der kalifornischen Sonne.

Vielleicht: "Mel, unter kalifornischer Sonne"

Die Flammen lecken an der Decke und platzende Glasscheiben regnen herunter.
Helene wartet nicht mehr.

Tada! Ja, ein schönes Symbolbild mit dem brennenden Gewächshaus.

 

Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist die Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.
..." Gottfried Keller

Kunde sitzt auf der Treppe und weint,
meint, dass Eile geboten ist beim Verfassen einer Todesanzeige, denn Trauernde haben weniger Zeit als Tote.

Ja, so ist es,

Huxley,

und in dem Maße, wie die (erinnerte) Vergangenheit wächst, schrumpft die Zukunft des Lebendigen. Nun, selbst wenn ich einmal in den Semesterferien für eine „Baumschule“ im Garten- und Landschaftsbau gearbeitet hab, eigentlich um ein bisschen mehr von der Fauna zu erfahren, kenn ich Magnolien nur aus Louisiana in Form der Wild Magnolia (als Verstärkung und Bereicherung eines Auftritts von Willy DeVille, Mink DeVille und Dr. John [Iko Iko & Meet the Boys on theBattlefront] im vorigen Jahrtausend, was nicht bedeutet, dass ich Ray Charles gering achte). Du merkst, der Garten- und Landschaftsbau brachte keine neue Erkenntniss, denn der kleine Friedel durfte mit anderen die Autobahnböschung (Hollandbahn!) „pflegen“. Gut, danach hätte er wahrscheinlich auf dem steilsten Weinberg bei Cochem arbeiten können und die Sense ist das einzige Instrument, das er zu beherrschen lernte.

Nun, ein bisschen kann ich den Kitschvorwurf verstehen, denn ich bevorzug es eher biblisch knapp, denn da wird sexuelles Treiben, das heute Seiten verschlingt und zu Romanen ausgewalzt wird, mit wenigen Sätzen benannt. Aber das Formale ist seit unserer ersten Begegnung merklich besser geworden, was fehlerfreie Konstrukte wie etwa dieses

Aber immer wieder ertappt sie sich dabei, wie ihr Blick von der Arbeit hochschnellt, so als hätte sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel gesehen, so als hätte sie Schritte auf dem Weg gehört oder ihren Namen, gerufen aus weiter Ferne.
belegen.

Jetzt nicht erschrecken, ein bisschen ist noch, aber nix gegen Deinen Beginnhierorts … und es geht gleich am Anfang los, wenn es heißt

Wie Schmetterlingskokons warten die Knospen der Magnolie darauf, dass es Frühling wird. Als könne es jeden Tag losgehen. Als gäbe es den langen, dunklen Winter nicht.
Warum erst Konj. I („könne“) und dann irrealis („als gäbe es …). Wobei „können“ an sich in seiner binären Wertigkeit, dass etwas werden/sein kann oder eben nicht, unbestimmt genug ist. Es ist eben der Konj. I der der indirekten Rede, die hier aber nicht vorliegt. Die Redensart „als könne es jeden Tag losgehen“ zeigt ja im verschwiegenen „ob“, dass es eben nicht jeden Tag losgehen kann, sondern nur am Tag des Ereignisses. Also besser „Als könnte es ...“

Sie setzt sich schwerfällig auf die Bank an der Stirnseite, zwischen die beiden Hochbeete[,] und zieht die hochhackigen Samtschuhe aus.
a) Ginge auch ohne Komma (… Stirnseite zwischen …), aber mit Komma als Apposition ist das zwote zu setzen, weil das „und“ den Hauptsatz „Sie setzt … an der Stirnseite und zieht die ...“ fortsetzt
b) Die Fälle-Falle schnappt m. E. zu, denn „wo setz ich mich hin“ oder alternativ „wo steht die Bank“, zwischen (den) beiden Hochbeeten“

… und der entsetzlich vertrauten Art, mit der sie Mels Krawatte zurecht gerückt hat.
„zurechtrücken“ auch als Partizip ein Wort

Und dann der SuperGaU der schreibenden Zunft

Neben ihr liegt das Päckchen Kerzen, das[...] sie vor kurzem zum Schutz gegen den Frost bereitgestellt hat.
(probier aus, ob „das“ sich durch ein anderes Wort – in dem Fall zB „welches“ ersetzen lässt. Die Konjunktion „dass“ schafft es nämlich nicht.) und weiter unten nochmals
Sie spürt kaum, wie der Stoff des Rockes über ihre Hüften gleitet, denn Bélas Fingerspitzen hinterlassen ein Prickeln auf ihrer Haut, das[…] tief in ihren Schoß sinkt und ihre Knie weich werden lässt.

Der Baum gehört hier her, so wie er ist und immer war.
„hierher“

Da muss ich – es kann mich oder andere ja auch erwischen – mal schauen, wie das Institut für deutsche Sprache die Zusammenschreibung(en) erklärt. Stell ich dann ein, dass alle was von haben.

Die Sache mit Mel ist [f]olgende:
(eigentlich steht da „… ist folgende [Sache]

Das Zeichnen der Maschinenanlagen geschieht meist still und auch die Setzer sind, bis auf das gelegentliche Klackern der Schubfächer und Bleisätze, leise.
Warum die schwache Klammer? „Leise“ lässt sich doch bei den Setzern unterbringen, am elegantesten wäre m. E. „und leise sind auch die Setzer“

Es ist, als ahne er, dass er nur verlieren kann.
s. o., besser Konj. II, „als ahnte er ...“

Sie will sagen: „Natürlich“, aber da beugt er sich auch schon zu ihr herab, um sie zu küssen, und sie glaubt[,] das metallische Klicken der Kofferverschlüsse unter der Bank zu hören.
Etwas fließt warm von ihren Wangen hinab in ihren Körper, macht Dinge ungeschehen, dreht die Zeit zurück, gibt ihr Recht mit Allem.
„allem“, eigentlich ein Zahlwort wie „ander“ (ehemals die 2, im anderthalb leuchtet es noch durch, mehr als eins, aber weniger als „ander“)

Damals[,] als sie nur ahnte, wohin es führen konnte, …
Ist das Wehmut in seiner Mi[e]ne?
„Gab es mal eine [a]ndere?“

Selbst jetzt wagt er nicht, zu fragen und so tut es Helene für ihn im Kopf.
Komma weg, es zerschlägt sonst das „komplexe“ Prädikat „zu fragen wagen“

Und so schließt sich der Kreis statt

So als wisse er es ganz genau.
besser „wüsste er“

Schau'n wir mal, was bei der nächsten Begegnung geschieht. Ich bin guter Dinge, meint der

Friedel

 

Nabend,
war ne harte Woche. Seht es mir nach, dass ich erst jetzt antworte.

@jimmysalaryman ,
ich habe immer mal wieder über Helenes Motivation nachgedacht und diesem sich abzeichnenden Konflikt Sehnsucht/Schwärmerei vs Realität/Tatsachen. Man, man, ich saß verdammt schnell selbst in diesem psychologischen Minenfeld und hab in der S-Bahn über meine Lebensentwürfe sinniert. ^^
Ich könnte jetzt noch rumerklären, wie es im Text gemeint sein könnte, aber im Endeffekt würde ich auch nur meinen eigenen Text im Nachhinein interpretieren, was schräg ist. Beim Schreiben habe ich schlichtweg mehr erahnt, als tief nachgedacht.
In der Geschichte angelegt war, dass sie noch keinen Sex miteinander hatten, wobei (klar!) dein Ansatz mit dem Liebhaber, an den niemand mehr heran kommt, gerade die Sexszene folgerichtiger machen würde.
Um es mal leienhaft auszudrücken: Das krieg ich nicht mehr zusammengebastelt. Das muss jetzt so.
Und nächstes Mal wirds ein klein bisschen besser, dank (nicht nur) deiner Hinweise.

Immerhin habe ich einen tipping-point eingefügt, der Helenes Aktionen anschieben soll (die gute alte Eifersucht), was ja noch so eine Sache war, die gefehlt und mich geärgert hat.

____

hallo @wegen

Ein bisschen schnulzig, aber in der Gesamtstimmung des romantischen Textes passend, finde ich
Ja, ich würde es in einem fremden Text auch nicht so ohne weiteres durchgehen lassen. Schön? Aha...

Der letzte Satz ist zu verstehen, aber perspektivisch etwas verworren.
ich überlege noch, das "aber nennen sie mich bitte Mel" kursiv zu machen. Allerdings hatte ich sonst im Text kursiv als "nachdrücklich" genutzt. Hm...
Anstelle von "sie" im zweiten Satz, vllt. besser Helene/Heli. Ich dachte erst, lach nicht: hä, Ray Charles ist doch ein Er.
ja, stimmt. ^^
"Die Sache mit ...:" Da habe ich erst die Nase gerümpft. Aber ab dem zweiten Einschub, mochte ich es immer mehr. Ist irgendwie ganz fresh.
Ist in den Kommentaren auch entweder ein nettes Stilmittel oder Ramsch. Schön, dass ich dich ein wenig überzeugen konnte.

Danke fürs Lesen und Hinter-den-Kulissen-Anschubsen. :)

_____

Heyho @kiroly ,

Deine Geschichte steht nicht auf der Spitze der Normalverteilung. Entweder, man mag die romantisch-magische Art oder man mag sie eben nicht. Man merkt es auch an den Kommentaren, die von Kitsch zu wunderschön-romantisch reichen.
Genau. Wir haben hier so großartige "harte" Texte und Schreiber, da breche ich gern eine Lanze für guten Kitsch.

Eher Sepia als volle Farbsättigung. Passt auch besser.
Schön gesagt.
Vielleicht "zwischen Hochbeeten und [Pflanzenkübeln, Kräuterbeeten, Tomatenpflanzen]" oder "zwischen Hoch- und Kräuterbeeten" ?
Ich habe den Satz ein bisschen umgestellt, aber von den Worten so gelassen, wie er war. Ich hoffe, dass er jetzt mehr "dem Auge folgt". So ganz rund klang er nicht, da hast du Recht.
Das schafft Tempo und drückt mehr die Zwangsläufigkeit aus
Jaa, diese Momente, in denen ich in den Kommentaren lese, was ich im Text bezwecken wollte, ohne es formulieren zu können (und mich gleichzeitg dilletantisch und genial finde). ^^ Zwangsläufigkeit. Ja.
Das ist die einzige Stelle, an der ich dachte: Etwas zu dick für deine Leser aufgetragen.
Du hast vollkommen Recht. Ich spiele schon die "Nazikarte" und na klar, wird dann noch einer von dem Archetyp der Alptraumtode dahingemeuchelt. :hmm: Ich habe jetzt mal einen ganz "profanen" Herzinfarkt eingebaut. Eventuell fällt mir noch was eleganteres ein.
Ich will nicht böse klingen, aber Lokomotivbau und Zeichenstelltische in einer Etage?
Hier bin ich nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe oder ob ich mich missverständlich im Text ausgedrückt habe.
Gedacht war, dass die Planung und Zeichnung für das Lokomotivwerk dort stattfindet, also nur Papierkram. Oder störst du dich eher an der Symbolik der LEW und einer Druckerei?

Mir fiel bei deiner Anmerkung eher die Druckerei als problematisch auf: Die Jungs setzen da oben also den Text und wo wird das dann gedruckt? Eine Etage tiefer? Ich kenn mich nicht aus, aber irgendetwas sagt mir, dass eine Druckerei verdammt laut ist ... Da habe ich nicht gut drüber nachgedacht.

Vielleicht "...wie Sterne. Die Feuchtigkeit kondensiert [schon] am Glas."?
Ne, es waren schon Regentropfen gemeint.
Hier beginnt die zentrale Szene und der Verweis auf diese allgemein grassierende Sexualität, pfui! :-D
:naughty: Überleg mal, welche Expertise ich hier sammeln könnte um dann mein ganzes literarisches Geschick in die Liebesschinken-Sparte zu werfen.
Aber im Ernst: Ich hatte immer den Wunsch, gut über Körperlichkeiten schreiben zu können, weil es leider so oft schlecht klingt und ich dachte: 'Das ist doch keine Raketenwissenschaft, das kann man doch hinkriegen.' Von daher freue ich mich über das positive Feedback total.
Vielleicht: "Mel, unter kalifornischer Sonne"
Ja, klingt viel schöner!

kiroly, danke fürs Chancegeben und die vielen Hinweise. :)
____

Hallo @Friedrichard

da habe ich deinen Kommentar mit halb zusammengekniffenen Augen gelesen, aber war gar nicht schlimm ^^

Aber das Formale ist seit unserer ersten Begegnung merklich besser geworden,
Worüber ich sehr erleichtert bin. Gibt ja genug andere Baustellen.

Also besser „Als könnte es ...“
Ja.
Und dann der SuperGaU der schreibenden Zunft
:sealed:NEIN!!! (Spannenderweise passiert mir die Verwechslung in die andere Richtung kaum. Da teste ich auch immer mit "welches")
s. o., besser Konj. II, „als ahnte er ...“
Danke. Ich muss mich mit dem Konjunktiv noch mal auseinandersetzen. Da flutscht es noch gar nicht.
allem“, eigentlich ein Zahlwort wie „ander“ (ehemals die 2, im anderthalb leuchtet es noch durch, mehr als eins, aber weniger als „ander“)
Sobald da kein Substantiv ist, kribbelt es mir in den Fingern, nach großgeschriebenem Ersatz zu suchen, ich merk das schon sehr hartnäckig.
Schau'n wir mal, was bei der nächsten Begegnung geschieht. Ich bin guter Dinge
:) Ich freue mich.

man liest sich
huxley

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Morgen @Huxley

Ich beginne mal mit den Dingen die mir beim ersten Lesen aufgefallen sind, sage aber direkt das ich den Text noch einmal Lesen muss. Es gab an einigen Stellen leichte Unstimmigkeiten, die bei mir, zu Verwirrung geführt haben und ich muss sehen ob es am ersten Mal lesen lag oder ob ich es wirklich nicht verstehe.
Aber zu aller erst: Hut ab für diese schöne, traurige, romantische Geschichte. Sie hat mich mitgenommen, mitfibern lassen. Sie war schön und traurig und ich habe beinahe vergessen, das ich noch ein Kommentar schreiben wollte. Ich wollte einfach wissen wie es weiter geht und mich nicht ablenken lassen. Auch das ist ein Grund weswegen ich den anderen Kleinigkeiten beim zweiten Mal lesen auf den Grund gehen muss und weswegen ich mich tatsächlich diesmal für "zitieren" und nicht "antworten" entschieden habe. Hat mir wirklich sehr sehr gut gefallen. Darauf gehe ich später noch mal ein.
Jetzt aber erst mal zu den Kleinigkeiten die mir spontan ins Augen gesprungen sind.

den Schnodder
ich finde das passt nicht zur Art des Textes und zu der Sprache die du gewählt hast.
Keiner von ihnen sagt ein Wort, während Kleidungsstücke wie verblüht zu Boden sinken.
was für ein wunderschöner Vergleich.
hier hast du beide mal den Akzent vergessen

Soviel zum ersten Lesen.
Jetzt werde ich sie mir ein zweites Mal zu Gemüte führen und schauen ob ich meine Orientierung behalten.

4

aber offenbar braucht es mehr als ein Regal, denn besagter Mann hat die Angewohnheit, sein Bein zur Seite zu strecken und seinen wippenden Fuß neben dem Regal hervorragen zu lassen. Manchmal stellt sich Helene vor, dass hinter diesem Holzregal ein unheimlich leises Konzert stattfindet und sie malt sich die tollsten Dinge aus und niemand kann sie vom Gegenteil überzeugen, solange sie auf den wippenden Schuh schaut.
Diese Stelle gefiel mir schon beim ersten Mal sehr gut :-) Das mit dem leisen Konzert und dem wippenden Fuß, ich habe fast das Gefühl neben ihr an ihrem Tisch zu sitzen und dem Fuß beim spielen zu zu schauen.
Kunde sitzt auf der Treppe und weint,
Auch das gefällt mir sehr gut, auch wenn es ja eigentlich eine traurigen Hintergrund hat. Aber die Umschreibung, finde ich sehr gelungen.
Aber immer wieder ertappt sie sich dabei, wie ihr Blick von der Arbeit hochschnellt, so als hätte sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel gesehen, so als hätte sie Schritte auf dem Weg gehört oder ihren Namen, gerufen aus weiter Ferne. Dann strömt Kälte über sie und sie blickt zum Koffer.
Wie schrecklich das gewesen sein muss. Jahre auf den Mann zu warten, den man liebt und nicht zu wissen was passiert ist, wieso er nicht gekommen ist, ob es an einem selbst oder an den Umständen der Zeit liegt. Du hast das wahnsinnig gut eingefangen, immer mal wieder eingestreut, das Gefühl so in Erinnerungen gehalten ohne zu überladen.
Mel schon. Er fragt nie. Es ist, als ahnte er, dass er nur verlieren kann.
so ein anständiger Mann, und so schrecklich auch für ihn, zu wissen, oder vielleicht nur zu ahnen (aber das reicht ja meistens schon) das es da noch einen anderen Mann gibt, oder zumindest etwas anderes und man genau weiß, dass man im Leben seiner Frau nicht die Nummer eins ist bzw die erste Wahl war. Auch das muss wahnsinnig bedrückend sein und Mel erträgt es mit so viel Stolz oder ohne sich irgendwas anmerken zu lassen, weil er weiß das die Zeiten hart waren und er seine Helene einfach bedingungslos liebt. Ach ne, wie schön.
schlaksig, in den zu großen Sachen seines Vaters,
das habe ich beim ersten Mal nicht verstanden. Ich dachte wieso trägt er denn, als erwachsener Mann, mit über fünfzig Jahren noch die Klamotten seines Vaters und was ist das für ein Riese gewesen, dass sie ihm immer noch zu groß sind. Aber das alles passiert wohl nur in Helenes Gedankenwelt. Das habe ich beim ersten Mal nicht verstanden, zeigt ja auch wie gut du es in das Geschehen eingebettet hast.
Der ganze Erotik teil, war mir persönlich ein bisschen too much, da hätten mir Andeutungen, weniger intensive Beschreibungen, weniger Stöhnen, weniger oh bittes und weniger weiters gereicht. Jetzt habe ich gesehen, das du Erotik getagt hast, dann passt das natürlich wieder sehr gut obwohl es mir trotzdem zu viel war, ich mag so etwas lieber ein bisschen subtiler, zurückhaltender, mehr der Phantasie überlassen. Nichts desto trotz, hast du es in der Detailliertheit (gibt es das Wort überhaupt?) trotzdem sehr gepflegt beschrieben und es trotz allem irgendwie zurückhalten intensiv geschrieben.

Oh man ich merke das das völlig verschroben klingt, ich hoffe du verstehst was ich sagen wollte :-D

Das Ende gefällt mir sehr gut und ich bin erleichtert das Helene endlich loslassen kann. Ich trauere ein bisschen um den hübschen Magnolienbaum, er musste ein Traum gewesen sein, wenn er in voller Blüte gestanden hat. Aber manchmal müssen Dinge weg geschafft werden, um endlich Leben zu können und da zählt wahrscheinlich auch das Sprichwort: Besser spät als nie.

Lieber Huxley, du hast eine bezaubernde, wunderschöne Geschichte geschrieben, die mich sehr bewegt hat. Ich konnte deiner Helene gut folgen, ich war quasi bei ihr, wie sie auf der Bank sitzt, den Duft der Blumen Atmet und mir ihre Geschichte erzählt (mit allen Details:-D)
Vielen Dank in die traurig, schöne Welt von ener Frau die gelebt und doch nicht gelebt hat.

Sehr sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße
Shey:-)

 

Hallo @Huxley,

wir hatten, glaube ich, auch noch nicht das Vergnügen.

Zu Deiner Geschichte hinterlasse ich ehrlich gesagt nur einen Kommentar, weil es eine Challenge-Geschichte ist.

Ich kann damit nämlich wenig anfangen, weswegen es mir auch schwerfällt, einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Ich versuche es trotzdem, aber das musst Du mit Vorsicht genießen, weil ich einfach nicht der richtige Leser für Deinen Text bin.

Zum Beispiel gefallen mir diese Erzählerkommentare überhaupt nicht. Ich fühle mich da wie ein Kind, dem ein Erzähler helfen muss, den Text zu verstehen. Das ist natürlich Geschmackssache, kommt aber bei mir nicht gut an.

Und dann fehlt mir die Nachvollziehbarkeit Deiner Protagonistin. Die ist in den Sechzigern und "verzehrt" sich immer noch ihrem Jugendschwarm? Das fällt mir sehr schwer zu glauben. Ich bin selbst noch (lange) nicht in den Sechzigern, aber habe trotzdem sehr viel Abstand zu den Emotionen, die ich als Jugendlicher gehabt habe. Emotional ein halbes Jahrhundert auf jemanden zu warten erfordert aus meiner Sicht entweder einen gewaltigen "Hau" oder eine gewaltige Motivation, oder beides. Davon finde ich aber nichts im Text. Ganz im Gegenteil, sie hat ja jemanden gefunden. Also warum angesichts des Partners sich nach jemand anderen verzehren, in den man mal vor einem halben Jahrhundert verschossen war? Den man angesichts der damaligen Jugend gar nicht richtig kannte? Der normalerweise nach einem halben Jahrhundert nur ein Abziehbild der damaligen Erinnerungen wäre, wie ein altes Foto. Was ist da also passiert, dass das Feuer nie erloschen ist, sondern immer noch brennt? Feuer braucht Brennstoff.

Und dann hat sie diesen erotischen Traum. Ausgelöst, wodurch? Wie gesagt, ich bin selbst noch nicht so alt, aber ich kann mir vorstellen, dass es einem in dem Alter nicht mal eben so im Gewächshaus überkommt und man sich dann den Jugendschwarm als älteren Herren vorstellt, der einfach mal vorbeikommt und eine Nummer mit einem schiebt. Auch hier braucht es aus meiner Sicht einen Auslöser und ungestillte Sehnsüchte, über die ich aber nichts erfahre.

Mein Eindruck ist, dass der Text auf einer anderen Ebene wirken kann, das ist mehr die Stimmungsebene oder Romantikebene, die Du mit den vielen kleinen Details versuchst aufzubauen und dann dieser tragische Unterbau, kommunistische Eltern, etc. Das kann sicher bei Lesern wirken, aber bei mir verfängt das einfach nicht und ich sitze da und frage mich ständig, warum?

Wie auch immer, vielleicht kannst Du trotzdem mit meinen Anmerkungen etwas anfangen, aber denke nicht zu viel darüber nach: wie gesagt, ich bin sicher der falsche Leser für Deinen Text.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Danke. Ich muss mich mit dem Konjunktiv noch mal auseinandersetzen. Da flutscht es noch gar nicht.

Nix zu danken,

Huxley,

wer so einen Namen trägt, braucht sich vor nix zu fürchten.
Aber ich hab mal hierorts 'ne längere, dafür kurzweilige Abhandlung über den Konjunktief zum besten gegeben (wahrscheinlich unterm Titel "Wenn ich ein Vöglein wär' ...", was für'n Fisch ja ganz schön praktisch wäre), weiß aber nicht, unter welcher Rubrik es sich heutigen Tages befindet.

Vielleicht weiß es ein Mod oder sogar le maitre de cuisine ...?

Tschüss

Friedel

 

Hallo @Huxley

von allem ein bisschen zu viel nach meinem Geschmack: symbolbehangen, adjektivbeladen, bildprächtig, Wehmut und Botschaft, Glück und Trauer.
Der Magnolienbaum, die Blüten, das Gewächshaus, das von den Ästen des Baums gesprengt werden könnte, der mysteriöse Koffer, habe ich was vergessen? Klar, das trägt den Text. Dadurch verblasst allerdings das Personal mMn, besonders die Männerfiguren wirken wie durch einen Winternebel als Schemen.
Die Symbolhaftigkeit wird dann noch durch sprachliche Üppigkeit verstärkt.
Würdest du etwas reduzieren, Redundanzen beseitigen, könnte der Text vermutlich profitieren.

Trotzdem eine anrührende Geschichte, vielen Dank für den Lesegenuss, den du mir beschertest!

Erholt sich von der Musik, den Umarmungen, den schmerzenden Zehen, dem glockenhellen Lachen Sigrids und der entsetzlich vertrauten Art, mit der sie Mels Krawatte zurechtgerückt hat.
finde ich zu viel

eine Träne aus seinem glücklichen Gesicht wischt, i
wie sieht ein glückliches Gesicht aus?

Da wird Helene zum ersten Mal bewusst, wie traurig es sein muss, im Leben nur die Hoffnung auf Glück zu haben.
Ihre Mutter wird noch ein Jahr lang Glück haben, bevor ein Herzinfarkt sie tötet.
die tell-Passagen arrangierst du zwar geschickt, wechselst aber deutlich den Tonfall

Ja, Mel weiß ganz genau, wie er sie zum Schmunzeln bringt. Und er hat gelernt, worüber er nicht einmal sprechen darf.
Den Koffer zum Beispiel.
so, und wie bringt er sie zum Schmunzeln?

Der wippende Fuß gehört zu einem jungen Mann, mit einer ganz gewöhnlichen Erscheinung und einem ganz und gar ungewöhnlich schönem Lächeln.
schöner Gegensatz

ühlt, wie seine Atemzüge über ihr Gesicht streichen und riecht die Pfefferminze, die er immer kaut, um den Geruch nach Leder und Schuhwichse zu überdecken.
nach Leder und Schuhwichse?

während Kleidungsstücke wie verblüht zu Boden sinken. Béla beugt sich herab.
schönes Bild

Sie fühlt die Muskeln unter seiner Haut, als sie ihn noch dichter an sich drückt, winkelt ein Bein an und ist absolut verzaubert von dem Stöhnen aus Belas Kehle, als er sich schließlich hart und heiß in sie versenkt.
mm, da kommt dieser Kerl, ob wirklich oder nicht, zurück, und dann fallen sie gleich übereinander her? Okay, warum nicht.

Er steht in seinem Anzug da, breitschultrig, mit gebeugtem Rücken und wohlverdienten Lachfalten.
das wohlverdient ist mal ein Adjektiv, das was aussagt

Mel sieht sie lange an. So als wüsste er es ganz genau. Er hält ihr den Arm hin und steht dann mit ihr vor dem brennenden Gewächshaus, als wäre es ein Feuerwerk. Die Flammen lecken an der Decke und platzende Glasscheiben regnen herunter.
Helene wartet nicht mehr.
sehr dramatisch, aber doch folgerichtig

viele Grüße und ein wohlverdientes Nikolauswochenende
Isegrims

 

Moin, moin @Huxley ,

was für eine schöne Geschichte. Ich bin sehr sicher, das der Plot sich bei mir nicht so herrlich entfaltet hätte. Also ein ganz dicke - Wirklich gerne gelesen!
Du hast schon ganz viel feingeschliffen, während ich am Anfang noch ein etwas kritsches Auge hatte, ist es irgendwann einfach zugefallen und ich habe nur noch genossen.
Also kriegst Du jetzt einen ziemlich unkonstruktiven Leseeindruck ...

Im Gewächshaus
Wie Schmetterlingskokons warten die Knospen der Magnolie darauf, dass es Frühling wird. Als könnte es jeden Tag losgehen. Als gäbe es den langen, dunklen Winter nicht.
Der Titel ist mir beinahe zu "mager" für so eine romantische Geschichte, aber passt natürlich. Und die Einstiegssätze sind richtig schön, gut gemacht für meinen Lesegeschmack, denn ich weiß jetzt, es wird romantisch.

Atmet tief ein. Genießt die Ruhe. Erholt sich von der Musik, den Umarmungen, den schmerzenden Zehen, dem glockenhellen Lachen Sigrids und der entsetzlich vertrauten Art, mit der sie Mels Krawatte zurechtgerückt hat.
auch hier gefallen mir die Variationen in den Satzlängen, und die Brüche zwischen positivem und negativerem

Der Baum gehört hierher, so wie er ist und immer war. So wie der Koffer.
schöner Kliffhanger. Den Challenge-Thema-getroffen-Punkt kriegst Du auf alle Fälle

Dinge, die Helene über das Gewächshaus lernt:
Die Sache mit ihrer Mutter geht so:
irgendwie interessant, aber oft auch eine Abkürzung, um nicht deutlich zu zeigen wo wir sind, ich hadere etwas mit den Einleitungen, bin aber interessiert ...

Du kannst dich wirklich glücklich schätzen.“
Da wird Helene zum ersten Mal bewusst, wie traurig es sein muss, im Leben nur die Hoffnung auf Glück zu haben.
hier stutze ich kurz. Das hört sich so an, als ob sie es nicht auf sich bezieht. Läuft sie aber mit ihrem Warten nicht auch immer nur dem Glück hinterher, wartet darauf.

aber jeden Frühling blühen mehr Magnolien,
naja, ich weiß, das du die Blüten meinst, hört sich aber an wie immer mehr Bäume. mehr Blüten, mehr weiße Sterne, mehr ... sorry, ich bin vollgefuttert und träge, da kommt gerade nichts kreatives.

Ihre Kinder merken es nicht.
Mel schon. Er fragt nie. Es ist, als ahnte er, dass er nur verlieren kann.
sehr schön

„Oh“, haucht sie in die kalte Luft, spürt seine Finger heiß auf ihrer Haut und das Holz des Hochbeetes in den Kniekehlen.
ich mag die "Sexszene" und ich mag diese eingestreuten kleinen grinsestellen

Jetzt folgen Belas Finger altbekannten Bahnen auf ihr,
ja, für ihn sollten es aber eher unbekannte Bahnen sein, oder waren die mit sechszehn da schon so wild. Ich habe diese Generation immer als sehr brav im Kopf. Und fünfzig Jahre Abstand würden auch eher zum Vergessen führen. Oder bezieht sich das auf sie. also für sie vertraute Bahnen?

ja, und hier habe ich nur noch gelesen und genossen. Kann ja dann auch nicht so falsch sein, oder?

Die Flammen lecken an der Decke und platzende Glasscheiben regnen herunter.
Helene wartet nicht mehr.
Ein schönes Ende, nur der letzte Satz provoziert mich zum "meckern". Das habe ich ja als Leserin versanden, ist mir also zu viel. Vielleicht nochmal die Magnolie, so als Bogenschlag. Aber weißt ja, ist kein Wunschkonzert

Beste Wünsche, vielleicht hast Du ja mal eine Idee für einen Plot für mich parat, falls ich jammere
Beste Wünsche
witch

 

Hey Huxley,

Das liest sich wirklich schön. Sprachlich mag ich den Text sehr, sehr gern. Da sind wirklich schöne Details drin, das plätschert so fein, und macht mir das Herz warm. Ja, es ist Unterhaltung (für mich), aber ein sehr feine, ich habe mich wohl gefühlt in deinen Zeilen.

... und der entsetzlich vertrauten Art, mit der sie Mels Krawatte zurechtgerückt hat.
Nice!

Der Baum gehört hierher, so wie er ist und immer war. So wie der Koffer.
Schön mit dem Koffer. Baut sich gleich Spannung auf.

Dinge, die Helene über das Gewächshaus lernt:
... ,dass niemand sehen und hören kann, wie eine sechzehnjährige Helene einem Schusterlehrling mit kommunistischen Eltern die ewige Liebe schwört, seine Hand hält, ihn küsst, verspricht, dass sie es ernst meint, einen gepackten Koffer unter der Bank hervorholt, es wirklich ernst meint, eine Träne aus seinem glücklichen Gesicht wischt, ihm hinterher sieht und wartet.
Wartet, weil er sie seine Helena nennt, weil er sich nur kurz verspätet, weil sie ihn vielleicht nicht in die Straßenbahn gelassen haben, weil es ihm bestimmt gut geht, weil er ganz sicher nicht auf einer Liste steht, weil sie sich lieben und das muss doch etwas wert sein.
Ich mags wirklich gern. Jedes einzelne Wort.

Die Sache mit Mel ist folgende:
Diese kleinen Dinger mag ich auch.

Er wippt zu Ray Charles.
Er ist rastlos.
Er liebt Helene.
Er wird sie trotz allem lieben.
Er liebt sie wohl wirklich.

Dann strömt Kälte über sie und sie blickt zum Koffer.
Ihre Kinder merken es nicht.
Mel schon. Er fragt nie. Es ist, als ahnte er, dass er nur verlieren kann.
Ist ja fast schon kitschig, aber ich bin total in der Stimmung dafür. Allein das ist ein Grund, Mel zu lieben. Ihn zu lieben, weil er sie so liebt.

... und da steht Béla mit feuchten Locken, schlaksig, in den zu großen Sachen seines Vaters, und keinen Tag älter als in diesem Frühling vor fünfzig Jahren.
Einfach mal den Béla so hingestellt und ich als Leser finde das total korrekt :D. Cool gemacht.

... aber das ist plötzlich nicht mehr von Belang, denn seine Lippen schließen sich um die Spitze ihrer Brust und diese Empfindung erschüttert ihr Denken. „Oh“, haucht sie in die kalte Luft, ...
Ist wirklich schön zu lesen!

... schmeckt Minze und Salz auf seinen Lippen, will ihn trösten, spüren und lächeln sehen. Sie fühlt die Muskeln unter seiner Haut, als sie ihn noch dichter an sich drückt, winkelt ein Bein an und ist absolut verzaubert von dem Stöhnen aus Belas Kehle, ...
Ein :thumbsup: für diese Szene. Ich meine jetzt die ganze, nicht nur den Schnipsel.

Seine Bewegungen sind nicht zaghaft, sind Echo ihrer Sehnsucht, ihrer nächtlichen Träume, ihrer heimlichen Fantasien. Es ist, als hätten sie das hier schon tausend Mal getan.
Schätze, sie hat sich das auch ungefähr tausend Mal ausgemalt. Schön gesagt.

Ich habe wirklich gar nichts an Kritik beizutragen. In meiner jetzigen Stimmung bin ich absolut die Zielgruppe. Und ich stelle weder das Warten auf Béla, noch Mels Liebe, noch das Ende in Frage. Will ich auch gar nicht. Ich will das alles genau so :read:.

Liebe Grüße, Fliege

 

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