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Ich liebe sie...

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19.06.2002
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Ich liebe sie...

Weit – ganz weit – von ganz, ganz weit her dringt dieses monotone Piep Piep an mein Ohr und unterbricht jäh die wunderbare Reise durch das Traumland, in dessen Schoß mich Morpheus geschickt hat.

Der Wecker! Jeden Morgen das gleiche!

Ich spüre, wie ihr Arm neben mir unter der warmen Bettdecke auftaucht, nach dem Wecker tastet und diesem durchdringenden Geräusch ein abruptes Ende bereitet.
Vorsichtig hebe ich ein Augenlid, blinzle zu ihr hinüber und sehe genussvoll, wie sie sich räkelt, zu mir hinüberblickt, mir vorsichtig über den Kopf streichelt, leise etwas murmelt und dann, ohne Licht zu machen, das Bett verlässt.

Wohlig strecke ich noch einmal alle Viere von mir. Wie schön, dass mich keine Pflicht zu so früher Stunde von der warmen Matratze treibt. Ich rolle mich noch etwas fester zusammen und versuche wieder einzuschlafen.

Mehr im Unterbewusstsein höre ich sie im Bad rumoren, zwischendurch ist sie in unserer kleinen Küche aktiv. Sie bereitet mir das Frühstück, bevor sie das Haus verlässt und an ihren Arbeitsplatz eilt, um das Geld für unserer beider Lebensunterhalt zu verdienen.
Auch wenn ich es ihr nur sehr selten vermittle, ist mir sehr wohl bewusst, wie gut ich es mit ihr getroffen habe.

Leider ist es so, dass ich von ihr abhängig bin. In jeder Hinsicht versorgt sie mich. Sie verdient das Geld, sie kümmert sich um den Haushalt, sie bereitet das Essen. Sie ist wirklich mein Ein und Alles.
Ach, ich habe sie wirklich ins Herz geschlossen. Ich liebe sie. Und ich lasse mich unumwunden von ihr verwöhnen. Für all das Gute, dass sie mir zukommen lässt, schenke ich ihr meine aufrichtige und ehrliche Zuneigung.

Die Sonne hat bereits einen Teil ihrer täglichen Wegstrecke zurück gelegt und sendet wohltuende Strahlen auf meinen Bauch, als ich mich entschließe, das warme Bett zu verlassen. Nach einer kurzen Morgentoilette genieße ich das Frühstück, das sie mir wie immer liebevoll zubereitet hat.

Der kurze Blick auf die Titelseite der Morgenzeitung befriedigt mich nur unzureichend. Fernsehen und Rundfunk sind ebenfalls nicht die Medien, die mir Freude bereiten, wenn sie nicht dabei ist. So beschließe ich anbetracht des guten Wetters den Tag im Garten zu verbringen.

Es ist ein schönes Leben, den Zeitlauf von meinem Lieblingsplatz auf der Terrasse zu verfolgen. Natürlich denke ich zwischendurch auch einmal an sie, die Strapazen ihres Arbeitsalltages, den Ärger, den sie manchmal mit heim bringt und von dem sie mir während unseres gemeinsamen Abendessens berichtet. Gerne würde ich ihr ja mit klugen Ratschlägen zur Seite stehen, nur verstehe ich von der verantwortungsvollen Aufgabe in ihrem Arbeitsumfeld zu wenig, um ihr mit meiner Auffassung eine wirkliche Hilfe sein zu können. Hinzu kommt, dass mein früheres Betätigungsfeld sich doch erheblich von ihrem unterscheidet, so dass mein Erfahrungsspektrum ihr in keiner Weise nützlich sein dürfte.

Ich will es ja nicht leugnen, dass es mir gut gefällt, nicht jeden Tag in die Zwänge einer geordneten Erwerbstätigkeit eingebunden zu sein. Viele meiner Geschlechtsgenossen müssen ihren Lebensunterhalt unter harten Bedingungen erarbeiten. Da geht es mir doch wesentlich besser. Sie sorgt für uns. Mir mangelt es an nichts.

Trotz aller Begeisterung für das süße Nichtstun erfasst mich irgendwann die Langeweile. Früher bin ich ja gelegentlich in der Stadt unterwegs gewesen, bin neugierig durch die Fußgängerzone gestreift, habe mir die Menschen angesehen, an der großen weiten Welt geschnuppert.

Heute beschränke ich mich darauf, durch den Gartenzaun mit Nachbarn kurze Gedanken auszutauschen, manchmal – zugegeben – auch einmal mit einer der netten Damen aus der Umgebung zu flirten. Mehr nicht! Ich würde ihr nie untreu werden! Bei allem, was sie für mich empfindet.
Nein! Sie ist wirklich ein großartiger Mensch! Ihre Fürsorge, Ihre Zuneigung! Ich hätte keine bessere finden können.

Gerne würde ich wieder einmal für das Abendessen sorgen. Doch ich glaube, in diesem Punkt noch nie ihren Geschmack getroffen zu haben. Aber ein paar Blümchen hätte sie verdient. Sie nimmt diese immer mit gemischten Gefühlen entgegen. Manchmal vermute ich, dass sie sich nicht so richtig über ein paar bunte Frühlingsboten von mir freuen kann. Insgeheim kann sie aber ihre Rührung doch nicht verbergen.

Fast mit Zärtlichkeit bemerke ich die Sonne, die sich langsam in Richtung der großen Bäume schiebt, die am Horizont die gemütliche Siedlung begrenzen, in der wir leben. Dann ist nicht mehr lange hin, bis zu heim kommt.

Der Gedanke an einen gemütlichen Abend mit ihr erfüllt mich mit Wonne. Wir werden gemeinsam zu Abend essen, ein paar notwendige Verrichtungen im Haushalt ausführen und uns dann auf dem Sofa zusammenkuscheln.
Sie wird zärtlich zu mir sein.

Ach, wäre doch nur bald Feierabend.

Wie sehr freue ich mich darauf, sie mit wedelndem Schwanz an der Haustür begrüßen zu können...

 

Hi Hannes Nygaard,
tolle Geschichte: Die ganze Zeit habe ich überlegt, warum der Mann in ihrem Haus nicht kochen kann, bin also auf die Geschichte reingefallen.
Dann ein Aufatmen im letzten Satz. (Es heißt glaube ich "mit wedelndem Schwanz"). Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung.
Noch mal zurück zum Anfang: Sie schläft also mit dem Hund in einem Bett. Das soll es geben habe ich irgendwo gehört.
Grüße von Emma

 

Hallo!

Ich hatte eher an eine Katze gedacht, vor allem weil sie anscheinend allein zu Hause bleibt. Allerdings schon sehr früh beim Lesen. Für einen Mann war das alles sehr ungewöhnlich. Ich bin also nicht drauf reingefallen. *g* Dennoch schön geschrieben. Endlich weiß ich, was meine Katze denkt... (hoffe ich!)

LG,
Mario

 

Ich bin auch voll drauf reingefallen, wie Emma. Eine sehr liebe gemütliche Geschichte, wenn man das so sagen kann. laß sich flüssig und angenehm. Der Titel ist auch irgendwie nett, wenn auch ein wenig unpassend.
Viele Grüße Catharina alias MadameJack

 

:lol: Hallo Hannes,

Schlingel ;). Ich hab während des Lesens überlegt, wieso ich den Typen, in seiner etwas eigenartigen zwar liebevollen, aber selbstgefälligen Art irritierend finde.
Worauf soll das wohl hinauslaufen, dachte ich. Auf eine Geschichte zum Thema Emanzipation? Aber irgendwie paßte es teils dann nicht und ich hatte mich bereits gewappnet, eine Kritik zu schreiben, die dich auf diese Widersprüche hinweist.
Kann ich mir ja nun sparen. :D

Schöne Geschichte, wenn man weiß, worum es geht und das weiß ich ja nun. Nettes Häppchen zwischendurch.

Ach und noch eine Frage: es handelt sich doch um einen Hund oder? Eine Katze kommt nicht schwanzwedelnd zur Tür, das würde ja bedeuten, dass sie mächtig aufgeregt, angespannt oder sogar reichlich ärgerlich wäre. Eine Katze kommt schnurrend, um die Beine streichend und sich anschmiegend an. Oder einfach nur, wie Kater Max mit hocherhobenem Schwanz. :D

Lieben Gruß
Lakita

 
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Moin Hannes,

das erste Mal bin ich bei: alle viere von mir strecken, auf den Gedanken gekommen, es könnte sich um ein Tier handeln. In einem späteren Absatz hab ich den Gedanken aber wieder verworfen. War also hin und hergerissen, was ich von dem Erzähler halten sollte. Auf jeden Fall finde ich, dass es eine schön geschriebene und friedliche Atmosphäre vermittelnde, Geschichte ist.

Liebe Grüße, drea

 

hey, bin auch reingefallen.
wurde während dem Lesen schon mächtig grummelig auf den Kerl und konnte mir dann zum Schluß das Lächeln nicht verkneifen. hat mir wirklich gut gefallen die Idee, ich wünschte ich hätte sie gehabt.
ach ja: rekeln is nich. räkeln allerdings sehr.

 

Hallo miteinander,

ein artiges Dankeschön für Eure Anmerkungen. Natürlich habe ich mich besonders über das aufkommende Grummeln gefreut, dass die "Mädchen" gegenüber dem vermeindlichen Macho empfunden haben.

Wer sagt eigentlich, dass es sich nicht doch um einen "Kerl" handelt?

Aber nein! Wir wollen jugendfrei bleiben. Darum: wau-wau!

@Emma

Hmmmh - es gibt doch so manchen männlichen Typen, der nicht kochen kann. Von Dr.Oetker über die Lieblingspizzeria, Hotel Mama bis hin zu einer sympathischen Nachbarin blieben doch genug Alternativen... Natürlich - da stimme ich Dir zu - macht es zu zweit (oder im Wechsel) mehr Spass. Und ein Hund (gelegentlich) am Fußende - davon habe ich auch schon gehört. Und Dank für das "m" im "wedelndem Schwanz"...

@ Mario

Natürlich wundert es mich nicht, dass Du nicht hereingefallen bist. "Wir Männer" wissen schließlich, dass wir soooo nicht sind...( oder ??). Wer könnte uns besser einschätzen als wir selbst (oh-weia !).

@ Catharina

Na ja, es gelingt "uns Herren" der Schöpfung ausgesprochen selten, Euch ein wenig in die Irre zu leiten. Deshalb habe ich mir auch beim Titel diesen - zugegeben - kleinen Schwindel erlaubt. In der literarischen Ecke mag das erlaubt sein, aber sonst bevozugen wir diese Überschrift doch lieber im Umgang unter uns Menschen...

@ Elvira

Kann frau denn man(n) böse sein, wenn er mit einem Dackelblick und zwei ungeschickten Händen um die Ecke biegt? Man(n) ist schließlich etwas länger auf dieser Welt (so oder so) und probiert es eben einmal. Aber, bei Dir muß ich mit diesem Erklärungsversuch ja scheitern, weil Du mich darauf hinweisen wirst, dass auch der Versuch strafbar ist...

Und gegen Kater Max, dem an anderer Stelle in diesem Forum ja schon eine literarische Würdigung widerfahren ist, könnte ich mit meiner Geschichte nicht konkurrieren. Deshalb muss es ein Hund sein.

@ drea

Da mag schon etwas Ingrimm hochkochen, wenn der "Typ" auf anderer Kosten so fröhlich in den Tag hinein lebt. Da scheint sogar die Frage berechtigt, warum der Autor nie die Flügel erwähnt, die ein solcher Kuckuck doch haben müsste, wenn ersich schon ins gemachte Nest setzt. Doch dem Wauwi sei´s erlaubt.

@ alexandra


Auch Dir ein liebes Dankeschön für Deinen Zorn... und das Räkeln. Es gibt auch ein Rekeln mit "e" - aber ich stimme Dir zu: das mit "ä" ist schöner...

Allen ein liebes Dankeschön und ebensolche Grüße von
Hannes,

... der Wert auf die Feststellung legt, beim Schreiben NICHT !!! in den Spiegel gesehen zu haben.

 

Deine Weisheit, lieber Hannes, rettet dich vor einigen Unbilden des Lebens.;)

Schönen Gruß von Kater Max, soll ich ausrichten.:D

Grüßle
Elvira

 

Danke für die zuerkannte Weisheit - ich fürchte aber, die hat ihre Wurzeln ausschließlich in den dafür vorgesehenen Plätzen an den Enden des Ober-und Unterkiefers. Und dort zwackt es manchmal ganz schön heftig...

Tschüs
Hannes

 

hallo hannes!

nette geschichte, gut gemacht. endlich weiss ich was mein hund so denkt. erinnert mich an eine doku, die hunde in der weise beschrieb, dass sie die menschen um die "pfote" wickeln und so ziemlich die einzigen lebewesen sind, die nicht selbständig für ihren lebensunterhalt sorgen müssen (die nutztiere natürlich ausgenommen).

lg
klara

 

Hi Klara,

danke für Deinen Kommentar. Es ist schon interessant, um welche Pfote - wie Du so schön umschreibst - uns die vierbeinigen Freunde wickeln. Doch, wer weiß, vielleicht ist es ja doch nicht nur zweckorientiertes Betteln, sondern manchmal ein Ansatz von "Tier-" Freundschaft, die uns entgegengebracht wird.

Doch das könnten uns die Vierbeiner nur selbst bestätigen... Vielleicht findet sich ja irgendwann einmal ein kluger Hund, der hier auf kg seine Gedanken zu verbreiten weiß.

Mit einem fröhlichen Wuff
Hannes

 

Wünscht euch das nicht, Leutchen. ;)

Wenn ich mal einen Tag lang zuhören könnte, was Kater Max so über seine Katzendamen und meine Wenigkeit sagen würde, ich wäre sicher, er flöge im hohen Bogen aus dem Haus. :D
Ich bewahre mir da lieber meine Illusionen.:dozey:

Lieben Gruß
Lakita

 

Heja Hannes,

zuerst dachte ich, was sich die Dame doch für einen faulen Kerl ins Haus geholt hat und wollte mich schon entrüstet aufplustern, hehe ... aber dann - voll gelungene Überraschung!

Ist eine schöne und liebe Geschichte und von der Idee als auch vom Schreibstil her ausgezeichnet umgesetzt.

Werde ich auf jeden Fall öfter lesen.

Grüße
Liz

 

Klasse Hannes, der Prot hat n richtigen Volltreffer gelandet, also wenn es so läuft, ihr das auch alles gefällt, dann würd ich ja schon fast sagen, "auch moralisch nichts gegen einzuwenden"
Sehr gut geschrieben. Allerdings ab der Mitte des Textes, wiederholst du dich, zwar mit anderen Worten, aber eben so, dass dann nichts neues mehr rüberkommt. Nun, ich weiss ja von der Haarfärbungsbesccheinigung, dass du, wenn du anfängst, nicht so schnell mehr aufhörst.

Liebse grüsse Stefan

 

Hallo Liz,
danke für Deine lobenden Worte, wobei ich natürlich auch eine heimliche Freude über das "Aufplustern" nicht verbergen möchte. Haben wir nicht alle irgendwann einmal - vielleicht im anderen Zusammenhang - etwas von den Bienen gehört? Da gibt es die fleissigen Bienchen und... die Drohne, die der Duden auch als "Nichtsnutz und Schmarotzer" einstuft.
Schade nur, dass es - in diesem Fall - etwas anders läuft.

LG
Hannes

 

Hi Stefan,

wer schafft es wie Du, einen sympathischen Seitenhieb zu setzen, der beim Empfänger Heiterkeit auslöst? Kompliment ! Irgendwer hat mich beschwindelt, als er mir erzählte, man würde hier nach Zeilen honoriert werden. Dabei gibt es einen viel schöneren Lohn, nämlich zahlreiche nette Kontakte zu Gleichgesinnten.

Logisch, dass Du an die spannenden Dialoge aus der Nachdiskussion um die Haarfärbebescheinigung erinnerst, aber das Kreuzen der Feder ist eine den Geist schärfende Auseinandersetzung der positiven Art.

Vielen Dank für Deine Kritik und
LG
Hannes

 

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