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Thema des Monats Hybride Wandlung

Seniors
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29.01.2010
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Hybride Wandlung

Die Praxisangestellte Helen Meier war noch immer fassungslos, als sie die Termine der nächsten Tage absagte und die Patienten bat, sich an einen andern Arzt zu wenden. Mit tränenerstickter Stimme erwähnte sie jeweils, Dr. Jäger sei überraschend verstorben.
Der Polizei gegenüber konnte Frau Meier nur dürftige Angaben machen. Die letzte Patientin, die das Behandlungszimmer betrat, war als Notfall gekommen. Passanten hatten sie hochgebracht, obwohl die Frau es erst abwehrte. Auf der Strasse, direkt vor dem Haus, war sie gestürzt. Da Dr. Jäger sich die Patientin sofort ansehen wollte, wurde die Erhebung der Versicherungsdaten auf später verschoben. Während eines Telefongesprächs meinte Frau Meier mal einen gurgelnden Laut aus dem Behandlungszimmer vernommen zu haben, dann war es aber wieder ruhig. Erst als sie einen dringenden Anruf durchstellen wollte, Dr. Jäger diesen aber nicht entgegennahm, klopfte sie an die Tür des Behandlungszimmers. Eine Antwort blieb aus. Da fand sie ihn, er lag rücklings quer über der Liege, der Griff eines Skalpells ragte aus dem Hals. Obwohl sie erfasste, dass die Halsschlagader verletzt war, fühlte sie nach seinem Herzschlag. Er war nicht spürbar. Ihre Nerven begannen zu flattern. Sie stand einem Zusammenbruch nahe, doch gelang es ihr, einen Notarzt und die Polizei zu verständigen. Die Notfallpatientin war verschwunden, sie musste das Behandlungszimmer durch die zweite Tür, die direkt in den Gang führte, verlassen haben.

Vor den Abendnachrichten sendete das Regionalfernsehen folgende Polizeimeldung. «Gesucht wird eine ungefähr fünfunddreissigjährige Frau, etwa ein Meter fünfundsiebzig gross, schlank, dunkelbraune, schulterlange Haare, Hautfarbe Weiss, leicht gebräunt. Sie trägt einen schwarzen Wollmantel und schwarze Stiefel mit hohen Absätzen. Heute um Siebzehn Uhr war die Frau an der Bergstrasse gestürzt. Passanten, die ihr geholfen hatten und sie in die Arztpraxis im Haus beim Unfallort brachten, werden gebeten, sich umgehend bei der Polizei zu melden. Ebenso, wer Angaben zur Identität der gesuchten Person machen kann.»
Sabine Howald drückte nervös ihre Zigarette aus. Diese Angaben sind dürftig, wahrscheinlich wissen sie nicht mehr. Den Griff hatte ich sorgfältig abgewischt und keine Spuren hinterlassen. Wenn er sich doch auf Fragen beschränkt, mir geglaubt hätte, dass es nur ein Fehltritt ohne Folgen war. Nein, er meinte meinen Körper unbedingt abtasten zu müssen, mit der Begründung, es könnte etwas verletzt sein. Obwohl ich keine weiterführende Untersuchung wünschte, zog er mir die Bluse und das Unterhemd am Rücken hoch um mich mit dem Stethoskop abzuhorchen. Da war er selbst schuld, er hatte nicht das Recht dazu.

Sabine überlegte sorgfältig, was zu tun sei. Spät am Abend fuhr sie ab.
Zwar hatte sie schon manchmal daran gedacht, was sie täte, wenn jemand die Grenzen ihrer Intimsphäre nicht respektierte. In Notwehr würde sie auch töten, als äusserstes Mittel zum Schutz ihrer Unversehrtheit, darin war sie sich gewiss. Aber, dass es sich so banal ergeben könnte, das hatte sie nicht bedacht. Es war ein Reflex gewesen, niemand sollte sie unbekleidet sehen.
Bei Tagesanbruch steuerte sie eine grössere Stadt an, tätigte ein paar Einkäufe und liess sich bei einem Friseur die Haare kurz schneiden.
Gegen Mittag erreichte sie ihr Ferienhaus. Sie orientierte Frau Bertram, die ab und zu nach dem rechten sah, über ihre Anwesenheit. Deren Familie bewirtschaftete einen halben Kilometer entfernt einen Bauernbetrieb. Es war nicht ungewöhnlich, dass Sabine spontan herkam, um für kürzere oder längere Zeit hier zu verweilen. Sie mochte diese ländliche Gegend am Meer und glaubte, das Klima hier bekäme ihr gut. Diesmal hatte sie angekündigt, drei oder vier Tage zu bleiben. Sie wollte erst mal Distanz zu dem Vorfall gewinnen, das Geschehen verarbeiten. Ihre Gefühlswahrnehmung hatte den Vorfall derart absorbiert, dass er ihr einzig kognitiv und nüchtern bewusst war. Nicht gleichgültig, aber keine Schuldgefühle zulassend.

Die verschiedenen Zeitungen, welche sie unterwegs gekauft hatte, brachten nur kurze Artikel zum Tod des Arztes. Einzig in einem Boulevardblatt war der Artikel reisserisch aufgemacht, mit einer Zeichnung, wie das Mordopfer dagelegen haben musste und einem Foto von dem Haus. Der Artikel enthielt aber nichts Konkretes über die Ermittlungen.
Nach einem Bad, seit einigen Jahren entwickelte sie eine intensive Beziehung zu Wasser, legte sie sich hin, um zu schlafen.

Eine Meldung in den Abendnachrichten schreckte Sabine auf: «Die Ermittlungsbehörden sind im Mordfall an dem Arzt Paul Jäger zu wichtigen Erkenntnissen gelangt. Der zuständige Polizeipräsident wird im Beisein von einem Beamten des Bundeskriminalamtes und des Innenministers um einundzwanzig Uhr eine Pressekonferenz abhalten. Wir werden in den Spätnachrichten dann darüber berichten.»
Sabine konnte die auftretende Nervosität nicht unterdrücken. Warum wird dieser Fall politisch derart aufgebläht? … Wahrscheinlich befinden sie sich auf einer völlig falschen Fährte, entdeckten vielleicht im Leben von Doktor Jäger seltsame Vorkommen, die sie mit seinem Tod in Verbindung bringen ... Es gelang ihr nicht, den Einbezug übergeordneter Instanzen klar zu deuten, sie spürte ein dumpfes Gefühl von Bedrohung. Mir kann es nur recht sein, wenn sie eine falsche Spur verfolgen. Auch wenn sie überzeugt war, dass man ihre Identität aufgrund der Spuren nicht aufdecken konnte, gab ihr diese Überlegung nicht ausreichend Sicherheit und Trost. Hat mich dort in der Umgebung vielleicht jemand gesehen, der mich kannte. Es wäre Zufall, aber … Sabine seufzte, … alles nur wegen eines Fehltritts.
Den Fernseher liess sie, nicht auf die laufende Sendung achtend, eingestellt und begann zu putzen, um sich abzulenken. Kurz nach einundzwanzig Uhr kündigte der Sprecher an: «Achtung, aus aktuellem Anlass nehmen wir eine Programmänderung vor und strahlen eine wichtige Mitteilung der Polizei und des Innenministeriums aus». Sabine horchte auf. Was folgte, erschütterte sie dann zutiefst.
An der teilweise aufgezeichneten Pressekonferenz wurde unter anderem angeführt: «Unter den Fingernägeln des Opfers wurden Hautpartikel gefunden, die ein völlig unerwartetes Ergebnis zeigten. Die DNA-Auswertung erbrachte, dass die Hautpartikel von einer weissen Frau stammen, jedoch eine xenogenetische Zusammensetzung aufweisen. Eine Vermischung von zweierlei Arten an Hautpartikeln kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Dies stellt die Wissenschaft vor ein Rätsel. Die Genforschung hatte noch nie Hinweise darauf, auch nicht aus der Epigenetik, dass sich menschliche und tierische Gene vermischen können. Eine von Tieren auf Menschen übertragbare Viruserkrankung, also eine Zoonose, kann für Menschen unter Umständen tödlich verlaufen, tangieren aber auch bei Überleben die Gene nicht so weitgehend. Das Absonderlichste ist zudem, dass der Anteil an tierischen Genen auf den Typus Alligatoridae hinweist, also einer noch nicht näher bestimmten Alligatorenart. Welche Auswirkungen die festgestellte Mutation im menschlichen Erbgut nehmen könnte, wird zurzeit durch internationale Wissenschaftler unter Beteiligung der WHO erörtert, die durch diesen Fall aufgeschreckt wurden.
Da Gene teilweise die Persönlichkeit eines Wesens beeinflussen, gehen Wissenschaftler nach ersten, vorsichtigen Einschätzungen davon aus, dass sich diese spezielle Mutation auch im Verhalten äussern kann. Gerät solch ein Wesen in eine bedrohliche Situation, könnte es vorkommen, dass es unter Ausschaltung erfahrener Sozialisation, sich instinktiv abwehrend wie ein Raubtier verhält.»
Sabine fühlte sich wie betäubt, das Absonderliche, welches vorgetragen worden war, kam ihr unfassbar vor. Es kann nicht sein, unmöglich. Die können nicht mich meinen. Und doch war klar, die meinen mich. Eine Verwechslung ist ausgeschlossen. Tränen schossen ihr in die Augen. Es muss eine degenerierende Krankheit sein, aber woher? … Warum ausgerechnet ich? … War meine impulsive Reaktion diesem Umstand zuzuschreiben? Bin ich triebgesteuert wie ein Raubtier? Was passiert mit mir? Sie vermeinte, im Bemühen um ein verstandesmässiges Begreifen, wie durch einen Nebel ihr Todesurteil herauszuhören. Ein sukzessiv und quälend zersetzendes Sterben ihres menschlichen Körpers, eine Metamorphose zu einer tierischen Kreatur hin.
Einmal mehr folgte die Personenbeschreibung der mysteriösen Notfallpatientin, etwas präziser als am Vorabend, doch vage genug, dass sie auf unzählige Frauen zutreffen konnte. Man ersuchte darum, bei einem konkreten Verdacht umgehend die Polizei zu verständigen und die Person nicht direkt anzusprechen oder aufzuhalten. Ausdrücklich betont wurde, dass kein Grund zu Panik bestehe und nach bisherigen Erkenntnissen keine Ansteckungsgefahr von der gesuchten Person ausgehe.»
Ansteckungsgefahr? ... Ich bin doch kein verseuchtes Stück Vieh! In ihrem Gefühlschaos regte sich Widerstand, diese Diagnose als gegeben anzuerkennen. Das kann nicht sein, die müssen sich irren.
Die nachfolgende Diskussionsrunde von umgehend einberufenen Wissenschaftlern brachte für Sabines Verständnis keine Erkenntnisse, die zu einem eindeutigen Ergebnis führten. Sie umkreisten das Thema aus humanbiologischer Sicht ohne konkrete, präzise Theorien. Dass sich in ihr tierische Gene entwickelt hatten, war ihr ein Schock, dessen Tragweite sie erst langsam zu erahnen begann. Auch wenn sie sich in Biologie nur durchschnittlich auskannte, schien ihr das fantastisch. Das Unwahrscheinliche, Phänomenale, nahm aber Gestalt an, im Widerstreit gegen ihre sachbezogene Abwehrhaltung. Ich war doch nie an einer Zoonose erkrankt, oder doch?

Vor dem grossen Spiegel im Schlafzimmer begutachtete sie ihren Rücken, der besonders stark von der zunehmenden Hautveränderung betroffen war. Da, kaum bemerkbar sind Kratzer. Es muss passiert sein als Jäger mir an die Wäsche ging und ich heftig reagierte. Die entstellte Haut zeigte leicht gerötete Streifen. Sie hasste es, die betroffenen Teile ihres Körpers zu betrachten, hornige Schuppen, die mit den Jahren immer mehr auftraten, trotz des Kortisons, als wollten sie einen Panzer bilden. Auf den Gedanken, diese organische Entwicklung mit der eines Reptils zu vergleichen, war sie nie gekommen. Es wirkte ihr auch jetzt noch unglaublich, aber je länger sie es betrachtete, glaubte sie nun Anzeichen dafür zu erkennen. Ein Schaudern durchlief ihren Körper.
Seit Jahren behandelte sie ihre Haut mit Kortison und ausgleichend mit kosmetisch pflegenden Mitteln. Vor einigen Jahren war einem Gynäkologen bei ihr eine Hautveränderung aufgefallen. Er überwies sie zur Abklärung an einen Dermatologen. Damals im Anfangsstadium konnte sie selbst nur raue Stellen erkennen. Sie dachte, eine zu trockene Haut. Der Arzt vermutete eine beginnende Psoriasis, nachdem er eine Allergie ausschloss, und verschrieb ihr eine Salbe. Er wies darauf hin, dass diese Krankheit nicht heilbar ist, doch könne man die Intensität des Verlaufs hinauszuzögern. Ihre Befindlichkeit interessierte ihn nicht weiter. Für den fortdauernden Bezug der Salbe verwies er sie an ihren Hausarzt. Sabine hatte diese Krankheit schwer getroffen, ihr Körperbild veränderte sich negativ, je mehr sie darüber in Erfahrung brachte. Sie vermied künftig, ihren unbekleideten Körper zur Schau zu stellen und achtete darauf, dass die sichtbare Haut kosmetisch einwandfrei abgedeckt war.

Im Internet suchte sie nach Hinweisen, die ihr erklären könnten, wie diese Genentartung sich auf sie übertragen konnte. Alligatoren hatte sie schon aus Distanz gesehen, aber es war nie zu einem Körperkontakt gekommen. Auch hatte sie nie Fleisch von solchen Tieren verspeist. Ebenso wenig waren ihr von ihren verstorbenen Eltern irgendwelche Hautkomplikationen bekannt.
Nach stundenlangem Suchen stiess sie auf einen älteren medizinischen Fachartikel, der sie in den Bann zog. «Im Blut des amerikanischen Alligator mississippiensis haben Forscher der Louisiana State University in Baton Rouge kleine Proteine mit antimikrobieller Wirkung entdeckt. Der als Alligacin bezeichnete Stoff vernichtet ein weites Spektrum von Viren, Bakterien und Pilzen. Dies ist einem potenten Antibiotikum vergleichbar, wirkt dabei aber äusserst aggressiv.»
Sie erinnerte sich, als sie seinerzeit für einige Monate durch die USA reiste, trat plötzlich hohes Fieber bei ihr auf. Notfallmässig wurde sie von einem Arzt versorgt. Er verlangte damals, dass sie unbedingt zur Nachuntersuchung komme. Da sie wertvolle Zeit verloren hatte und unbedingt weiterwollte, unterliess sie dies. Im vorliegenden Bericht steht nicht, dass es jemals als Medikament zugelassen wurde, ja dass es beim Menschen überhaupt wirksam ist. War es dies, das er mir damals spritzte? Missbrauchte er mich als Probandin? Er erwähnte damals nur, es sei ein ganz neues Antibiotikum, das viel bessere Heilerfolge verspreche als herkömmliche.
Sabine atmete schwer, bemüht ihre Erregung über diese Entdeckung zu beherrschen und den Kopf nicht zu verlieren. Weitere Berichte, die sie im Internet fand, bezogen sich nur auf den gleichen Sachverhalt, es gab keine neuen Erkenntnisse dazu.

Am nächsten Tag besorgte sie sich in einem Einkaufszentrum ein aufhellendes Haartönungsmittel. Eine gänzlich andere Farbe schien ihr für ihren Typ nicht angezeigt, es würde nur auffallend wirken. Das Gefühl, von Passanten merkwürdig angesehen zu werden, war ihr so schon unangenehm. Dabei wusste sie, dass es nur Einbildung war. Niemand der Leute erwartete, dass das «Krokodilweib», wie eine Zeitung sie abschätzig betitelt hatte, hier Hunderte von Kilometern vom Tatort entfernt auftauchen würde. Eine Boulevardzeitung brachte auf der Titelseite die Karikatur einer unbekleideten Sexbombe, halb Frau, halb Alligator. Die Fingernägel wie Krallen hervorstehend, lange wehende Haare, eine üppige Oberweite, der gepanzerte Rücken in eine Schwanzflosse auslaufend, auf mannequinartigen Beinen in hochhackigen Schuhen stehend. Darunter stand: «Madame Croco.» Sabine lief rot an. Diese perversen Schweine. Am liebsten hätte sie den Zeitungsstapel zerrissen, der dort lag.

Aus einer Zeitungsnotiz ging hervor, dass bei Ärzten eine Umfrage zu weiblichen Patienten mit auffallender Hautveränderung angelaufen war. Auch weit zurückliegende Fälle würden erfasst. Dies sei ein ungewöhnlich grosser Aufwand, aber angesichts der Unklarheit von Gefahren, die mit der Verbreitung dieser Genmutation bestehen, vollumfänglich gerechtfertigt.
Über kurz oder lang wird man meine Identität herausfinden, dann bin ich hier nicht mehr sicher. Aber wohin?
In Gedanken blätterte sie in der Zeitung weiter, bis ihr der Titel einer Anzeige auffiel. «Fluide Körper.» Darunter stand der Text: «Sehr geehrte Dame. Wir, eine Gruppe von Wissenschaftlern, die zurzeit mit dem Internationalen Kolleg Morphomata zusammenarbeiten, würden uns gerne mit Ihnen in Verbindung setzen. Unsere Forschungstätigkeit ist auf die Auflösung bekannter Körperordnungen spezialisiert, wie sie in der Menschheitsgeschichte in verschiedenen Formen dokumentiert wurden. Wir sichern Ihnen absolute Diskretion zu und beteuern Ihnen die Ernsthaftigkeit unserer Absichten. Wir würden uns freuen Ihnen helfen zu können. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um mit uns in Verbindung zu treten.» Es folgten mehrere Namen und Adressen aus dem In- und Ausland.
Das Inserat ist eindeutig an mich gerichtet, ohne es direkt so zu formulieren. Die müssen verrückt sein, wenn sie glauben, ich setze mich mit ihnen in Verbindung. Den Behörden ist die Anzeige bestimmt auch aufgefallen. Bei einer Kontaktaufnahme würde die Falle zuschnappen.

Der Appell beschäftigte sie aber, da jemand da war, der sie anscheinend nicht einfach als Monster klassierte. Sie begann zu recherchieren. Das Kolleg existiert wirklich, wobei eine angekündigte Tagung „Fluide Körper – Bodies in Transition“ unter dem Blickwinkel von Altertumsforschung stand. Hierbei waren Missbildungen, Verstümmelungen, Deformationen oder Hybridisierung das Thema. In diesem Kontext fühlte sie sich erst mal zutiefst verletzt und beleidigt, was sie veranlasste, ihre Nachforschungen empört abzubrechen.

Im Bett kreisten ihre Gedanken um Fluchtmöglichkeiten, verwarf diese Pläne jedoch, sobald sie die realen Gegebenheiten abschätzte. Auf dem Landweg nach Asien zu gelangen, ist einfach. Doch unbemerkt alle Grenzen überqueren zu können, ist schon mehr als unwahrscheinlich. Da an Einschlafen nicht zu denken war, stand sie wieder auf und startete das Internet. Noch einmal las sie alles über das Kolleg und suchte Informationen über die in der Anzeige angeführten Personen. Auf der Homepage eines Amerikaners war dessen Frau erwähnt, die in einem andern Wissensgebiet tätig war. In einem separaten Eintrag über sie fand sich ihre persönliche Mailadresse an einem Institut. Sie erwog eine indirekte Kontaktaufnahme und entschied sich nach langer Überlegung, morgen in einem Internetcafé eine neue Mailadresse zu eröffnen und mit ihr in Kontakt zu treten. Es war ihre einzige Chance, was sie bitter lachen liess. Der Klang war herb, beinah wie die tiefen Bellgeräusche, die Krokodilmännchen in der Brunstzeit als Lockruf verwenden.
Ihr Schlaf war unruhig, manchmal schreckte sie auf, da schreckliche Traumvisionen sie heimsuchten. Am nachhaltigsten war, als sie einmal mehr ihren Körper vor dem Spiegel begutachtete. Was ist das? An der Stelle des Steissbeins begann sich, die Haut buckelhaft zu dehnen. Das kann nicht sein. Langsam aber kontinuierlich entwickelte sich eine Schwanzflosse, gleichzeitig eine Panzerung bildend, die sich den Rücken hochzog. Sie begann zu schreien und erwachte dadurch.

Die Verbindung war zustande gekommen, Cliff Shepard antwortete innert dreißig Minuten, wie sie später nach einem Ortswechsel feststellte. Er gab ihr eine absolut sichere Telefonnummer an, mit der sie sich in Verbindung setzen konnte, um vorerst weitere Hilfestellung zu erhalten.
Noch immer war sie skeptisch, immerhin stand sie unter Mordverdacht und wurde als hochgradig gefährlich stigmatisiert. Wer wusste, ob die Wissenschaftler nicht mit den Behörden zusammenarbeiteten, um sie unschädlich zu machen. Was wird, wenn ich dieses Angebot nicht annehme? Sie verspürte eine Leere im Kopf, die keinen vernünftigen, sich kristallisierenden Gedanken zuliess. Auf ihre logische Denkfähigkeit war sie immer stolz gewesen, doch jetzt steckte sie in einem Dilemma, das ausweglos schien.

Einmal mehr stand sie im Badezimmer und untersuchte unter Zuhilfenahme von Spiegeln ihre Haut am ganzen Körper. Sie glaubte nun sicher, die gleiche Formung an den verhornten Teilen zu erkennen, wie sie noch junge Alligatoren zeigten. An jenen Teilen der Haut, die noch nicht sichtbar entartet waren, meinte sie nun auch eine feine, beinah unscheinbare Musterung in diese Richtung zu erkennen. Diese Wandlung würde zunehmend ihren ganzen Körper erfassen. Die Haut an ihren Händen und Füssen zeigten bereits diese Anzeichen. Der keimenden Verzweiflung begegnete sie mit Wut und versuchte besonders stark hornige Stellen wegzukratzen, obwohl sie wusste, dass dies das Verkehrte war. Es begann auch sofort, zu bluten. Die Haut würde hier dann noch stärker entartet reagieren.
Vielleicht wäre es am besten, ins Wasser zu gehen, einfach ins Meer hinaus zu schwimmen, bis meine Kräfte versagen.

Erst am Abend entschied sie sich, die Nummer zu wählen. Es war ihre einzige Chance, wenn es überhaupt eine gab. Der Teilnehmer am andern Ende meldete sich nach mehrmaligem Läuten. Es war eine Frauenstimme.
«Von wem haben Sie diese Nummer?», fragte die Frau ohne sich vorzustellen.
«Cliff Shepard», sagte sie nur knapp.
«Sie sind es! Es freut mich, dass Sie mit uns in Verbindung treten. Die Entscheidung Ihnen zu helfen, fiel uns unter den gegebenen Umständen nicht leicht. Doch wir kamen einstimmig zum Schluss, dass der Anspruch der Wissenschaft in diesem Fall höher zu gewichten ist, als die Bedürfnisse eines Rechtsstaates. Was wir Ihnen bieten können, ist vorerst eine sichere Unterkunft und den bestmöglichen Rechtsbeistand. Dafür erwarten wir, dass sie uns zu wissenschaftlichen Untersuchungen zur Verfügung stehen. In diesem Rahmen werden wir auch prüfen, wie wir Ihnen zu den körperlichen Beschwerden helfen und die Entwicklung der xenogenetischen Transition hemmend beeinflussen können. Was denken Sie über unseren Vorschlag?»
Sabine überlegte krampfhaft, obwohl sie ihre Entscheidung kannte. «Habe ich denn eine andere Wahl?»
«Ich will ehrlich sein», bemerkte die Frau. «Nach unserem Wissensstand, und wir verfolgen alle Informationen, welche uns zugänglich sind, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Sie umkommen, wenn man Sie stellt. In breiten Bevölkerungskreisen hegt man, durch populistische Interessengruppen noch geschürt, eine panische Angst Ihnen gegenüber. Obwohl darauf hingewiesen wurde, dass eine Ansteckungsgefahr nach den vorliegenden Fakten nicht gegeben ist, wollen dies nicht alle Kreise wahrhaben. Dass einzelne Polizisten da falsch reagieren könnten, muss man unter diesen Umständen leider als gegeben annehmen. Bei uns sind Sie diesbezüglich in Sicherheit.»
In Sabine trat ein Gefühl auf, als ob ein fragiler Schutzwall zerborsten war. Die Worte der Frau hatten einen Teil ihrer Abwehr zerstört. Ich bin kein Untier, sondern die Sabine Howald, die ich immer war. Am liebsten hätte sie es laut hinausgeschrien, doch sie biss sich auf die Lippen. Ein stilles Schluchzen schüttelte sie, die erste richtig tiefe Gefühlswallung die sie zuliess, seit sie über ihre hybride Wandlung Bescheid wusste. Ich will leben, hämmerte es in ihrem Kopf, ich lasse mich nicht abschlachten. Es dauerte einen Moment, doch sie bekam sich wieder in Griff und bemühte sich die Sachlage nüchtern zu beurteilen.
«Wohin soll ich kommen?»
Die Frau forderte erst einige Vorabinformationen, wie sich die Mutation äussere und ob sie ahne, aufgrund welcher Ursache dies eintrat. Sabine schilderte kurz die Art der Hautdeformationen und erwähnte das damals vermutlich gespritzte Alligacin. Letzteres wurde von der Gesprächspartnerin mit einem überraschten Laut und der Bemerkung registriert, dies sei sehr interessant. In diese Richtung habe man die Sache bisher noch nicht erörtert. Dabei sei dies an sich naheliegend, da die Substanz aus frischem Blut gewonnen werden musste, was erst eine Genmutation ermöglicht. Auch der Zeitrahmen seit der Infektion wäre geeignet, dass die eingeschleusten, aggressiven Genome ihr ontogenetisches Programm ausreichend anpassen und überhandnehmen konnten.
Alsdann nannte die Frau die Adresse und bat darum, sie nochmals anzurufen, kurz bevor sie eintreffe. Aus welcher Gegend sie anreisen wird, hinterfragte sie nicht, wies aber darauf hin, dass landesweit die Kontrollen verschärft wurden und sie sich möglichst nur auf Nebenstrassen bewegen sollte.

Sabine hatte alles gepackt, was ihr wichtig war. Zum Handy, das sie benutzte, hatte sie gestern eine neue SIM-Karte unter falschen Namen erworben, sodass sie deren Gebrauch vorläufig als sicher erachtete. Mit einem letzten Blick in die Räumlichkeiten nahm sie Abschied.
Als sie durch die nächste Ortschaft fuhr, sah sie ein Wagenkonvoi mit Blaulicht daherkommen. Vorsichtshalber parkte sie am Strassenrand zwischen andern Autos. Aus dem dunklen Auto spähend, sah sie drei Wagen mit Polizei gekennzeichnet, vier zivile und einen Krankenwagen die vorbeibrausten. Hatte man ihre Identität entdeckt und war auf dem Weg zu ihrem Ferienhaus? Sie musste auf jeden Fall vorsichtig sein.
Die Fahrt auf Nebenstrassen erwies sich als nicht ganz einfach, da die Ausschilderungen jeweils nur die nächsten Ortschaften anzeigten. Ab und zu hielt sie an und studierte die Karte, sich die Namen der Ortschaften auf der Route merkend. Bei solch einem Halt verlor sie plötzlich die Beherrschung. Sie begann zu zittern, erst zaghaft, dann aber wie bei einem Schüttelfrost. Die Kontrolle endgültig verlierend, setzte ein Heulen ein, ihren aufgestauten seelischen Schmerz entladend. Ich will nicht sterben und ich will kein Tier sein. Das Gefühl, dass das Gesicht von den Tränen aufzuquellen begann, brachte sie eigenartigerweise zur Räson. Ihre Empfindungen signalisierten ihr, dass sie ob der Belastung zusammenzubrechen drohte, falls es ihr nicht gelang, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Eine Zigarette anzündend, stieg sie aus. Die kühle Nachtluft schien den Nebel im Kopf zu lichten und langsam die Widerstandkraft gegen das monsterhafte Schicksal wieder zuzulassen.
Als sie noch etwa dreißig Kilometer von ihrem Zielort in der Nähe von Köln entfernt war, rief sie erneut die Nummer an und meldete ihre Ankunft innerhalb der nächsten Stunde. Der frühmorgendliche Verkehr begann einzusetzen, im Radio wurden eben die ersten Frühnachrichten angekündigt. Da kam die Meldung, dass die Polizei nach ihr fahndet. “… Bei der gesuchten Person handelt es sich um Sabine Howald. … Entgegen der früheren Beschreibung hat sie braune, kurzgeschnittene Haare. Es wird davor gewarnt, die Gesuchte anzusprechen oder sich ihr gegenüber auffällig zu verhalten. Personen, die sie zu erkennen vermeinen, sind gebeten, unauffällig die Polizei zu benachrichtigen.“ Ein Gefühl von ungezügelter Angst, das sich bisher nicht so artikuliert hatte, trat schleichend in ihr auf. Sie spähte misstrauisch auf jedes Auto, das ihr entgegenkam.

Die Nebenstrasse, auf der sie unterwegs war, erwies sich nach einer kreuzenden Hauptstrasse wegen Bauarbeiten als gesperrt. Wenn sie nicht kehren wollte, musste sie der Hauptstrasse ein Stück weit folgen. Vor einer unübersichtlichen Kurve war eine Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt. Weiter vorn erblickte sie die Sperre einer Verkehrskontrolle, an der die Autos im Schritttempo vorbeifahren mussten.
«Scheisse.» Dies war ein Wort, das sie sonst nur in ihrem passiven Wortschatz verwahrte, doch jetzt entfuhr es ihr laut. Bis zur Sperre gibt es keine Abzweigung und mit Vollgas kann ich nicht durchfahren, wegen der Autos vor mir.
Als sie linkerhand eine Ausbuchtung in der Strasse sah, betätigte sie den Blinker und riss das Steuerrad scharf herum. In schnellem Tempo fuhr sie nun in die entgegengesetzte Richtung. Alsbald waren weit hinter ihr kreisende Blaulichter, man hatte ihr Manöver bemerkt und verfolgte sie.
Die Lage war aussichtslos, die Polizeiwagen schlossen trotz ihres rasanten Tempos auf. Ich will nicht wie ein Wildtier eingefangen oder abgeschossen werden. Nein, ich werde mein Schicksal selbst entscheiden. Instinktiv trat in ihr das Verlangen auf zu wenden und die Verfolger anzugreifen. Verblüffenderweise spürte sie keine Angst, wie sie sich vorgestellt hatte, wenn eine solche Situation einträte. Die Panik war gewichen und hatte kühler Überlegung Platz gemacht. Sie musste sich entscheiden. Ein Wagen hinter ihr war schon dicht dran und setzte zum Überholen an, als sie sich einem Brückenpfeiler näherte. Im letzten Moment visierte sie die Kante an, ungebremst prallte das Auto mit der rechten Flanke darauf, die Karosserie riss kreischend auseinander.

Wild mit dem Schwanz schlagend, kroch ein verletzter Alligator aus dem Wasser. Der Mann mit dem Gewehr am Ufer hatte ihn angeschossen, es war kein finaler Schuss. Mit aufgerissenem Rachen ging er schwerfällig auf den Jäger zu, dessen Gesicht sich in Panik verzerrte.
«Sie kommt zu Bewusstsein», hörte Sabine eine Stimme, wie aus weiter Ferne.
Bewegen kann ich mich nicht, man muss mich gefesselt haben wie ein wildes Tier.
Ihr linkes Auge öffnete sich, das andere war zugeschwollen. Erst nur grelles Licht, das sie blendete, dann zunehmend Personen erkennend. Da waren auch Schläuche und Apparaturen. Nun sah sie, der ganze Körper war einbandagiert, ihre Arme und Beine eingegipst und erhöht fixiert.
«Können Sie mich verstehen, Frau Howald?» Es war ein Mann mit weissem Kittel, der sie dies fragte.
Sie versuchte zu sprechen, doch sie brachte nur ein bellendes Geräusch, einen unmenschlichen Stimmlaut, hervor.
«Sie hatten einen schweren Autounfall, bei dem sie erhebliche Verletzungen davontrugen. Es sieht nicht gut aus, aber wir tun, was wir können.»
Das eine Augenlid klappte wieder zu. Der Körper des verletzten Alligators zog sich ins ruhige Gewässer zurück, in die Dunkelheit der Tiefe abtauchend.

 
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Hallo, Anakreon!

Ich bin in Forenangelegenheiten zwar nichts weiter als ein Greenhorn mit sporadischen Besuchszeiten, aber selbst mir ist aufgefallen, dass du deine Beiträge des Öfteren außer Konkurrenz laufen lässt. Wieso ist dem eigentlich so, wenn ich fragen darf? Qualitative Gründe lassen sich dafür wohl schwerlich anführen.

Nun zur Geschichte selbst:

Insbesondere die Passage, in welcher der Protagonistin vermittels der Meldung in den Abendnachrichten bewusst wird, wie es rein genetisch um sie bestellt ist, hätte durch Interjektionen, Satzabbrüche und dergleichen anstelle der fortgeführten Erzählung ungemein an Intensität gewonnen.

Darüber hinaus möchte ich mich über die Gedankenfetzen/Erinnerungen/kurzen mentalen Selbstgespräche insofern kritisch auslassen, als das Präteritum dort weniger angebracht scheint als in der Erzählerstimme selbst, wo eine so hochgestochene Wortwahl eher hingehört.

Ich schieb es bereitwillig auf die späte (oder auch frühe) Stunde, zu der ich deine Geschichte gelesen und diesen Kommentar verfasst habe, aber: Ist der Alligator letztlich nichts als ein Triebaspekt der Protagonistin, dem Potential nach zwar vorhanden, in dem Sinne aber keine Transformation herbeiführend oder hat sich alles Vorangegangene tatsächlich so ereignet und dieser 'Aspekt' reicht doch über eine bloße Metapher hinaus?

Trotz meiner obigen Anmerkung möchte ich betonen, dass dir die Darstellung von Sabines 'innerem Konflikt' bzw. ihrem Kampf gegen sich selbst ausgesprochen gut gelungen ist. Hättest du ausschließlich diesen beleuchtet, hätte unter Umständen Langatmigkeit Einzug gehalten. Doch ihre Flucht und die damit verbundene Paranoia/gerechtfertigte Angst vor Verfolgung hat für einen willkommenen Kontrast gesorgt, der den Spannungslevel aufrechterhielt.

Zum Titel möchte ich Folgendes sagen: er hätte evtl. etwas abstrakter ausfallen können (obwohl er nicht so aufdringlich suggestiv wirkt wie mancherorts verbrochen).


Grüße

ts

 

Hallo Anakreon,

dass ich deine Art zu schreiben liebe, brauche ich wohl nicht noch einmal zu betonen. Wie immer war diese Geschichte wunderbar zu lesen und durch die exakten Beschreibungen konnte ich deine Protagonistin förmlich vor mir sehen, wie sie sich selbst im Spiegel betrachtet und durch Recherche zu der grausigen Diagnose gelangt.

Keine schöne Vorstellung, sich damit auseinandersetzen zu müssen, dank eines forschungssüchtigen Arztes nun ein Mischwesen zu sein - und dennoch: Ich frage mich, ob diese Gechichte nicht eher in der Rubrik "Seltsam" ihre Platz finden sollte.

Denn ein Gruselgefühl stellte sich beim Lesen nicht ein. Vielmehr empfindet man Mitleid mit dieser gepeinigten Seele, die nicht zum Spielball von Wissenschaftlern werden wollte und doch nun versucht, sich zu eben solchen zu retten.

Gerne gelesen,

penny

 

Hallo tutorialslave

dass du deine Beiträge des Öfteren außer Konkurrenz laufen lässt. Wieso ist dem eigentlich so, wenn ich fragen darf? Qualitative Gründe lassen sich dafür wohl schwerlich anführen.

Der Grund ist generelle Zurückhaltung zu Wettbewerben. Natürlich kann man einwenden, dass sobald man die Öffentlichkeit sucht, sich einem Wettbewerb aussetzt. Dem ist unweigerlich so und ich freue mich auch über Resonanz. Also in gewisser Weise ein Widerspruch, den ich lebe. Nur einmal hatte ich es versäumt, die Ausschlussklausel zu setzen und vielleicht jemandem Voten entzogen, dem dies wichtig gewesen wäre. Die Teilnahme am TdS erscheint mir dennoch angezeigt, da es zur Durchmischung des Themas beiträgt.

Insbesondere die Passage, in welcher der Protagonistin vermittels der Meldung in den Abendnachrichten bewusst wird, wie es rein genetisch um sie bestellt ist, hätte durch Interjektionen, Satzabbrüche und dergleichen anstelle der fortgeführten Erzählung ungemein an Intensität gewonnen.

Da stimme ich dir zu. Da eine solche Nachricht für einen Menschen eine Ungeheuerlichkeit darstellt, die nur schwer vorstell- und fassbar wird, müsste es sich aber über einen grösseren Zeitraum hinziehen. An sich hätte der Stoff in einer Novelle, die mehr Ausführlichkeit erlaubt, verarbeitet werden können. Aber ich werde mir da noch Gedanken machen, diese für die Prot. schockierenden Momente doch ansatzweise darzustellen.

Darüber hinaus möchte ich mich über die Gedankenfetzen/Erinnerungen/kurzen mentalen Selbstgespräche insofern kritisch auslassen, als das Präteritum dort weniger angebracht scheint als in der Erzählerstimme selbst, wo eine so hochgestochene Wortwahl eher hingehört.

Dies ist meiner Unvollkommenheit zuzuschreiben, wenn ich in solchen Passagen mich nicht von der Erzählstimme lösen kann. Ein Aspekt, dem ich durchaus mehr Aufmerksamkeit schenken muss, bis er eingefleischt ist.

Ist der Alligator letztlich nichts als ein Triebaspekt der Protagonistin, dem Potential nach zwar vorhanden, in dem Sinne aber keine Transformation herbeiführend oder hat sich alles Vorangegangene tatsächlich so ereignet und dieser 'Aspekt' reicht doch über eine bloße Metapher hinaus?

Ob es die frühe Morgenstunde war, die dir einen Triebaspekt der Protagonistin als vordergründig erscheinen liess, wage ich nicht einfach so zu beurteilen. Dein Gedanke scheint mir keineswegs abwegig, verstärkt die Persönlichkeit der Prota. eine solche Möglichkeit doch suggestiv. Auch hatte ich in einigen früheren Texten mit solch ähnlichen Arbeitsweisen gespielt.
Im vorliegenden Text jedoch hielt ich mich, mit einer Ausnahme, streng an reale Gegebenheiten. So ist es Tatsache, dass die erwähnte Alligatorenart über ein ausgefallenes Abwehrsystem verfügt und in ihrem Blut den als Alligacin bezeichneten Stoff aufweist. Die ersten, im Jahr 2008 veröffentlichten Testergebnisse, erwiesen sich etwa wirksam gegen die Methicillin-resistenten Staphylokokken, die von den meisten Antibiotika nicht mehr zu vernichten sind.
Auch die, durch das Internationale Kolleg Morphomata organisierte Tagung, Fluide Körper – Bodies in Transition, gab es wirklich im Mai vergangenen Jahres.
Reine Fiktion ist jedoch, dass Versuche an Menschen mit Alligacin stattfanden, folglich konnte auch keine derartige Genmutation festgestellt werden.

Trotz meiner obigen Anmerkung möchte ich betonen, dass dir die Darstellung von Sabines 'innerem Konflikt' bzw. ihrem Kampf gegen sich selbst ausgesprochen gut gelungen ist. … hat für einen willkommenen Kontrast gesorgt, der den Spannungslevel aufrechterhielt.

Hier atmete ich auf, da ich schon befürchtete, das Thema könnte zu trocken wirken, im Bemühen eine hohe Plausibilität bei der hybriden Wandlung zu erzielen.

Zum Titel möchte ich Folgendes sagen: er hätte evtl. etwas abstrakter ausfallen können (obwohl er nicht so aufdringlich suggestiv wirkt wie mancherorts verbrochen).

Ich dachte daran, einen fetzigen Titel zu wählen, verwarf aber alle Überlegungen daran wieder. Seine Nüchternheit schien mir angepasst zur angewandten Sprache in der Geschichte.

Herzlichen Dank für deine kritische Rezension der Geschichte, die ich als feinfühlig und gut durchdacht wahrnahm. Sie hinterlässt mir Gedankenanstösse, die ich noch sorgsam weiterverfolgen werde.
Übrigens von „Greenhorn“, merkte ich da gar nichts. :D


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Hallo penny

dass ich deine Art zu schreiben liebe, brauche ich wohl nicht noch einmal zu betonen. Wie immer war diese Geschichte wunderbar zu lesen und durch die exakten Beschreibungen konnte ich deine Protagonistin förmlich vor mir sehen,

Dieses Lob rahme ich mir gerne ein. Jedes Mal wenn ich mir überlegend die Haare raufe, wie ich eine Handlung oder Figur beschreiben könnte, dies als Motivationsschub verwendend. :D

Ich frage mich, ob diese Gechichte nicht eher in der Rubrik "Seltsam" ihre Platz finden sollte.

Nach Fertigstellung des Textes hatte ich sorgfältig überlegt, ob es in dieser Ausfertigung in die Rubrik Horror passt. Thematisch deckt es das TdS voll ab, doch reicht das? Ich habe dann in den Vorgaben für diese Rubrik nachgeschaut. Nebst den klassischen Indikatoren ist dort unter „ebenso“ dann angeführt:

… Veränderungen des Körpers, Krankheiten – oder neuen Technologien, Entgleisungen der Medizin. …
… Eure Intention mag sein, wohligen Grusel, Schrecken oder Ekel auszulösen - aber auch, eine andere Ästhetik oder Sinnlichkeit zu schaffen.
Zu den Grundlagen des Genres gehört seit seiner Entstehung um 1760 die Grenzüberschreitung …

Deshalb kam ich zum Schluss, dass es dennoch hierher passt, auch wenn der Schrecken sich dem Leser eher subtil offenbart. Sollten die Moderatoren aber eine zu wenig ausreichende Eignung im Text erkennen, hätte ich mit einer Verschiebung in eine andere Rubrik auch keine Mühe.

Vielmehr empfindet man Mitleid mit dieser gepeinigten Seele, die nicht zum Spielball von Wissenschaftlern werden wollte und doch nun versucht, sich zu eben solchen zu retten.

Das ist die Ironie des Schicksals der Prot. Schlimmer wäre noch, die Entwicklung würde fortschreiten und sie als Jahrmarktattraktion enden, wie es früher mit „entarteten“ Menschen geschehen ist. Dass man Mitleid mit ihr empfindet, ist unsere menschliche Regung. Mir erging es so etwa bei der Geschichte um Frankensteins Geschöpf, der an sich kein Bösewicht war, seine Erscheinung aber abschreckend. Dass beim Lesen meines Textes sich kein gruseliges Gefühl einstellt, ist natürlich nicht ganz glücklich.

Ich danke dir herzlich für dein positives Feedback und auch die kritische Überlegung, der korrekten Platzierung, über die ich mich sehr freute.

Schöne Grüsse euch beiden

Anakreon

 

Lieber Anakreon,

gegruselt hat mich deine Geschichte nicht, aber doch sehr unterhalten. Die Mischung aus distanzierter Erzählhaltung, die durch deinen wahnsinnig distanzierten Erzählton intensiviert wird, und innerem Monolog hat mir gut gefallen und ist dir soweit auch gut gelungen. Zudem liest sich deine Geschichte wunderbar medizinisch und so informationsgeladen und sachlich, dass das Ende unerwartender nicht hätte kommen können. Am Anfang dachte ich mir, Notfallpatientin mordet. Wie soll denn das funktionieren? Aber so ergibt das natürlich Sinn.

Ein paar Anmerkungen:

Dr. Jäger sei überraschend verstorben.
Oh mein Gott! So heißt mein Hausarzt! Aber ich finde gut, dass du bei Dr. bleibst, keinen Vornamen nennst.

Die letzte Patientin, die das Behandlungszimmer betrat, kam als Notfall.
Kam oder war?

*Obwohl sie erfasste, dass die Halsschlagader verletzt war, die Blutlache sprach für sich selbst, fühlte sie nach seinem Herzschlag.
Da bin ich gestolpert.

*Da erst begannen ihre Nerven richtig zu flattern an.
Wohl ein Wort zu viel.

schwarze Stiefel mit hohen Absätzen.
Ob das so durchgesagt werden würde, bezweifle ich.

Ebenso wer Angaben zur Identität, der gesuchten Person machen kann.»
Hier ist das Komma zu viel. Normale Genitivkonstruktion.

Es war ein Reflex im Affekt gewesen, niemand sollte sie unbekleidet sehen.
Das “im Affekt” steckt - so finde ich - irgendwie im Reflex mit drin. Ich bräuchte das Affekt als Leser nicht.

Deren Familie bewirtschaftete einen halben Kilometer entfernt, einen Bauernbetrieb.
Auch hier wieder zu großzügig mit dem Komma.

Sie wollte erst mal Distanz zu dem Vorfall gewinnen, das Geschehen verarbeiten. Ihre Gefühlswahrnehmung hatte den Vorfall derart absorbiert, dass er ihr einzig kognitiv und nüchtern bewusst war. Nicht gleichgültig, aber keine Schuldgefühle zulassend.
Das hat mir richtig gut gefallen. Nüchterner kann ein Mörder nicht über sein Opfer denken, glaube ich.

Der Artikel enthielt auch nichts Konkretes über die Ermittlungen.
Statt dem “auch” würde ich ein “aber” setzen, da der Satz nicht der mangelnden Berichterstattung folgt, sondern dem reißerischen Artikel des Boulevardblattes.

seit einigen Jahren entwickelte sie eine intensivere Beziehung zu Wasser
Der Satz kommt so unerwartet, und passt perfekt zu deiner Sabine. Und ist auch ein Element, dass - wohlgemerkt unbewusst - die spätere Handlung sehr schön vorbereitet.

dumpfes aber starkes Gefühl von Bedrohung.
Daumen hoch!

Die Genforschung hatte noch nie Hinweise darauf, auch nicht aus der Epigenetik, dass sich menschliche und tierische Gene vermischen können.
Epigenetik scheint mir hier etwas deplaziert.

Eine zu trockene Haut war sie der Meinung.
Der Satz klingt schief. “Eine zu trockene Haut, dachte sie.”

Sie erinnerte sich, als sie seinerzeit für einige Monate in den USA war und plötzlich hohes Fieber hatte, von einem Arzt notfallmassig versorgt worden zu sein.*
Notfallmässig

Eine gänzlich andere Farbe schien ihr für ihren Typ nicht angezeigt, es würde nur auffallend wirken.
Sehr schön. Ich muss zugeben, ich bin nicht wirklich ein Fan deines Schreibstils, wie du wohl weißt, aber manchen Dinge beschreibst du so herrlich anders. Das finde ich dann richtig gut.

Niemand der Leute erwartete, dass das «Krokodilweib», wie eine Zeitung sie abschätzig betitelt hatte, hier Hunderte von Kilometern vom Tatort entfernt auftauchen würde. Eine Boulevardzeitung brachte auf der Titelseite die Karikatur einer unbekleideten Sexbombe halb Frau, halb Alligator. Die Fingernägel wie Krallen hervorstehend, lange wehende Haare, eine üppige Oberweite, der gepanzerte Rücken in eine Schwanzflosse auslaufend, auf mannequinartigen Beinen in hochhackigen Schuhen stehend. Darunter stand: «Madame Croco.» Sabine lief rot an.*Diese perversen Schweine.*Am liebsten hätte sie den Zeitungsstapel zerrissen, der dort lag.
Das ist eine gute Idee, gut Umgesetzt. Das Bild kommt an. Ich stell mir gerade vor, wie ein typischer Bild-Leser nach Nacktheit suchtet und im Anblick dieses Krokodilweibes, wie du sie so schön betitelst, erschrickt.

Aus einer Zeitungsnotiz ging hervor, dass bei Ärzten eine Umfrage zu weiblichen Patienten mit auffallender Hautveränderung angelaufen war.
Da wird es wohl Probleme mit der Schweigepflicht geben. Soll aber nicht dein Thema sein.

was sie veranlasste, den Laptop empört herunterzufahren.
Dass ist irgendwie zu niedlich. Wenn man empört ist, haut man den Laptop doch einfach zu, oder nicht? =)

Über dem Landweg nach Asien zu kommen ist einfach.
kommen KOMMA ist

und untersuchte unter zu Hilfenahme von Spiegeln ihre Haut am ganzen Körper.
Zuhilfenahme

An jenen Teilen der Haut, die noch nicht sichtbar entartet war,
Plural: entartet waren, weil es sich auf die Teile der Haut bezieht.

Erst am Abend entschied sie sich die Nummer zu wählen, es war ihre einzige Chance, wenn es überhaupt eine gab.
Erst am Abend entschied sie sich, die Nummer zu wählen. Es war ihre einzige Chance, wenn es überhaupt eine gab.

sah sie drei Wagen mit Polizei gekennzeichnet, vier neutrale und einen Krankenwagen die vorbeibrausten.
Wie gefällt dir “zivil” statt “neutral”?
Wild mit dem Schwanz schlagend, kroch ein verletzter Alligator aus dem Wasser.
ABSOLUT GEIL!!! So unerwartet, so gut!!!

Erst nur grelles Licht, dann zunehmend Personen erkennend.
Da fehlt irgendetwas, oder?

Mir hat deine Geschichte gefallen, ab und zu hab ich mir gedacht, wie kann man das nur so formulieren, an anderen Stellen habe ich mir Gegenteiliges gedacht. Bezüglich deinem Stil bin ich also immer noch schizophren. Ich hoffe, meine Anmerkungen haben dich nicht allzu sehr genervt. =) Jedenfalls war es dieses Mal so, dass mich der Inhalt fasziniert hat, die Idee, die atypische Verfolgungsjagd, mit kleinen, aber notwendingen Unstimmigkeiten bespickt. Großes Lob gibt es für dein Ende. Da hast du mich voll erreicht.

Beste Grüße
markus.

 

Hallo Anakreon!

Auch von mir ein Lob für das Thema - hmm, wieder mal.:D Ganz interessante Sache, allerdings gehst du leider nicht sehr tief, auch mit der Recherche scheint es mit einigen Klicks im Internet vorbei gewesen zu sein.

So lässt mich das Werk denn auch ein wenig unbefriedigt zurück.
Großer Pluspunkt: Der Schluss, damit hatte ich nicht gerechnet (wie man den Schluss jetzt auch immer werten mag), ich hatte nach der Verfolgungsjagd, die, sicher spannend dargelegt, ganz bestimmt nicht innovativ ist, nicht mehr viel erwartet. Da hat mich der Dreh, der ja eigentlich nur folgerichtig ist, kalt erwischt.

Allerdings weiß ich nicht, worauf du dich bei dem Stück konzentrierst. Du gibst nur einen hauchdünnen Einblick in die Psyche der Protagonistin. Was zur Folge hat, dass mich ihre Leidensgeschichte merkwürdig kalt lässt. Der wahre Horror der Veränderung des eigenen Leibes, die Panik, das Grauen über die Auflösung des Ich, die kommt einfach nicht rüber. Das liegt wohl auch zu einem Gutteil an deiner merkwürdig distanzierten Erzählweise.

Sollte das beabsichtigt sein, kam es bei mir nicht an.
Denn auch bei der anderen Seite, die das Thema zuließe - den wissenschaftlichen Details (vielleicht eine gewagte These aufzustellen, Veränderungen des Körpers akribisch aufzuzeigen) - lässt du die Zügel schleifen. Es kommt so vor, als könntest du dich nicht entscheiden, welcher Seite des Themas du den Vorzug geben willst, und so überzeugt mich das Stück von keiner Seite.

Die Praxisangestellte Helen Meier war noch immer fassungslos, als sie die Termine der nächsten Tage absagte und die Patienten bat, sich an einen andern Arzt zu wenden. Mit tränenerstickter Stimme erwähnte sie jeweils, Dr. Jäger sei überraschend verstorben.

Warum nur die Termine für die nächsten Tage? Wenn Dr. Jäger seine Praxis nicht mehr weiterführt, sollte man doch annehmen, dass die Schwester sämtliche Termine absagt. Eine Formulierungsfrage - gleich im ersten Satz!

Da fand sie ihn, er lag rücklings quer über der Liege,

Das sind hintereinander zwei Adverbien, das ist immer! verdächtig, und in den allerallerallerseltensten Fällen angebracht. Wenn der gute Doktor nur rücklings über der Liege liegt (Wortdoppelung, übrigens, auch wenn eines davon gebeugt ist), dann reicht das vollkommen aus für den Fortlauf der Geschichte.

Zwar hatte sie schon manchmal daran gedacht, was sie täte, wenn jemand die Grenzen ihrer Intimsphäre nicht respektiert. In Notwehr würde sie auch töten, als äusserstes Mittel zum Schutz ihrer Unversehrtheit, darin war sie sich gewiss.

Solche unglücklichen Stellen fliegen bei einer gründlichen Überarbeitung raus bei mir. Es könnte umgestellt werden, anders formuliert.
Auch folgendes:

Frau Bertram, die ab und zu nach dem rechten sah, orientierte sie über ihre Anwesenheit.

Der Satz so, wie er jetzt steht, klingt so, als würde Frau Bertram Sabine informieren. Ist aber umgekehrt, also muss umgestellt werden - Subjekt an den Anfang.

Häufiger vermischt du die Zeiten innerhalb eines Satzes. Das kann eigentlich nicht sein, wenn es nicht als Stilmittel verwendet wird. Kann ich mir hier nicht vorstellen.

Die nachfolgende Diskussionsrunde von eiligst einberufenen Wissenschaftlern

Es sind immer eiligst einberufene ... Das klingt mir arg abgewetzt. Vielleicht gibt es eine andere Formulierung, die etwas frischer, überraschender ist.

Wenn Sabine in die Vergangenheit geht, müssten diese Abschnitte in der Vorvergangenheit erzählt werden, denn die eigentliche Handlung wird ja im Präteritum erzählt. Das ist mir häufiger aufgefallen.

Ein verbittertes Lachen entfuhr ihr

Mal abgesehen davon, dass es sich schon etwas ramponiert anhört, wenn das Lachen jemandem entfährt, kann ein Lachen an sich nicht verbittert sein. Ein bitteres Lachen kann man schon mal hören lassen. :D

Was sind populistische Interessengruppen?
Ich plädiere dafür mit wirklich wachem Verstand zu schreiben und sich nicht irgendwelcher Worthülsen zu bedienen. Das ist einfach, aber den Leser befriedigt es in keiner Weise.

Lieber Anakreon! Ich weiß, du meinst jetzt, mein zweiter Vorname wäre Kacker der Korinthen:D , aber das ist mir aufgefallen. Das Thema - wieder mal - bringt es mit sich, dass mehr herauszuholen ist.

Wie immer ist das eine ganz subjektive Kiste hier.
Und, auch wenn es sich nicht immer so anhört, ich hab die Story gern gelesen. Weil sie eben Ansatzpunkte brachte und weil ich wieder mal mindestens zwei Fachbegriffe gelernt habe.


Schöne Grüße von meiner Seite!

 

Hallo Markus

gegruselt hat mich deine Geschichte nicht, aber doch sehr unterhalten.

Das Thema hatte ich auch weniger auf ein momentanes Gruseln ausgerichtet, obwohl ich die Darstellung der Leiche fürchterlich finde, als denn ein Unbehagen, das den Leser noch später verfolgen mag. In Deutschland hat man doch eben bei Hühnern Bakterien entdeckt, die gegen Antibiotika resistent sind, wie ich vorgestern in der FAZ oder der Süddeutschen gelesen hatte. Aber es ist schön, dass es dir unterhaltsam war.

Zudem liest sich deine Geschichte wunderbar medizinisch und so informationsgeladen und sachlich, dass das Ende unerwartender nicht hätte kommen können.

Ich hoffte, dass sich dieser Kontrast als Geschichte verbinden lässt, und eben durch punktuell fundierte Unterlegung einen Gehalt an Widerstand in der Leservorstellung erzeugt.

Oh mein Gott! So heißt mein Hausarzt!

Erwähne ihm nur die Geschichte nicht, sonst wählt er noch einen andern Beruf, falls er Abergläubisch ist. Den Namen wählte ich spontan. Er inspirierte mich aber am Schluss zu dieser Szene mit dem Jäger.

Zitat:
Die letzte Patientin, die das Behandlungszimmer betrat, kam als Notfall.

Kam oder war?

Es ist soweit mir bekannt, eine gebräuchliche Redensart. Natürlich ist „war ein Notfall“ richtig, aber, es gibt dem Satz einen etwas andern Sinn. Das „kam“ impliziert mir hierbei bereits die Wahrscheinlichkeit, dass man sie bisher nicht kannte.

Zitat:
Obwohl sie erfasste, dass die Halsschlagader verletzt war, die Blutlache sprach für sich selbst, fühlte sie nach seinem Herzschlag.

Da bin ich gestolpert.

Ich hatte hin und her überlegt, ob ich dies erwähnen soll. An sich erübrigt es sich. Also es ist gelöscht.

Wohl ein Wort zu viel.

Korrigiert.

Zitat:
schwarze Stiefel mit hohen Absätzen.

Ob das so durchgesagt werden würde, bezweifle ich.

Ich habe mir eben Vergleichsweise eine Personenbeschreibung des deutschen Bundeskriminalamts angesehen. Deren Ausführlichkeit überraschte mich, wenngleich dies natürlich keine Suchmeldung im Fernsehen ist. So ist dort u. a. erwähnt: Scham- und Achselhaare rasiert.

Das “im Affekt” steckt - so finde ich - irgendwie im Reflex mit drin. Ich bräuchte das Affekt als Leser nicht.

Ob vermehrt Leser diesen Reflex zwingend als im Affekt vollzogen sehen, kann ich nicht beurteilen. Aber es wäre falsch, da er auch antrainiert sein könnte, etwa kampfsportlich.

Das hat mir richtig gut gefallen. Nüchterner kann ein Mörder nicht über sein Opfer denken, glaube ich.

In diesem Fall war diese psychische Abspaltung notwendig, um ihre Persönlichkeit wie dargestellt glaubhaft zu inszenieren.

Statt dem “auch” würde ich ein “aber” setzen, da der Satz nicht der mangelnden Berichterstattung folgt, sondern dem reißerischen Artikel des Boulevardblattes.

Gut bemerkt, das habe ich so übernommen.

Zitat:
seit einigen Jahren entwickelte sie eine intensivere Beziehung zu Wasser

Der Satz kommt so unerwartet, und passt perfekt zu deiner Sabine. Und ist auch ein Element, dass - wohlgemerkt unbewusst - die spätere Handlung sehr schön vorbereitet.

Ich hatte mich gefragt, ob die Leser diesen kleinen Fingerzeig merkt resp. sich erinnern. Aber wie ich sehe, klappt es.

Zitat:
dumpfes aber starkes Gefühl von Bedrohung.

Daumen hoch!

Ich versuchte mich einzufühlen, wie es der Prota. bei dieser unerwarteten Entwicklung gehen musste. Schön, wenn dies für den Leser so fühlbar wird.

Epigenetik scheint mir hier etwas deplaziert.

Das denke ich nicht, geht es doch über die enge Frage einer DNA-Analyse resp. der Genetik hinaus. Epigenetik befasst sich eben mit Entwicklungen, die zusätzlich zur bestehenden Norm bei einem Gen ablaufen können. Auch wenn die von mir eingebrachte xenogenetische Mutation in diesem Fall eine reine Fiktion ist, stellt es doch eine Änderung an den bestehenden Genen dar.
Hätte ich auf die Epigenese, welche auf Aristoteles zurückgeht, Bezug genommen, wäre es aber deplatziert, da diese These verworfen ist. Epigenese war die irrtümliche Vorstellung, dass sich bei der Entwicklung eines Organismus neue Strukturen herausbilden, die nicht bereits im Samen enthalten waren.

Der Satz klingt schief. “Eine zu trockene Haut, dachte sie.”

OK, angepasst.

Sehr schön. Ich muss zugeben, ich bin nicht wirklich ein Fan deines Schreibstils, wie du wohl weißt, aber manchen Dinge beschreibst du so herrlich anders. Das finde ich dann richtig gut.

Das ist doch das Schöne an der dichterischen Sprache. Nicht alle Texte gefallen jedermann, aber mir ist kein Dichter bekannt, der trotz seiner Eigenheiten, keine gelingenden Werke schuf.

Das ist eine gute Idee, gut Umgesetzt. Das Bild kommt an. Ich stell mir gerade vor, wie ein typischer Bild-Leser nach Nacktheit suchtet und im Anblick dieses Krokodilweibes, wie du sie so schön betitelst, erschrickt.

Der Boulevard durfte hier nicht ausbleiben, ein solch gefundenes Fressen würden die sich nicht entgehen lassen.

Da wird es wohl Probleme mit der Schweigepflicht geben. Soll aber nicht dein Thema sein.

Ich denke, bei erhärtetem Verdacht wäre in diesem Fall eine superprovisorische richterliche Verfügung vorstellbar. Zudem, ich denke an die Fichen-Affäre, die Staatsgewalt ist da manchmal unzimperlich. Wenn ich da an meine inzwischen vergilbte Vierzigjährige denke, meine Güte …

Dass ist irgendwie zu niedlich. Wenn man empört ist, haut man den Laptop doch einfach zu, oder nicht? =)

Die Prota. ist eine Frau, die seit dem Vorfall ihre Impulsivität gut unter Kontrolle hält.

Wie gefällt dir “zivil” statt “neutral”?

Die Bezeichnung ist treffender und so übernommen.

ABSOLUT GEIL!!! So unerwartet, so gut!!!

Oh, eine so überschwänglich emotionale Reaktion hatte ich gar nicht erwartet. Aber man lernt nie aus. :D

Da fehlt irgendetwas, oder?

Die Blendung ist ergänzt.

Mir hat deine Geschichte gefallen, ab und zu hab ich mir gedacht, wie kann man das nur so formulieren, an anderen Stellen habe ich mir Gegenteiliges gedacht. Bezüglich deinem Stil bin ich also immer noch schizophren.

Normalität ist ein sehr flexibler Begriff, der erst in der Verarbeitung von Reizen seine Begrenzung findet. Was mich aber etwas überrascht, ich hatte nicht erwartet, dass mein Stil eine schiziotypische Wahrnehmungsreizung auszulösen vermag. :D

Ich hoffe, meine Anmerkungen haben dich nicht allzu sehr genervt. =) Jedenfalls war es dieses Mal so, dass mich der Inhalt fasziniert hat, die Idee, die atypische Verfolgungsjagd, mit kleinen, aber notwendingen Unstimmigkeiten bespickt. Großes Lob gibt es für dein Ende. Da hast du mich voll erreicht.

Durch selektives und differenziertes Lesen, das auch gezielte Absorbierung einschliesst, verstehe ich es sehr gut meine Nerven zu schonen. Dass dir die Geschichte trotz dir ungelenk scheinenden Stellen sehr gut gefallen hat, und dich im Endspurt voll erreichte, freut mich sehr.

Für deine ausführliche Kommentierung, Bedenken, emotionalen Ausrufezeichen und Vertippe-Hinweise, danke ich dir herzlich. Es war mir ein Vergnügen, deine Auseinandersetzung mit dem Stoff zu erfahren.

Schöne Grüsse

Anakreon


++++


Hallo Hanniball

Auf deine sehr geschätzte aber sicherlich strenge Meinung – ich habe sie noch nicht gelesen – kann ich erst im Laufe des Tages eintreten, da mein Kräftereservoir sich erschöpft. Anschliessend werde ich mir aber noch deinen Kommentar zu Gemüte führen. Sollten allfällig traumatisierende Aspekte auftreten, werde ich diese im Schlaf verarbeiten und schon mal die Wunden lecken. Diesmal kannst du aber nicht - um mich hochzunehmen - behaupten, so Ähnliches bei Poe auch mal gelesen zu haben. :D

Also bis in einigen Stunden später.

 

Hallo Hanniball

Auch von mir ein Lob für das Thema - hmm, wieder mal.

Das freut mich sehr. Wieder etwas für die „Motivationssammlung“. Ich war schon allgemein auf Prügel gefasst, da mir selbst die Themengestaltung etwas futuristisch war, aber ich nicht auf ein klassisches Motiv zurückgreifen wollte.

Ganz interessante Sache, allerdings gehst du leider nicht sehr tief, auch mit der Recherche scheint es mit einigen Klicks im Internet vorbei gewesen zu sein.

Das stimmt schon, dass es in verschiedener Hinsicht mehr Tiefe erlaubt hätte. Da hier im Forum aber eher kürzere Sachen eine breite Leserschaft finden, setze ich mir stets eine Obergrenze im Umfang. Die Ergebnisse der Recherchen in vollem Umfang einzubauen, hätte für mein Verständnis zu weit geführt. Die biologische Materie weitergehend zu erläutern wäre zu Komplex und in einer Geschichte auch eher langweilig. Anderseits sollte es konzentriert wiederspiegeln, was die Prota. in ihrer Situation in Erfahrung bringen konnte. Mit einigen wenigen Klicks wäre ihr dies nicht möglich gewesen, da sie die Zusammenhänge ja nicht kannte und auf Zufallstreffer hin suchen musste.

So lässt mich das Werk denn auch ein wenig unbefriedigt zurück.
Großer Pluspunkt: Der Schluss, damit hatte ich nicht gerechnet …. Da hat mich der Dreh, der ja eigentlich nur folgerichtig ist, kalt erwischt.

Ich verstehe durchaus, dass die Geschichte dich in dieser Form nicht restlos befriedigt, der Stoff an sich erlaubte mehr. Dass der Schluss diesen Effekt erzielte, freut mich sehr. Ich war da skeptisch, wie er ankommen wird.

Allerdings weiß ich nicht, worauf du dich bei dem Stück konzentrierst. Du gibst nur einen hauchdünnen Einblick in die Psyche der Protagonistin. Was zur Folge hat, dass mich ihre Leidensgeschichte merkwürdig kalt lässt. Der wahre Horror der Veränderung des eigenen Leibes, die Panik, das Grauen über die Auflösung des Ich, die kommt einfach nicht rüber. Das liegt wohl auch zu einem Gutteil an deiner merkwürdig distanzierten Erzählweise.

Eine Unterdrückung von Gefühlen bei der Prota. war mir für ihre Wesensart schon wichtig. Ihre psychisch starke Belastung begann lange vor dem Mord, nämlich da als sich ihre Haut veränderte. Für eine junge Frau stellt dies ein schwerer Lebenseinschnitt dar. Dies zeigt sich etwa auch daran, dass die statistische Suizidrate bei Menschen mit Erkrankung an Psoriasis um einiges höher liegt als bei jenen mit Krebs. Natürlich addierte ich da noch eine schon vorher bestehende charakterliche Veranlagung dazu, um ihr Wesen für meine Zwecke zu nutzen. Die Kälte in diesem Stück sehe ich als Stilmittel. Dass dies sehr gewagt ist, war mir bewusst. Es ist wahrscheinlich, dass mein Erzählstil dies noch unterstreicht.

Sollte das beabsichtigt sein, kam es bei mir nicht an.
Denn auch bei der anderen Seite, die das Thema zuließe - den wissenschaftlichen Details (vielleicht eine gewagte These aufzustellen, Veränderungen des Körpers akribisch aufzuzeigen) - lässt du die Zügel schleifen.

Eine gewagte These ist durchaus gegeben, nämlich dadurch, dass ich unterstellte, das äusserst aggressive Alligacin könne zu Genmutationen beim Menschen führen. In den Immunsystemen zwischen den Menschen und der erwähnten Alligatorenart gibt es einen wichtigen Unterschied. Die weissen Blutzellen des Menschen müssen erst lernen, einen Krankheitserreger zu erkennen und zu bekämpfen, was bei der Alligatorenart nicht der Fall ist, dort attackiert das Abwehrsystem diesen umgehend mit hoher Effizienz. Dies kommt im Text eben mehr zwischen den Zeilen zum Ausdruck, da ich es zu langatmig empfunden hätte. Eine weiterführende Beschreibung des Körpers der Frau hatte ich in Betracht gezogen, doch verworfen, da es im Kontext mir nicht stimmig erschienen wäre. Das Stadium ihrer Veränderung musste auf dieser Entwicklungsstufe sein, da sie sonst längst eine umfassend sichtbare Entartung aufgezeigt hätte. Es war mir klar, damit einen reisserischen Effekt vergeben zu haben, doch setzte ich da mehr auf ein nachhaltiges Unbehagen des Lesers. Wenn dies nicht gelingt, war es mir ein kalkuliertes Risiko.

Wenn Dr. Jäger seine Praxis nicht mehr weiterführt, sollte man doch annehmen, dass die Schwester sämtliche Termine absagt.

Dies war kein Fehler, sondern es lag folgender Überlegung zugrunde. Es bestand Dringlichkeit, die Termine der nächsten Tage telefonisch sofort abzusagen. Der gesamte Patientenstamm konnte dann aber nachträglich schriftlich orientiert werden.

Das sind hintereinander zwei Adverbien, das ist immer! verdächtig, und in den allerallerallerseltensten Fällen angebracht. Wenn der gute Doktor nur rücklings über der Liege liegt

Hier suchte ich sehr lange nach einer andern Lösung, fand jedoch keine. Das Bild wie er daliegt war mir wichtig, und auch die Durchforstung der Einrichtungskataloge für Praxen und Kliniken erbrachten kein Synonym für die Behandlungsliege. :confused:

Zitat:
Zwar hatte sie schon manchmal daran gedacht, was sie täte, wenn jemand die Grenzen ihrer Intimsphäre nicht respektiert. In Notwehr würde sie auch töten, als äusserstes Mittel zum Schutz ihrer Unversehrtheit, darin war sie sich gewiss.

Solche unglücklichen Stellen fliegen bei einer gründlichen Überarbeitung raus bei mir. Es könnte umgestellt werden, anders formuliert.

Das finde ich jetzt Anschauungssache. Sicherlich hätte ich es kürzer formulieren können, aber es ist der Kern für ihr Motiv und ihr Verhalten.

Der Satz so, wie er jetzt steht, klingt so, als würde Frau Bertram Sabine informieren. Ist aber umgekehrt, also muss umgestellt werden - Subjekt an den Anfang.

Hier hingegen bin ich mit dir vollkommen einig. Dies habe ich völlig überlesen.

Häufiger vermischt du die Zeiten innerhalb eines Satzes. Das kann eigentlich nicht sein, wenn es nicht als Stilmittel verwendet wird. Kann ich mir hier nicht vorstellen.

Es hat Passagen, in denen eine unterschiedliche Zeitform auftritt, da dies unumgänglich war. Innerhalb eines Satzes bin ich mir dessen nicht bewusst, werde es aber nochmals sorgsam daraufhin durchsehen.

Zitat:
Die nachfolgende Diskussionsrunde von eiligst einberufenen Wissenschaftlern

Es sind immer eiligst einberufene ... Das klingt mir arg abgewetzt. Vielleicht gibt es eine andere Formulierung, die etwas frischer, überraschender ist.

Hm, da hakst du jetzt aber an einem Knoten in meinen Gehirnwindungen herum. Es gibt einen Fachausdruck, aber ich komme im Moment nicht dahinter. Aber ich wähle mal als schwächere Form umgehend, vielleicht fällt mir das treffende Wort ja wieder ein.

Mal abgesehen davon, dass es sich schon etwas ramponiert anhört, wenn das Lachen jemandem entfährt, kann ein Lachen an sich nicht verbittert sein. Ein bitteres Lachen kann man schon mal hören lassen.

Ja, du hast recht.

Was sind populistische Interessengruppen?
Ich plädiere dafür mit wirklich wachem Verstand zu schreiben und sich nicht irgendwelcher Worthülsen zu bedienen. Das ist einfach, aber den Leser befriedigt es in keiner Weise.

Hier gehe ich mit dir nicht einig, wenn du den Begriff Populismus als Worthülse deutest, auch wenn es in seiner lateinischen Grundform einzig Volk bedeutet. Es definiert klar eine destruktive Bewegung, die u. a. eben bestehende Ängste in der Gesellschaft nutzt, um gegen eine Sache oder Person zu hetzen. Ob es literarisch die beste Wahl ist, darüber kann man sich streiten, es bringt aber am kürzesten und treffendsten den Sachverhalt auf den Punkt. Im gegebenen Kontext, es spricht da nicht irgendwer von der Strasse, finde ich es durchaus gerechtfertigt.

Ich weiß, du meinst jetzt, mein zweiter Vorname wäre Kacker der Korinthen , aber das ist mir aufgefallen. Das Thema - wieder mal - bringt es mit sich, dass mehr herauszuholen ist.

In Konklusion bin ich der Meinung, du warst zu mir weniger streng, als ich befürchtete, auch wenn ich ein paar Lädierungen davontrage. :D Mit Wissen, hatte ich nicht davon geträumt, wie es mir geschah, als ich den Text publizierte und mich dann im Schlaf ein Alligator heimsuchte.
Vollumfänglich einig bin ich mit dir, dass aus dem Thema mehr herauszuholen gewesen wäre, wie ich auch zu Beginn vermerkte. Vielleicht wäre es sogar im gleichen Zeilenumfang möglich, doch dann käme es zu Einschnitten, die das gewählte Konstrukt zum Einsturz brächten. Insofern zeigt es mir aber doch die Grenzen, die man bei einer Themenwahl beachten sollte, um Anklang zu finden.

Wie immer ist das eine ganz subjektive Kiste hier.
Und, auch wenn es sich nicht immer so anhört, ich hab die Story gern gelesen. Weil sie eben Ansatzpunkte brachte und weil ich wieder mal mindestens zwei Fachbegriffe gelernt habe.

Ich freute mich sehr über deine subjektive Kiste, da ich so erkenne, warum es mir nach Einschätzung eines erfahrenen Autors schwerlich gelingt, dieses Genre des Horrors faszinierend abzudecken. Dass du es dennoch gern gelesen hast und gar neue Fachbegriffe ins Vokabular aufnehmen konntest – ich selbst bin stets mit den Menschen eins, die nicht alles wissen -, ist mir schon eine Ehre.

Ich danke dir herzlich für die Auseinandersetzung mit der Geschichte und die ausführliche Kommentierung. Bezüglich der Zeitformen werde ich mich dann nochmals in Ruhe darüber setzen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo lieber Anakreon,

eine tolle Idee, gute Unterhaltung, leichter Grusel, jedenfalls bei mir und ein tolles Ende.
Aber auch ein wenig Wermut. Doch ärgere dich nicht, es ist gut für den Magen - der Wermut.
Toll fand ich das Ende der Geschichte. Damit meine ich nicht nur die inhaltliche Wendung, die ich schon erwartet hatte, aber eben nicht ganz genau so. Sondern auch wie du es geschrieben hast. Und das Ende sorgt bei mir durchaus für ein etwas unangenehmes Gefühl, wenn ich mir vorstelle, ich würde dem in die dunkle Tiefe abtauchende Körper begegnen, Mann, zum Glück ist gerade kein Sommer.

Toll finde ich auch, wie du im Text kleine, feine Hinweise dariuf einstreust, dass sie sich verwandeln wird, schon allein der Satz, dass sie eine merkwürdoge Vorliebe für das Wasser ergriffen hat, ist da als Beispiel zu nennen.

Was mir auch gut gefällt, das ist, wie du dafür gesorgt hast, dass die Logik intern eine gewisse Folgerichtigkeit aufweist. Horror enthält ja fantastische und unwirkliche Elemente, aber immanent muss die Logik stimmen und mir gefällt es auch immer gut, wenn der Grusel sich der Wirklichkeit bedient, aslo Dinge aufgegriffen werden, die es gibt - vielleicht nicht in der Härte oder Ausgeprägtheit, aber die doch existieren. Da passt die wissenschaftliche Sprache gut rein. Ich finde auch in diesem Falle nicht, dass du da weiter hättest in die Tiefe gehen oder weiter recherchieren müssen. Für den Zweck, wenn es denn deiner war, der Verwandlung der Frau, der Jagd auf sie und ihren Reaktionen einen realsitischen Anstrick zu geben, reicht es aus meiner Sicht.

Ich habe den Eindruck, du müsstest mich da berichtigen, wenn es nicht so ist, dass es dir am wichtigsten war, die Verändereng der Frau zu schildern, ihr Entsetzen, ihre Versuche, ihre Veränderung zu vertuschen, ihr Grauen, als sie sich in herabwürdigender Weise als widerliche Karikatiur abgebildet sieht.
Ich habe das jedenfalls aus deiner Antwort an Hannibal auch so herausgelesen.

Und an diesem Punkt muss ich Hannibal Recht geben, da wirken auch auf mich die inneren Monolge der Frau zu sachlich. Es stimmt, sie lebt schon lange mit ihrer Erkrankung und konnte sich darauf einstellen, aber als Leserin glaube ich das irgendwie auch nicht. Gerade in dieser Geschichte fände ich den Gegensatz zwischen deiner kühlen Erzählweise und dann der eher emotional geschriebenen Denkweise der Frau in ihren Gedankenfragmenten sehr sehr spannend. Ich weiß nicht, ob so was funktioniert, da bin ich selbst zu unerfahren. Aber für mich persönlich ist anders als bei deiner Rosengeschichte, wo dein kühler wunderschöner Erzählstil super zu dem Prot gepasst hat.

Aber wie immer ist das nur als Idee zu verstehen.

Ich hab mich sehr gut unterhalten und deine Geschichte gerne gelesen.
Und wie gesagt, um den nächsten See mach ich einen Bogen
Viele liebe Grüße
Novak

PS: Es gibt noch ein paar Flüchtigkeitsschweinderl im Text, hab aber keine Zeit sie rauszupicken, lies doch noch mal drüber, wenn du Lust hast so ein zwei warens noch
Noch mal viele liebe Grüße von der Novak

 

Liebe Novak

eine tolle Idee, gute Unterhaltung, leichter Grusel, jedenfalls bei mir und ein tolles Ende.

Schön, das der Versuch das mythische Thema mit Gegebenheiten der heutigen Zeit zu fassen, dich ansprach. Ich wusste auch nicht, ob dies in ähnlicher Form schon mal in der Literatur abgehandelt wurde, da ich mich in diesem spezifischen Genre zu wenig auskenne.

Und das Ende sorgt bei mir durchaus für ein etwas unangenehmes Gefühl, wenn ich mir vorstelle, ich würde dem in die dunkle Tiefe abtauchende Körper begegnen, Mann, zum Glück ist gerade kein Sommer.

Das wäre wirklich unangenehm. Ich entdeckte als Kind mal in einem Flussbad unter einem Steg einen weissen Körper und dachte an einen riesigen Fisch, was mich schnell auftauchen liess. Der Bademeister reagierte auf mein Rufen sofort. Mit einem Kopfsprung tauchte er ab und brachte einen Toten herauf. Das war mir dann Grusel pur.

Toll finde ich auch, wie du im Text kleine, feine Hinweise dariuf einstreust, dass sie sich verwandeln wird,

Da die Handlung ihr eine einsame Position diktierte, ein Austausch mit andern Personen nicht gegeben war, schien mir dies die Möglichkeit es darzustellen.

Was mir auch gut gefällt, das ist, wie du dafür gesorgt hast, dass die Logik intern eine gewisse Folgerichtigkeit aufweist.

Ja, das war mir ein Knackpunkt, diese Ebene nicht zu verlassen, obwohl sich da manch Fantasievolles damit hätte verbinden lassen. Einen subtilen Horror sehe ich darin, dass es so Identifikation erlaubt, etwa wenn jemand zu Medizin greifen muss oder eine Hautveränderung eintritt, die man im Moment nicht bestimmen kann.

Da passt die wissenschaftliche Sprache gut rein. Ich finde auch in diesem Falle nicht, dass du da weiter hättest in die Tiefe gehen oder weiter recherchieren müssen. Für den Zweck, wenn es denn deiner war, der Verwandlung der Frau, der Jagd auf sie und ihren Reaktionen einen realsitischen Anstrick zu geben, reicht es aus meiner Sicht.

Ja, eine Vertiefung der genetischen Fragen wäre eher schwerlich spannend darzulegen, es würde den Stoff noch mehr austrocknen. Es diente einzig als Transportmittel dazu, einer solch hybriden Verwandlung eine authentische Grundlage zu liefern und die Frau, als die leidvolle Kreatur daraus, darzustellen, wie du richtig interpretiert hast. Solange sich ein solcher Prozess in einem Reagenzglas abspielt, klingt es sonderlich. Aber wenn ein Mensch als Versuchsobjekt infiziert wird, wächst das Grauen.

Und an diesem Punkt muss ich Hannibal Recht geben, da wirken auch auf mich die inneren Monolge der Frau zu sachlich. Es stimmt, sie lebt schon lange mit ihrer Erkrankung und konnte sich darauf einstellen, aber als Leserin glaube ich das irgendwie auch nicht. Gerade in dieser Geschichte fände ich den Gegensatz zwischen deiner kühlen Erzählweise und dann der eher emotional geschriebenen Denkweise der Frau in ihren Gedankenfragmenten sehr sehr spannend.

Ich werde mir das Mal überlegen. Eine stark emotional agierende Persönlichkeit würde den Mord bejahen, aber den weiteren Verlauf infrage stellen. Die innere Abspaltung des Geschehenen erscheint mir für die Prota. deshalb schon wichtig, aber vielleicht lassen sich da noch kurz aufflammende Gefühlsregungen einbringen, die nach dem teilweisen Zusammenbruch ihrer Abwehr dann noch eskalieren. Mal sehen, wie sich eine solche Kontrastierung verträgt, ohne dass sich ihr Persönlichkeitsbild zersetzt.

Ich hab mich sehr gut unterhalten und deine Geschichte gerne gelesen.
Und wie gesagt, um den nächsten See mach ich einen Bogen

Das freut mich sehr.
Bei Gewässern ist es manchmal vorteilhaft sich erst zu erkundigen, was sich so darin tummelt. Es gibt da auch kleine lästige Dinger, die ich jetzt nicht spezifizieren will, um dir deinen nächsten Badespass nicht zu verderben. :D

Es gibt noch ein paar Flüchtigkeitsschweinderl im Text

Da gehe ich dann nochmals auf die Jagd nach diesen, zugleich auch Ausschau haltend, wieweit sich durchbrechende Gefühlsblitze der Prota. einbauen lassen.

Ich danke dir herzlich für deinen aufbauenden Kommentar und auch deine Einwendung. Du weisst ja, Ideen sind wie Flöhe, sie setzen sich fest und wollen keine Ruhe geben, bis sie eliminiert sind. Also auch diese Baustelle ist nochmals in Bearbeitung.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Natürlich sind das alles Vorschläge, die ich in diesem Forum äußere. Subjektive, sogar Moment-abhängige Auffassungen.
Niemand jedoch sollte sich hinstellen und zu dem Leser (zu jedem Leser, es sei denn, der Autor wünscht sich eine bestimmte Klientel) sagen, das ist deine Auffassung, aber es stimmt so nicht. Natürlich kann er das, sicher. Wenn ich aber besser werden will (nicht vielen in diesem Forum kann ich das unterstellen, leider, aber dir, lieber Anakreon, in jedem Falle!), schaue ich mir die Argumente an, gewichte sie und ordne sie ein. Es kann immer vorkommen, dass man Argumente verwirft, aber ich als Leser habe einen vollkommen anderen Blick auf das Werk, mMn den entscheidenden Blick.

Dies hatte nicht unbedingt etwas mit dir zu tun oder deinem Werk, Anakreon, aber es brannte mir seit längerem auf der Seele.

Zweite Sache:
Wenn ich davon sprach, eine gewagte wissenschaftlich These aufzustellen, meinte ich nicht, weitere gesichterte wissenschaftliche Details rauszukramen (kann zwar nie schaden, aber den Leser nicht verwirren!). Vielmehr schwebte mir die Verknüpfung der vorhandenen Details vor, zu einem quasi-logischen Stück, bei dem man sagt: Ja, verdammt. So könnte es sein!
Du wirfst dem Leser nur ein paar Brocken hin, die man sich selber aufsammeln muss.

Weiß nicht, ob ich wirklich verständlich war, liegt mir aber - wieder mal - was an dem Stück.

Schöne Grüße noch!

 

Unter Zeitdruck hatte ich nur mal schnell in die KG.de hineingesehen, was sich Neues tat. Auch bin ich momentan prioritär daran, dem vorliegenden Stück aufgrund der Kritiken in einigen Punkten einen vertiefenden Charakter zu geben und einzelne Änderungen vorzunehmen. Da las ich deinen neuen Kommentar. Ich gestehe, im ersten Moment war ich etwas ratlos, doch da ich gleich wieder aussteigen musste, konnte ich es setzen lassen. Wie oft komme ich leider erst spät nachts dazu, es nochmals zu lesen und meine Gedanken zu ordnen.

So, lieber Hanniball,
jetzt nehme ich mir mal erst die Zeit, auf deinen Kommentar zu antworten.

Niemand jedoch sollte sich hinstellen und zu dem Leser (zu jedem Leser, es sei denn, der Autor wünscht sich eine bestimmte Klientel) sagen, das ist deine Auffassung, aber es stimmt so nicht.

Als ich diesen Satz erst isoliert las, regte sich mir der Widerspruchsgeist. Nicht dass ich die Stimmigkeit darin nicht erkannte, aber wenn es absolut gemeint wäre, würde ich meinen, so stimmt es nicht. Denn …

Es kann immer vorkommen, dass man Argumente verwirft, aber ich als Leser habe einen vollkommen anderen Blick auf das Werk, mMn den entscheidenden Blick.

Ich bin da völlig einig mit dir, dass jeder Leser seine eigene Perspektive und seine eigenen Erfahrungen hat, die ihm ein vom Autor abweichenden Blick auf dessen Werk ermöglichen. Dass ein Leser damit den entscheidenden Blick haben sollte, entspricht aber keiner der mir bekannten Theorien. Die Bilder, die uns Worte erzeugen, sind immer einmalig, unabhängig davon, ob wir den andern zu verstehen oder zu missverstehen meinen. Sprache ist eine sinnstiftende Kulturerrungenschaft, die im Dialog oder im Disput! ihre Höhen aber auch Tiefen erfährt. Daraus leitet sich bestenfalls Erkenntnis ab, die sich jedoch auch gegen den andern richten kann. Es scheint mir aber verfehlt, wollte jemand in Anspruch nehmen, den ausgedrückten Sinn besser zu verstehen, als der Sprecher selbst. Für literarisches Schaffen bedeutet dies, dass ein Autor sich bemühen muss, sein Werk so auszugestalten, dass es möglichst vielen Lesern auch in ihren eigenen Bildern verständlich und ansprechend wirkt. Es gäbe all die Literaturstreitereien über die Jahrtausende nicht, wären sich darin alle mehr einig. Ich erinnere da nur an Platon, ein begnadeter Autor, doch als Kritiker ein schrecklicher Despot, der den antiken Anakreon in den Tod verflucht hätte, wären ihre Leben nicht ein wenig zeitversetzt gewesen. Aber auch Dürrenmatt und Frisch etwa, um moderne Autoren zu nennen, überwarfen sich mit ihrem Förderer, dem namhaften Literaturkritiker Werner Weber. Solche Diskrepanzen im gegenseitigen Verständnis werden immer bestehen.

Wenn ich aber besser werden will (nicht vielen in diesem Forum kann ich das unterstellen, leider, aber dir, lieber Anakreon, in jedem Falle!), schaue ich mir die Argumente an, gewichte sie und ordne sie ein

Wenn ich diese indirekte Aussage nun richtig deute, willst du damit sagen ich sollte dies tun. Nun, ich erkenne den Widerspruch nicht. Selbstverständlich höre ich mir alle Argumente an, wenn sie mir zu neuer Erkenntnis gereichen, nehme ich sie gar freudig an, wenn sie mir niveauvoll aber dennoch nicht ausreichend sind, schätze ich doch die geleistete Auseinandersetzung mit der Materie. Manchmal entspreche ich auch einem Leserwunsch, dessen Anspruch mir nur gleichwertig scheint, dies dann mehr in Würdigung seiner Mühe.

Dies hatte nicht unbedingt etwas mit dir zu tun oder deinem Werk, Anakreon, aber es brannte mir seit längerem auf der Seele.

Es freut mich sehr, dass du dies ausgesprochen hast, da es nur so möglich ist, sich gegenseitig Erkenntnis abzugewinnen.
Ein Kontrast dazu ist vielleicht, dass ich mich selbst immer bemühe, die Aussage des Autors zu verstehen, dessen Werk ich rezensiere, und möglichst erst nachher das sich mir ergebene Bild kritisch werte. Ob mein Blick darauf dann immer wirklichkeitsnaher ist als jener des Autors, das wage ich, zu bezweifeln. Aber vielleicht gibt es ihm einen Impuls, der ihm ermöglicht noch etwas hervorzuheben, das den Sinn vertieft.

Zweite Sache:

Vielmehr schwebte mir die Verknüpfung der vorhandenen Details vor, zu einem quasi-logischen Stück, bei dem man sagt: Ja, verdammt. So könnte es sein!
Du wirfst dem Leser nur ein paar Brocken hin, die man sich selber aufsammeln muss.

Ich werde es auf diese Perspektive hin nochmals unter die Lupe nehmen. Ich dachte die Logik der Infizierung und Mutation sei relativ einfach aber dafür verständlich dargelegt, dass auch Leser ohne jegliche Vorkenntnis den Rückschluss ziehen könnten, doch so muss es gewesen sein. Durch die intensive Auseinandersetzung damit fehlt mir aber wahrscheinlich schon etwas die Distanz. Mal sehen, ob es mir gelingt, da noch einzubauende Verknüpfungen zu finden.

Weiß nicht, ob ich wirklich verständlich war, liegt mir aber - wieder mal - was an dem Stück.

Ich denke du hast dich klar ausgedrückt und hoffe, mir gelang es, dies richtig zu deuten. Dass dir an dem Stück etwas liegt, gereicht mir sehr zur Freude.

Also ich bemühe mich, mit dem weiteren Schliff – der in einigen Tagen folgen sollte -dem Leser näher zu kommen, wage aber nicht in meiner Unvollkommenheit nun grosse Versprechungen abzugeben.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Ergänzungen/Änderungen

Aufgrund der Kritiken habe ich einzelne Vertiefungen vorgenommen. Diese betreffen vorab das emotionale Erleben der Protagonistin, soweit mir dies in diesem Rahmen sinnvoll erschien. Des Weiteren unterlegte ich die Informationen zum Verständnis der genetischen Mutation etwas mehr, ohne aber den Unterhaltungswert zu sprengen. Über diese grundsätzlichen Ergänzungen nahm ich noch kleine Änderungen vor, die sich über die gesamte Geschichte hinziehen.

 

Hallo Anakreon!

Wenn das die Geschichte ist, von der du sagtest, sie würde mir wohl nicht gefallen, muss ich dich enttäuschen. Das Konzept, die Kombination von Wissenschaft und Spannung, gefällt mir und erinnert mich an eine Reihe Wissenschaftskrimis, (ich glaube, die wurde vom Tageblatt „Die Zeit“ herausgebracht) welche sich jeweils mit unterschiedlichen Gebieten der Naturwissenschaften beschäftigten.

Das Motiv „Hybride Wandlung“ weist in der Geschichte vorwiegend auf die damit verbundenen sozialen Aspekte, weniger auf Sabines seelische Nöte. Sabine beschäftigt sich viel mehr mit dem Tarnen ihrer Erkrankung als mit den Folgen für sie persönlich, z.B. mit der Frage, wie weit diese Wandlung fortschreiten könnte, und zwar nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrem Denken und Empfinden.
So entwickelt sich eine eher handlungsbetonte Spannungsgeschichte, die in einer wilden Verfolgungsjagd gipfelt. Aber: warum nicht. Ich fands spannend und interessant.

Tja, die Selbsttötung am Ende. Die kann ich nachvollziehen, wenn ich Sabine noch als hundertprozentigen Menschen sehe. Aber ich meine, die Reptilengene in ihr könnten doch bereits mehr verändert haben als nur Sabines Haut. Das Reptil wäre in dieser ausweglosen Situation zum Angriff übergegangen, hätte den Wagen herumgerissen und wäre mit Vollgas in die Verfolgergruppe gerast.
Die gelungene Schlussszene im Krankenhaus wäre davon unberührt, sie erhielte sogar einen noch stärkeren Effekt.

Im Text sind nur wenige Füllwörter, überflüssige Anhängsel, Kommafehler und unverständliche Stellen. Ein Paar Beispiele:

Bei Tagesanbruch steuerte sie eine grössere Stadt an, tätigte ein paar Einkäufe und liess sich bei einem Coiffeur die Haare kurz schneiden, wie sie sie früher trug.
Gegen Mittag erreichte sie dann ihr Ferienhaus.
Um nicht den Eindruck zu erwecken, die Handlung sei in der Schweiz verortet, würde ich Friseur oder Frisör schreiben. Alternativ könnte die Stadt benannt werden.
Wie sie ihre Haare früher trug, ist nicht wichtig.
Gegen Mittag erreichte sie ihr Ferienhaus. Ohne „dann“ geht’s auch.

Nach einem Bad, seit einigen Jahren entwickelte sie eine intensivere Beziehung zu Wasser, legte sie sich schlafen.
eine intensive Beziehung.
„legte sie sich schlafen“ ist hier unpassend umgangssprachlich. Legte sie sich hin, um zu schlafen.

Es gelang ihr nicht einen klaren Gedanken zu fassen, sie spürte ein dumpfes aber starkes Gefühl von Bedrohung. Mir kann es nur recht sein, wenn sie eine falsche Spur verfolgen. Doch Sicherheit und Trost gab ihr diese Überlegung nicht, auch wenn sie überzeugt war, dass man ihre Identität nicht aufdecken kann.
Dumpf aber stark ist ein Widerspruch. Der ganze Absatz scheint mir voller Widersprüchlichkeiten. Warum gibt ihr die Überzeugung, man würde sie nicht entdecken, kein sicheres Gefühl?
Es gelang ihr nicht(Komma) einen klaren Gedanken zu fassen. Diesen Fehler hast du sehr oft im Text. Besonders auffällig wirkt er an dieser Stelle:
Das Gefühl von Passanten merkwürdig angesehen zu werden,
Das Gefühl(Komma) von Passanten merkwürdig angesehen zu werden,

Da Gene teilweise die Persönlichkeit eines Wesens beeinflussen, gehen Wissenschaftler nach ersten, vorsichtigen Einschätzungen aber davon aus, dass sich diese spezielle Mutation auch im Verhalten äussern kann.
Das „aber“ ist hier fehl am Platze.

Sie vermied künftig konsequent ihren unbekleideten Körper zur Schau zu stellen und achtete darauf, dass die sichtbare Haut kosmetisch einwandfrei abgedeckt war.
Sie vermied künftig konsequent(Komma) ihren unbekleideten Körper zur Schau zu stellen …
Oder: Sie vermied künftig(Komma) konsequent ihren unbekleideten Körper zur Schau zu stellen …
Im ersten Fall ist das Wörtchen „konsequent“ überflüssig.

An der Stelle des Steissbeins begann sich die Haut, Buckelhaft zu dehnen.
Dort kann das Komma raus.

Diese Wandlung würde zunehmend ihren ganzen Körper erfassen. Die Haut an ihren Händen und Füssen zeigten auch bereits diese Anzeichen.
Hände und Füße sind zwar Mehrzahl, aber die Haut zeigt bereits Anzeichen.
Auf das „auch“ kann verzichtet werden.

Die Frau forderte erst einige Vorabinformationen, wie sich die Mutation ausweist und ob sie eine Ahnung habe,
So eine Verungung findet sich oft im Text. „Ob sie ahne“ klingt für mich besser.

Ihr Verstand signalisierte ihr,
Gefühle geben Signale, der Verstand spricht, meine ich.

Ein Wagen hinter ihr war schon dicht dran und setzte zum Überholen an, als sie sich einem Brückenpfeiler näherte. Im letzten Moment davor visierte sie die Kante an, in voller Wucht prallte das Auto mit der rechten Flanke darauf, die Karosserie wurde kreischend auseinandergerissen.
“Davor“ kann raus.
„mit voller Wucht“ klingt für mich immer so … hmmpf. Ungebremst klingt eleganter und ist hier in mehrerer Hinsicht aussagekräftiger.
„die Karosserie wurde kreischend auseinandergerissen.“ Warum der Wechsel ins Passiv? Die Karosserie riss …

Es war ein Mann in weissem Kittel,
Tja, das ist so ein Ding, was ich aus dem Stehgreif nicht schlüssig begründen kann. Ich würde schreiben: Es war ein Mann im weissen Kittel, oder: Es war ein Mann mit weissem Kittel,


Lieben Gruß

Asterix

 

Lieber Asterix

Wenn das die Geschichte ist, von der du sagtest, sie würde mir wohl nicht gefallen, muss ich dich enttäuschen.

Gemeint hatte ich die stilisierten Rosen, einen muffig-verstaubten Text um eine Familiengruft. Aber bei dem bin ich derzeit auch an einer punktuellen Vertiefung sowie der Änderung des Ausklangs, da er diesbezüglich als unzulänglich wahrgenommen wurde. Einzig, effektives Grauen zu erschaffen, das liegt mir nicht. So wird es eine Grenzüberschreitung ins Unbehagen bleiben.

Das Konzept, die Kombination von Wissenschaft und Spannung, gefällt mir und erinnert mich an eine Reihe Wissenschaftskrimis, … welche sich jeweils mit unterschiedlichen Gebieten der Naturwissenschaften beschäftigten.

Dass ich mit dem Konzept punkten konnte, freut mich sehr. Ich selbst war skeptisch, wie so etwas goutiert wird. Es entspricht an sich nicht meiner 'Arbeitstechnik', ein Thema zu wählen und darüber zu schreiben. Mir ergeht es wie Flaubert, der für sich mal formulierte, «die Geschichten drängen sich mir auf». Ich verfasse sie und schaue dann in welche Rubrik sie passen könnten. In der vorliegenden lag mir jedoch daran das TdS zu puschen, da in der vorgehenden Saison dafür nur zwei Beiträge eingingen. Also zur Animation, um einige Autoren zu reizen, das schauerliche Thema besser aufzuarbeiten, als ich es kann. – Niederträchtig, ich weiss, dafür stelle ich mich schamvoll in die Ecke.

Das Motiv „Hybride Wandlung“ weist in der Geschichte vorwiegend auf die damit verbundenen sozialen Aspekte, weniger auf Sabines seelische Nöte.

Dies wurde auch schon mehrfach beanstandet. Mir schwebte jedoch eine Figur vor, die aufgrund einer falschen Diagnose bereits ein destruktives Körperbild von sich entwickelte und deren Leid darüber die Gefühlsempfindungen stark herabsetzte. Das ermöglichte mir wie ausgeführt Schwerpunkte zu setzen, und einen relativ kurzen Inhalt einzubringen. Ansonsten wäre es mir vom Umfang her ausgeartet. Es stimmt natürlich, durch diesen Ansatz ist die Wandlung von Wahrnehmung und Denken nicht so ausgeprägt, wie sie auch in einer fortgeschrittenen Phase wäre.

So entwickelt sich eine eher handlungsbetonte Spannungsgeschichte, die in einer wilden Verfolgungsjagd gipfelt. Aber: warum nicht. Ich fands spannend und interessant.

Da bin ich froh, dass es bei dir so doch auch ankam.

Aber ich meine, die Reptilengene in ihr könnten doch bereits mehr verändert haben als nur Sabines Haut. Das Reptil wäre in dieser ausweglosen Situation zum Angriff übergegangen, hätte den Wagen herumgerissen und wäre mit Vollgas in die Verfolgergruppe gerast.

Da gebe ich dir vollkommen recht, ein angriffiger Crash hätte den Reptiliengenen entsprochen. Doch ich gewichtete hier die menschliche Verhaltensweise höher, der Kampf gegen das Untier in ihr, sollte vermeintlich gewinnen. Doch ich werde ein solch instinktives Verlangen noch einbauen, eine Variante, die sie jedoch nicht mehr nutzen konnte.

Im Text sind nur wenige Füllwörter, überflüssige Anhängsel, Kommafehler und unverständliche Stellen. Ein Paar Beispiele:

Um nicht den Eindruck zu erwecken, die Handlung sei in der Schweiz verortet, würde ich Friseur oder Frisör schreiben. Alternativ könnte die Stadt benannt werden.
Wie sie ihre Haare früher trug, ist nicht wichtig.
Gegen Mittag erreichte sie ihr Ferienhaus. Ohne „dann“ geht’s auch.

Über eine wohlklingende deutsche Berufsbezeichnung für den ‚Barbier‘ hatte ich lange nachgedacht und auch an Frisör gedacht, aber die gefiel mir nicht. Aber du hast recht, es ist den Örtlichkeiten so nicht angepasst, also Friseur. Die Füllsel werde ich auch streichen.

Zitat:
Nach einem Bad, seit einigen Jahren entwickelte sie eine intensivere Beziehung zu Wasser, legte sie sich schlafen.

eine intensive Beziehung.
„legte sie sich schlafen“ ist hier unpassend umgangssprachlich. Legte sie sich hin, um zu schlafen.

Dies passe ich auch an, klingt treffender.

Dumpf aber stark ist ein Widerspruch. Der ganze Absatz scheint mir voller Widersprüchlichkeiten. Warum gibt ihr die Überzeugung, man würde sie nicht entdecken, kein sicheres Gefühl?
Es gelang ihr nicht(Komma) einen klaren Gedanken zu fassen. Diesen Fehler hast du sehr oft im Text. Besonders auffällig wirkt er an dieser Stelle:
Das Gefühl(Komma) von Passanten merkwürdig angesehen zu werden,

Die Gefühlsausdrücke in dieser Passage werde ich nochmals überprüfen. Sie sollten schon Sabines Widersprüchlichkeiten in ihrer Wesensart ausdrücken, doch nicht den Leser verwirren.
Das unterlassene Komma ist direkt auffallend. Beim Hundertfachen lesen und ändern des Textes habe ich es nicht mehr wahrgenommen, auch wenn dies keine Rechtfertigung sein kann. Ich werde es spezifisch auf diese Aspekte nochmals durchsehen und anpassen.

Auch die andern Hinweise, die ich nicht einzeln anführte, werde ich übernehmen, da es auch in meiner Sichtweise so zutrifft.

Zitat:
Ihr Verstand signalisierte ihr,

Gefühle geben Signale, der Verstand spricht, meine ich.

Stimmt.

Zitat:
Es war ein Mann in weissem Kittel,

Tja, das ist so ein Ding, was ich aus dem Stehgreif nicht schlüssig begründen kann. Ich würde schreiben: Es war ein Mann im weissen Kittel, oder: Es war ein Mann mit weissem Kittel,

Da schliesse ich mich an.

Bevor ich die korrigierte Fassung einbringe, werde ich das Manuskript erneut und ausgeruht durchgehen, also noch um einige Stunden hinausgeschoben.

Für deinen Kommentar und die Hinweise danke ich dir herzlich.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Interessante Geschichte,

lieber Anakreon,

die mich – kurios genug – in die Sagenwelt eintauchen lässt, hat doch vor einigen Jahren ein Norbert Lönnendonker den Nachweis zu führen versucht, Jung-Siegfried könnte x-chromosomalrezessive Ichthyose gehabt haben, was zu exzessiver Schuppenbildung führt.

Bissken Kleinkram:

…, er lag rücklings quer über der Liege, den Griff eines medizinischen Instruments aus dem Hals ragend.
Da quält es uns im letzten Teil gleich mit!, aber das Instrument ist doch kein Attribut des Herrn Dr. Der Griff des „Instruments ragte [schlimstenfalls] aus dem Hals“.

Vielleicht wäre es am besteKOMMA ins Wasser zu gehen,…

Gruß

Friedel

 

Lieber Friedel

Interessante Geschichte, … die mich – kurios genug – in die Sagenwelt eintauchen lässt, hat doch vor einigen Jahren ein Norbert Lönnendonker den Nachweis zu führen versucht, Jung-Siegfried könnte x-chromosomalrezessive Ichthyose gehabt haben, was zu exzessiver Schuppenbildung führt.

Daran hatte ich wahrlich nicht gedacht, im Bemühen, mich von den Mythen der Antike klar abzugrenzen, das Nibelungenlied. Siegfried badete ja in Drachenblut, was seiner Haut eine seltsame Panzerung gegeben haben soll. Vor Lönnendonker hatte aber bereits Heinz Ritter-Schumburg einen ähnlichen Verdacht geäussert. Auch ist zu bedenken, dass bereits die Merowinger [siehe im untenstehenden Zitat] an einer inzuchtbedingten Chromosomen-X-Erbkrankheit zu leiden schienen, die Lönnendonker bei Siegfried für möglich hält.

(aus Jakob Grimm, Deutsche Mythologie, I. Band).
Als clodio Faramunds sohn mit der königin am gestade saſs sich von der sommerschwüle zu kühlen stieg ein ungeheuer (meer- schwein?) aus den wogen ergrif und überwältigte die badende königin. sie gebar darauf einen sohn seltsames ansehens weshalb er Merovig und seine nachkommen auf die das kennzeichen über gieng die Merovinge heiſsen.

Da bin ich aber froh, nicht auf Erbkrankheiten zurückgegriffen zu haben, sondern die Blutspezialität einer amerikanischen Alligatorenart zur Kunst des Fabulierens herangezogen zu haben, sonst käme ich ja beinah in Plagiatsverdacht.

Aber schön, dass du mich mit diesem Gleichnis auch an diese Variante erinnert hast, sie belebte mir auch die Meerschweinchen wieder. Wobei solche in der Geschichte, mir glattwegs einen Verweis und möglicherweise Verschiebung in die Rubrik Humor eingetragen hätte, was nicht sein darf. Hier geht es um eine todernste Sache, den Spott überlasse ich dem 'Boulevard', wie in der Geschichte angeführt.

Der Griff des „Instruments ragte [schlimstenfalls] aus dem Hals“.

Deinem Gespür entgeht doch keine Spitze, doch stimme ich zu, der Jäger war kein Schwertschlucker, also ragt der Griff künftighin aus dem Hals.

Vielleicht wäre es am besteKOMMA ins Wasser zu gehen,…

Na so tragisch darf man es nicht nehmen, etwas Baldrian einnehmen und statt ins Koma zu fallen, ein Komma setzen, dann sieht die Welt doch gleich wieder heiler aus.

Danke dir für deinen Kommentar, der mir weitere heitere Gedanken zu früher Stunde erschuf, und deine Hinweise, die ich gleich umsetzte. Schön, dass die Geschichte dein Interesse fand.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Da ist man ja durch den Fleiß der Vorredner nahezu beschäftigungslos geworden,

lieber Anakreon.

Sicherlich badete Siegfried im Blut, zudem nahm er aber auch eine Art Medizin ein (aß er nicht vom Herz Fafbirs?) und konnte dann die Sprache der Vögel verstehen. Eine Lanze für die Naturheilkunde!

Gruß

Friedel

 

Also eine Lanze für die Naturheilkunde sehe ich in meiner Geschichte nicht, eher die reale Tragik derer Grenzen,

lieber Friedel,

Doch diese andere Sichtweise mag daran liegen, dass du ein wenig zu undifferenziert an einem wagnerianischen Siegfried-Bild hängst, das in diesem Zusammenhang nur äusserst vage Parallelen hat. Wobei es natürlich durchaus legitim ist, dass der Leser sich auch eigene Bilder schafft, wenn die Fantasie ihn beflügelt.
Um die Leser meiner Geschichte nun aber nicht zu verwirren, kurz was die Genmutation bei Sabine Howald ganz entschieden, von dieser Heldenepos-Passage unterscheidet:
Dass Siegfried das Herz ass, bewirkte keine genetische Transition, er wurde nicht zu einem Drachen (noch zu einem Vogel). Seine Panzerung war magische Allegorie, vermeintliche Unverletzbarkeit antönend. Ich gehe davon aus, dass bei dieser spät eingebrachten Passage am Mythos diesbezüglich auf andere, ältere Sagen zurückgegriffen wurde. Krankheitsbedingte Körperveränderungen, welche sich eben auch magisch besetzen liessen, waren seit der Antike bekannt.
In der Geschichte um Sabine Howald besteht ein grundsätzlich anderer Ansatz, nicht an Legenden oder einer Erbkrankheit anknüpfend. Ihr Schicksal, das so meines Wissens keine Vorläufer kennt, ist nur unter modern-zivilisatorischer Entwicklung nachvollziehbar und mit dem Stoff Alligacin logisch und plausibel unterlegt.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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