Hallo @jimmysalaryman,
ich habe beschlossen, mich von oben nach unten durchs Flash Fiction Forum zu prokrastinieren. Ich mache das vor allem für mich selbst, weil ich das Format irgendwie noch nicht so richtig verstanden habe, es aber ganz spannend finde und hoffe, dass Flash Fiction zum Üben taugt, das wäre mir sehr lieb.
Und auch wenn dieser Kommentar vorwiegend für mich ist, schreibe ich ihn hier ins Forum, weil vielleicht hast du ja auch irgendetwas davon, auch wenn du schon recht viele Kommentare hast, undvielleicht kannst mit dem einen oder anderen Leseeindruck meinerseits etwas für dich anfangen. Das erste was mir gerade einfällt, ist, dass der Titel ein Teil der Geschichte ist. Der greift die nicht auf oder so, sondern bietet noch mal eine ganz neue Perspektive auf die Geschichte. Es gibt für mich zwei Lesarten: Das eine ist, dass der Prot nie da ist, wo der Regen ist, weil er ja natürlich immer nur dahin "beordert" wird, wo der Regen nicht ist. Das wäre keine neue Perspektive, weil es genau das ist, worum es im Text ja ganz konkret geht. Der Regenmacher kommt, aber natürlich immer nur dahin, wo der Regen nicht ist. Aber ich lese den Titel auch noch anders und zwar als Möglichkeit, dass, wo er ist, kein Regen ist und nicht sein wird. Also wenn er im Text sagt, wir müssen glauben, dann zeigt der Titel noch mal, dass er eigentlich nicht mehr wirklich glaubt. Das fand ich ganz super und das werde ich sicher mal nachmachen, denn gerade in so einem kurzen Format, ist es ja hilfreich, wenn der Titel auch etwas zur Geschichte beiträgt.
Deine Einführung ins Setting gefällt mir auch sehr. Ich persönlich mag so beschreibende Szenen einfach gerne, eine Einführung ins Setting und eine Verortung, ganz sinnlich. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es evtl. eine etwas genauere oder vielleicht auch einfach nur: andere Blickführung. Ich finde gut, dass da erst dieser sehr kleine Auschnitt ist, die Erde zwischen den Fingern. Ich sehe, wie er sich gebückt hat und die Erde aufgelesen hat, wie sie ihm durch die Finger rinnt, dann weht der Wind Staub in alle Richtungen und der Blick wird weit, das gefällt mir gut. Beim verbrannten Mais komm ich allerdings etwas ins Strudeln. Das ist so ein Detail ... Der ist schon richtig verbrannt, oder? Also so richtig kohlrabenschwarz verbrannt, weil es gebrannt hat? Und er sieht das es Mais gewesen ist, weil halt auch noch viel steht? Geht das? Weil es ist ja sehr trocken. Wenn ein Maisfeld brennt, dann brennt doch auch noch viel mehr oder? Aber der ist nicht verdorrt, weil es nicht geregnet hat, sondern verbrannt? Das ist so ein Moment, an dem ich mir komisch vorkomme, weil ich nicht weiß, ob ich irgendetwas unglaublich kompliziert mache, was eigentlich ganz einfach ist. Jedenfalls geht hinter diesem Feld die Sonne unter. Das mit der Dämmerung und der Nacht hätte ich jetzt nicht gebraucht. Dämmerung ist klar, weil die Sonne geht ja unter und ich finds gerade so schön im Hier und Jetzt beim Beschreiben der Szene, da bringt mir das Springen in der Zeit nicht so viel, ich würde gerne meinen Blick weiter schweifen lassen, was ja dann auch passiert, aber ein bisschen besser hätte ich gefunden, wenn ich auf dem Hügel gestartet hätte, ja, das hätte ich gerne gleich von Anfang an gewusst. Aber das ist natürlich Korinthenkackerei. Ist schon auch toll, so wie es ist. Jedenfalls finde ich dann super, dass er wieder ranzoomt und ins Persönliche geht, indem er die Frau beschreibt. Insgesamt kommt durch die Beschreibungen eine Endzeitstimmung auf, wobei die Szene an sich aber zeitlos bzw. nicht in irgendeine bestimmte Zeit eingebettet wirkt.
Zweimal haben wir dieses Jahr schon geopfert, sagt eine Stimme. Ich drehe mich um. Sein Gesicht ist eingefallen, die Haut grau und fahl. Eine schlecht vernähte Narbe auf der Wange. Der Mann schüttelt den Kopf. Zweimal haben wir auf Regen gewartet. Ich lege ihm meine Hand auf die Schulter. Der Regen wird kommen. Wir alle müssen daran glauben.
Ich mag, wie er ihm die Hand auf die Schulter legt, als wären sie alte Bekannte, sind sie aber nicht, weil er ihn ja "Der Mann" nennt. Und dann das "Der Regen wird kommen. Wir müssen alle daran glauben." Ich mag das ganz grundsätzlich, an dieser Stelle, in diesem Text, in anderen Texten ... die fehlende Kennzeichnung der direkten Rede, spätestens seit Saramagos Stadt der Blinden lese ich das total gerne.
Davor hat ER uns immer erhört. Wir wissen nicht, was wir noch tun sollen. Er drückt mir einen kleinen Sack in die Hand. Mehr haben wir nicht mehr. Ich lasse meine Hand über den rauen Stoff gleiten und ziehe die Schnüre auseinander. Meine Fingerspitzen tasten nach dem Inhalt. Die Körner sind klein und fest, die Oberfläche ölig.
Ich weiß nicht genau wieso, aber das Fette hat auf mich wie eine Erklärung gewirkt, das war mir irgendwie zu plakativ, wo doch eigentlich alles so sehr zwischen den Zeilen stattfindet. Dagegen find ich die Abwicklung der Bezahlung wieder superschön subtil, zumindest lese ich es als Bezahlung, sowohl an den Regenmacher als auch als Teil des Rituals möglicherweise.
Mehr haben wir nicht, wiederholt der Mann. Er schließt die Augen, öffnet sie wieder, schaut über meine Schulter in die Unendlichkeit. Was soll aus uns werden?
Wir müssen alle daran glauben.
Er nickt. Ja, sagt er. Wir glauben alle daran.
Auch schön. Wie er nickt. Ja. Wir glauben alle daran und ich glaube ihm aber kein Wort. Ich bin oder fühle mich ja noch sehr als Anfängerin und denke, dass ist wohl die hohe Kunst, jemanden etwas sagen zu lassen, und ohne es zu erklären, vermitteln zu können, dass es doch nicht so ist. Wobei mir die Unendlichkeit etwas zu dick war, weil er wohl einfach nur in die Ferne guckt, die ist aber eigentlich nicht unendlich.
In der ersten Stunde des neuen Morgens, sagt er. Das Feuer wird bereit sein.
Hier habe ich mich, einfach nur aus Interesse, gefragt, wie der Text wohl wirken würde, wenn die Leute moderner sprächen. Für den Fall, dass du noch mal so einen Text schreibst ;-)
Ich kenne das schwarze Tal. Ich habe ihnen letztes Jahr den Regen gebracht.
Sie sind alle gegangen, sagt sie und schließt die Augen.
Erst sagt er, dass er ihnen den regen gebracht hat. Aber gleich danach sagt sie, dass alle gegangen sind und ich frage mich, hat er ihnen wirklich den Regen gebracht oder war er nur da um den Regen zu bringen, der dann nie kam? Heißt: Ich bringe den Regen vielleicht einfach nur das Ritual? Und - Rückschluss zum Titel - bringt er den Regen eigentlich nie wirklich? Das ist toll, was da in den zwei Sätzen steckt. Der Text ist klar und ich bin orientiert und so und dann ist er aber ganz interpretationsoffen. Das gefällt mir total gut.
Wenn ER es will, werden sie wahr.
Keine Ahnung wieso, aber auf das "ER" komme ich irgendwie nicht klar. Hat mich oben ja auch schon gestört. Ich weiß nicht genau warum, vielleicht es eben ja auch zwischen den Zeilen steht und ich mir dann auch denken kann, es gibt Götter oder so, vielleicht weil es den Text da irgendwie so festlegt und ich den als so wunderbar offen empfinde.
Es ist eine große Ehre für dich, sage ich, und sie reißt ein Stück des Fladens ab und schiebt ihn mir langsam in den Mund.
Eine schöne Szene, wie sie ihm ein Stück Fladen in den Mund schiebt. Könnte Teil des Rituals sein, könnte auch einfach nur etwas schräg sein, eine Art Übersprungshandlung von ihr.
Ich werde euch den Regen bringen. Ich werde Regen bringen.
Das war mir dann wieder ein bisschen dick. Aber ich verstehe schon auch, dass es irgendwie Abschluss braucht. Ich frage mich, ob du bzw. der Text das so braucht, weil es eigentlich keinen Konflikt gibt bzw. keine Entwicklung. Das habe ich mich nämlich auch gefragt bei deinem Text. Eine schöne klare und gleichzeitig offene Szene, aber ich habe es nach meinem eigenen FF-Text hier dann so verstanden, dass Flash Fiction schon auch alle Elemente einer KG beinhalten soll. Sehr abgespeckt, nur angerissen, klar. Und so sehe ich mir jetzt uach deinen Text an und ich habe keine Ahnung, ich stelle nicht fest, sondern frage mich, ob ich das richtig sehe. Dabei gehts mir nicht um Richtig und Falsch, um irgendwelche vermeintlichen Regeln (auch wenn ich das gerade so geschrieben habe, "soll enthalten"), sondern eher darum, dass ich für mich etwas verstehe oder eben nicht verstehe und ich frage mich halt, ob ich das richtig sehe, dass es eigentlich keine Entwicklung gibt, außer eben eine Veränderung über die Zeit. Er kommt an, spricht mit dem Mann, kriegt die Bezahlung, geht in das Zelt, spricht mit ihr/dem Opfer, isst den Fladen, versucht sich weiter selbst davon zu überzeugen, dass er Regen bringt. Zu der Erkenntnis, dass er vielleicht doch keinen Regen bringt, dass alles umsonst ist, dass zu glauben, auch nicht hilft, kommt er zumindest nicht. Außer möglicherweise dann über den Titel, was, wie eingangs erwähnt, dann schon wieder sehr cool ist. Ist das so von dir gedacht gewesen?
Viele Grüße
Katta